VfGH G222/2020

VfGHG222/202025.9.2020

Keine Verfassungswidrigkeit des Wortes "rechtzeitig" in einer Bestimmung des ZustellG betreffend die Hinterlegung eines Dokuments bei Abwesenheit; Möglichkeit, rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen, hinreichend klar bestimmt

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
ZustellG §17 Abs3
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:G222.2020

 

Spruch:

I. Soweit sich der Antrag gegen das Wort "rechtzeitig" in §17 Abs3 letzter Satz Zustellgesetz, BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 5/2008, richtet, wird er abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien,

"im §17 Abs3 Zustellgesetz i.d.F. BGBl I Nr 5/2008 die Wendung 'Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des §13 Abs3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte,' als verfassungswidrig aufzuheben.

 

In eventu wird beantragt, im §17 Abs3 Zustellgesetz i.d.F. BGBl. I Nr 5/2008 das Wort 'rechtzeitig' als verfassungswidrig aufzuheben.

 

In eventu wird beantragt, im §17 Abs3 Zustellgesetz i.d.F. BGBl I Nr 5/2008 die Wortfolge 'Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des §13 Abs3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.' als verfassungswidrig aufzuheben."

 

II. Rechtslage

1. Die §§16 und 17 Zustellgesetz (ZustellG), BGBl 200/1982 idF BGBl I 5/2008, lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Ersatzzustellung

 

§16. (1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des §13 Abs3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

 

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.

 

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

 

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

 

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des §13 Abs3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

 

Hinterlegung

 

§17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des §13 Abs3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

 

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des §13 Abs3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

 

2. §7 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, lautet wie folgt:

"2. Hauptstück

Verfahren

 

1. Abschnitt

Beschwerde

 

Beschwerderecht und Beschwerdefrist

 

§7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.

 

(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

 

(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

 

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art130 Abs2 Z1 B‑VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art130 Abs1 Z2 B‑VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

 

1. in den Fällen des Art132 Abs1 Z1 B‑VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

 

2. in den Fällen des Art132 Abs1 Z2 B‑VG dann, wenn der Bescheid dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat,

 

3. in den Fällen des Art132 Abs2 B‑VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung, und

4. in den Fällen des Art132 Abs5 B‑VG dann, wenn der Bescheid dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom 20. Mai 2019 stellte der Magistrat der Stadt Wien fest, dass dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht ein Rückstandsausweis von insgesamt € 6.905,93 zu Recht vorgeschrieben wurde. Am 23. Mai 2019 erfolgte ein Zustellversuch dieses Bescheides an der Abgabestelle des Beschwerdeführers. Da der Beschwerdeführer nicht angetroffen wurde, wurde das Dokument am selben Tag im Postamt hinterlegt und ab Freitag, den 24. Mai 2019, zur Abholung bereitgehalten. Das Postamt hatte samstags geöffnet; das Dokument hätte daher auch am 25. und dann wieder ab 27. Mai 2019 behoben werden können. Der Beschwerdeführer hat nachgewiesen, dass er zwischen 22. und 27. Mai 2019 im Ausland war und erst am 27. Mai 2019 wieder an seine Abgabestelle zurückkehrte, wo er von der Hinterlegung und der Abholmöglichkeit ab 24. Mai 2019 Kenntnis erlangte. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, dass die Zustellung durch Hinterlegung auf Grund seiner vorübergehenden Abwesenheit von der Abgabestelle erst mit dem auf seine Rückkehr folgenden Werktag, sohin dem 28. Mai 2019, erfolgt sei.

2. Das Verwaltungsgericht Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, im Wesentlichen wie folgt dar (die Fußnoten wurden überwiegend in eckigen Klammern an der betreffenden Stelle in den Fließtext eingefügt):

"II.1) Präjudizialität:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Antrag i.S.d. Art140 Abs1 Z1 B‑VG (nur) dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückzuweisen, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl bspw. VfGH 9.3.2016, G447/2015 ua, mwN).

 

Im gegenständlichen Fall wurde vom Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk vom 20.5.2019, GZ: 728431-2018, erhoben. Gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art131 Abs1 B‑VG i.V.m. §3 Abs2 Z1 VwGVG ist das Verwaltungsgericht Wien zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde zuständig, weil die belangte Behörde ihren Sitz in Wien hat, und die vollzogene Angelegenheit weder im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung zu vollziehen ist, noch durch Gesetz ein Rechtszug zum Bundesverwaltungs- oder Bundesfinanzgericht eröffnet worden ist.

Das Verwaltungsgericht Wien hat §17 Abs3 ZustellG bei seiner Entscheidung im Anlassfall jedenfalls anzuwenden, weil der Beschwerdeführer im Wesentlichen moniert, dass die wirksame Zustellung durch Hinterlegung aufgrund seiner vorübergehenden Abwesenheit von der gegenständlichen Abgabestelle[Bei dieser Abgabestelle handelt es sich um die Abgabestelle einer Wohnung i.S.d. §2 Abs1 Z4 ZustellG.] nicht bereits am 24.5.2019, sondern erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Werktag rechtswirksam erfolgt sei. Dabei hat der Beschwerdeführer nachgewiesen, bereits vor dem Zustellversuch des gegenständlichen Schriftstücks die Abgabestelle verlassen zu haben und erst am 27.6.2019 an die Abgabestelle wieder zurückgekehrt zu sein.

Je nach Auslegung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' des §17 Abs3 ZustellG ist die anhängige Beschwerde wegen Verspätung zurückzuweisen ist oder nicht.

Im Falle der Aufhebung der gegenständlich angefochtenen Bestimmung gemäß dem Hauptantrag und gemäß dem ersten Eventualantrag würde die gegenständliche Beschwerde nicht zurückgewiesen werden, sondern nach Durchführung des gebotenen Ermittlungsverfahrens eine meritorische Entscheidung ergehen.

Im Falle der Aufhebung der gegenständlich angefochtenen Bestimmung gemäß dem zweiten Eventualantrag würde die gegenständliche Beschwerde wegen Verspätung zurückgewiesen werden.

 

11.2) Anfechtungsumfang:

[…]

1.3. Im Lichte der […] höchstgerichtlichen Judikatur erachtet das Verwaltungsgericht Wien den mit gegenständlichem Hauptantrag gewählten Anfechtungsumfang als weder zu weit noch zu eng bemessen. Insbesondere entstünde bei Aufhebung der Wendung 'Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des §13 Abs3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte,' deshalb keine Schwierigkeit hinsichtlich der Anwendung der im Rechtsbestand verbleibenden Teile des Gesetzes, da diesfalls verbliebene Wortfolge des letzten Satzes des §17 Abs3 ZustelIG lauten würde:

'Doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.'

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den im Primärantrag gestellten Anfechtungsumfang als zu weit bemessen einstuft, wurde der erste Eventualantrag gestellt.

Der zweite Eventualantrag wurde für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Primärantrag als zu eng gefasst qualifiziert, eingebracht.

[…]

IV) Auslegungsvarianten der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte'

 

IV.1) durchgängige Qualifizierung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' als inhaltlich unbestimmbar durch die Lehre:

[…]

IV.2) Auslegungsvarianten des Begriffs 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' durch anerkannte Auslegungsautoritäten:

 

IV.2.1) auf die Situation von werktags erst abends in die Wohnung zurückkehrenden Vollzeitberufstätigen abstellende Auslegung des Begriffs 'rechtzeitig' durch den Obersten Gerichtshof und eines Teils der Senate des Verwaltungsgerichtshofs, eines Teils der Lehre sowie des derzeit für alle Finanzbehörden verbindlichen Erlasses des Finanzministeriums:

 

IV.2.1.1) Judikatur des Obersten Gerichtshofs:

Soweit erkennbar legt der Oberste Gerichtshof die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' im §17 Abs3 ZustellG wie auch im §16 Abs5 ZustellG seit dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes in ständiger Judikatur entweder nach der Auslegungsvariante der Maßgeblichkeit der Maßstabsfigur eines vollerwerbstätigen und werktags erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Beschäftigten[…] oder aber entsprechend der nachfolgend dargestellten dritten höchstgerichtlichen Auslegungsvariante (daher der dem grammatikalischen Bedeutungsgehalt der Worte 'rechtzeitig' und 'Zustellvorgang' und dem historischen Gesetzgeberwillen folgenden Auslegungsvariante)[Vgl. OGH 1.7.1987, ZI. 3 Ob 515/97; 31.1.2013, 6 Ob 154/12h; konkludent OGH 19.9.1984, 1 Ob 654/84; 17.4.1986, 8 Ob 552/86; 28.4.1988, 8 Ob 550/88; 9.10.1990, 5 Ob 599/90; 12.9.1991, 6 Ob 602/91; 18.12.1991, 1 Ob 632/91; 7.10.1992, 1 Ob 615/92; 25.1.1995, 3 Ob 6/95; 22.10.1997, 9 Ob 346/97s; 27.5.2004, 8 Ob 103/03k] aus.

 

IV.2.1.1.1) Rechtssatz des Obersten Gerichtshofs:

Nach dieser nun zu besprechenden Auslegungsvariante der Maßgeblichkeit der Maßstabsfigur eines vollerwerbstätigen und werktags erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Beschäftigten ist dann von einer 'Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' auszugehen, wenn dem Empfänger nach der frühestmöglichen Kenntniserlangung von der erfolgten Übergabe eines Schriftstücks an einen Ersatzempfänger bzw von der Hinterlegung eines Schriftstücks noch (exakt) mindestens jener Zeitraum für die Erhebung eines Rechtsmittels zur Verfügung steht, als dies auch einem vollerwerbstätigen und werktags erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Beschäftigten zur Verfügung stehen würde.

Mit anderen Worten ist dann von der Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang auszugehen, wenn nach der Rückkunft an die Abgabestelle der frühestmögliche Zeitpunkt der Erlangung des zugestellten Schriftstücks nicht später liegt als der hypothetische Zeitpunkt der frühestmöglichen Erlangung des Schriftstücks durch einen vollerwerbstätigen und werktags erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Beschäftigten.

Dies wird damit begründet, dass es unsachlich wäre, den zum Zeitpunkt des Hinterlegungsversuchs (nicht bloß tagsüber) ortsabwesenden Schriftsatzadressaten besser zu stellen, als einen Empfänger, welcher berufsbedingt unter Tags von seiner Abgabestelle abwesend (und damit nicht vorübergehend ortsabwesend) gewesen war.

Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Vollzeitberufstätigkeit der Fall einer Zustellung durch Hinterlegung gewesen wäre, so ist als Zustellzeitpunkt der Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks (im Falle der Zustellung durch Hinterlegung) oder der Zeitpunkt der Ausfolgung des Schriftstücks an den Ersatzempfänger (im Falle der Zustellung durch Ersatzzustellung) anzusehen.

Nach dieser Judikatur erlangt ein Empfänger sohin nur dann 'rechtzeitig Kenntnis, wenn er nicht in der Lage war (gewesen wäre), auf die Sendung zum selben Zeitpunkt zu reagieren, zu dem der Empfänger üblicherweise reagieren hätte können, dem nach dem Willen des Gesetzgebers durch Hinterlegung zugestellt werden durfte.'[Vgl. OLG Wien 21.10.1998, ZI. 7 Ra 304/98x mwN]

Den Begriff 'rechtzeitig' im Sinne des §16 Abs5 ZustellG bzw im Sinne des §17 Abs3 ZustellG versteht der Oberste Gerichtshof daher dahingehend, dass dem ortsabwesend gewesenen Empfänger (jedenfalls) noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, welcher auch einem fiktiven, berufsbedingt nur tagsüber von der Abgabestelle Vollerwerbstätigen zur Verfügung stehen würde.

Wenn daher der ortsabwesend gewesene Empfänger durch die Hinterlegung bzw Schriftsatzübergabe an den Ersatzempfänger nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung oder durch Ersatzzustellung als ordnungsgemäß angesehen werden, sodass es zu keiner Heilung i.S.d. §17 Abs3 ZustellG bzw i.S.d. §16 Abs5 ZustellG kommt.[Vgl. OGH 16.2.1984, 7 Ob 511/84; 19.9.1984, 1 Ob 630/84; 11.10.1984, 7 Ob 636/84; 16.1.1985, 1 Ob 716/84; 19.3.1992, 7 Ob 519/92; 22.12.1992, 8 Ob 654/92; 16.4.1993, 5 Ob 513/93; 18.12.1997, 2 Ob 265/97b; 13.7.1998 7 Ob 180/98s; 12.11.2002, 10 ObS 346/02h; 18.9.2003, 8 ObA 61/03h; 18.10.2007, 2 Ob 96/07t]

Nach dieser Auslegungsvariante kann von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang durch den Empfänger dann nicht mehr die Rede sein, wenn diesem die wahrzunehmende Rechtsmittelfrist nicht ungekürzt oder zumindest nicht nahezu ungekürzt zur Verfügung steht. Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu dieser Auslegungsvariante kann jedenfalls bei einer Verzögerung der Kenntniserlangung von einer erfolgten Zustellung um mehrere Tage nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang die Rede sein.[Vgl. OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; 25.8.1994, 2 Ob 568/94; 28.2.2012, 80b12/12s]

Folglich ist nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs etwa eine Kenntniserlangung von der erfolgten Hinterlegung bzw von der erfolgten Übergabe des Schriftstücks an den Ersatzempfänger, die erst drei Tage nach dem, dem Hinterlegungstag folgenden Bereithaltungstag bzw erst vier Tage nach der erfolgten Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger erfolgt, nicht mehr als rechtzeitig im Sinne des §16 Abs5 ZustellG anzusehen.[Vgl. OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; 12.11.2002, 10 ObS 346/02h; 18.9.2003, 8 ObA 61/03h]

 

IV.2.1.1.2) Auslegungsdivergenz innerhalb der Judikatur des Obersten Gerichtshofs:

 

IV.2.1.1.2.1) strenge Auslegung dieses Rechtssatzes durch den Obersten Gerichtshof:

Wenn man diesen Rechtssatz des Obersten Gerichtshofs streng auslegt und insbesondere sich den konkreten Anlassfall für die Bildung dieser Judikatur vor Augen hält[Anm: Darlegung des Sachverhalts von OGH 16.2.1984, ZI. 7 Ob 511/84], ist nach dieser Auslegungsvariante klar bestimmbar, wann exakt nicht mehr von einer Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellversuch auszugehen ist.

Nicht mehr rechtzeitig vom Zustellvorgang kann ein Schriftstückempfänger demnach nur dann nicht Kenntnis erlangen, wenn der Schriftstückadressat zum Zeitpunkt der Hinterlegung bzw zum Zeitpunkt der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger (nicht nur tagsüber) ortsabwesend gewesen war, und dieser Schriftstückadressat nicht schon vor dem der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger bzw der dem Hinterlegungstag nächstfolgenden Schriftstückabholungstag an die Abgabestelle wieder zurückgekehrt ist.

Schlagend wird diese strenge Auslegung dieser Auslegungsvariante daher nur in zwei eher untypischen Konstellationen, nämlich erstens der Konstellation der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks bereits am Hinterlegungstag und der Rückkehr bereits am Hinterlegungstag bzw Schriftstückübergabetag und zweitens der Konstellation, dass das Schriftstück an dem dem Hinterlegungstag folgenden Tag nicht von der Post abgeholt werden kann. Nur in diesen Fällen erlangt nämlich der zurückgekehrte Schriftstückadressat nicht später als ein fiktiver Vollerwerbstätiger das zuzustellende Schriftstück; denn in der erstgenannten Konstellation kann der Adressat auch an dem der Hinterlegung bzw der Schriftstückübergabe nächstfolgenden Kalendertag das Schriftstück erlangen[…], und in der zweitgenannten Konstellation ist die Abholung ohnedies auch dem ortsabwesend gewesenen Empfänger am dem Hinterlegungstag nächstfolgenden Abholtag möglich.

Konsequent dieser Sichtweise folgend erlangt ein Empfänger daher in dem Fall, dass dieser nicht nur am Tag der Hinterlegung des Schriftstücks, sondern auch noch an dem Hinterlegungstag folgenden nächsten Abholtag ortsabwesend ist, nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis, sodass diesfalls die Heilungsbestimmung des §17 Abs3 ZustellG zur Anwendung gelangt.[Vgl. OGH 16.4.1993, 5 Ob 513/93; 18.12.1997; 2 Ob 265/97b; konkludent OGH 12.4.1984, 8 Ob 538/84]

Dagegen findet für den Fall einer erfolgten Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger diese strenge Auslegung dieser Auslegungsvariante nur dann eine Anwendung, wenn der Schriftstückadressat am Tag der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger nicht bloß tagsüber von der Abgabestelle ortsabwesend war (daher schon zumindest einen vollen Tag ortsabwesend gewesen ist), und der Schriftstückadressat just an diesem Tag der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. In diesem Fall liegt nämlich nicht bloß eine Ortsabwesenheit am Schriftstückübergabetag bloß während des Tages vor, sodass diesfalls die Judikatur der Unbeachtlichkeit der Ortsabwesenheit bloß tagsüber[…] keine Anwendung findet. Nach dem strikten Wortlaut würde diesfalls daher ein Anwendungsfall des Heilungstatbestands des §16 Abs5 ZustellG vorliegen, sodass für diesen von einer längeren Abwesenheit zurückgekehrten Adressaten das Schriftstück erst an dem der Schriftstückübergabe nächstfolgenden Kalendertag wirksam zugestellt wäre, was diesen Empfänger im Vergleich zu einem bloß während des Tags ortsabwesend gewesenen Empfänger um einen Tag bevorteilen würde.

Somit kommt die strenge Auslegung dieser Auslegungsvariante stets zu einem vorhersehbaren und stets exakt gleich bestimmbaren Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zustellung, und ist daher bei Zugrundelegung dieser Auslegung die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' und der damit implizit vom Gesetzgeber normierten Zusatzvorgabe des Vergleichs mit der Situation eines typischen, erst abends in die Wohnung zurückkehrenden Vollerwerbstätigen im Sinne der Vorgabe des Art18 Abs1 B‑VG ausreichend bestimmt.

Ein großer Teil der diese Auslegungsvariante favorisierenden Judikatur[Vgl. etwa explizit OGH 22.12.1992, 8 Ob 654/92; 18.10.2007, 2 Ob 96/07t] des Obersten Gerichtshofs folgt dieser strengen Auslegung dieser Auslegungsvariante.

 

IV.2.1.1.2.2) Unbestimmbarkeit des Zustellungszeitpunkts in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs:

Aus vom Obersten Gerichtshof nicht dargelegten Gründen, weicht dieser von der klaren und strengen Auslegung seines eigenen Rechtssatzes mitunter ab. In vielen Entscheidungen wird nämlich auch noch dann von einer Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang ausgegangen, wenn der Zurückkehrende nicht in der Lage war, das Schriftstück bereits an dem Tag, an welchem ein Vollerwerbstätiger das Schriftstück abholen hätte können, abzuholen.[Vgl. etwa OGH 12.4.1984, 8 Ob 538/84; 1.7.1987, 3 Ob 22/87; 27.6.1991, 7 Ob 569/91; 11.4.1992, 6 Ob 502/91; 28.4.2000, 2 Ob 107/00z; 28.2.2012, 8 Ob12/12s; 28.3.2012, 8 Ob 27/12x; 31.1.2013, 6 Ob 154/12h; 22.5.2014, 1 Ob 92/14g; 25.9.2019, 1 Ob 126/19i; konkludent OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; 12.11.2002, 10 ObS 346/02h; 18.9.2003, 8 ObA 61/03h] Doch ist jedenfalls zu konstatieren, dass in keiner dieser Entscheidung der Obersten Gerichtshof auch noch im Fall einer Rückkunft nach dem zweiten (!!!) der Hinterlegung folgenden Abholtag (und damit im Falle einer frühestmöglichen Abholung erst am dritten der Hinterlegung folgenden Abholtag) von einer rechtzeitigen Kenntnisnahme des Zustellvorgangs ausgegangen ist.

Dass der Oberste Gerichtshof jedenfalls im Fall einer Rückkunft nach dem zweiten der Hinterlegung folgenden Abholtag nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntnisnahme des Zustellvorgangs ausgeht, lässt sich auch aus den Judikaten ersehen, in welchen der Oberste Gerichtshof im Falle einer Rückkunft erst drei Kalendertage nach dem dem Hinterlegungstag folgenden Bereithaltungstag bzw erst vier Kalendertage nach der Schriftsatzübergabe an den Ersatzempfänger eine rechtzeitige Kenntnisnahme des Zustellvorgangs negiert.[Vgl. OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; 12.11.2002, 10 ObS 346/02h; 18.9.2003, 8 ObA 61/03h]

Es ist daher davon auszugehen, dass die Judikatur des Obersten Gerichtshofs (lediglich) insoweit zu einem nicht klar bestimmbaren Zustelltag (Wirksamkeitsbeginn der Zustellung) führt, als der Oberste Gerichtshof mitunter nicht nur dann von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang ausgeht, wenn der Adressat am Tag der Hinterlegung bzw am Tag der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger an die Abgabestelle zurückkehrt, sondern auch noch von dieser Rechtzeitigkeit ausgeht, wenn der Empfänger erst am zweiten der Hinterlegung folgenden Abholtag, zurückkehrt, was im Falle der Hinterlegung an einem Donnerstag - bei Nichtvorliegen von Feiertagen - zu einer Rechtsmittelfristverkürzung von bis zu vier Kalendertagen führen kann.[…]

Damit ist aber zu konstatieren, dass der Oberste Gerichtshof diese Auslegungsvariante regelmäßig ohne ersichtlichen Grund in völlig unterschiedlicher Weise ausgelegt.

Diese Unbestimmbarkeit der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis' i.S.d. Art18 Abs1 B‑VG scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass die gegenständliche Auslegungsvariante sich auf keinen Gesetzeswortlaut stützen kann, daher das Ergebnis der freien Rechtsfortbildung des Obersten Gerichtshofs ist.

Mangels jeglicher gesetzlicher Determination dieser Auslegungsvariante ist daher auch der Oberste Gerichtshof bislang im Hinblick auf die Frage der vorhersehbaren Bestimmbarkeit des Zeitpunkts der Zustellung eines Schriftstücks im Falle der (nicht nur während der Tagesstunden bestehenden) Ortsabwesenheit des Empfängers zum Zeitpunkt des (einzigen) Zustellversuchs im Rahmen einer RSb‑Zustellung bislang nicht in der Lage gewesen klarzustellen, nach welchem überprüfbaren Kriterium zu ermitteln ist, dass im Hinblick auf eine während des Zustellversuchs vorgenommene Schriftsatzübergabe an einen Ersatzempfänger bzw im Hinblick auf eine sodann erfolgte Hinterlegung ein großer Teil der Bevölkerung infolge seiner Berufstätigkeit das zuzustellende Schriftstück erlangen würde.

So legt der Oberste Gerichtshof zwar in vielen seiner Entscheidungen die naheliegende Sicht zugrunde, dass ein Vollzeitbeschäftigter zum ihm ehestmöglichen Zeitpunkt das Schriftstück beim Postamt behebt bzw vom Ersatzempfänger ausgehändigt erhält.

Mitunter setzt der Oberste Gerichtshof aber auch einen (deutlich) späteren Tag als diesen ehestmöglichen Schriftstückerlangungstag als den Tag der üblichen Schriftstückerlangung durch solch eine fiktive Maßfigur fest, mit der jeweils fatalen Vernichtung der Rechtsmittelerhebungsbefugnis des Empfängers.

Dazu kommt, dass in der österreichischen Rechtsordnung durch keine Regelung mit hinreichender Deutlichkeit das Verhalten eines typischen, werktags erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Vollerwerbstätigen im Falle des Vorfindens einer Hinterlegungsnachricht in seiner Abgabeeinrichtung bestimmt wird.

So ist bekannt, dass viele durchschnittliche Empfänger (auch Vollerwerbstätige) gar nicht so interessiert sind, vom Inhalt des Schreibens Kenntnis zu erlangen, und daher mitunter erst viele Tage nach dem Vorfinden der Hinterlegungsnachricht sich die Zeit nehmen, das Schriftstück auch wirklich vom Postamt abzuholen. Vielleicht ist dieser Erfahrungswert der Grund, dass der Oberste Gerichtshof wiederholt davon ausgeht, dass ein durchschnittlicher Vollerwerbstätiger nicht zu dem, dem Empfang der Hinterlegungsnachricht nächstmöglichen Zeitpunkt versuchen wird, das Schriftstück abzuholen.

Letztlich hängt es daher vom Zufall ab, welcher dieser unterschiedlichen Bestimmungsmethoden des hypothetischen Kenntniserlangungszeitpunkts des großen Teils der Bevölkerung der jeweilige Senat des Obersten Gerichtshofs den Vorzug gibt.

Damit ist aber offenkundig, dass es auch nach dieser Auslegungsvariante des Obersten Gerichtshofs nicht möglich ist, mit einer ausreichenden Klarheit zu bestimmen, wann im Falle einer (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit des Empfängers während des (einzigen) Zustellversuchs im Rahmen einer RSb-Zustellung der an die Abgabestelle wieder zurückkehrende Empfänger noch rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen kann, und sohin wann der Heilungstatbestand des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG zur Anwendung gelangt.

Damit ist auch nach dieser Auslegungsvariante die Wendung 'vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' nicht im Sinne der Vorgaben des Art18 Abs1 B‑VG ausreichend klar bestimmbar (auf die nachfolgenden Ausführungen wird verwiesen).

 

IV.2.1.1.3) Unvereinbarkeit der auf die Vollerwerbstätigkeit abstellenden Auslegungsvariante zur auf die Rechtsmittelrestfrist abstellenden Auslegungsvariante:

Wie unvereinbar diese Auslegungsvariante zur (nachfolgend dargelegten) lediglich von einem Teil der Senate des Verwaltungsgerichtshofs favorisierten Auslegungsvariante der Abstellung auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Möglichkeit zur Erhebung eines Rechtsmittels ist, lässt sich schon daran erkennen, dass der Oberste Gerichtshof sich mit dieser erstmals von Berchtold vertretenen Auslegungsvariante auseinandergesetzt hat, und diese Auslegungsvariante Berchtolds entschieden abgelehnt hat.[Vgl. bereits die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der ersten, die gegenständliche Auslegungsvariante vertretenden Entscheidung OGH 16.2.1984, ZI. 7 Ob 511/84; Vgl. dazu etwa auch die Ausführungen in VwGH 9.7.1992, 91/16/0091; In diesem Sinne etwa auch VwGH 9.7.1992, 91/16/0091; 6.10.2015, Ra 2015/08/0119]

 

IV.2.1.2) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs:

 

IV.2.1.2.1) Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs:

Faktisch wörtlich gleich lautet der ebenfalls dieses Auslegungsergebnis favorisierende Judikaturstrang des Verwaltungsgerichtshofs. In einheitlicher und ständiger Judikatur (seit Erlassung des Zustellgesetzes) legt dieser in den Entscheidungen, in welchen diese Auslegungsvariante der Maßgeblichkeit der Maßfigur des Vollerwerbstätigen favorisiert wird, die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis" im §17 Abs3 ZustellG wie auch im §16 Abs5 ZustellG (scheinbar[…]) gleich aus, wie die dieselbe Auslegungsvariante favorisierenden Senate des Obersten Gerichtshofs.[Vgl. VwGH 13.4.1989, 88/06/0140; 9.7.1992, 91/16/0091; 15.7.1998, 97/13/0104; 9.11.2004, 2004/05/0078; 24.5.2007, 2006/07/0101; 20.10.2010, 2007/08/0210; 25.4.2014, 2012/10/0060; 26.6.2014, 2013/03/0055; 26.5.2015, Ro 2015/01/004; 25.6.2015, Ro 2014/07/0107; 22.12.2016, Ra 2016/16/0094; 17.8.2017, Ra 2017/11/0211; 20.12.2017, Ra 2017/03/0052; konkludent VwGH 6.3.1997, 96/09/0392]

Wie nachfolgend aufgezeigt, weicht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' mitunter deutlich von der des Obersten Gerichtshofs ab, sodass der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig Ortsabwesenheiten, welche nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs explizit das Vorliegen einer rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang ausschließen, als rechtzeitige Kenntnisnahmen vom Zustellvorgang qualifiziert.

Zudem divergieren die Ergebnisse des Verwaltungsgerichtshofs zur gegenständlichen Auslegungsvariante gravierend von den Ergebnissen des Verwaltungsgerichtshofs zur auf die Rechtsmittelrestdauer abstellenden Auslegungsvariante. Diese Divergenzen dürften auch dem Verwaltungsgerichtshof aufgefallen sein, zumal so erklärlich wird, warum der Verwaltungsgerichtshof mitunter den obreferierten Rechtssatz des Obersten Gerichtshofs dahingehend abwandelt, als ohne Begründung nicht bloß ein Zeitunterschied zur frühestmöglichen Abholmöglichkeit eines Vollzeiterwerbstätigen, sondern plötzlich nur mehr ein SIGNIFIKANTER Zeitunterschied zur frühestmöglichen Abholmöglichkeit eines Vollzeiterwerbstätigen für die Annahme des Nichtvorliegens einer rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang gefordert wird.[Vgl. etwa VwGH 25.6.2015, Ro 2014/07/0107; 22.12.2016, Ra 2016/16/0094] Damit wird aber die ohnehin schon enorme Unbestimmtheit dieses Rechtssatzes im Hinblick auf die Vorgaben des Art18 Abs1 B‑VG nochmals in völlig zusätzlich unbestimmbarer Weise durch den unbestimmbaren Bedeutungsgehalt des Wortes 'signifikant' gesteigert.

 

IV.2.1.2.2) Auslegungsdivergenzen innerhalb der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs:

Doch auch die Senate des Verwaltungsgerichtshofs, welche im Einzelfall dieser Auslegungsvariante des Begriffs 'rechtzeitig' folgen, haben nicht klargestellt, nach welchem überprüfbaren Kriterium zu ermitteln ist, dass im Hinblick auf eine bestimmte Ersatzzustellung oder Hinterlegung ein großer Teil der Bevölkerung infolge seiner Berufstätigkeit Kenntnis vom zustellten Schriftstück erlangen würde.

Im Gegensatz zur ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshof beschränkt sich aber der Zeitraum der unbestimmbaren Willkürlichkeit der Festsetzung des Endes der 'Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' nicht bloß auf zwei Schriftstückerlangungstage (und damit häufig vier Kalendertage), sondern vielmehr sogar auf vier Schriftstückerlangungstage (und damit häufig sechs Kalendertage).

Faktisch alle Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs legen die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' in einer Weise aus, dass nicht im Vorhinein bzw eindeutig bestimmbar ist, an welchem Tag im Falle einer (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des (einzigen) Zustellversuchs bei einer RSb-Zustellung das Schriftstück wirksam zugestellt ist.

Um das Ausmaß und die im Hinblick auf die Vorgabe des Art18 Abs1 B‑VG die Unbestimmbarkeit dieser Wendung indizierenden Judikaturdivergenzen der dieser Auslegungsvariante folgenden Verwaltungsgerichtshofsjudikate darzustellen, erscheint es geboten, im Sinne der Argumentationslinie dieser Auslegungsvariante die bislang ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu analysieren.

Folglich ist – entgegen der üblichen Thematisierung der Bandbreite der Divergenzen der zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Judikatur – nicht zentral, wie viele Abwesenheitskalendertage nach der erfolgten erstmaligen Bereithaltung eines Schriftstücks zur Abholung bzw nach der erfolgten Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger durch die jeweiligen Entscheidungen noch zu einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang führen. Dies deshalb, da - wie zuvor ausgeführt - nach dieser Auslegungsvariante unter dem Begriff 'Zustellvorgang' (contra legem) der früheste Zeitpunkt der physischen Erlangbarkeit des zuzustellenden Schriftstücks verstanden wird, und ausschließlich auf die möglichen Schriftsatzerlangungstage abgestellt wird.

Folglich sind die zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Judikate nach dem Gesichtspunkt zu analysieren, wie viele Abholtage zwischen dem Rückkehrtag und 1) dem Tag der Hinterlegung bzw 2) dem Tag der Übergabe an den Ersatzempfänger liegen können, um weiterhin vom Vorliegen der Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang ausgehen zu können. Bei dieser Analyse ist als Zusatzbedingung daher auch zu beachten, dass bei einer Zustellung durch Hinterlegung der Tag der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks i.S.d. §17 Abs3 ZustellG, welcher mit dem Hinterlegungstag zusammenfällt, nicht zu berücksichtigen ist, sodass es ausschließlich auf den Hinterlegungstag, und nicht auf den Tag der erstmaligen Bereithaltung ankommt.

Bei Zugrundelegung dieser Analysevorgabe beträgt nach der obreferierten strengen Auslegung des der gegenständlichen Auslegungsvariante zugrunde liegenden Rechtssatzes des Obersten Gerichtshofs die zulässige Tagedifferenz exakt bei NULL Tagen. Daher liegt eine rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang bereits dann nicht mehr vor, wenn der ortsabwesende Empfänger erst am Abend des Tags zurückkehrt, an welchem ein Vollerwerbstätiger erstmalig das Schriftstück erlangen könnte (das ist bei der Zustellung durch Hinterlegung der erste Abholtag und bei der Zustellung durch Ersatzzustellung der der Schriftsatzübergabe nachfolgende Kalendertag). Bereits im Falle, dass zwischen dem Tag des (einzigen) Zustellversuchs (bei einer RSb-Zustellung) und dem Rückkunftstag auch nur ein Tag liegt, kann daher der Schriftsatzempfänger nicht mehr in der Lage sein, das Schriftstück zum gleichen Zeitpunkt als ein Vollerwerbstätiger zu erlangen.

Diese komplizierte Betrachtungsweise ist deshalb geboten, da nach der die Maßfigur des Vollerwerbstätigen favorisierenden Auslegungsvariante für die Frage der Ermittlung der Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang die Kalendertage, an welchen das Schriftstück vom Rückkehrer nicht erlangt werden können, unmaßgeblich sind.

Wenn daher etwa an einem Freitag ein Schriftstück hinterlegt und zugleich auch erstmals zur Abholung bereit gehalten wird, und wenn nach diesem Freitag erstmals am nachfolgenden Montag das Schriftstück von der Poststelle abgeholt werden kann, bewirkt auch eine Rückkunft erst am Sonntag eine rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang, zumal diesfalls sowohl der Vollerwerbstätige als auch der Rückkehrende erstmals am Montag das Schriftstück erlangen können. Sohin schadet bei dieser Konstellation eine Rückkunft erst am zweiten Tag nach Hinterlegung nicht. Anders sähe es dagegen aus, wenn das Schriftstück zwar ebenso an einem Freitag hinterlegt und bereitgehalten würde, doch das Schriftstück auch am nächstfolgenden Samstag vom Postamt abgeholt werden konnte. Diesfalls wäre davon auszugehen, dass ein Vollzeitbeschäftigter bereits am Samstag das Schriftstück erstmals erlangen könnte, sodass sohin bereits eine Rückkunft nach der Postöffnungszeit des ersten, der Hinterlegung folgenden Kalendertags schaden würde, und zur Annahme einer nicht-rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang führen würde.

 

IV.2.1.2.2.1) Konstellation der Rückkunft vor dem ersten der Hinterlegung folgenden Abholtag:

Wie nicht anders zu erwarten, findet sich auch in den zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs wenigstens eine solche, welcher die Konstellation der Rückkunft des ortsabwesend gewesenen Empfängers noch vor dem ersten dem Hinterlegungstag folgenden Abholtag zugrunde gelegen ist. In dieser Entscheidung wurde, gemäß dem Rechtssatz der gegenständlichen Auslegungsvariante, von einer rechtzeitig Kenntniserlangung vom Zustellvorgang ausgegangen.[Vgl. konkludent VwGH 2.4.2014, 2013/17/0307]

Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher bislang nur ein einziges Mal eine Konstellation zu prüfen, welche auch nach der strengen Auslegung der gegenständlichen an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen orientierten Auslegungsvariante zur Annahme einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang führt. Doch gibt es kein Indiz, dass der Verwaltungsgerichtshof sich wenigstens in diesem Fall der strengen Auslegung der gegenständlichen Auslegungsvariante angeschlossen hatte, begründete der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung sein Ergebnis nicht mit dem vom Verwaltungsgerichtshof zur strengen Auslegung dieser Auslegungsvariante entwickelten Rechtssatz.

 

IV.2.1.2.2.2) Zustellzeitpunktbestimmungswillkürlichkeit im Umfang von bis zu zwei Schriftstückerlangungstagen:

In Anbetracht der strengen Auslegung der gegenständlichen Auslegungsvariante durch den Obersten Gerichtshof stellt sich die Frage, wie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aussieht, wenn die Rückkehr an dem Tag erfolgt, an welchem das Schriftstück erstmals nach dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag abgeholt werden kann. Wie zuvor ausgeführt, würde bei dieser Konstellation nach der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen sein.

Im Gegensatz zu dieser der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes folgenden Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nun aber in vielen Entscheidungen ausgesprochen, dass auch bei dieser Konstellation von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen ist.[Vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052; 2.4.2014, 2013/17/0307]

Sohin kann bei dieser Auslegungsuntervariante mitunter auch eine Ortsabwesenheit an zwei Tagen, an welchen das Schriftstück erlangt werden kann, bzw mitunter eine Ortsabwesenheit von dem Zeitpunkt der Hinterlegung folgenden drei Kalendertagen nicht die Beachtlichkeit der Heilungsbestimmung des §17 Abs3 ZustellG bzw des §16 Abs5 ZustellG (und damit die Annahme der Wirksamkeit der Zustellung an dem der Rückkunft folgenden Kalender- bzw Abholtag) zu bewirken.

 

IV.2.1.2.2.3) Zustellzeitpunktbestimmungswillkürlichkeit im Umfang von bis zu drei Schriftstückerlangungstagen:

In Anbetracht der strengen Auslegung der gegenständlichen Auslegungsvariante durch den Obersten Gerichtshof stellt sich die Frage, wie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aussieht, wenn die Rückkehr an dem dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag zweitfolgenden Abholtag, an welchem erstmals nach dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag abgeholt werden kann, erfolgt. Wie zuvor ausgeführt, würde bei dieser Konstellation nach der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen sein.

Im Gegensatz zu dieser der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes folgenden Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nun aber in vielen Entscheidungen ausgesprochen, dass auch bei dieser Konstellation von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen ist.[Vgl. VwGH 9.7.1992, 91/16/0091; 15.7.1998, 97/13/0104; 26.5.2015, Ro 2015/01/004]

Sohin kann bei dieser Auslegungsuntervariante mitunter auch eine Ortsabwesenheit an drei Tagen, an welchen das Schriftstück erlangt werden kann, bzw mitunter eine Ortsabwesenheit von dem Zeitpunkt der Hinterlegung folgenden vier Kalendertagen nicht die Beachtlichkeit der Heilungsbestimmung des §17 Abs3 ZustellG bzw des §16 Abs5 ZustellG (und damit die Annahme der Wirksamkeit der Zustellung an dem der Rückkunft folgenden Kalender- bzw Abholtag) zu bewirken.

Doch findet sich in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch die gegenteilige Rechtssicht. Denn in mehreren Judikaten von dieselbe Auslegungsvariante favorisierenden Senaten des Verwaltungsgerichtshofs wird exakt das Gegenteil aus der Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG gefolgert, und daher bei dieser Konstellation ausdrücklich die Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang verneint wird.[Vgl. VwGH 27.9.1994, 94/17/0225; 25.2.2002, 2002/17/0021; 25.2.1993, 92/18/0339]

 

IV.2.1.2.2.4) Zustellzeitpunktbestimmungswillkürlichkeit im Umfang von bis zu vier Schriftstückerlangungstagen:

In Anbetracht der strengen Auslegung der gegenständlichen Auslegungsvariante durch den Obersten Gerichtshof stellt sich die Frage, wie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aussieht, wenn die Rückkehr an dem dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag drittfolgenden Abholtag, an welchem erstmals nach dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag abgeholt werden kann, erfolgt. Wie zuvor ausgeführt, würde bei dieser Konstellation nach der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen sein.

Im Gegensatz zu dieser der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes folgenden Judikatur, hat der Verwaltungsgerichtshof nun aber in vielen Entscheidungen ausgesprochen, dass auch bei dieser Konstellation von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen ist.[Vgl. VwGH 9.7.1992, 91/16/0091; 27.9.1999, 99/17/0303; 5.10.2016, Ra 2016/10/0080]

Sohin kann bei dieser Auslegungsuntervariante mitunter auch eine Ortsabwesenheit an vier Tagen, an welchen das Schriftstück erlangt werden kann, bzw mitunter eine Ortsabwesenheit von dem Zeitpunkt der Hinterlegung folgenden fünf Kalendertagen nicht die Beachtlichkeit der Heilungsbestimmung des §17 Abs3 ZustellG (und damit die Annahme der Wirksamkeit der Zustellung an dem der Rückkunft folgenden Kalender- bzw Abholtag) zu bewirken.

Doch findet sich in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch die gegenteilige Rechtssicht. Denn in mehreren Judikaten von dieselbe Auslegungsvariante favorisierenden Senaten des Verwaltungsgerichtshofs wird exakt das Gegenteil aus der Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG gefolgert, und daher bei dieser Konstellation ausdrücklich die Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang verneint wird.[Vgl. VwGH 7.10.1993, 92/01/0864; 6.3.1997, 96/09/0392]

 

IV.2.1.2.2.5) Zustellzeitpunktbestimmungswillkürlichkeit im Umfang von bis zu fünf Schriftstückerlangungstagen:

In Anbetracht der strengen Auslegung der gegenständlichen Auslegungsvariante durch den Obersten Gerichtshof stellt sich die Frage, wie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aussieht, wenn die Rückkehr an dem dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag viertfolgenden Abholtag, an welchem erstmals nach dem Hinterlegungstag bzw dem Schriftstückübergabetag abgeholt werden kann, erfolgt. Wie zuvor ausgeführt, würde bei dieser Konstellation nach der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen sein.

Im Gegensatz zu dieser der strengen Auslegung des gegenständlichen Rechtssatzes folgenden Judikatur, hat der Verwaltungsgerichtshof nun aber in vielen Entscheidungen ausgesprochen, dass auch bei dieser Konstellation von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung des Zustellvorgangs auszugehen ist.[Vgl. VwGH 17.8.2017, Ra 2017/11/0211; 17.8.2017, Ra 2017/11/0211]

Sohin kann bei dieser Auslegungsuntervariante mitunter auch eine Ortsabwesenheit an fünf Tagen, an welchen das Schriftstück erlangt werden kann, bzw mitunter eine Ortsabwesenheit von dem Zeitpunkt der Hinterlegung folgenden sechs Kalendertagen nicht die Beachtlichkeit der Heilungsbestimmung des §17 Abs3 ZustellG bzw des §16 Abs5 ZustellG (und damit die Annahme der Wirksamkeit der Zustellung an dem der Rückkunft folgenden Kalender- bzw Abholtag) zu bewirken.

Doch findet sich in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch die gegenteilige Rechtssicht. Denn in mehreren Judikaten von dieselbe Auslegungsvariante favorisierenden Senaten des Verwaltungsgerichtshofs wird exakt das Gegenteil aus der Bestimmung des §17 Abs3 ZustelIG gefolgert, und daher bei dieser Konstellation ausdrücklich die Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang verneint wird.[Vgl. VwGH 15.12.1993, 92/03/0276; 26.5.1998, 98/07/0032; 25.4.2014, 2012/10/0060; 9.11.2004, 2004/05/0078]

 

IV.2.1.2.2.6) Judikatur im Falle der Rückkehr am fünften der Hinterlegung bzw Schriftsatzübergabe folgenden Schriftstückerlangungstag oder danach:

Erst ab einer Rückkehr zur Abgabestelle am fünften der Hinterlegung oder Schriftstückübergabe folgenden Abholtag ist im Hinblick auf die die gegenständliche Auslegungsvariante favorisierende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs eine Einheitlichkeit festzustellen.

So wird weder im Falle der Rückkehr nach dem 4. Abholtag bzw vor dem 5. Abholtag nach Hinterlegung bzw Schriftstückübergabe[Vgl. VwGH 9.7.1992, 91/16/0091], noch im Falle der Rückkehr nach dem 5. Abholtag bzw vor dem 6. Abholtag nach Hinterlegung bzw Schriftstückübergabe[Vgl. VwGH 15.12.2008, 2004/10/0089], noch im Falle der Rückkehr nach dem 6. Abholtag bzw vor dem 7. Abholtag nach Hinterlegung bzw Schriftstückübergabe[Vgl. VwGH 24.5.2007, 2006/07/0101; 25.6.2015, Ro 2014/07/0107] von einer Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang ausgegangen.

 

IV.2.1.2.3) Unvereinbarkeit der an der Vollerwerbstätigkeit abstellenden Auslegungsvariante zur am Rechtsmittelrestfrist abstellenden Auslegungsvariante:

Der Gleichklang des zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Judikaturstrangs des Verwaltungsgerichts mit der ständigen Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofs geht sogar so weit, dass wiederholt auch dieser Judikaturlinie folgende Senate des Verwaltungsgerichtshofs ausdrücklich betont haben, dass dieser Judikaturstrang nicht mit der von Berchtold favorisierten Abstellung auf das Ausmaß der verbleibenden Rechtsmittelfrist, und damit mit dem dieser Sichtweise folgenden Judikaturstrang des Verwaltungsgerichtshofs, zu vereinbaren ist; sodass die Auslegungsvariante von Berchtold (und damit der dieser Auslegungsvariante folgende Judikaturstrang des Verwaltungsgerichtshofs) entschieden abzulehnen ist. Wiederholt wurde daher vom Verwaltungsgerichtshof deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bei der Frage des Vorliegens einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang keinesfalls auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Möglichkeit zur Erhebung eines Rechtsmittels ist, abgestellt werden darf.[Vgl. etwa VwGH 9.7.1992, 91/16/0091; 6.10.2015, Ra 2015/08/0119]

So wird etwa im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 9.7.1992, 91/16/0091, ausdrücklich ausgeführt:

[Anm: Zitat Erkenntnis]

In dieselbe Richtung argumentiert auch der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen, in welchen sich dieser mit der von Berchtold favorisierten Auslegungsvariante auseinandersetzt.[…]

 

IV.2.1.3) Rechtsansicht des von allen Finanzbehörden verbindlich zu vollziehenden Erlasses des Finanzministeriums:

Doch nicht nur die Judikatur des Obersten Gerichtshofs wie auch die Judikatur der Senate des Verwaltungsgerichtshofs, welche die Auslegungsvariante favorisieren, hält die Behörden und Gerichte an, die gegenständliche Bestimmung im Sinne dieser Auslegungsvariante auszulegen.

Zusätzlich werden sogar alle Finanzbehörden kraft Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 6.10.1992, GZ 05 0901/1-IV/5/0354 [Anm: wörtliche Wiedergabe des Erlasses], verpflichtet, die Bestimmung des §16 Abs5 ZustellG wie auch die Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG in diesem Sinne auszulegen, was die wohl nicht wünschenswerte Konsequenz hat, dass jede Entscheidung einer Finanzbehörde, welche zwar den Vorgaben dieser Auslegungsvariante entspricht, aber nicht mit den Vorgaben der übrigen Auslegungsvarianten des Verwaltungsgerichtshofs zu vereinbaren ist, spätestens vom im Revisionswege angerufenen Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig aufgehoben werden muss.

Am Rande sei bemerkt, dass bei Zugrundelegung dieses Erlasses die gegenständliche Auslegungsvariante nur begrenzt befolgt werden darf. Wenn man nämlich diesen Erlass ernst nimmt, ist es den Finanzbehörden untersagt, der vom Obersten Gerichtshof als auch der von den dieser Auslegungsvariante folgenden Senaten des Verwaltungsgerichtshofs wiederholt judizierten Feststellung, dass ein typischer Vollzeiterwerbstätiger nicht bereits am ersten nach seiner Rückkunft möglichen Abholtag das Schriftstück abholen wird, zu folgen. Im Gegensatz zu dieser ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs wie auch des Verwaltungsgerichtshofs bewirkt nach dem klaren Wortlaut bereits eine Rückkunft an dem dem Hinterlegungstag folgenden Abholtag eine NICHT rechtzeitige Kenntnisnahme vom Zustellvorgang.

 

IV.2.1.4) Darstellung der zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Lehrmeinungen:

 

IV.2.1.4.1) diese Auslegungsvariante favorisierende Lehrmeinungen:

Die gegenständliche Auslegungsvariante wurde durch die Lehre nicht vorbereitet, sondern erstmals durch den Obersten Gerichtshof in der obzitierten Entscheidung vom 16.2.1984, ZI. 7 Ob 511/84, geschaffen.

Ohne nähere Auseinandersetzung mit dieser Auslegungsvariante übernimmt ein Teil der Lehre diese Auslegungsvariante.[Vgl. etwa Rausch, Ausgewählte Fragen des österreichischen Zustellrechts, insbesondere des Zustellgesetzes, unveröffentlichte Dissertation Universität Salzburg (1995) 88f, 118; Schedlberger, Probleme der rechtswirksamen Zustellung von Strafurteilen, AnwBI 1992, 281]

 

IV.2.1.4.2) Kritik an dieser Auslegungsvariante durch die Lehre:

Schon früh wurde diese Auslegungsvariante von Schwaighofer insbesondere deshalb kritisiert, als die Maßgeblicherklärung der Maßfigur eines werktags vollerwerbstätigen, regelmäßig erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Adressaten völlig willkürlich und zudem auch nicht repräsentativ für die von einer Hinterlegung betroffenen Konstellationen ist; dies schon alleine deshalb, da auch vollerwerbstätige oft auch bereits zu einem Zeitpunkt an die Abgabestelle zurückkehren, zu welchem noch die Abholung des Schriftstücks von der Post möglich ist.[Vgl. Schwaighofer, Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367]

Ähnlich argumentieren auch andere Vertreter der Lehre.[Vgl. etwa Pfersmann, Bemerkenswertes aus der SZ 57. Speziell noch nicht veröffentlichte Entscheidungen, Ö3Z1987, 75, 106 (109); Wiederin, Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (381f); Stumvoll, §16 ZustelIG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen. Bd. II (20163) 780 (799)]

 

IV.2.1.5) dieser Auslegungsvariante zugrundeliegendes Verständnis

des Begriffs 'Zustellvorgang'

Wie schon zuvor ausgeführt, verfolgt die Zugrundelegung der Maßfigur des Vollerwerbstätigen für die Auslegung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können' den Zweck zu gewährleisten, dass ein ortsabwesender Empfänger nicht besser, aber auch nicht schlechter als ein typischer während der Woche vollerwerbstätiger und erst abends an die Abgabestelle zurückkehrender Empfänger gestellt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, legen der Oberste Gerichtshof wie auch der entsprechenden Judikatur des Obersten Gerichtshofs (zumindest stillschweigend) folgende Verwaltungsgerichtshof diese Wendung dahingehend aus, dass der Umstand, dass ein ortsabwesend gewesener Empfänger vom zugestellten Schriftstück nicht erst später als ein typischer Vollerwerbstätiger erlangen kann, nicht die Anwendbarkeit der Heilungsbestimmung des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG zur Folge haben kann.

'Rechtzeitig' ist eine (mögliche) Kenntniserlangung daher dann, wenn auch ein typischer Vollerwerbstätiger nicht früher vom Inhalt des zugestellten Schreibens Kenntnis erlangt hätte.

Sohin bezieht sich die geforderte 'Rechtzeitigkeit' auf den hypothetischen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Inhalts des Schriftsatzes durch einen typischen Vollerwerbstätigen. Dieser hypothetische Kenntniserlangungszeitpunkt liegt nach diesem Verständnis frühestens an dem der Rückkehr eines typischen Vollerwerbstätigen an die Abgabestelle folgenden Tag. Da nämlich nach diesem Verständnis ein typischer Erwerbstätiger täglich erst abends an die Abgabestelle zurückkehrt, ist dieser hypothetische Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Inhalt des Schriftstücks durch einen typischen Vollerwerbstätigen der dem Tag der Hinterlegung bzw der Schriftstückübergabe an den Empfänger nächste Tag, an welchem dieses Schriftstück erlangen kann. Das ist im Falle der Zustellung durch Hinterlegung der dem Tag der Hinterlegung nächstfolgende Abholtag bzw ist das im Falle der Zustellung durch Ersatzzustellung der dem Tag der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger folgende Kalendertag.

Stets wird sohin bei dieser Auslegungsvariante als 'Zustellvorgang' nicht eine bestimmte Handlung eines Zustellorgans im Zustellverfahren verstanden. Keinesfalls ist nach dieser Auslegungsvariante bei einer Zustellung eines RSb‑Schriftstücks der Zustellversuch des Zustellorgans an der Abgabestelle, welcher entweder zur Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger oder aber zur Schriftstückhinterlegung führt, mit dem 'Zustellvorgang' i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG gleichzusetzen.[Vgl. etwa die umfassende Darlegung in VwGH 9.7.1992, 91/16/0091]

Diese Sichtweise wird auch vom Obersten Gerichtshof mehr oder weniger deutlich formuliert. So stellte etwa der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.9.1984, ZI. 1 Ob 630/84, klar, dass unter Kenntniserlangung vom Zustellvorgang die ehestmögliche Kenntniserlangung vom Inhalt des zugestellten Schreibens durch einen typischen Vollerwerbstätigen zu verstehen ist. Wenn demnach der Schriftstückempfänger durch dieses Schreiben sehr kurz nach dem Hinterlegungstag zu einer Verhandlung geladen wird, und der Empfänger infolge einer Ortsabwesenheit von der Abgabestelle zum Hinterlegungszeitpunkt erst zu einem Zeitpunkt von dieser Ladung Kenntnis erlangt, zu welchem dem Empfänger das Erscheinen nicht mehr möglich ist, ist nach dieser Entscheidung von einer nichtrechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang auszugehen. Damit stellte aber der Oberste Gerichtshof für die Frage des Vorliegens einer 'rechtzeitigen Kenntnisnahme' ausschließlich auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Schriftsatzinhalt ab.

In Sinne dieser Gleichsetzung von Zustellvorgang mit hypothetischer erstmaliger Kenntniserlangung vom Schriftstückinhalt durch einen typischen Vollerwerbstätigen formuliert etwa das Oberlandesgericht Wien in seinem Erkenntnis vom 21.10.1998, ZI. 7 Ra 304/98x, unmissverständlich wie folgt:

'Die Rekurswerberin behauptet auch gar nicht, daß der Geschäftsführer nicht hätte ‚rechtzeitig' im Sinne des §17 Abs.3 ZustG vom Zustellvorgang hätte Kenntnis erlangen können. Sowohl der OGH (SZ 57/34; RZ 1994/70) als auch der VwGH (AnwBI 1992/4340 mwN) gehen davon aus, daß ein Empfänger von der Zustellung (durch Hinterlegung) nur dann nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, wenn er nicht in der Lage war (gewesen wäre), auf die Sendung zum selben Zeitpunkt zu reagieren, zu dem der Empfänger üblicherweise hätte reagieren können, dem nach dem Willen des Gesetzgebers durch Hinterlegung zugestellt werden durfte.'

Nur unter diesem Verständnis des Begriffs 'Zustellvorgang' kann die Judikatur zu dieser Auslegungsvariante eine Schlüssigkeit beanspruchen.

 

IV.2.2) den Begriff 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt haben konnte' i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG als 'angemessen verbleibende Rechtsmittelfrist' auslegende Auslegungsvariante eines Teils der Senate des Verwaltungsgerichtshofs und eines Teils der Lehre:

 

IV.2.2.1) Darstellung der höchstgerichtlichen Judikatur zu dieser Auslegungsvariante:

 

IV.2.2.1.1) Rechtssatz dieser Auslegungsvariante:

Gänzlich unabhängig vom vorbeschriebenen, auf einen Vergleich mit der Situation von typischen Vollzeitbeschäftigten abstellenden Auslegungsvariante, haben einige Senate des Verwaltungsgerichtshofs[Vgl. VwGH 10.3.1987, 86/07/0212; 13.4.1989, 88/06/0140; 24.10.1989, 88/08/0264; 26.11.1991, 91/14/0218; 26.11.1991, 91/14/0220; 26.11.1991, 91/14/0221; 12.6.1995, 96/09/0005; 19.9.1995, 95/14/0067; 2.6.1999, 98/04/0111; 24.2.2000, 2000/02/0027; 19.4.2001, 99/06/0049; 18.3.2004, 2001/03/0284; 28.2.2007, 2006/13/0178; 28.5.2010, 2004/10/0082; 8.11.2012, 2010/04/0112; 25.6.2013, 2012/08/0031; 27.9.2013, 2013/05/0145; 26.6.2014, 2013/03/0055; 13.1.2015, Ra 2014/02/0130; 25.6.2015, Ro 2014/07/0107; 19.12.2016, Ra 2015/02/0028; 22.12.2016, Ra 2016/16/0094; 22.7.2017, Ra 2017/17/0343; 17.8.2017, Ra 2017/11/0211; 20.12.2017, Ra 2017/03/0052] – in Übernahme der Auslegungsvariante von Berchtold - ein völlig anderes Kriterium für die Bestimmung des Vorliegens einer Rechtzeitigkeit i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG entwickelt. Demnach ist dann von einer Rechtzeitigkeit auszugehen, wenn 'nach den Verhältnissen des Einzelfalles' dem Empfänger noch ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt.

 

IV.2.2.1.2) Darstellung der durch diese Auslegungsvariante bewirkten Unbestimmbarkeit des Zustellungszeitpunkts nach der höchstgerichtlichen Judikatur:

Soweit ersichtlich haben die dieser Auslegungsvariante den Vorzug gebenden Senate des Verwaltungsgerichtshofs niemals auch nur versucht darzulegen, nach welchen Kriterien zu ermitteln ist, in welchen Fällen nach der Rückkunft an die Abgabestelle noch ein angemessener Zeitraum zur Erhebung des gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittels verbleibt.

Einzig wird in mehreren Judikaten des Verwaltungsgerichts eine negative Klarstellung dahingehend getroffen, dass bei der Klärung der Frage, ob noch ein angemessener Zeitraum zur Erhebung des gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittels verbleibt, nicht auf den für die Erhebung dieses Rechtsmittels erforderlichen Arbeitsaufwand bzw auf die konkrete Lebenssituation des Empfängers abzustellen ist.[…]

Um das Ausmaß und der Unbestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts (im Hinblick auf die Vorgabe des Art18 Abs1 B‑VG) im Falle der Heranziehung dieser Auslegungsvariante darzustellen, erscheint es geboten, im Sinne der Argumentationslinie dieser Auslegungsvariante die bislang ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen zu analysieren.

Folglich ist – entgegen der üblichen Thematisierung der Bandbreite der Divergenzen der zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Judikatur – nicht zentral, wie viele Abwesenheitstage im Falle einer RSb-Zustellung nach dem (einzigen) Zustellversuch noch nicht zur mangelnden Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang führen. Dies deshalb, da - wie nachfolgend ausgeführt - nach dieser Auslegungsvariante unter dem Begriff 'Zustellvorgang' (contra legem) der früheste Zeitpunkt der physischen Erlangbarkeit des zuzustellenden Schriftstücks verstanden wird, und nach dieser Auslegungsvariante ausschließlich der ab diesem hypothetischen Zeitpunkt verbleibende Rechtsmittelfristrest von Relevanz ist.

Folglich sind diese Judikate nach dem Gesichtspunkt zu analysieren, welche Anzahl von Kalendertagen, welche zwischen dem Tag der frühestmöglichen Erlangbarkeit des zuzustellenden Schriftstücks und dem Ende der im jeweilige Fall gesetzlich normierten Rechtsmittelfrist zur Erhebung eines Rechtsmittels liegen, noch nicht zur Annahme einer nicht-rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang führen.

Bei Zugrundelegung dieses Beurteilungsmaßstabs ist zu konstatieren, dass der (diese Auslegungsvariante favorisierende) Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur zum Ergebnis gelangt, dass jedenfalls auch noch eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist dahingehend, dass der Schriftsatz am zehnten Tag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Empfänger zukommt, sodass diesem nur mehr lediglich neun volle Tage zur Rechtsmitteleinbringung zur Verfügung stehen, nicht bewirkt, dass der Empfänger nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.[Vgl. VwGH 24.2.2000, 2000/02/0027; 19.4.2001, 99/06/0049; 18.3.2004, 2001/03/0284; 28.2.2007, 2006/13/0178; 24.5.2007, 2006/07/0101; 20.10.2010, 2007/08/0210; 8.11.2012, 2010/04/0112; 25.6.2015, Ro 2014/07/0107; 22.12.2016, Ra 2016/16/0094; 26.6.2014, 2013/03/0055]

Wenn nun man aber die zu dieser Auslegungsvariante ergangene verwaltungsgerichtliche Judikatur analysiert, fällt auf, dass diese vergleichsweise einheitlich ist. So wird in den ausschließlich diese Auslegungsvariante favorisierenden Entscheidungen zumeist eine noch weitere Verkürzung der Rechtsmittelfrist auf lediglich acht volle Kalendertage oder weniger als ein Fall einer nicht rechtzeitig erlangten Kenntnisnahme vom Zustellvorgang eingestuft[Als nicht ausreichend qualifiziert wird daher etwa der Verbleib einer Rechtsmittelfrist von lediglich sieben Tagen (vgl 24.10.1989, 88/08/0264; 3.10.1990, 90/02/0117; 19.12.1994, 94/10/0172; 24.5.2007, 2006/07/0101; 25.6.2013, 2012/08/0031; 13.1.2015, Ra 2014/02/0130). Unklar erscheint die Judikatur, wonach im Falle der Verkürzung der Rechtsmittelfrist um die Hälfte nicht mehr von einer rechtzeitigen Kenntnisnahmenerlangung auszugehen ist (vgl VwGH20.10.2010, 2007/08/0210; 25.6.2013, 2012/08/0031; 13.1.2015, Ra 2014/02/0130). Wenn man sich vor Augen hält, dass nach der gegenständlichen Auslegungsvariante es auf die Möglichkeit zur Erhebung eines Rechtsmittels ankommt und zudem nach der obreferierten Judikatur bei dieser Prüfung nicht auf den konkreten Rechtsmittelverfassungsaufwand im Einzelfall abzustellen ist, wird dieser Rechtssatz nur in Beziehung zur dem Verwaltungsgerichtshof in den zugrunde gelegenen Verfahren jeweils verfahrensrelevanten vierzehntätigen Berufungsfrist auszulegen sein. So gesehen spricht viel dafür, dass mit diesen Judikaten nur auf eine etwas verschlüsselte Weise zum Ausdruck gebracht wurde, dass ein Verbleib der Rechtsmittelfrist im Umfang von lediglich sieben Tagen nicht mehr eine rechtzeitige Kenntniserlangung indiziert.], während eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist lediglich im Ausmaß, dass noch neun volle Tage oder mehr zur Rechtsmittelerhebung zur Verfügung stehen, immer eine rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang zur Folge hat.[So wird etwa als ausreichend der Verbleib einer Rechtsmittelfrist von zehn vollen Tagen (vgl VwGH 27.9.2013, 2013/05/0145) als ausreichend eingestuft.]

Doch auch die auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht stringent, wird doch etwa mitunter auch eine verbleibende Rechtsmittelfrist von siebzehn (!!!) vollen Kalendertagen als nicht mehr angemessener Zeitraum zur Einbringung des gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittels eingestuft.[Vgl. etwa VwGH 24.10.1989, 88/08/0264]

In seinem Erkenntnis vom 28.10.1998, ZI. 97/19/1676, erachtet der Verwaltungsgerichtshof eine verbleibende Rechtsmittelfrist von elf Tagen (bzw zehn Kalendertagen) mit der Begründung, dass jeder Partei die volle Rechtsmittelfrist zur Verfügung stehen müsse, als nicht ausreichend, sodass von der Anwendung des Heilungstatbestands des §17 Abs3 ZustelIG ausgegangen wurde.

Wieder ganz anders sieht die Sache in den Entscheidungen aus, in welchen der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung sowohl auf die gegenständliche Auslegungsvariante als auch auf die vorbesprochene, auf die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen abstellende Auslegungsvariante gründet, und dabei zudem auch klarstellt, dass bei der Frage der Ausreichendheit der verbleibende Rechtsmittelfrist nicht auf den Rechtsmittelerstellungsaufwand abzustellen ist. Dann ist nämlich völlig unnachvollziehbarer Weise selbst der Verbleib einer Rechtsmittelfrist von einundzwanzig (!!!) Tagen nicht mehr ausreichend für die Annahme des Vorliegens einer rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang.[Vgl. etwa die, die gegenständliche Rechtsfrage sogar im Wege einer (ordentlichen) Revision behandelnde Entscheidung VwGH 25.6.2015, Ro 2014/07/0107]

Dagegen findet sich insoweit eine Übereinstimmung dieser beiden Auslegungsvarianten darin, dass ein Teil der die Auslegungsvariante der Maßfigur des Vollerwerbstätigen favorisierenden Entscheidungen[…] wie auch alle auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellenden Entscheidungen[Vgl. etwa jüngst explizit VwGH 22.12.2016, Ra 2016/16/0094; 22.7.2017, Ra 2017/17/0343] eine Rückkehr an die Abgabestelle erst am Abend des vierten der Hinterlegung bzw der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger folgenden möglichen Abholtag bzw bis zum fünften der der Hinterlegung bzw der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger folgenden möglichen Abholtag als eine rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang qualifizieren.

 

IV.2.2.2) Darstellung der zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Lehrmeinungen:

 

IV.2.2.2.1) Darstellung der diese Auslegungsvariante favorisierenden Lehrmeinungen:

Soweit ersichtlich legte erstmals Klaus Berchtold den Begriff 'rechtzeitig' im §17 Abs3 ZustellG bzw §16 Abs5 ZustellG dahingehend aus, dass dadurch die Anwendung der in jedem dieser Absätze angeführten Heilungsbestimmung dahingehend zeitlich beschränkt wird, als nur in Fällen einer Nichtmöglichkeit zur Wahrnehmung des durch das zugestellte Schreiben gebotenen Verhaltens ein Zustellmangel und damit auch eine Heilungsmöglichkeit i.S.d. §17 Abs3 ZustellG bzw §16 Abs5 ZustellG angenommen wird. Ob ein Zustellmangel vorliegt ist daher erst ex tunc bei Zugrundelegung des konkreten Rückkunftszeitpunkts bestimmbar.

Wörtlich führte Klaus Berchtold zu dieser Wendung aus:[Vgl. Berchtold, Zustellgesetz (1983) 33]

'Fragen ergeben sich hinsichtlich der Auslegung des Wortes 'rechtzeitig' in dieser Bestimmung. Ob jemand vom Zustellvorgang rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, wird wesentlich davon abhängen, was zugestellt worden ist. Eine zugestellte Mitteilung (zB Ladung) wird als nicht rechtzeitig zu erachten sein, wenn sie am selben Tag oder am Vortag des mitgeteilten Ereignisses dem Empfänger erst bekannt wird. Wenn durch das zugestellte Schriftstück Rechtsmittelfristen oder auch andere Fristen in Gang gesetzt werden, so wird Rechtzeitigkeit nur dann anzunehmen sein, wenn dem Betroffenen eine angemessene Zeit zur Verfügung steht, seine Rechte zu wahren. Wenn auch keine allgemeine Aussage über die Frage gemacht werden kann, wann Rechtzeitigkeit im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, so kann doch gesagt werden, daß bei der Beurteilung dieser Frage - die der Behörde obliegt - die gesamten Umstände und insbesondere auch der Inhalt des zugestellten Schriftstückes beachtet werden müssen. Nur dann wird einerseits dem Zweck der Zustellung und dem beabsichtigen Schutz des Betroffenen im Sinne des Gesetzes entsprochen.'

Mehrere Vertreter der Lehre haben sich dieser Auslegung von Berchtold (ohne weitergehende Begründung) angeschlossen.[Vgl. etwa Ellinger, Änderungen im Bereich des Zustellwesens, ÖStZ 1983, 50 (53f); Reinberg, ZustelIG, in: Heini ua (Hrsg), Das österreichische Recht IIIb 9 (1983) 11 (FN 8); Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze. Bd. I (1987) 895; Raschauer N./Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht (20112) 162f; Stoll, Bundesabgabenordnung (1994) 1102, 1107ff, 1120]

In die Reihe der diese Auslegungsvariante favorisierenden Literaturmeinungen werden auch Robert Walter und Heinz Mayer als Vertreter dieser Auslegungsvariante angeführt, zumal diese davon ausgehen, dass eine Rückkehr an die Abgabestelle zu einem Zeitpunkt, zu welchem der in einem während der Ortsabwesenheit zugestellten Ladungsbescheid angeführte Ladungstermin bereits verstrichen ist, dazu führe, dass diese Ladung als nicht bewirkt gelte.[Vgl. etwa VwGH 9.7.1992, 91/16/0091]

Dieser Wertung ist nun aber entgegen zu halten, dass die Mehrzahl der Gründe dagegen spricht, dass Robert Walter und Heinz Mayer durch diese Wendung zum Ausdruck bringen - ebenso wie Berchtold - die gegenständliche Auslegungsvariante zu favorisieren. Wären Robert Walter und Heinz Mayer tatsächlich der von Berchtold vertretenen Auslegungsvariante gefolgt, hätten diese wohl in nur einem einzigen Satz ihres Buchs bzw hätte Heinz Mayer auch nur in einem einzigen Satz seines Aufsatzes dies explizit zum Ausdruck gebracht. Zumindest hätten aber Robert Walter und Heinz Mayer diesfalls auch zur Frage Stellung bezogen, wann die Heilungsbestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG konkret zur Anwendung gelangen und ob diese auch im Falle einer verbleibenden angemessenen Rechtsmittelfrist zur Anwendung gelangen. All das ist wohl nicht aufgrund einer Unachtsamkeit der beiden Autoren nicht erfolgt. In Anbetracht dieses Umstands sprechen daher die besseren Argumente für die durchaus vertretbare Rechtsansicht der beiden Professoren, dass eine Ladung zu einem bereits verstrichenen Ladungstermin, zu welchem der Geladene schuldlos erst nach diesem Ladungstermin Kenntnis erlangt hat, gegenüber diesem Geladenen keine Folgeverpflichtung und damit auch keine Wirksamkeit auslöst. Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts sprechen, wie nachfolgend dargelegt, die besseren Argumente für die Annahme, dass Heinz Mayer und Robert Walter zumindest ursprünglich die dem Verständnis des historischen Gesetzgebers und dem Gesetzeswortlaut folgenden Auslegungsvariante (zumindest konkludent) favorisiert haben.

 

IV.2.2.2.2) Kritik an dieser Auslegungsvariante:

Diese Auslegungsvariante wird nicht nur, wie in den Kapiteln IV.2.1.1.4) und IV.2.1.2.3) dargestellt, durch die auf die Maßfigur des Erwerbstätigen abstellende Judikatur, sondern auch durch zahlreiche Vertreter der Lehre explizit abgelehnt.

So kritisiert König und diesem zustimmend Heinrich Stumvoll diese Auslegungsvariante mit dem Argument, dass diese Auslegung größte Unsicherheit schaffen würde.[Vgl. König, Die Ersatzzustellung bei längerer Abwesenheit, ÖGZ 1983, 116 (124); Stumvoll, §16 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 780 (798); Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen. Bd. II (20163) 802 (819)]

Auch betont Heinrich Stumvoll, dass es eine Verkennung des Regelungsgegenstands von zustellrechtlichen Bestimmung darstellt, zugleich auch die Folgen einer erfolgten Zustellung mitregeln zu wollen, wie dies nun aber durch diese Auslegungsvariante vorgenommen wird; ist doch vielmehr eine strenge Trennung zwischen der Wirksamkeit einer Zustellung von den durch diese Zustellung ausgelösten Folgen vorzunehmen.[Vgl. Stumvoll, §16 ZustelIG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 780 (798)]

 

Weiters zeigt Heinrich Stumvoll auf, dass bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante 'bei Sendungen, die verschiedene Fristen im Gefolge haben – etwa eine Ladung für einen Termin in 3 Tagen und für einen Termin in 4 Wochen – schon die Wirksamkeit derselben Zustellung (anstelle der verfahrensrechtlich rechtzeitigen Zustellung der Ladung) gespalten beurteilt werden (müsste). Andererseits versagt eine solche Anknüpfung, wenn nach dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks gar keine Frist ausgelöst wurde oder keine prozessuale Reaktion des Empfängers möglich war (etwa bei Zustellung unanfechtbarer Entscheidungen) oder wenn sofort mit der Zustellung Rechtsfolgen eintreten (besonders deutlich für das Drittverbot §294 Abs3 S 1 EO), oder für die Beurteilung eines Zuwiderhandelns nach Titelzustellung bei der Exekutionsbewilligung nach §355 Abs1 EO.[Vgl. Stumvoll, §16 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 780 (798), welcher ua auch klarstellt, dass auch eine erst nach dem Ladungstermin zugestellte Ladung wirksam zugestellt worden ist, auch wenn diese Ladung nicht mehr wahrgenommen werden kann und deshalb die Nichtbefolgung der Ladung keine Säumnisfolge auszulösen vermag.] 'Es kann nämlich nicht akzeptiert werden, dass eine Zustellung an verschiedenen Tagen wirksam wird, je nachdem ob ihr Inhalt eine sechswöchige Frist, eine Dreitagesfrist oder gar keine Frist (bezogen auf ihre Anfechtbarkeit etwa letztinstanzliche Urteile) auslöst oder ein Drittverbot enthält etc.'[Vgl. Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 802 (819)]

Schwaighofer wieder bezeichnet das durch diese Auslegungsvariante gewinnbare Ergebnis als 'Willkür'[Vgl. Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379 (381)] bzw 'größte Rechtsunsicherheit verursachend'.[Vgl. Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290]

Weiters betonen insbesondere Schwaighofer[Vgl. Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379 (381); Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290] und Ritz[Vgl. Ritz, Zum Begriff 'rechtzeitig' im §17 Abs3 ZustellG, ÖStZ 1984, 270], dass 'Fristen, die der Gesetzgeber einräumt, den Sinn (haben), dass der Betreffende grundsätzlich die gesamte Frist zur Verfügung hat – gerade diese Zeitspanne hielt der Gesetzgeber für angemessen und ausreichend, um sich entsprechend vorzubereiten, zu informieren, beraten zu lassen, Entscheidungen zu treffen, Rechtsmittel auszuführen.'

Wiederin hingegen belegt die Unvertretbarkeit dieser Auslegungsvariante unter Analyse der vom historischen Gesetzgeber des Zustellgesetzes vorgefundenen Rechtslage.[Vgl. Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (381)] Zudem zeigt Wiederin, dass es sich bei der Frage, ob noch eine in einem Schreiben eröffnete Handlung gesetzt werden kann, kein zustellrechtliches Problem sei. 'Eine Zustellung durch Hinterlegung wirft insoweit keine anderen Fragen auf als eine knapp vor oder kurz nach dem in der Sendung angegeben Termin erfolgte Übergabe der Sendung an den Empfänger gemäß §13 Abs1 (Zustellgesetz).'[Vgl. Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (381)]

Auch weitere Vertreter Lehre kritisieren diese Auslegungsvariante.[Vgl. etwa Arnold, Besprechung von VwGH 26.11.1991, 91/14/0220; AnwBI 1992, 424; Szirba, Die Hinterlegung bei vorübergehender Ortsabwesenheit (§17 Abs3 ZustellG), ZfV 1985, 597 (598)]

 

IV.2.2.3) dieser Auslegungsvariante zugrundeliegendes Verständnis des Begriffs 'Zustellvorgang':

Wie schon zuvor ausgeführt, verfolgt die Zugrundelegung des Kriteriums des Verbleibs einer ausreichend langen Rechtsmittelfrist bzw des Verbleibs eines ausreichenden Zeitraums zur Befolgung der im zugestellten Schriftsatz verfügten Anordnung den Zweck, die Beachtlichkeit der Heilungsbestimmung des §17 Abs3 ZustellG bzw des §16 Abs5 ZustellG weitestgehend hintanzuhalten, und diese Heilungsbestimmungen nur auf die Fälle der Verunmöglichung der durch den zugestellten Schriftsatz eröffneten Handlungsmöglichkeit bzw durch den zugestellten Schriftsatz angeordneten Handlungspflicht zu beschränken.

'Rechtzeitig' ist eine (mögliche) Kenntniserlangung daher stets dann anzunehmen, wenn der ortsabwesend gewesenen Empfänger zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Erlangung des zugestellten Schriftsatzes noch in der Lage gewesen ist, 1) bis zum Ablauf der bei Zugrundelegung der Annahme der Nichtanwendbarkeit der Heilungsbestimmung des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG errechneten Rechtsmittelfrist ein Rechtsmittel einzubringen bzw 2) die durch den zugestellten Schriftsatz aufgetragene Handlung zu setzen.

Sohin bezieht sich die geforderte 'Rechtzeitigkeit' auf den hypothetischen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Inhalts des Schriftsatzes durch den ortsabwesend gewesenen und an die Abgabestelle zurückgekehrten Schriftstückadressaten.

Dieser Zeitpunkt der Kenntniserlangung liegt stets erst nach der Rückkehr des Schriftsatzadressaten.

Streng genommen ist daher bei dieser Auslegungsvariante unter dem Zustellvorgang der ehestmögliche Zeitpunkt der Erlangung des Schriftstücks durch den Schriftstückadressaten zu verstehen.

Stets wird sohin bei dieser Auslegungsvariante als 'Zustellvorgang' nicht eine bestimmte Handlung eines Zustellorgans im Zustellverfahren verstanden. Keinesfalls ist nach dieser Auslegungsvariante der Zustellversuch eines Zustellorgans an der Abgabestelle, welcher entweder zur Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger oder aber zur Schriftstückhinterlegung führt, mit dem 'Zustellvorgang' i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG gleichzusetzen.

Nach dieser Auslegungsvariante wird daher unter dem Begriff 'Zustellvorgang' weder eine bis zur erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks gesetzte Zustellhandlung des Zustellorgans (daher auch nicht ein der Hinterlegung vorangegangener Zustellversuch) noch die Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger verstanden. Vielmehr ist unter dem Begriff 'Zustellvorgang' der hypothetische Zeitpunkt der erstmaligen Möglichkeit zur Erlangung des zugestellten Schriftstücks durch den an seine Abgabestelle zurückgekehrten Schriftstückadressaten zu verstehen. Offenkundig wird bei dieser Auslegungsvariante somit unter dem Begriff 'Zustellvorgang' auch nicht der Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks verstanden.[Vgl. etwa die umfassende Darlegung in VwGH 9.7.1992, 91/16/0091]

Nur unter dieser Zugrundelegung dieses Begriffsverständnisses des Wortes 'Zustellvorgang' kann diese Judikatur, welche ja an die ab dem Zeitpunkt des (möglichen) Erhalts des Schriftstücks verbleibende Rechtsmittelfrist anknüpft, eine Schlüssigkeit beanspruchen. Zudem formuliert der Verwaltungsgerichtshof im Falle der Favorisierung dieser Auslegungsvariante sogar explizit, dass unter dem 'Zustellvorgang' der Erhalt des zugestellten Schriftstücks zu verstehen ist.

So formuliert der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18.3.2004, ZI. 2001/03/0284, wörtlich:

'Im Beschwerdefall hätte der Beschwerdeführer - sollte er, wie von der belangten Behörde angenommen, am 9. März 2001 (einem Freitag) an die Abgabestelle zurückgekehrt sein, - jedenfalls am 12. März 2001 (einem Montag) vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können. In diesem Fall wären ihm - ausgehend vom 8. März 2001 als dem Tag der Zustellung der Strafverfügung - bis zum Ablauf der Einspruchsfrist am 22. März 2001 noch volle zehn Tage für die Erhebung des Einspruches zur Verfügung gestanden.'

 

IV.2.3) den Wortsinn beachtende und dem Regelungswillen des historischen Gesetzgebers folgende Judikaturlinie von Senaten des Obersten Gerichtshofs wie auch des Verwaltungsgerichtshofs:

 

IV.2.3.1) Begriffsverständnis der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante:

 

IV.2.3.1.1) Darstellung der diese Auslegungsvariante favorisierenden höchstgerichtlichen Judikatur:

Zusätzlich zu den beiden obangeführten durchgehend seit der Erlassung des Zustellgesetzes judizierten Auslegungsvarianten findet sich auch eine weitere von Senaten des Obersten Gerichtshofs wie auch des Verwaltungsgerichtshofs seit der Erlassung des Zustellgesetzes in ständiger Judikatur favorisierte Auslegungsvariante.

Diese Auslegungsvariante folgt als einzige dem in den nachfolgenden Kapiteln dargelegten grammatikalischen Wortsinn der Bestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG. Zudem entspricht diese Auslegungsvariante bis ins Detail dem in den nachfolgenden Kapiteln dargestellten Begriffsverständnis und Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers wie auch dem vom historischen Gesetzgeber vorgefundenen Begriffsverständnis.

Wie schon durch die Judikatur zu den §§23f AVG und §§106f ZPO judiziert[…], folgert die ständige, dass die gegenständliche (historische) Auslegungsvariante favorisierende Judikatur[…] zum Zustellgesetz aus dem Umstand der bloß während der Tagesstunden dauernden Ortsabwesenheit zum maßgeblichen[…] Zustellversuch, keine Ortsabwesenheit darstellt. Im Falle einer bloß während der Tagesstunden währenden Ortsabwesenheit zum maßgeblichen Zustellversuch ist daher die in weiterer Folge vorgenommene Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung mängelfrei und daher mit dem Zeitpunkt der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger bzw mit der Schriftstückbereithaltung wirksam ist.[Mangels Ortsabwesenheit und sohin Vorliegens eines Zustellmangels findet daher in dieser Konstellation die Heilungs- bzw Zustellwirksamkeitshinausschiebungsbestimmung des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG keine Anwendung.]

Demgegenüber ist aber im Falle einer (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit zum maßgeblichen Zustellversuch eine Zustellung durch Hinterlegung bzw Ersatzzustellung jedenfalls dann unzulässig (und ist dieser Mangel nur gemäß §7 ZustellG heilbar), wenn das Zustellorgan aufgrund des subjektiven Eindrucks davon ausgehen musste, dass der Empfänger (nicht nur während der Tagesstunden) ortsabwesend ist, und dennoch eine Ersatzzustellung oder Hinterlegung vorgenommen wird.

Wenn dagegen das Zustellorgan aufgrund des subjektiven Eindrucks davon ausgehen konnte, dass der Empfänger (nur während der Tagesstunden) ortsabwesend ist und dieser sich daher regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, ist das Zustellorgan befugt, eine Ersatzzustellung oder Hinterlegung vorzunehmen. Im Falle, dass entgegen des subjektiven Eindrucks des Zustellorgans der Empfänger zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs tatsächlich (nicht nur während der Tagesstunden) ortsabwesend gewesen ist, stellt der Umstand der erfolgten Ersatzzustellung bzw Hinterlegung nach einer Judikaturlinie einen Zustellmangel bzw nach einer anderen Judikaturlinie einen die Wirksamkeit der Zustellung vorerst hemmenden Umstand dar.[Vgl. VwGH 28.5.1993, 92/17/0239; MietSIg. 31.667, 32.652, 33.620; Arnold, Besprechung von VwGH 28.5.1993, 92/17/0239, AnwBI 1993, 949; Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290; Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379 (379);…]

Die stetige Folge des Vorliegens eines Zustellmangels bzw eines Wirksamkeitshemmungstatbestands im Falle der Hinterlegung bzw Ersatzzustellung trotz tatsächlicher Ortsabwesenheit wird nach dieser Auslegungsvariante auf die Regelung des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG gegründet, zumal in diesem Fall der Empfänger von diesem Zustellversuch und damit vom 'Zustellvorgang' i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte.[…]

In dieser Konstellation der (über die Tagesstunden hinausgehenden) Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs wird nun aber nach dieser Auslegungsvariante aufgrund der Heilungs- bzw Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestands des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG die Zustellung stets erst mit dem der Rückkehr folgenden Tag (Abholtag) wirksam. Im Falle einer Zustellung durch Hinterlegung bleibt dagegen die Zustellung durch Hinterlegung dann dauerhaft unwirksam, wenn der Empfänger nicht bis zum vorletzten Tag der Abholfrist an die Abgabestelle zurückkehrt.[Vgl. VwGH 27.8.1990, 89/15/0139]

Demgegenüber bewirkt die Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt eines nicht maßgeblichen Zustellversuchs, daher bei der Ersatzzustellung beim zweiten Zustellversuch, wie im Übrigen auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung keinen Zustellmangel (Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestand).

Die Ortsanwesenheit zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs bei einer Eigenhandzustellung (daher zur Rechtslage, dass bei einer Eigenhandzustellung der Hinterlegung zwei Zustellversuche der Hinterlegung vorangehen mussten), führte nämlich sowohl nach der Judikatur zur Rechtslage nach den §§23f AVG und §§106f ZPO[Vgl. OGH 25.9.1953, 5 Os 904/53; 19.01.1967 5 Ob 13/67; SSt 17/146; 24/58; 30/112; EvBI 1948/772; 1951/147; 1953/337; 1956/385; 1961/241; 1964/20; VwGH 30.3.1978, 840/77; ArbSIg. 7626; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II (1962) 595f; Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (225); So führt etwa Fasching zu den §§106f ZPO aus, dass eine Zustellung durch Hinterlegung stets dann unzulässig ist, wenn der Empfänger vor dem zweiten Zustellversuch tatsächlich nicht in der Lage war, von diesem zweiten Zustellversuch Kenntnis zu erlangen (vgl Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II [1962] 596).], als auch nach der Judikatur und Lehre zum §21 ZustellG (bis zur Fassung BGBl I Nr 5/2008)[Vgl. VwSlg 13.230/1990; VwGH 25.6.1985, 85/11/0245; 25.6.1986, 85/11/0245; 29.1.1987, 86/02/0157; 22.9.1987, 86/14/0170; 10.9.1987, 84/10/0037; 22.9.1987, 86/14/0170; 12.11.1987, 87/02/0127; 18.5.1988, 88/02/0010; 7.9.1988, 88/18/0213; 18.1.1989, 86/02/0180; 1.2.1989, 88/03/0211; 19.4.1989, 89/02/0012; 21.2.1990, 89/02/0209: 20.6.1990, 90/02/0036; 20.6.1990, 90/02/0036; 28.1.1991, 90/19/0239; 20.3.1991, 90/02/0188; 22.3.1991, 88/18/0098; 17.2.1992, 91/19/0322; 27.5.1992, 92/02/0151; 28.5.1993, 92/17/0239; 6.2.1994, 93/03/0128; 20.6.1994, 94/10/0022; 22.2.1995, 95/15/0014; 19.9.1995, 95/14/0067, 19.9.1995, 95/14/0114; 20.3.1996, 96/03/0006; 24.3.1997, 95/19/1302; 9.7.1998, 95/03/0092; 15.10.1998, 96/18/0210; 2.3.1999, 96/18/0495; 20.9.2001, 2001/11/0130; 19.7.2002, 2002/11/0128; 25.4.2003, 2003/21/0026; 25.5.2005, 2005/09/0017; 1.4.2008, 2006/06/0243; 3.10.2008, 2008/02/0150; MietSIg. 15.617, 17.799; 20.684; 20.685, 30.698, 30.699, 30.700, 45.759; OGH 1.7.1987, 3 Ob 515/87; 9.10.1990, 5 Ob 599/90; 11.4.1991, 6 Ob 502/91; 7.10.1992, 1 Ob 615/92; 22.12.1992, 8 Ob 654/92; 15.5.1997, 1 Ob 23/97g; 22.10.1997, 9 Ob 346/97s; 31.01.2013, 6 Ob 154/12h; MietSIg. 26.480; konkludent VwSlg 12.452 A/1987; VwGH 23.4.1987, 87/02/0032; 22.9.1987, 86/14/0170; 12.11.1987, 87/02/0127; Vgl. zudem Perchtold-Stoitzner, Glosse zu VwGH 20.3.1991, 90/02/0188, ecolex 1991, 656; Siess, Glosse zu VwGH 20.6.1990, 90/02/0036; ecolex 1991, 68; Rausch, Ausgewählte Fragen des österreichischen Zustellrechts, insbesondere des Zustellgesetzes, unveröffentlichte Dissertation Universität Salzburg (1995) 131; Feil, Zustellwesen (19994) 130ff; Stumvoll, §21 ZustelIG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Ergänzungsband zum Zustellrecht (20082) 517f; Wilhelm, Glosse zu OGH 22.10.1097, 9 Ob 346/97s, ecolex 1998, 209; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (20038) 114; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht (2002) 123; Nach der Judikatur wie auch Lehre war selbst dann eine Hinterlegung unwirksam, wenn der Schriftstückadressat zwar zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs (noch) ortsabwesend war, jedoch vor dem zweiten Zustellversuch wieder an die Abgabestelle zurückgekehrt ist (vgl VwGH 22.9.1987, 86/14/0170; 20.3.1991, 90/02/0188, 20.3.1996, 96/03/0006; Walter/Mayer, Zustellrecht [1983] 116; Ritz, Bundesabgabenordnung [20053] 1059; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts [20038] 114)] selbst dann einer mängelfreien Zustellung durch Hinterlegung, wenn der Empfänger auch nur am Tag des ersten Zustellversuchs, nicht jedoch auch am Tag des zweiten Zustellversuchs ortsanwesend war.[Im Gegensatz zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl VwGH 20.6.1990, 90/02/0036; 17.2.1992, 91/19/0322; 1.4.2008, 2006/06/0243; Siess, Glosse zu VwGH 20.6.1990, 90/02/0036; ecolex 1991, 68; Stumvoll, §21 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Ergänzungsband zum Zustellrecht [20082] 518) stellt nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs die bloße (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkte) Abwesenheit zum Zeitpunkt des zweiten Zustellversuchs dann auch eine Ortsabwesenheit i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG dar, wenn im Einzelfall trifftige Gründe für diese Ortsabwesenheit bestanden (vgl OGH 7.10.1992, 1 Ob 615/92; 22.12.1992, 8 Ob 654/92; 22.10.1997; 9 Ob 346/97s; 22.10.1997, 9 Ob 346/97s; 7.05.2003, 9 ObA 5/03f; 31.01.2013, 6 Ob 154/12h; MietSIg. 45.759 [1993]; ArbSIg. 7626, 8139; Stumvoll, §21 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Ergänzungsband zum Zustellrecht [20082] 518; noch weiter gehend stets auch die Anwesenheit am zweiten Zustellversuch fordernd OGH 1.7.1987, 3 Ob 515/87; VwGH 22.2.1995, 95/14/0014; Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I [1987] 914; Stoll, Bundesabgabenordnung [1994] 1137)]

Dieses ausschließliche Abstellen auf die Ortsabwesenheit zum maßgeblichen Zustellversuch wurde vom Gesetzgeber bereits durch die Judikatur zu den §§23f AVG und §§106f ZPO vorgefunden, welche – trotz gesetzlicher Nichtnormierung – auf diese Weise eine schikanöse Abwesenheit von der Abgabestelle (etwa infolge der Abreise unmittelbar nach Kenntniserlangung eines erfolgten vergeblichen Zustellversuchs) – wenngleich damals noch nicht im Gesetz festgeschrieben - unterband.[In diesem Sinne ausdrücklich OGH 20.6.1990, 90/02/0036; 7.10.1992, 1 Ob 615/92; 31.1.2013, 6 Ob 154/12h; VwSlg 13.230 A/1990; VwGH 20.6.1990, 90/02/0036; 15.10.1998, 96/18/0210; 19.7.2002, 2002/11/0128; 25.5.2005, 2005/09/0017; Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 802 (816f); König, Die Ersatzzustellung bei längerer Abwesenheit, ÖGZ 1983, 116 (117); Schwaighofer, Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367 (368); Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290; konkludent Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 104f; Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (382f); Oberhammer, Zustellvereitelung durch Ortsabwesenheit von Unternehmern, RdW 1997, 384; Rechberger, Zustellung durch Hinterlegung, Glosse zu 3 Ob 22/87, MR 1988, 26; Im Übrigen wurde auch schon zur Bestimmung des §106 ZPO judiziert, dass ein schikanöses Fernbleiben von der Abgabestelle, um auf diese Weise eine Zustellung zu verhindern, nicht als eine einen Zustellmangel begründende Ortsabwesenheit einzustufen ist (vgl etwa OGH 14.2.1980, 7 Ob 709/79; Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, Bd. 2 [1931] 553).]

In Übernahme dieser vorgefundenen Judikatur wird ausschließlich durch die am historischen Gesetzgeberwillen orientierte Judikatur die Abreise und damit der Beginn der Ortsabwesenheit nach dem Zeitpunkt des maßgeblichen[…] Zustellversuchs behandelt. Eine solche Abreise bewirkt nämlich keine Ortsanwesenheit i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG, und das obgleich der Empfänger zum Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks von der Abgabestelle abwesend ist. Beginnt die Abwesenheit von der Abgabestelle nämlich erst nach dem maßgeblichen Zustellversuch, so konnte der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es hiebei zudem gar nicht an, sondern reicht bereits die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus.[Vgl. VwGH 12.9.1985, 85/06/0118; 25.6.1986, 85/11/0245; 29.1.1987, 86/02/0157; 21.2.1990, 89/02/0209; 27.8.1990, 89/15/0139; 24.9.1991, 90/11/0232; 22.1.1992, 91/01/0199; 19.1.1995, 94/09/0248; 19.9.1995, 95/14/0067; 17.9.2002, 99/01/0327; 30.1.2007, 2005/21/0344; konkludent VwGH 15.11.1989, 89/02/0186; 25.2.1993, 92/18/0339; 19.5.1993, 92/09/0331; 22.2.1994, 93/04/0064; 13.10.1994, 94/09/0213; 15.9.1995, 95/17/0054.]

Wie nachfolgend in den Kapiteln IV.2.3.3) und IV.2.3.5) aufgezeigt, folgt diese am Verständnis des historischen Gesetzgebers orientierte Auslegungsvariante bis ins Detail der vom Gesetzgeber vorgefundenen Rechtslage und dem Regelungswillen des Gesetzgebers.

Auch übernimmt diese Auslegungsvariante den in der Judikatur zu den §§23f AVG und 106f ZPO bereits entwickelten und im Kapitel IV.2.3.4) dargestellten Begriff der 'Kenntnisnahme' vom maßgeblichen[…] 'Zustellvorgang'.[…]

Kenntnis vom maßgeblichen Zustellvorgang, daher vom erfolgten maßgeblichen Zustellversuch (und damit vom Zustellvorgang), erlangte nach den §§23f AVG und 106f ZPO der Empfänger demnach aber lediglich von der Einlegung der Ankündigung eines weiteren Zustellversuchs in die Abgabeeinrichtung des Empfängers (im Rahmen einer versuchten Eigenhandzustellung). Diese Einlegung erfolgte stets noch vor der (wirksamen) Zustellung des Dokuments, und sohin während des Zustellverfahrens.

In Übernahme dieses vorgefundenen Begriffsverständnisses erhält der Empfänger nach der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante bei Rückkehr an die Abgabestelle am Tag dieses (maßgeblichen) Zustellversuchs dadurch Kenntnis vom 'Zustellvorgang' i.S.d. §17 Abs3 ZustellG, indem der Empfänger in seiner Abgabeeinrichtung entweder die Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs (bei der Eigenhandzustellung) oder die Benachrichtigung von der erfolgten Hinterlegung und künftigen Schriftstückbereithaltung (bei der RSb‑Zustellung) vorfindet.[Vgl. diesbezüglich VwGH 13.12.1989, 89/03/0214, welcher von der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang anlässlich der Rückkunft spricht. In diesem Sinne auch VwGH 29.1.1987, 86/02/0157]

Demgegenüber stellen die ersten beiden obreferierten, von den Höchstgerichten judizierten Auslegungsvarianten nicht auf die 'mögliche rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang', sondern vielmehr auf die 'mögliche rechtzeitige Kenntniserlangung vom Inhalt des zustellten Schriftstücks' ab.[Vgl. etwa die umfassende Darlegung in VwGH 9.7.1992, 91/16/0091]

Ob gewollt oder nicht, fällt aber auf, dass in den dieser (dieser Auslegungsvariante folgenden) Entscheidungen bei der Prüfung des Vorliegens des Mangels der Ortsabwesenheit i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG zwei Worte nicht verwendet werden, nämlich die Worte 'rechtzeitig' und 'Zustellvorgang'. Obgleich in diesen Judikaten stets geprüft wird, ob der Empfänger 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte', begnügen sich die dieser Auslegungsvariante folgenden Höchstgerichte regelmäßig mit dem Hinweis, dass der Empfänger vor seiner Abreise vom ersten bzw einzigen Zustellversuch (und damit rechtzeitig vom Zustellvorgang) Kenntnis erlangt hat. Möglicherweise wird aus diesem Grunde weder in der Literatur noch in der Judikatur diese Auslegungsvariante des Obersten Gerichtshofs wie auch des Verwaltungsgerichtshofs nicht den beiden zuvor angeführten Auslegungsvarianten gegenüber gestellt.

Zudem scheint es, dass auch die Senate, welche eine der beiden ersten zuvor dargestellten höchstgerichtlichen Auslegungsvarianten favorisieren, mitunter diese dritte, dem Wortsinn und dem Willen des historischen Gesetzgebers folgende Auslegungsvariante anwenden, nämlich in den Fällen der Abreise des Empfängers im Zeitraum nach dem maßgeblichen Zustellversuch. Bei dieser Konstellation wird nämlich stets[Vgl. aber auch die Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofs, welche die Berechtigtheit der Abwesenheit zum zweiten Zustellversuch prüft.] von einer rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang ausgegangen. Es scheint daher, dass diese Senate des Obersten Gerichtshofs wie auch der Verwaltungsgerichtshof die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' auf Konstellationen der Abreise erst nach dem ersten bzw einzigen Zustellversuch grundsätzlich anders auslegen als in Konstellation der Abreise bereits vor dem ersten bzw einzigen Zustellversuch.

Während die die Maßfigur des Vollerwerbstätigen bzw die die Rechtsmittelrestfrist favorisierenden Senate des Obersten Gerichtshofs wie des Verwaltungsgerichtshofs im Falle der Abreise vor dem maßgeblichen[…] (ersten bzw einzigen) Zustellversuch unter einem 'Zustellvorgang' den Zeitpunkt der frühestmöglichen Kenntniserlangung vom Inhalt des zugestellten Schriftstücks durch den Empfänger bzw durch einen fiktiven Vollerwerbstätigen verstehen[…], verstehen diese Senate im Falle der Abreise nach dem maßgeblichen (ersten bzw einzigen) Zustellversuch unter einem 'Zustellvorgang' etwas ganz anderes, nämlich gerade diesen maßgeblichen (ersten bzw einzigen) Zustellversuch.

Anknüpfend an dieses unterschiedliche Verständnis des Begriffs ' Zustellvorgang' variieren diese Senate des Obersten Gerichtshofs wie auch des Verwaltungsgerichtshofs stets auch das jeweilige Verständnis des Begriffs 'rechtzeitig':

Übereinstimmend judizieren auch die die beiden erstangeführten Auslegungsvarianten favorisierenden höchstgerichtlichen Senate - im Sinne zuvor dargestellten Verständnisses des historischen Gesetzgebers – zum Fall der Abreise nach dem (ersten bzw einzigen) Zustellversuch. Diesfalls verstehen diese Senate (in Übereinstimmung mit den dem historischen Gesetzgeberwillen folgenden Senaten) unter 'rechtzeitige Kenntniserlangung' die (mögliche) Kenntniserlangung von diesem (ersten bzw einzigen) Zustellversuch (vor der erfolgten Abreise von der Abgabestelle).

Ganz anders legen die die beiden erstangeführten Auslegungsvarianten favorisierenden höchstgerichtlichen Senate den Fall einer Abreise bereits vor dem (ersten bzw einzigen) Zustellvorgang aus. Diesfalls wird nach der erstangeführten, auf die Maßfigur des Vollerwerbstätigen abstellenden höchstgerichtlichen Auslegungsvariante unter 'rechtzeitig' der Zeitraum verstanden, welcher zwischen dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Schriftstückerlangung durch den konkreten Empfänger und dem Zeitpunkt, zu welchem üblicherweise ein fiktiver Vollerwerbstätiger das Schriftstück frühestmöglich erlangen hätte können. Dagegen wird nach der zweitangeführten auf die verbleibende Restrechtsmittelfrist abstellende höchstgerichtlichen Auslegungsvariante unter 'rechtzeitig' der Zeitraum verstanden, welcher dem Empfänger nach dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Erlangung des zugestellten Schriftstücks bis zum Verstreichen der Rechtsmittelfrist verbleiben würde.

Demgegenüber ist bei Zugrundelegung des Verständnisses des historischen Gesetzgebers im Falle der (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit[Mitunter wird auch die Ansicht vertreten, dass eine (über die Tagesstunden hinausgehende) Ortsabwesenheit von der Abgabestelle dann nicht schadet, wenn der Empfänger zwar erst nach dem erfolgten maßgeblichen (ersten oder einzigen) Zustellversuch, aber noch am Tag dieses Zustellversuchs an die Abgabestelle zurückkehrt (vgl etwa Stumvoll, §21 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Ergänzungsband zum Zustellrecht [20082] 517).] bereits zum Zeitpunkt des maßgeblichen (ersten bzw einzigen) Zustellversuchs stets vom Nichtvorliegen einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang und damit auch stets ein Fall einer möglichen Heilung i.S.d. Vorgabe des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG auszugehen.

 

IV.2.3.1.2) diese Auslegungsvariante (zumindest konkludent) favorisierende Vertreter der Lehre:

Bei der Darstellung der dem Verständnis des historischen Gesetzgebers und dem 'bloßen' Wortsinn folgenden höchstgerichtlichen Judikatur ist ersichtlich geworden, dass die dieser Auslegungsvariante folgenden höchstgerichtlichen Senate bei jeder (nicht bloß während des Tags bestehenden) Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs stets dann vom Vorliegen eines Zustellmangels und der Anwendbarkeit der Heilungsbestimmungen des §16 Abs1 ZustellG bzw des §17 Abs1 ZustellG ausgehen, wenn der Empfänger nicht bereits vor dieser Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger bzw vor der Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung Kenntnis vom maßgeblichen Zustellversuch erlangen hatte können.

Im Gegensatz zu dieser Judikaturlinie fordern die Vertreter der die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen bzw der die Erforderlichkeit einer bloß angemessenen verbleibenden Rechtsmittelfrist favorisierenden Auslegungsvarianten zusätzlich zum Gesetzeswortlaut jeweils eine zusätzliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Heilungsbestimmungen des §16 Abs1 ZustellG bzw des §17 Abs1 ZustellG. Demnach wird zusätzlich zu dieser 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' auch 1) eine (gravierende) Ungleichbehandlung zur Maßfigur eines werktags erst abends an die Abgabestelle zurückkehrenden Vollerwerbstätigen bzw 2) ein Nichtverbleiben einer angemessenen Rechtsmittelfrist gefordert.

Das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden erstangeführten Auslegungsvarianten der Maßgeblichkeit der Maßfigur des Vollerwerbstätigen bzw der Maßgeblichkeit einer nichtverbleibenden angemessenen Rechtsmittelfrist einerseits und der am historischen Verständnis und dem Gesetzeswortlaut orientierten Auslegungsvariante andererseits ist daher in der Beurteilung zu finden, welche Mindestabwesenheitsdauer für die Bejahung der Anwendbarkeit der Heilungsbestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG gefordert wird. Während die am historischen Verständnis und dem Gesetzeswortlaut orientierte Auslegungsvariante niemals eine über die Dauer einer 'vorübergehenden Ortswesenheit' (im Sinne des Begriffsverständnisses der Vorgängerbestimmungen des Zustellgesetzes) hinausgehende Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs fordert, fordern die beiden anderen Auslegungsvarianten stets eine über diese Dauer einer 'vorübergehenden Ortswesenheit' hinausgehende Ortsabwesenheit (nämlich entweder eine Ortsabwesenheit, welche den Empfänger [gravierend] schlechter als einen Vollerwerbstätigen stellt, oder eine Ortsabwesenheit, welche zu einer unangemessenen Verkürzung der Rechtsmittelfrist führt).

Wenn man nach diesem Kriterium der erforderlichen Mindestdauer der Ortsabwesenheit für die Anwendbarkeit der Heilungstatbestände des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG die ergangenen Lehrmeinungen untersucht, fällt auf, dass für viele Vertreter der Lehre bereits jede 'vorübergehende Ortswesenheit' (im Sinne des Begriffsverständnisses der Vorgängerbestimmungen des Zustellgesetzes) geeignet ist, um die Anwendung des Heilungs- bzw Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG auszulösen. Durch diese Vertreter der Lehre wird daher nicht zusätzlich eine darüber hinausgehende Ortsabwesenheit (wie dies die Judikatur zu den ersten beiden behandelten Auslegungsvarianten gebietet) gefordert.

Insbesondere der Umstand, dass alle diese Vertreter der Lehre 1) sich ausdrücklich auf das durch die Materialien zum Ausdruck gebrachte historische Verständnis des Gesetzgebers berufen, 2) den Begriff der Regelmäßigkeit im §16 Abs1 ZustellG bzw im §17 Abs1 ZustellG im Sinne des vorgefundenen Begriffsverständnisses der 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' auslegen, und 3) vom (grundsätzlichen) Vorliegen eines Zustellmangels bereits im Fall des Vorliegens einer 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' ausgehen, legt es nahe anzunehmen, dass diese Vertreter die gegenständliche Auslegungsvariante der Maßgeblichkeit des historischen Gesetzgeberwillens favorisieren.

Übereinstimmend betonen daher diese Vertreter der Lehre bei der Auslegung der Wendung des 'regelmäßigen Aufenthalts' im §16 Abs1 ZustellG bzw im §17 Abs1 ZustellG, dass erstens in den Materialien zur Stammfassung des Zustellgesetzes darauf hingewiesen wird, dass grundsätzlich die bestehende Rechtslage nach dem AVG bzw der ZPO übernommen wird, und dass zweitens von der mangelnden Regelmäßigkeit des Aufenthalts i.S.d. §16 Abs1 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs1 ZustellG (bereits) im Falle einer 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' (im Sinne des vorgefundenen Vorverständnisses) auszugehen ist. Damit habe der Gesetzgeber unmissverständlich auf das bis zur Erlassung des Zustellgesetzes entwickelte Begriffsverständnis der Wendung 'vorübergehende Ortsabwesenheit' zurückgegriffen, und sohin dieses Begriffsverständnis für die Auslegung des Vorliegens eines eine Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung untersagenden nicht 'regelmäßigen Aufenthalts' als maßgeblich erklärt.

Da die Heilungsbestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG nach Sicht dieser Vertreter der Lehre nur dahingehend ausgelegt werden können, dass durch diese der Mangel einer Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung trotz Vorliegens eines nicht-regelmäßigen Aufenthalts des Empfängers an der Abgabestelle geheilt werden soll, bringen diese Vertreter der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante zumindest konkludent zum Ausdruck, dass stets dann von einem durch die Heilungsbestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG heilbaren Zustellmangel auszugehen ist, wenn zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs der Empfänger zumindest 'vorübergehend ortsabwesend' i.S.d. bis zur Erlassung des Zustellgesetzes entwickelten Begriffsverständnisses gewesen ist.

Als Vertreter dieser Auslegungsvariante sind jedenfalls Herbert Haller[Vgl. Haller, Zum Entwurf eines ZustG, ZfV 1981, 1 (5), welcher die Ansicht vertritt, dass die Heilungstatbestände des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG stets dann zur Anwendung gelangen, wenn ein Zustellorgan zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Empfänger nicht ortsabwesend ist und aus diesem Grunde eine Ersatzzustellung bzw Hinterlegung vorgenommen hat.], Wolfgang Hauer[Vgl. Hauer, einige Bemerkungen zum neuen Zustellgesetz, GdZ1983, 34; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19822) 583 (Anm. 7), 587 (Anm. 6); Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19904) 1206ff; Anm: Direktzitat von Hauer/Leukauf, Handbuch 1903ff Rn 4], Alfred Strobl[Vgl. Strobl, Das neue Zustellrecht, AnwBI 1982, 679, welcher annimmt, dass in jedem Fall der Hinterlegung oder Ersatzzustellung trotz Ortsabwesenheit der Heilungstatbestand des §17 Abs3 ZustellG bzw des §16 Abs5 ZustellG zur Anwendung gelangt.], Otto Leukauf[Vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19904) 1206ff], Kurt Ringhofer[Vgl. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze. Bd. I (1987) 892], Ewald Wiederin[Vgl. Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZN 1988, 222. 375 (382), welcher formuliert: 'Wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellversuch Kenntnis erlangen' konnte ein Empfänger folglich immer dann, wenn ihm wegen Abwesenheit die Möglichkeit genommen war, gleich einem abwesenden Empfänger auf das Schriftstück zu reagieren, oder mit anderen Worten: wenn es ihm wegen (und nur wegen) einer vor dem betreffenden Zustellversuch beginnenden Abwesenheit vor der Abgabestelle nicht möglich war, die Sendung am ersten Tag der Abholfrist zu beheben.'], Walter Rechberger[Vgl. Rechberger, Zustellung durch Hinterlegung. Glosse zu 3 Ob 22/87, MR 1988, 26; konkludent Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht (19833) Rn 374] und Heinrich Stumvoll[Vgl. Stumvoll, §16 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen. Bd. II (20163) 780 (785f, 797, 799); Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen. Bd. II (20163) 802 (818ff); So stellt Stumvoll explizit klar, dass unter einem Zustellvorgang i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG der (maßgebliche) Zustellversuch zu verstehen ist, wobei dann von diesem Zustellversuch rechtzeitig Kenntnis erlangt wird, wenn der Empfänger nicht zu dem Zeitpunkt auf die Sendung reagieren kann, als ein Empfänger üblicherweise auf diese Sendung reagieren könnte (daher etwa durch die Nichtkenntniserlangung nicht in die Lage versetzt wurde, das Schriftstück am ersten Bereithaltungstag nach dem Hinterlegungstag abzuholen). (vgl Stumvoll, §16 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II [20163] 780 [799]; Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II [20163] 802 [816, 819f]).] anzuführen.

Auch viele weitere Vertreter entsprechen dieser Zuordnung zur dem Konzept des historischen Gesetzgebers folgenden Auslegungsvariante.[Vgl. etwa Arnold, Besprechung von VwGH 28.5.1993, 92/17/0239, AnwBI 1993, 949; Szirba, Die Hinterlegung bei vorübergehender Ortsabwesenheit (§17 Abs3 ZustelIG), ZfV 1985, 597 (597f); Schwaighofer, Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367 (368); Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290; konkludent König, Die Ersatzzustellung bei längerer Abwesenheit, ÖGZ 1983, 116]

Zudem sprechen wohl die besseren Argumente dafür, dass auch Robert Walter und Heinz Mayer zumindest ursprünglich die dem Verständnis des historischen Gesetzgebers und dem Gesetzeswortlaut folgenden Auslegungsvariante (zumindest konkludent) favorisiert haben. Für diese Sichtweise ist erstens der Umstand anzuführen, dass auch diese Autoren den Begriff 'rechtzeitig' im §16 Abs1 ZustellG bzw im §17 Abs1 ZustellG mit dem vorgefundenen Begriffsverständnis des Umstands einer 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' gleichsetzten, zweitens beide ausdrücklich jedenfalls bereits im Falle einer 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' (im Sinne dieses vorgefundenen Vorverständnisses) vom Vorliegen eines Zustellmangels und der Anwendbarkeit der Heilungsbestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG ausgingen, und drittens sich ausdrücklich weder der von Berchtold favorisierten Auslegungsvariante der Maßgeblichkeit des Ausmaßes der verbleibenden Rechtsmittelfrist noch der an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen orientierten Auslegungsvarianten anschlossen.[Anm: Wörtliche Wiedergabe von Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht, 1983, §17 ZustellG, Rn 38]

 

IV.2.3.2) Ausführungen der Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des Zustellgesetzes:

Da sich die Wendung 'wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' sowohl im §17 Abs3 ZustellG als auch im §16 Abs5 ZustellG fand bzw findet, erscheint es angebracht, zur Auslegung dieser Wendung sowohl die Ausführungen in der Regierungsvorlage wie auch im Ausschussbericht zum §16 ZustellG als auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zum §17 ZustellG heranzuziehen.

Bei dieser Prüfung soll nicht verkannt werden, dass die Zugrundelegung der Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu einem Gesetz eine durchaus strittige Methode zur Auslegung eines Gesetzes darstellt, ist doch gerade der ein Gesetz vorbereitende Beamtenapparat kein Glied einer gesetzgebenden Körperschaft. Durchaus konsequent wird daher in der Lehre mitunter die Position vertreten, dass bei der historischen Interpretation nur die Enuntiationen von Gesetzgebungsorgangen (etwa der Ausschussbericht, die stenographischen Protokolle der Parlamentssitzungen etc.), nicht aber auch die Erläuternden Bemerkungen einer Regierungsvorlage berücksichtigt werden dürfen.[Vgl. etwa Praunegger, Wortlaut des Gesetzes oder Absicht des Gesetzgebers?, Zur Anwendung des Gehalts-Überleitungsgesetzes, JBl 1950, 156 (158ff); Panosch, Der Wille des Normsetzers und sein Ausdruck, Rechtstheorie 1994, 118 (122)]

Demgegenüber wird von anderen Vertretern der Lehre der Normsetzerwille durch alle Hilfstatsachen (Indizien) zu ermitteln versucht, welche auf diesen zurückschließen lassen. Als solche Hilfstatsachen werden allen anderen voran der Wortlaut der Norm, deren systematischer Kontext, die Gesetzesmaterialien und auch der im Zusammenhang mit einem erlassenen Gesetz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangene ministeriale Durchführungserlass analysiert.[Vgl. etwa Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz: Studien zur Interdependenz von Grundrechtsdogmatik und Rechtsgewinnungstheorie (1999) 338ff; Jestaedt, Wie das Recht, so die Auslegung. Die Rolle der Rechtstheorie bei der Suche nach der juristischen Auslegungslehre, ZÖR 2000, 133 (155ff); konkludent Jabloner, Die Gesetzesmaterialien als Mittel der historischen Auslegung, in: Hengstschläger ua (Hrsg), Für Staat und Recht (Berlin 1994) 441; Thienel, Kritischer Rationalismus und Jurisprudenz. Zugleich eine Kritik an Hans Alberts Konzept einer sozialtechnologischen Jurisprudenz (1991) 194f, 203f]

Gerade im Hinblick auf die Dürftigkeit der Ausführungen im Ausschussbericht erscheint es nach Ansicht des antragstellenden Gerichts durchaus vertretbar, bei der Ermittlung des historischen Willens des Gesetzgebers auch die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage und zudem auch die wohl von denselben Beamten, welche die Regierungsvorlage verfasst bzw inhaltlich geprägt hatten, verfassten und noch vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes publizierten Durchführungserlässe (bzw Rundschreiben) zu berücksichtigen.

Gerade die Heranziehung der vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes ergangenen Durchführungserlässe des Bundeskanzleramts und des Finanzministeriums erscheint durchaus geboten, zumal erst durch die umfassenden Ausführungen in diesen Durchführungserlässen die Ausführungen in der Regierungsvorlage, und darauf aufbauend die Ausführungen im Ausschussbericht verständlich werden:

Im Ausschussbericht zur Stammfassung des ZustellG BGBI. 200/1982, BIgNR AB 1050, XV. GP , wird zur Bestimmung des §16 ZustellG ausgeführt:

'Im §16 Abs1 wurde genauer umschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine Ersatzzustellung zulässig ist. Diese soll nämlich nur dann zulässig sein, wenn der Zusteller Grund zu der Annahme hat, daß sich der Empfänger der Sendung regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, also nicht für längere Dauer von dieser abwesend ist. Durch eine solche Regelung soll ein allfälliger Schaden, der durch die rechtsgültige Zustellung eintreten könnte, abgewendet werden. Ist der Empfänger längere Zeit (etwa infolge Urlaubes) von der Abgabestelle abwesend, so darf auch eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger nicht erfolgen. Eine trotzdem erfolgte Ersatzzustellung bedeutet eine unzulässige Zustellung und zieht keine Rechtswirkungen nach sich. Der zweite Satz des Abs3 der Regierungsvorlage wurde als eigene Bestimmung gefaßt und als neuer Abs3 eingefügt. Der erste Satz des Abs3 der Regierungsvorlage wurde demnach entsprechend als neuer Abs4 eingefügt, an die Behörde gerichtet und imperativ formuliert. Neu eingefügt wurde auch der Abs5, der mit der Neuformulierung des Abs1 zusammenhängt und im wesentlichen der Regelung entspricht, die hinsichtlich der Hinterlegung im §17 Abs3 enthalten ist.'

In der Regierungsvorlage zur Stammfassung des Zustellgesetzes, BGBl 200/1982, BIgNR RV 162, XV. GP , wird zur Bestimmung des §17 ZustellG, welche unverändert zur der Fassung der Regierungsvorlage beschlossen worden ist, ausgeführt wie folgt:

'Wenn eine Zustellung nicht bewirkt werden kann, die Abwesenheit des Empfängers aber offenbar nur eine vorübergehende ist, sieht der Entwurf entsprechend dem bisherigen Zustellrecht die Hinterlegung vor.

Auf Grund der Bestimmungen des Abs2 ist der Empfänger vor der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Regelung dient als gesetzliche Grundlage für die Auflage eines entsprechenden Formulares.

Eine Zustellung mittels Hinterlegung erfolgt auf Grund des Abs3 dann nicht, wenn der Empfänger sich vorübergehend nicht an der Abgabestelle aufgehalten hat. Kehrt der Empfänger jedoch innerhalb der Abholfrist zurück, so wird die Zustellung an dem folgenden Tag wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden konnte.'

Zudem wird in der Regierungsvorlage zur Stammfassung des Zustellgesetzes, BGBl. 200/1982, BIgNR RV 162, XV. GP , zur Bestimmung des §16 ZustellG (und sohin auch zur Bestimmung des §16 Abs5 ZustellG, hervorgehoben, dass 'die vorgeschlagene Regelung im wesentlichen der geltenden Rechtslage (vgl §23 AVG, §102 ZPO) (entspricht).'

Von hoher Relevanz ist die Ausführung in der Regierungsvorlage zur Bestimmung des §17 ZustellG. In dieser Passage wird nämlich der (im §16 Abs1 ZustellG wie auch im §17 Abs1 ZustellG verwendete) Begriff 'regelmäßig' mit dem bis zum Inkrafttreten des Zustellgesetzes durch die Judikatur entwickelten Begriff der 'vorübergehenden Abwesenheit' definiert.

Höchst aufschlussreich ist zudem aber auch das noch vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes publizierte und dem Rundschreiben des Bundeskanzleramts vom 31.1.1983, GZ 601 661/1-V/1/83, und der diesem Rundschreiben folgende Durchführungserlass des Finanzministeriums vom 28.2.1983, Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung Nr 114/1983.

Zur Ersatzzustellung und zur Hinterlegung wird in diesem Rundschreiben des Bundeskanzleramts (für die gegenständliche Rechtsfrage relevant) ausgeführt wie folgt:

'2. Ersatzzustellung (RSb) (..)

d) Der Zusteller muß Grund zu der Annahme haben, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Maßgebend für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist nicht der objektive-Umstand, daß sich der Empfänger tatsächlich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, sondern der subjektive Umstand, daß für den Zusteller Grund für. eine derartige Annahme besteht. Ist für den Zusteller aus bestimmten Umständen (zB glaubhafte Mitteilung) ersichtlich, daß sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, beispielsweise sich auf Urlaub befindet, so ist die Ersatzzustellung nicht zulässig. Unter welchen Umständen von der Annahme ausgegangen werden kann, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, kann nicht allgemein gesagt werden. Beispielsweise wird dann von dieser Annahme ausgegangen werden können, wenn das Hausbrieffach des Empfängers regelmäßig geleert wird und beim Postamt keine Mitteilung über eine Abwesenheit des Empfängers vorliegt und wenn der Zusteller auch aus keinem anderen Hinweis auf eine Abwesenheit des Empfängers schließen kann.

Hat sich der Zusteller in der Annahme geirrt, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle auf hält, so kommt, der §16 Abs5 zum Tragen.- In diesem Fall gilt nämlich die Ersatzzustellung als nicht bewirkt und wird die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. ' Ist also eine Ersatzzustellung vorgenommen worden, obwohl der Empfänger von der Abgabestelle abwesend war und somit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, so geht dies weder zu Lasten des Empfängers noch zu Lasten eines gültigen Zustellvorganges, sondern es wird nur der Zeitpunkt der gültigen Zustellung hinausgeschoben. Handelt es sich. um einen Fall, in dem die Zustellung für einen Fristen/auf maßgebend ist (zB eine Rechtsmittelfrist) , so hat der Empfänger ab dem seiner Rückkehr folgenden Tags die volle Rechtsmittelfrist zur Verfügung. Er wird in dem Rechtsmittel, um dessen Rechtzeitigkeit zu untermauern, auf/die Umstände hinzuweisen haben, die eine wirksame Ersatzzustellung verhindert haben. Es obliegt sodann der Behörde, bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Eingabe, diese Angaben näher zu prüfen.

(…)

5. Hinterlegung

a) Eine Sendung ist zu hinterlegen, wenn sie an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, weil

- weder ein Empfänger noch ein geeigneter Ersatzempfänger angetroffen wird oder

- im Falle einer Zustellung zu eigenen Händen auch der zweite Zustellversuch erfolglos geblieben ist.

Die im §17 geregelte Hinterlegung setzt voraus, daß der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die Hinterlegung ist daher dann nicht zulässig, wenn der Zusteller weiß, wenn ihm mitgeteilt wird, oder wenn er sonst aufgrund bestimmter Umstände zu erkennen vermag, daß der Empfänger sich nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. In diesem Fall kommt eine Nachsendung im Sinne des §18 in Betracht (siehe V, 6, b). Wenn die Nachsendung nicht möglich ist, ist die Sendung im Sinne des §19, an die absendende Behörde zurückzustellen.

(...)

d)Mit dem ersten Tag, an dem die Sendung zur. Abholung bereit gehalten wird, gilt die hinterlegte Sendung als zugestellt. Gleichzeitig beginnt die Abholfrist, die mindestens zwei Wochen zu betragen hat und deren Dauer in der 'Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes' anzugeben ist. Für den Empfänger bestimmt sich der Beginn und die Dauer der Abholfrist nach den Angaben in der 'Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes.

e)Der §17 Abs.3 regelt ferner, unter welchen Umständen eine Hinterlegung keine Zustellung bewirkt. Dies ist dann der Fall, wenn sich-ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Diese Regelung nimmt auf jene Fälle Bedacht, in denen der Zusteller zwar keinen Grund hatte, eine Ortsabwesenheit des Empfängers zu .vermuten, eine solche sich aber später - meist aufgrund der- Angaben des Empfängers ergibt. Die Zustellung wird in diesem Fall erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Voraussetzung dafür ist daher, daß der Empfänger an die Abgabestelle zurückkehrt und zumindest der der Rückkehr folgende Tag mit dem Ende der Abholfrist, wie sie sich aus der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes ergibt, zusammenfällt. Diese gesetzliche Regelung geht davon aus, daß eine irrtümliche Annahme des Zustellers über die Ortsanwesenheit des Empfängers nicht zu dessen Lasten geht, andererseits verlangt sie aber vom Empfänger, sich sogleich bei seiner Rückkehr um die hinterlegte Sendung zu kümmern. Tut er dies und holt er die Sendung an dem der Rückkehr folgenden Tag, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte, tatsächlich ab, so wird die Zustellung erst mit diesem Tag. wirksam und ist ihm die volle Ausnutzung allfälliger Fristen (Rechtsmittelfristen) gewährleistet. Wird die Sendung vom Empfänger erst zu einem späteren Zeitpunkt behoben, so führt das zu seinen Tasten zu einer Verkürzung oder auch zu einem Verlust allfälliger Fristen.'

Im sodann erlassenen Durchführungserlass des Finanzministeriums vom 28.2.1983 finden sich wörtlich nachfolgende Passagen:

'2. Ersatzzustellung (RSb)

(…)

d)Der Zusteller muss Grund zu der Annahme haben, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Maßgebend für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist nicht der objektive Umstand, daß sich der Empfänger tatsächlich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, sondern der subjektive Umstand, daß für den Zusteller Grund für eine derartige Annahme besteht. Ist für den Zusteller aus bestimmten Gründen (zB glaubhafte Mitteilung) ersichtlich, daß sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, beispielsweise sich auf Urlaub befindet, so ist die Ersatzzustellung nicht zulässig. Unter welchen Umständen von der Annahme ausgegangen werden kann, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, kann nicht allgemein gesagt werden. Beispielsweise wird dann von dieser Annahme ausgegangen werden können, wenn das Hausbrieffach des Empfängers regelmäßig geleert wird und beim Postamt keine Mitteilung über eine Abwesenheit des Empfängers vorliegt und wenn der Zusteller auch aus keinem anderen Hinweis auf eine Anwesenheit des Empfängers schließen kann.

Hat sich der Zusteller in der Annahme geirrt, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so kommt der §16 Abs5 zum Tragen. In diesem Fall gilt nämlich die Ersatzzustellung als nicht bewirkt und wird die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Ist also eine Ersatzzustellung vorgenommen worden, obwohl der Empfänger von der Abgabestelle abwesend war und somit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, so geht dies weder zu Lasten des Empfängers noch zu Lasten eines gültigen Zustellvorgangs, sondern wird nur der Zeitpunkt der gültigen Zustellung hinausgeschoben. Handelt es sich um einen Fall, in dem die Zustellung für einen Fristenlauf maßgebend ist (zB eine Rechtsmittefrist), so hat der Empfänger ab dem seiner Rückkehr folgenden Tag die volle Rechtsmittelfrist zur Verfügung.

3. Zustellung zu eigenen Handen (RSa)

(…)

Die 'Ankündigung eines zweiten Zustellversuches' ist in derselben Art und Weise wie eine 'Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes' (siehe unten V,5,b) dem Empfänger zur Kenntnis zu bringen.

5) Hinterlegung

(…)

e)Der §17 Abs3 regelt ferner, unter welchen Umständen eine Hinterlegung keine Zustellung bewirkt. Dies ist dann der Fall, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Diese Regelung nimmt auf jene Fälle Bedacht, in denen der Zusteller zwar keinen Grund hatte, eine Ortsabwesenheit des Empfängers zu vermuten, eine solche sich aber später – meist auf Grund der Angaben des Empfängers – ergibt. Die Zustellung wird in diesem Fall erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die Hinterlegung behoben werden könne. Voraussetzung dafür ist daher, daß der Empfänger an die Abgabestelle zurückkehrt und zumindest der der Rückkehr folgende Tag mit dem Ende der Abholfrist, wie sie sich aus der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstücks ergibt, zusammenfällt. Diese gesetzliche Regelung geht davon aus, daß eine irrtümliche Annahme des Zustellers über die Ortsanwesenheit des Empfängers nicht zu dessen Lasten geht, anderseits verlangt sie aber vom Empfänger, sich sogleich bei seiner Rückkehr um die hinterlegte Sendung zu kümmern. Tut er dies und holt er die Sendung an dem der Rückkehr folgenden Tag, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte, tatsächlich ab, so wird die Zustellung erst mit diesem Tag wirksam und ist ihm die volle Ausnutzung allfälliger Fristen (Rechtsmittelfristen) gewährleistet. Wird die Sendung vom Empfänger erst zu einem späteren Zeitpunkt behoben, so führt das zu seinen Lasten zu einer Verkürzung oder auch zu einem Verlust allfälliger Fristen.

(…)

Die wesentlichen Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage bestehen darin, daß die Zustellwirkung nicht schon mit der vorschriftsmäßigen Hinterlegung eintritt, sondern mit dem ersten Tag, an dem die Sendung zur Abholung bereitgehalten wird. In den in lite besprochenen Fällen gilt die Zustellung erst an einem späteren Tag, nämlich an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, als bewirkt.'

 

IV.2.3.3) Begriff der 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' nach der Rechtslage zu den §§23f AVG und 102f ZPO und des 'regelmäßigen Aufenthalts nach den §§16f ZustellG:

 

IV.2.3.3.1) vom Gesetzgeber des Zustellgesetzes vorgefundenes Begriffsverständnis des Begriffs der 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' zur Rechtslage gemäß den §§23f AVG und 102f ZPO:

Wenn man sich die zu diesen Bestimmungen der §§23f AVG und §102f ZPO (jeweils in der Fassung vor der Erlassung des Zustellgesetzes) ergangene höchstgerichtliche Judikatur und herrschende Lehre vor Augen hält, so war nach dieser Rechtslage eine Ersatzzustellung bzw eine Hinterlegung eines Schriftstücks nur dann zulässig, wenn der Empfänger des Schriftstücks maximal während der Tagesstunden des Tags des maßgeblichen[…] Zustellversuchs von der Abgabestelle abwesend war.[Vgl. VfSlg 7750/1976; 8290/1978; OGH 20.12.1977, 4 Ob 548/77; 26.6.1979, 5 Ob 576/79; 31.8.1979, 6 Ob 11/79; 13.7.1982, 4 Ob 50/82; 23.11.1982 7 Ob 763/82; 12.1.1983, 1 Ob 833/82; VwSlg 1141 A/1949; 2367 A/1951; 3914 A/1955; 5199 F/1977; 10.329 A/1980; VwSlg 10.329 A/1980; VwGH 31.1.1968, 670/67; 6.12.1977, 2359/77; 30.3.1978, 840/77; 23.3.1981, 1799/80; 7.9.1983, 82/03/0301; 6.6.1984, 81/11/0124; konkludent VwSlg 356 A/1948; VwGH 21.10.1977, 860/1976; 30.11.1978, 2887/78; MietSIg. 31.667, 32.652, 33.620; Vgl. auch Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II [1962] 590; Arnold, Besprechung von VwGH 28.5.1993, 92/17/0239, AnwBI 1993, 949; Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwEl 1984, 290; Höslinger, Zum Begriff 'gewöhnlicher Aufenthaltsort' in §23 (7) AVG, 3BI 1956, 145 (146); Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (376); Haller, Zum Entwurf eines ZustG, ZfV 1981, 1 (5); Hauer, Einige Bemerkungen zum neuen Zustellgesetz, GdZ1983, 34 (37); konkludent VwGH 8.3.1979, 1449/77; 3.7.1981, 3144/79; Achatz, Das neue Zustellrecht, NZ 1983, 113; So führt Fasching zur Zulässigkeit einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß §104 ZPO aus (vgl Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II [1962] 590):

'Es muss jedoch für den Empfänger die objektive Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit gegeben sein, daß er tatsächlich innerhalb der allfällig durch die Zustellung in Lauf gesetzte Frist Kenntnis von der Zustellung des Schriftstücks erlangen kann, dies schon deshalb, um die Möglichkeit eines Mißbrauchs der fiktiven Zustellung einzuschränken. Die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme ist für den Empfänger jedenfalls nur dann gegeben, wenn er - ohne Kenntnis einer bevorstehenden Zustellung - zwar vom Hause oder Raum, in dem die Zustellung erfolgen soll, abwesend, aber immerhin am Zustellungsort anwesend ist. Ist er vom Zustellungsort abwesend, dann kann eine Zustellung durch Hinterlegung nicht rechtsgültig erfolgen (6.2.1963, EvBI. Nr 337; 23.2.1951, SZ XXIV 51 = EVBI. 1951 Nr 147 u. a.); allerdings genügt eine periodische kurzfristige Abwesenheit tagsüber nicht, sondern es muß sich um eine, wenn auch kurzfristige, doch und nicht vorhersehbare Abwesenheit handeln.' Fasching forderte für die Zulässigkeit der Ersatzzustellung im Geschäftsraum oder der Betriebsstätte gemäß §103 ZPO sogar, dass der Schriftstückadressat zum Ersatzzustellungszeitpunkt 'während der Zustellung im Geschäftsraum oder der gewerblichen Betriebsstätte anwesend' ist (vgl Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II [1962] 588 [Anm. 9]). Im Wesentlichen dasselbe Verständnis wird auch in den Judikaten zum §24 AVG bzw zum §107 ZPO zum Ausdruck gebracht, welche dann vom Vorliegen einer nicht-vorübergehenden Ortsabwesenheit gefordert, dass 'der Empfänger trotz der Abwesenheit in der Lage ist und es ihm zumutbar ist, Zustellvorgänge an der (jeweiligen) Abgabestelle wahrzunehmen' (vgl VfSlg 7750/1976; VwSlg 3914 A/1955; VwGH 28.9.1967, 1881/66; 24.11.1971, 148/71; 11.11.1973, 1148/73; 8.3.1979, 1449/77; 16.1.1981, 3412/78; 23.1.1981, 1799/80).] Diese Sichtweise wurde von den Höchstgerichten auch zum Zustellgesetz übernommen, sodass auch zum Zustellgesetz in ständiger Rechtsprechung judiziert wird, dass bei einer Rückkunft an die Abgabestelle am Tag des bei RSb‑Zustellungen einzigen Zustellversuchs von keiner Ortsabwesenheit des Schriftsatzadressaten auszugehen ist.[Vgl. etwa OGH 7.10.1992, 1 Ob 615/92; VwGH 12.9.1985, 85/06/0118; 6.2.1990, 89/14/0256; 24.9.1991, 90/11/0232; 20.6.1994, 94/10/0022; 19.1.1995, 94/09/0248; 22.1.2001, 2000/04/0171; 19.4.2001, 99/06/0049; 20.9.2001, 2001/11/0130; 17.9.2002, 99/01/0327; 24.1.2005, 2000/17/0221; 22.9.2017, Ra 2017/02/0085; Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I (1998) 1965 (Anm. 11)]

Zudem war eine Ersatzzustellung am Arbeitsplatz unzulässig.[Vgl. OGH 7.7.1981, 5 Ob 756/80]

Folglich wurde eine dreitägige Ortsabwesenheit von der Abgabestelle der Wohnung als eine die Zustellung durch Hinterlegung oder Ersatzzustellung unzulässig machende 'vorübergehende Ortsabwesenheit' eingestuft.[Vgl. VwGH 10.6.1968, 1435/67; Dieser Einschätzung folgt der Verwaltungsgerichtshof auch in seiner Judikatur zum Zustellgesetz (vgl etwa VwGH 30.5.1995, 93/08/0138; 28.8.1998, 96/19/3194).]

Dagegen bewirkte sogar bereits jede 'vorübergehende Ortsabwesenheit' (in diesem Sinn), daher jede Abwesenheit von dieser Abgabestelle über den Tag des maßgeblichen Zustellversuchs hinaus, die Nichtigkeit der Zustellung.[So gelangten der Oberste Gerichtshof wie auch der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss, dass die Ortsabwesenheit des Empfängers am Tag des maßgeblichen Zustellversuchs die Zustellung durch Hinterlegung bzw Ersatzzustellung unzulässig ist, und dieser Mangel daher nur durch tatsächliches Zukommen des Schriftsatzes gemäß §108 ZPO heilen kann (vgl etwa OGH 3.2.1911, 53515 P/10 (=PTVBI 1911/20 = JMVBI 1911, 74f); 9.6.1937, 3 Ob 264/37; 23.2.1951, 2 Ob 128/51; 26.11.1952, 1 Ob 942/52; 23.12.1952, 1 Ob 886/52; 25.9.1954, 5 Os 904/53; 13.11.1953, 3 Ob 715/53; 14.4.1954, 3 Ob 183/54; 30.6.1954, 3 Ob 390/54; 20.4.1955, 7 Ob 188/55; 8.2.1956, 7 Ob 51/56; 6.6.1956, 2 Ob 306/56; 5.9.1956, 1 Ob 437/56; 26.9.1956, 7 Ob 459/56; 20.3.1957, 7 Ob 123/57; 3.12.1958, 2 Ob 257/58; 22.4.1959, 5 Ob 195/59; 17.1.1962, 1 Ob 2/62; 1.2.1962, 5 Ob 27/62; 14.2.1963, 5 Ob 55/63; 19.9.1963, 5 Ob 228/63; 15.1.1964, 7 Ob 240/63; 2.6.1966, 5 Ob 105/66; 24.10.1967, 1 Ob 216/67; 27.3.1968 7 Ob 60/68; 21.11.1968, 2 Ob 323/68; 10.12.1968, 8 Ob 279/68; 15.10.1970, 1 Ob 183/70; 19.1.1971, 8 Ob 227/70; 1.12.1971, 5 Ob 313/71; 19.1.1972, 7 Ob 200/71; 24.5.1972, 1 Ob 109/72; 7.2.1973, 7 Ob 280/72; 16.1.1974, 9 Os 157/73; 27.3.1974, 5 Ob 67/74; 29.3.1974, 1 Ob 46/74; 6.5.1975, 3 Ob 104/75; 2.12.1975, 4 Ob 639/75; 18.12.1975, 7 Ob 266/75; 1.7.1976 2 Ob 517/76; 17.3.1977, 6 Ob 560/77; 30.6.1977, 7 Ob 596/77; 20.12.1977, 4 Ob 548/77; 30.3.1978, 840/77; 21.11.1978, 1559/78; 30.03.1979, 1 Ob 564/79; 2.8.1979, 3 Ob 95/79; 29.8.1979, 1 Ob 651/79; 31.8.1979, 6 Ob 11/79; 22.5.1979, 5 Ob 621/79; 14.2.1980, 7 Ob 709/79; 1.7.1980, 4 Ob 533/80; 27.1.1981, 5 Ob 515/81; 13.7.1982 4 Ob 50/82; 28.7.1982 3 Ob 48/82; 14.9.1982, 5 Ob 589/82; 12.10.1982, 2 Ob 564/82; 11.1.1983, 4 Ob 590/82; 12.1.1983, 1 Ob 833/82; 24.2.1983, 6 Ob 555/83; VwSlg 3914 A/1955; VwGH 3.2.1969, 739/68; 19.4.1977, 2756/76; 27.11.1978, 1559/78; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II [1962] 590; Stoll, Bundesabgabenordnung [1994] 1101). Ebenso forderte der Verwaltungsgerichtshof (vgl etwa VwSlg 356 A/1948), dass eine Ersatzzustellung bzw Hinterlegung nur dann zulässig ist, wenn der Empfänger an diesem (mit dem Tag der einzigen Hinterlegung zusammenfallenden) Tag an seinem Wohn- und Aufenthaltsort wohl anwesend ist, jedoch am Zustellort vom Zustellungsorgan infolge Abwesenheit von diesem Ort nicht angetroffen wird. Jede Abwesenheit des Empfängers von seinem Zustellungsort am (wohl gesamten) Tag des Zustellversuchs, bewirkt folglich die Ungültigkeit der erfolgten Hinterlegung (vgl OGH 6.2.1953, EvBI. Nr 337; OGH 23.2.1951, EvBI. 1951 Nr 147). In diesem Sinne bestimmte auch VwSlg 338 A/1948, dass eine Ersatzzustellung bereits bei einem bloß vorübergehenden Wechsel des Aufenthaltsorts des Empfängers unzulässig ist. Ebenso qualifizierte der Verwaltungsgerichtshof eine Ersatzzustellung bereits deshalb als nichtig, da der Empfänger (lediglich) 'am Tage der Hinterlegung' von der Abgabestelle 'abwesend' war (vgl VwGH 10.6.1968, 1435/67). Vgl. in diesem Sinne zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes auch Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren (19647) 140 (Anm. 1 zu §23 AVG), 141 (Anm. 5 zu §23 AVG), 143 (Anm. 5 zu §24 AVG); Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren (19758) 214 (Anm. 1 zu §23 AVG), 215 (Anm. 6 zu §23 AVG), 218 (Anm. 7 zu §24 AVG); Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 91; Mayer, Das neue Zustellgesetz, ÖJZ1984, 421; Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen, Bd. II (1962) 590 (Anm. 1 zu §104 ZPO); Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZN 1988, 222. 375 (225, 376); Höslinger, Zum Begriff 'gewöhnlicher Aufenthaltsort' in §23 (7) AVG, JBI 1956, 145 (146); Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, Bd. 2 (1931) 553; Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379]

Bis zur Erlassung des ZustellG war daher jede Zustellung durch Ersatzzustellung oder Hinterlegung während der 'vorübergehenden Abwesenheit' des Empfängers von der Abgabestelle unwirksam und nur durch das tatsächliche Zukommen des Schriftstücks heilbar.[Vgl. etwa VwGH 30.3.1978, 840/77; 27.11.1978, 1559/78; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19822) 582f]

Nur im Falle, dass der Empfänger trotz seiner Verpflichtung i.S.d. §28 AVG, seine Wohnsitzänderung der Behörde bekannt zu geben, den Wohnort dauerhaft verlassen hatte, war eine Zustellung am ursprünglichen Wohnort trotz (über die Tagesstunden hinausgehender) Ortsabwesenheit zulässig.[Vgl. Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren (19647) 141 (Anm. 5)]

Nach Schwaighofer wurden diese zustellrechtlichen Bestimmungen bis zur Erlassung des Zustellgesetzes in diesem Sinne ausgelegt.[Vgl. Schwaighofer K., Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367]

Die zustellrechtlichen Bestimmungen der §§23f AVG und 102f ZPO unterschieden sohin zwischen

1) einer nicht bloß vorübergehenden Abwesenheit (daher einer Abwesenheit nur während der Tagesstunden des konkreten Tags), bei welcher gemäß §23 Abs2 ZustellG eine Ersatzzustellung bzw gemäß §23 Abs4 ZustellG eine Hinterlegung zulässig war,

2) einer vorübergehenden Abwesenheit, während welcher gemäß §23 Abs7 ZustellG weder eine wirksame Ersatzzustellung noch eine wirksame Hinterlegung zulässig war, wobei aber dieser Mangel durch den tatsächlichen Erhalt des Schriftstücks geheilt wurde, und

3) einer dauerhaften Abwesenheit (vgl VwSlg 6620 A/1965), während welcher gemäß §28 AVG wiederum eine wirksame Hinterlegung i.S.d. §23 Abs4 ZustellG – aber ohne die vorgesehene schriftliche Anzeige – u.U. erfolgen durfte.

Eine über diese Tagesabwesenheit hinausgehende Ortsabwesenheit wurde nach dem damaligen Begriffsverständnis somit dann als 'vorübergehende Ortsabwesenheit' eingestuft, wenn die Ortsabwesenheit nicht so lange gedauert hatte, dass die konkrete Örtlichkeit zum Zeitpunkt des Zustellversuchs nicht (mehr) als Abgabestelle einzustufen war.[Diese Sicht wird auch zur Rechtslage seit der Erlassung des Zustellgesetzes vertreten (vgl etwa Ritz, Bundesabgabenordnung [20053] 1047).]

Dagegen lag eine dauerhafte Ortsabwesenheit, und sohin nicht mehr eine bloß 'vorübergehende Ortsabwesenheit' vor, wenn durch die Ortsabwesenheit der konkreten Örtlichkeit die Qualifizierung als Abgabestelle genommen worden und daher von einer dauerhaften Ortsabwesenheit auszugehen war.

Diese Unterscheidung zwischen einer bloßen Tagesabwesenheit und einer 'vorübergehenden Abwesenheit' war für die Frage der Wirksamkeit einer Hinterlegung von entscheidender Wichtigkeit:

Wenn nämlich im Falle einer Eigenhandzustellung der Schriftsatzadressat am Tag des ersten Zustellversuchs vorübergehend ortsabwesend war, und dieser daher nicht in die Lage versetzt war, zum Zeitpunkt des zweiten Zustellversuchs an der Abgabestelle anwesend zu sein, wurde von der Unwirksamkeit einer dennoch nach einem zweiten Zustellversuch erfolgten Zustellung durch Hinterlegung ausgegangen, sodass das Schriftstück nur durch die mit dem tatsächlichen Zukommen des Schriftstücks bewirkten Heilung des Zustellmangels gemäß §108 ZPO zugestellt werden konnte. Dieser Zustellversuch wurde als bei Eigenhandzustellungen als 'Zustellvorgang' bezeichnet.[Vgl. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I (1987) 892; Rausch, Ausgewählte Fragen des österreichischen Zustellrechts, insbesondere des Zustellgesetzes, unveröffentlichte Dissertation Universität Salzburg (1995) 90]

Analoges wurde auch für den Fall einer sonstigen Zustellung mit Zustellnachweis judiziert:

Wenn nämlich im Falle einer sonstigen Zustellung mit Zustellnachweis der Empfänger zum Zeitpunkt des Zustellversuchs nicht bloß während des Tages ortsabwesend war, sondern vielmehr 'vorübergehend abwesend' war, war die anlässlich dieses (einzigen) Zustellversuchs vorgenommene Hinterlegung des Schriftstücks bzw die anlässlich dieses Zustellversuchs erfolgte Schriftstückübergabe an einen Ersatzempfänger (Ersatzzustellung) nicht wirksam. Auch in diesen Fällen konnte das Schriftstück nur durch die mit dem tatsächlichen Zukommen des Schriftstücks bewirkte Heilung des Zustellmangels i.S.d. §108 ZPO zugestellt werden. Bei dieser Zustellungsart der RSb-Zustellung wurde dieser einzige Zustellversuch explizit als 'Zustellvorgang' bezeichnet.[Vgl. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I (1987) 892; Rausch, Ausgewählte Fragen des österreichischen Zustellrechts, insbesondere des Zustellgesetzes, unveröffentlichte Dissertation Universität Salzburg (1995) 90]

Von dieser vorgefundenen Rechtslage zu den §§23f AVG und §102f ZPO wurde vom Gesetzgeber durch die Einfügung des Absatzes 5 im §16 ZustelIG wie auch durch die Einfügung des Absatzes 3 im §17 ZustelIG bewusst abgegangen.

Explizit wurde nun normiert, dass zwar, wie bereits bisher, weiterhin im Fall einer 'vorübergehenden Abwesenheit' des Empfängers zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs (bei der Eigenhandzustellung) bzw zum Zeitpunkt des Zustellversuchs (bei der sonstigen Zustellung durch Rückschein) die dennoch erfolgte Zustellung durch Hinterlegung bzw Ersatzzustellung unwirksam ist. In Abkehr zur bisherigen Rechtslage wurde nun aber für diesen Fall (bei gleichzeitigem Vorliegen der berechtigten Annahme der Ortsabwesenheit des Empfängers durch das Zustellorgan) ein weiterer Heilungstatbestand bzw ein Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestand geschaffen.

Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG für den Fall der (nicht bloß auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit am Tag des (maßgeblichen[Für die Frage der Zulässigkeit einer Eigenhandzustellung wird durch die herrschende Lehre und ständige Judikatur gefordert, dass der Empfänger am Tag des ersten Zustellversuchs an der Abgabestelle ortsanwesend ist, daher zumindest an diesem Tag an die Abgabestelle zurückgekehrt ist (vgl etwa OGH SSt 31/112; Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379 [379]). Demgegenüber wird im Falle einer sonstigen Zustellung, bei welcher ja nur ein Zustellversuch gefordert wurde, durch die herrschende Lehre und ständige Judikatur gefordert, dass der Empfänger an diesem Tag an der Abgabestelle ortsanwesend ist, daher zumindest an diesem Tag an die Abgabestelle zurückgekehrt ist (vgl VwGH 22.9.1987, 86/14/0170; 12.11.1987, 87/02/0127; 20.3.1991, 90/03/0006). Je nach Art der Zustellung wurden daher unterschiedliche Zustellversuchstage für die Frage des Vorliegens einer die Zustellung unzulässig machenden Ortsabwesenheit als maßgeblich erachtet.]) Zustellversuchs im Falle der dennoch erfolgten Schriftstückübergabe an einen Ersatzempfänger bzw einer dennoch erfolgten Hinterlegung zusätzlich zur bereits bestanden Heilungsbestimmung des tatsächlichen Zukommens (früher §108 ZPO, nunmehr §7 ZustellG) einen weiteren Heilungstatbestand bzw einen Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestand schaffen wollte.

Es liegt daher (insbesondere in Anbetracht der diesbezüglich klaren Angabe in den Materialien) mehr als nahe, dass der Gesetzgeber in jedem Fall einer (nicht bloß auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit zum maßgeblichen Zustellversuch (daher beim ersten Zustellversuch bei der Eigenhandzustellung bzw beim Zustellversuch bei einer RSb-Zustellung) eine dennoch erfolgte Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger bzw eine dennoch erfolgte Hinterlegung als einen Zustellmangel einstuft, welcher zu einer Unwirksamkeit der Zustellung führt, wobei aber dieser Zustellmangel seit der Erlassung des Zustellgesetzes auch durch die Heilungsbestimmungen (Wirksamkeitshinausschiebungstatbestände) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG geheilt werden kann.[Diese Sichtweise teilt explizit etwa Stumvoll (vgl Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen. Bd. II [20163] 802 [819]).]

Im Hinblick auf diese Rechtslage relativiert sich nach Ansicht des antragstellenden Gerichts die Diskussion, ob gemäß den Bestimmungen des §16 Abs1 ZustellG bzw des §17 Abs1 ZustellG eine Ersatzzustellung bzw Hinterlegung bereits dann zulässig ist, wenn das Zustellorgan aufgrund seines subjektiven Eindrucks von der Ortsanwesenheit des Empfängers ausgehen konnte[Vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 8.11.1983, 83/14/0207; 27.2.1997, 95/16/0134; 26.5.1998, 98/07/0032; 30.6.1998, 98/05/0030; 29.1.2004, 2003/11/0070; Berchtold, Zustellgesetz (1983) 31f, 36, Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19822) 582f; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19904) 1206f; Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 91, 102; König, Die Ersatzzustellung bei längerer Abwesenheit, ÖGZ 1983, 116 (116); Achatz, Das neue Zustellrecht, NZ 1983, 113 (122); Ellinger, Änderungen im Bereich des Zustellwesens, ÖStZ 1983, 50 (53); Haller, Zum Entwurf eines ZustG, ZfV 1981, 1 (5); Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht (19833) 204f; Ritz, Die Ersatzzustellung nach dem Zustellgesetz, ÖStZ 1983, 198 (199); Ritz, Zum Begriff 'rechtzeitig' im §17 Abs3 ZustellG, ÖStZ 1984, 270; Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, Anw 81 1983, 379 (380); Strobl, Das neue Zustellrecht, AnwBI 1982, 679 (680); Szirba, Die Hinterlegung bei vorübergehender Ortsabwesenheit (§17 Abs3 ZustellG), ZfV 1985, 597 (598); Wielinger/Gruber, Einführung in das österreichische Verwaltungsverfahrensrecht (1984) 190; Larcher, Zustellrecht (2010) Rz 358; Bumberger/Schmid, Zustellgesetz (2018), Durchführungserlass des Finanzministeriums vom 28.2.1993, Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung Nr 114/1983, S. 362; Raschauer N./Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht (20112) 162;

konkludent OGH 22.12.1992, 8 Ob 654/92; 25.1.1995. 3 Ob 6/95; Raschauer N./Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht (2007) 168], oder ob eine Ersatzzustellung bzw Hinterlegung nicht vielmehr bei jeder (nicht nur auf den Tag beschränkten) Ortsabwesenheit stets unzulässig ist[Vgl. in diesem Sinne etwa VfSlg 11.984/1989; OGH 11.1.1989, 9 ObA 13/89; 19.3.1992, 7 Ob 519/92; 26.11.1992, 7 Ob 647/92; 20.4.1995, 8 Ob 508/95; VwSlg 13.412 A/1991; VwGH 7.7.1987, 87/07/0063; 24.10.1989, 88/08/0264; 7.7.1993, 92/04/0280; 16.5.1995, 95/08/0076; 30.5.1995, 93/08/0138; 10.5.1996, 95/02/0446; 25.6.1996, 94/11/0413; 11.9.1998, 95/19/0663; 16.5.1995, 95/08/0076; 11.9.1998, 95/19/0663; 4.11.2001, 95/08/0131; konkludent OGH 12.9.1991, 6 Ob 602/91; Vgl. weiters Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. 1 (1987) 893, 895, 902, 904f; Wiederin, Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (375ff); Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (20038) 113; Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I (19982) 1965, 1981; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht (20043) 352, 368; Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht (20095) 370, vermittelnd Ritz, Bundesabgabenordnung (20053) 1043f; konkludent Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 116; Raschauer N./Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht (2007) 167; Vgl. auch Hauer/Leukauf; Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens. Ergänzungsband 2009 (2009) 343 (Anm. 4); Nach dieser Auslegungsvariante wird daher (im Gegensatz zur auf die subjektive Einschätzung des Postzustellorgans abstellenden Auslegungsvariante) von vier unterschiedlichen Ortsabwesenheitszeiträumen, welche im Zustellverfahren zu beachten sind, ausgegangen, nämlich 1) die bloß tagsüber bestehende Ortsabwesenheit, welche nicht beachtlich ist, 2) die Ortsabwesenheit, welche länger als die tagsüber bestehende Ortsabwesenheit ist, aber noch nicht zum Nichtvorliegen eines regelmäßigen Aufenthalts führt, bei welcher die Sondertatbestände des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG anzuwenden sind, 3) der Zeitraum, welcher einen nicht-regelmäßigen Aufenthalt bewirkt, welcher aber noch nicht zum Wegfall der Abgabestelle führt, bei welchem weder eine Hinterlegung noch Ersatzzustellung zulässig ist, und 4) der die Qualifizierung der Örtlichkeit als Abgabestelle ausschließende Ortsabwesenheitszeitraum, welcher ebenso zur Unzulässigkeit der Hinterlegung oder Ersatzzustellung führt (vgl ausdrücklich Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I [19982] 1967f [Anm. 27 und 30]. 1983 [Anm. 24]; konkludent Stoll, Bundesabgabenordnung [1994] 1106).].

Denn auch im Falle des bloß subjektiven Eindrucks des Zustellorgans vom Vorliegen einer Ortsabwesenheit ist gemäß §16 Abs5 ZustellG bzw gemäß §17 Abs3 ZustellG die trotz Ortsabwesenheit vorgenommene Ersatzzustellung bzw Hinterlegung (vorläufig) unwirksam, und wird diesfalls nur im Falle der Heilung dieses Mangels bzw im Falle der Verlagerung des Wirksamkeitsbeginns der Zustellung durch die Bestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG die Zustellung wirksam.[Vgl. in diesem Sinne Stumvoll, §16 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 780 (785); Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 802 (806); Strobl, Das neue Zustellrecht, AnwBI 1982, 679]

Der Unterschied zwischen beiden Varianten des Abstellens auf den bloß subjektiven Eindruck des Zustellorgans einerseits, und der auf die objektive Sachlage abstellenden Variante andererseits liegt daher lediglich darin, dass im von Wiederin angesprochenen Fall des Nichterkennens der Ortsabwesenheit durch das Zustellorgan nur eine Heilung nur gemäß §7 ZustellG möglich ist, während bei den auf den subjektiven Eindruck abstellenden Varianten diesfalls primär die Heilungsbestimmung bzw des Zustellungswirksamheitshinausschiebungstatbestands §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG zur Anwendung gelangt.[Vgl. Wiederin, Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (375); Bei näherer Durchsicht der auf den subjektiven Eindruck des Zustellorgans abstellenden Judikatur und Literatur entsteht der Eindruck, dass ein Teil dieser Judikatur und Lehre im Falle der Zustellung durch Hinterlegung oder Ersatzzustellung trotz einer (über die Tagesstunden hinausgehenden) Ortsabwesenheit am maßgeblichen Hinterlegungstag einen Zustellmangel erblickt, und daher diesfalls von der Unwirksamkeit der Zustellung ausgeht, sodass die Bestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG eine zur Heilungsbestimmung des §7 ZustellG hinzutretende und dieser vorangehende Zustellmangelheilungsnorm eingestuft werden (vgl in diesem Sinne etwa ausdrücklich OGH 22.12.1992, 8 Ob 654/92; VwGH 25.2.1993, 92/18/0339; 11.9.1998, 95/19/0663). Dagegen scheint ein anderer Teil der auf den subjektiven Eindruck des Zustellorgans abstellenden Judikatur und Literatur das im Rundschreiben des Bundeskanzleramts vom 31.1.1983, GZ 601.661/1-V/1/1983 zum Ausdruck gebrachte Verständnis favorisieren, wonach im Falle der Zustellung durch Hinterlegung oder Ersatzzustellung trotz einer (über die Tagesstunden hinausgehenden) Ortsabwesenheit am maßgeblichen Hinterlegungstag kein Zustellmangel vorliegt, sondern lediglich der Wirksamkeitsbeginn der rechtmäßigen Zustellung hinausgeschoben wird (vgl OGH 19.9.1984, 1 Ob 630/84; VwSlg 11.553 A/1984; VwGH 9.1.1987, 86/18/0223; 24.2.1993, 92/03/0011; 28.11.1996, 96/11/0143; 19.4.2001, 99/06/0049; 25.2.2002, 2002/17/0021; konkludent VwGH 18.10.1989, 89/02/0117; Raschauer N./Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht [20112] 163). Diese Sicht führte zum (verkürzten) Schluss, dass eine solche Zustellung bzw Hinterlegung vom Gesetzgeber als zulässig erklärt wurde und daher nicht mangelhaft ist.

Bei genauerer Betrachtung unterscheiden sich diese beiden auf den subjektiven Eindruck des Zustellorgans abstellenden Auslegungsvarianten daher nicht im Tatsächlichen, sondern lediglich in der Begrifflichkeit.

Dagegen gelangt die auf die objektive Sachlage abstellende Judikatur zur weitestgehenden Nichtanwendbarkeit des Sondertatbestands des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG; zumal in den klassischen Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung bzw Ersatzzustellung trotz (nicht auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit des Adressaten nach dieser Auslegungsvariante ausschließlich eine Heilung nach §7 ZustellG in Frage kommt.]

Damit müssen aber die Annahmen der auf die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen oder auf die verbleibende Dauer der Rechtsmittelfrist abstellenden Auslegungsvarianten, wonach eine Zustellung durch Hinterlegung bzw durch Ersatzzustellung im Falle einer (nicht bloß auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit zum maßgeblichen Zustellversuch grundsätzlich mängelfrei und wirksam ist, als unvertretbar eingestuft werden. Genau zu diesem Schluss gelangen nämlich diese beiden Auslegungsvarianten, wenn diese annehmen, dass die Heilungsbestimmungen des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustelIG nur bei besonderen Konstellationen, welche zusätzlich zu einer Ortsabwesenheit zum maßgeblichen Hinterlegungsversuch hinzutreten müssen, zur Anwendung gelangen, und daher in allen übrigen Fällen der Ortsabwesenheit des Empfängers zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs mängelfrei und wirksam durch Hinterlegung bzw durch Ersatzzustellung zugestellt wird.

Dazu kommt aber, dass die vom Obersten Gerichtshof in der von ihm geschaffenen strengen Auslegungsvariante der Maßgeblichkeit der Maßfigur des Vollerwerbstätigen ohnedies nur marginal von der vom historischen Gesetzgeber intendierten Auslegungsvariante abweicht.

Bei der strengen Auslegungsvariante - der auf die Maßfigur eines Vollzeiterwerbstätigen abstellenden Auslegungsvariante - kommt es nämlich nur in besonders gelagerten Konstellationen zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen mit der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante.

Zu einer Divergenz dieser Auslegungsvarianten kommt es nämlich nur in drei eher untypischen Konstellationen:

Unterschiedlich werden die Ergebnisse nämlich in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung lediglich in zwei Fällen, nämlich erstens dem Fall, in welchem das Schriftstück bereits am Tag der Hinterlegung (und damit dem Tag des zweiten bzw einzigen Zustellversuchs) zur Abholung bereit gehalten wird und der Empfänger bereits an diesem Tag (nach einer vorübergehenden Ortsabwesenheit) an die Abgabestelle zurückkehrt[Diesfalls würde nach der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante die Heilungsbestimmung (dem Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestand) des §16 Abs5 ZustellG zur Anwendung gelangen, was wiederum durch die an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen orientierten Auslegungsvariante ausgeschlossen würde.], und zweitens den Fall, in welchem dem Hinterlegungstag kein Abholtag folgt (daher diesem Tag etwa ein Samstag, an welchem das Postamt nicht geöffnet ist, oder ein Feiertag folgt) und der Empfänger vor dem dem Hinterlegungstag folgenden Abholtag an die Abgabestelle zurückkehrt[Diesfalls würde nach der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante die Heilungsbestimmung (dem Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestand) des §16 Abs5 ZustellG zur Anwendung gelangen, was wiederum durch die an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen orientierten Auslegungsvariante ausgeschlossen würde.].

Bei einer Zustellung durch Ersatzzustellung ist zudem nur in einem einzigen Fall eine Divergenz zwischen diesen beiden Auslegungsvarianten denkbar. Wenn nämlich der Empfänger nach einer vorübergehenden Ortsabwesenheit bereits am Tag der Schriftstückübergabe an die Abgabestelle zurückkehrt, würde nach der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante die Heilungsbestimmung (der Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestand) des §16 Abs5 ZustellG zur Anwendung gelangen, was wiederum durch die an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen orientierten Auslegungsvariante ausgeschlossen würde.

 

IV.2.3.3.2) Verständnis des Begriffs des 'regelmäßigen Aufenthalts' nach den §§16f ZustellG:

Seitens der herrschenden Lehre wird unter Berufung auf die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien der Begriff des 'regelmäßigen Aufenthalts' im §16 Abs1 ZustellG bzw im §17 Abs1 ZustellG dahingehend ausgelegt, dass darunter die Negation des vom Gesetzgeber im Jahre 1982 vorgefundenen Verständnisses des Begriffs der 'vorübergehenden Abwesenheit' verstanden wird.[Vgl. Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 91; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (19843) 71; Mayer, Das neue Zustellgesetz, ÖJZ1984, 421 (426); Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19822) 888; Hauer, Einige Bemerkungen zum neuen Zustellgesetz, GdZ1983, 34 (36); Hauer/Leukauf; Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens. Ergänzungsband 2009 (2009) 342; König, Die Ersatzzustellung bei längerer Abwesenheit, ÖGZ 1983, 116 (117); Achatz, Das neue Zustellrecht, NZ 1983, 113 (123); Stoll, Bundesabgabenordnung (1994) 1100f; konkludent Haller, Zum Entwurf eines ZustG, ZfV 1981, 1 (5); Vgl. auch Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (378)]

Soweit ersichtlich, legen auch alle Höchstgerichte einhellig den Begriff 'regelmäßig' i.S.d. §16 Abs1 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs1 ZustellG im Sinne dieses Begriffsverständnisses der 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' der Vorgängerregelungen zum Zustellgesetz aus.[…]

Nach diesem, der gegenständlichen (auf das Verständnis des historischen Gesetzgebers abstellenden) Auslegungsvariante zugrunde liegenden Verständnis des Begriffs der 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' bzw des 'Nichtvorliegens eines regelmäßigen Aufenthalts' wird daher - wie bereits vor der Erlassung des Zustellgesetzes zum Begriff der 'vorübergehenden Abwesenheit' judiziert - nicht bereits dann von einem 'Nichtvorliegen eines regelmäßigen Aufenthalts' (bzw vom Vorliegen einer 'vorübergehenden Abwesenheit') ausgegangen, wenn der Empfänger bloß unter Tage (etwa infolge einer Erwerbstätigkeit) von der Abgabestelle abwesend gewesen ist.[…]

Andererseits wird bereits - ebenfalls in Entsprechung der Judikatur zum Begriff der 'vorübergehenden Abwesenheit' - jede mehrtägige Ortsabwesenheit (jedenfalls) als eine 'vorübergehende Ortsabwesenheit' bzw als ein 'nicht regelmäßiger Aufenthalt' eingestuft.[Vgl. OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; 25.8.1994, 2 Ob 568/94; 28.2.2012, 8 Ob 12/12s; VwGH 7.7.1993, 29/04/0280; 31.3.1993, 92/02/0202; 16.5.1995, 95/08/0076; 30.5.1995, 93/08/0138; 26.5.1998, 98/07/0032; 29.1.2004, 2003/11/0070; 6.10.2015, Ra 2015/08/0119; Kolonovits/Mukak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (201911) 128; Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze. Bd. I (1998) 1965 (Anm. 11);] Folglich wird auch zu den Bestimmungen der §§16f ZustellG judiziert, dass eine Abwesenheit von drei Tagen den regelmäßigen Aufenthalt i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG aufhebt.[Vgl. OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; VwGH 30.5.1995, 93/08/0138; 28.8.1998, 96/19/3194; Diese Auslegung entspricht dem Begriffsverständnis des Verwaltungsgerichtshofs zur 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' zur Rechtslage vor dem Zustellgesetz (vgl etwa VwGH 10.6.1968, 1435/67).] Ebenso hindert nach der höchstgerichtlichen Judikatur bereits eine kurzfristige Abwesenheit von der Wohnung - mangels Vorliegens eines regelmäßigen Aufenthalts an dieser Abgabestelle - eine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung.[Vgl. VfSlg 11.984/1989; VwGH 24.3.1988, 87/09/0262]

Im Wesentlichen dasselbe Verständnis wird auch in den Judikaten zu den §§16f ZustellG zum Ausdruck gebracht, welche dann vom Vorliegen einesregelmäßigen Aufenthalts ausgingen, wenn der Empfänger trotz seiner Abwesenheit von der (jeweiligen) Abgabestelle – bei Zumutbarkeit - in der Lage ist, Zustellvorgänge an der (jeweiligen) Abgabestelle wahrzunehmen.[Vgl. VwSlg 11.850 A/1985; VwGH 28.2.1989, 88/04/0168; 15.11.1989, 89/02/0186; 19.5.1993. 92/09/0331; 16.2.1994, 93/03/0128; 20.6.1994, 94/10/0022; 19.1.1995, 94/09/0248; Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I (19982) 1971, 1988]

Diese zu den §§16f ZustelIG ergangene Judikatur wird damit begründet, dass 'eine mehrtätige Abwesenheit des Zustellempfängers von der Abgabestelle bewirkt, dass er nicht in der Lage ist, auf die Sendung zum selben Zeitpunkt zu reagieren, zu dem ein Empfänger üblicherweise reagieren hätte können. Der Empfänger hat daher diesfalls vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig i.S.d. Gesetzes Kenntnis erlangt, weshalb die Zustellung erst mit dem Datum der Übernahme der Sendung als bewirkt anzusehen ist'.[Vgl. OGH 24.6.1993, 8 Ob 579/93; Dieser Rechtssatz zeigt deutlich die Unterschiedlichkeit der vom Obersten Gerichtshof und vom Verwaltungsgerichtshof gleichermaßen und konkurrenzierend favorisierten Auslegungsvarianten der Abstellung auf die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen bzw der Abstellung auf die Intention des historischen Gesetzgebers. Während nämlich die auf die Maßfigur des Vollerwerbstätigen abstellende Auslegungsvariante auf eine fiktive Person abstellt, stellt die auf die Intention des historischen Gesetzgebers abstellende Auslegungsvariante lediglich darauf ab, ob im Falle der fiktiven Ortsanwesenheit des tatsächlich ortsabwesenden Schriftstückempfängers dieser das Schriftstück zu einem früheren Zeitpunkt erlangen hätte können. Auch zeigen die zu diesen Auslegungsvarianten ergangenen unterschiedlichen Rechtssätze deutlich das den beiden Auslegungsvarianten zugrunde liegende unterschiedliche Begriffsverständnis des Wortes 'Zustellvorgang'.]

Soweit ersichtlich wurde eine länger als einen Tag dauernde Ortsabwesenheit bislang immer als vorübergehend eingestuft; weshalb in solchen Fällen das Nichtvorliegen eines 'regelmäßiges Aufenthalt' angenommen wird.

Sohin ist davon auszugehen, dass jede über den Tag der Übergabe des Schriftstücks an den Ersatzempfänger bzw über den Tag des der Hinterlegung vorangegangenen Zustellversuchs hinausgehende Ortsabwesenheit als eine 'vorübergehende Ortsabwesenheit' einzustufen ist, sodass diesfalls auch nicht von einem 'regelmäßigen Aufenthalt' i.S.d. §16 Abs1 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs1 ZustellG auszugehen ist. Nach der an den historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante ist daher bei dieser Konstellation stets von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit der Vornahme einer Ersatzzustellung bzw Hinterlegung und zugleich vom Vorliegen einer Heilungsmöglichkeit des Zustellmangels der dennoch erfolgten Ersatzzustellung bzw Hinterlegung durch die Heilungstatbestände des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG auszugehen.

 

IV.2.3.4) Begriff der 'Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' nach der Rechtslage zu den §§23f AVG und 102f ZPO und nach dem strikten Wortlaut des Zustellgesetzes:

 

IV.2.3.4.1) Begriff der 'Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' nach der vom Gesetzgeber des Zustellgesetzes vorgefundenen Rechtslage zu den §§23f AVG und 102f ZPO:

Der Begriff der 'Kenntnisnahme von einem 'Zustellvorgang' wurde bereits in der Judikatur und Literatur zu den Vorgaben der Eigenhandzustellung gemäß §24 AVG bzw 107 ZPO verwendet.

So ist hervorzuheben, dass es nach der Judikatur zu den §§24f AVG bzw 107f ZPO nur darauf ankam, ob der Empfänger in der Lage gewesen war, durch Rückkunft an die Abgabestelle 'Kenntnis' von der jeweiligen Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs bzw der Hinterlegungsnachricht zu erlangen.[Vgl. etwa OGH 15.11.1972, 13 Os 47/72]

Auch wurde in der Judikatur zu §24 AVG bzw zu §107 ZPO für das Vorliegen einer nicht-vorübergehenden Abwesenheit gefordert, dass 'der Empfänger trotz der Abwesenheit in der Lage ist und es ihm zumutbar ist, Zustellvorgänge an der (jeweiligen) Abgabestelle wahrzunehmen'.[Vgl. VfSlg 7750/1976; VwSlg 3914 A/1955; VwGH 28.9.1967, 1881/66; 24.11.1971, 148/71; 11.11.1973, 1148/73; 8.3.1979, 1449/77; 16.1.1981, 3412/78; 23.1.1981, 1799/80]

Zudem war die erforderliche Kenntniserlangung von der für die Rechtmäßigkeit einer Zustellung maßgeblichen Handlung des Zustellorgans (daher vom Zustellvorgang) sowohl durch die §§106f ZPO als auch durch den §24 AVG bereits insofern gesetzlich verankert, als im Falle einer Eigenhandzustellung vom Zustellorgan verlangt wurde, anlässlich des ersten erfolglosen Zustellversuchs eine Mitteilung an der Abgabestelle zu hinterlassen, in welcher ein zweiter Zustellversuch angekündigt wurde, wobei diese Mitteilung dann einen Zustellmangel dargestellt hatte, wenn nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Empfänger 'rechtzeitig (!)' von dieser Mitteilung 'Kenntnis' erlangen konnte, und daher nicht in die Lage versetzt war, zu diesem Zeitpunkt an der Abgabestelle anwesend zu sein.[Vgl. Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren (19647) 140 (Anm. 1 zu §23 AVG), 141 (Anm. 5 zu §23 AVG), 143 (Anm. 5 zu §24 AVG); Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren (19758) 214 (Anm. 1 zu §23 AVG), 215 (Anm. 6 zu §23 AVG), 218 (Anm. 7 zu §24 AVG); Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen, Bd. II (1962) 590 (Anm. 1 zu §104 ZPO), 593ff]

Demnach wurde als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Eigenhandzustellung gefordert, dass der Empfänger die Möglichkeit hatte, von der im Zuge des Zustellverfahrens erfolgten Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs bereits vor dem anberaumten zweiten Zustellversuch Kenntnis zu erlangen. Damit war auch klargestellt worden, dass bei der Eigenhandzustellung der Empfänger am Tag des ersten Zustellversuchs ortsanwesend sein muss, sodass im Falle einer 'vorübergehenden Ortsabwesenheit' des Empfängers zu diesem Zeitpunkt von der Unwirksamkeit der Zustellung ausgegangen wurde. Ausdrücklich wurde in der Judikatur und Literatur zur Eigenhandzustellung unter einem 'Zustellvorgang' der 'erste Zustellversuch" des Zustellorgans verstanden, bei welchem der zweite Zustellversuch angekündigt wurde.

Als Beleg für dieses Verständnis sei etwa nachfolgende Formulierung von Hans Fasching angeführt […]:[Vgl. Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen, Bd. II (1962) 596f zu §106f ZPO]

'Die schriftliche Aufforderung, sich zu einer bestimmten Zeit zur Empfangnahme des Zustellstücks einzufinden, muß die Zeit zur Empfangnahme des neuerlichen Zustellversuchs so festsetzen, daß der Empfänger unter normalen Umständen vorher von der Aufforderung Kenntnis erlangen und sich außerdem zum neuerlichen Zustellversuch persönlich einfinden kann. Ist die Möglichkeit der Kenntnis innerhalb der in der Aufforderung gesetzten Zeit und das persönliche Erscheinen im Zeitpunkt der neuerlichen Zustellung schon nach der objektiven Sachlage ausgeschlossen, dann ist die an den zweiten Zustellversuch anschließende Hinterlegung unwirksam. Der Zusteller wird daher den Zeitpunkt des neuerlichen Zustellversuches in der Regel für den nächsten oder einen darauffolgenden Tag, und nur ausnahmsweise (und zwar dann, wenn er sich durch glaubwürdige Auskünfte von der Erwartung des zwischen weiligen Erscheinens des Empfängers vergewissern kann) am selben Tag zu einer späteren Stunde ansetzen (vgl §159 Abs2 lita Geo). (...) Den Empfänger, der von einem rechtsunwirksamen Zustellvorgang an ihn Kenntnis erlangt hat, trifft keine Verpflichtung, sich nach dem Schriftstück umzusehen oder sich zu bemühen, es zu erlangen. Es ist ausgeschlossen, eine mangelhafte Zustellung deshalb für wirksam zu erklären, weil der Empfänger wohl Kenntnis vom (mangelhaften) Zustellversuch und der (gesetzwidrigen) Hinterlegung hatte, es aber absichtlich unterließ, von der Möglichkeit, das Schriftstück zeitgerecht zu beheben, Gebrauch zu machen (...). Die Kenntnis von einem gesetzwidrigen Zustellungsvorgang ist rechtlich ohne Bedeutung.'

Weiters formuliert Hans Fasching in diesem Sinne[…]:[Vgl. Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen., Bd. II (1962) 59 zu §108 ZPO (Heilung von Zustellmängeln); Vgl. weiters Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Bd. II (1962) 590]

'Entscheidend ist die tatsächliche Empfangnahme. (...) Der Empfänger, der Kenntnis von einer mangelhaften Zustellung hat, ist nicht verpflichtet, sich nach dem Verbleib des Schriftstückes zu erkundigen oder zu versuchen, es zu erhalten (17.2.1954, EvBI. 1954 Nr 100); seine Untätigkeit bewirkt also nicht, daß zufolge seiner Unterlassungen der Zustellungsvorgang nun als wirksam angesehen werden könnte. (...) Wurde zB für eine Partei ein Schriftstück, das eigenhändig zuzustellen war (§106 ZPO), unrichtig durch Ersatzzustellung (zB gemäß §102 Abs2 ZPO) an einen Hausgenossen zugestellt, dann ist die Partei nicht verpflichtet, das Schriftstück bei diesem zu beheben. Solange er das Schriftstück nicht selbst übernimmt oder vom Hausgenossen (oder durch andere Personen) annimmt, ist die Zustellung mangelhaft und unwirksam. Ebenso ist der Empfänger nicht verpflichtet, ein zu Unrecht sofort nach dem ersten Zustellversuch bei Gericht hinterlegtes (eigenhändig zuzustellendes Schriftstück) dort zu beheben.' Offensichtlich im Sinne dieses Begriffsverständnisses wird auch in der Judikatur zum ZustellG unter einem 'Zustellvorgang' die Kenntniserlangung des für die Frage der Ortsabwesenheit maßgeblichen Zustellversuchs verstanden.[Vgl. etwa VwGH 13.12.1989, 89/03/0214, welcher von der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang anlässlich der Rückkunft spricht.]

Es ist daher insbesondere im Hinblick auf die entsprechenden Äußerungen in den Gesetzesmaterialien davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im §16 Abs5 ZustellG wie auch im §17 Abs3 ZustellG auf dieses Begriffsvorverständnis zurückgegriffen hat.

 

IV.2.3.4.2) Begriffsinhalt der im §16 Abs5 ZustellG bzw im §17 Abs3 ZustellG verwendeten Wendung 'Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' nach dem strikten Wortlaut des Zustellgesetzes:

 

IV.2.3.4.2.1) Vom Gesetzgeber vorgefundenes und von diesem übernommenes begriffliches Vorverständnis:

Die oa Ausführungen in der Regierungsvorlage und im Ausschussbericht, sowie das vom Gesetzgeber vorgefundene obreferierte begriffliche Vorverständnis legen es zumindest nahe, dass die Intention des historischen Gesetzgebers darin gelegen war, mit der Wendung 'wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' insbesondere an die zum Umstand 'der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' ergangene Judikatur und Literatur zum §24 AVG wie auch zu den §§106f ZPO anzuknüpfen und die dazu entwickelten Rechtsfolgerungen nunmehr auch ausdrücklich gesetzlich festzuschreiben und weiterzuentwickeln:

Wie zuvor ausgeführt, verstanden die Judikatur und die Literatur zum §24 AVG wie auch zu den §106f ZPO unter dem Begriff des 'Zustellvorgangs' den bei der Eigenhandzustellung für die Beurteilung des Zustellhinderungsgrunds der vorübergehenden Ortsabwesenheit maßgeblichen[…] ersten Zustellversuch des Zustellorgans an der Abgabestelle.[…]

Die erforderliche Kenntniserlangung von dem für die Rechtmäßigkeit einer Eigenhandzustellung maßgeblichen ersten Zustellversuchs des Zustellorgans (daher vom 'Zustellvorgang') war demnach sowohl durch die §§106f ZPO als auch durch den §24 AVG bereits insofern gesetzlich verankert, als im Falle einer Eigenhandzustellung vom Zustellorgan verlangt wurde, anlässlich des ersten erfolglosen Zustellversuchs eine Mitteilung in die Abgabeeinrichtung einzulegen, in welcher ein zweiter Zustellversuch angekündigt wurde. Dabei hatte diese Mitteilung dann einen Zustellmangel dargestellt, wenn nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Empfänger 'rechtzeitig (!)' von dieser Mitteilung bzw dem 'Zustellvorgang' 'Kenntnis' erlangen konnte, und der Empfänger daher nicht in die Lage versetzt war, zu diesem Zeitpunkt an der Abgabestelle anwesend zu sein.[Vgl. Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren (19647) 140 (Anm. 1 zu §23 AVG), 141 (Anm. 5 zu §23 AVG), 143 (Anm. 5 zu §24 AVG); Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren (19758) 214 (Anm. 1 zu §23 AVG), 215 (Anm. 6 zu §23 AVG), 218 (Anm. 7 zu §24 AVG); Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen, Bd. II (1962) 590 (Anm. 1 zu §104 ZPO), 593ff]

Wie bereits ausgeführt[…], war nach der Rechtslage betreffend die §§106f ZPO und §§24f AVG auch eine RSb-Zustellung durch Hinterlegung oder Ersatzzustellung im Falle der (nicht bloß während der Tagesstunden währenden) Ortsabwesenheit von der Abgabestelle unzulässig.

Nach der Rechtslage des §24 AVG bzw des §107 ZPO war daher für die Frage, ob eine Zustellung durch Hinterlegung infolge Ortsabwesenheit des Schriftsatzempfängers unwirksam war, alleine maßgeblich, ob der Schriftsatzempfänger am Tag des ersten Zustellversuchs (nicht bloß während der Tagesstunden) ortsabwesend gewesen war. Dagegen stellte eine erst nach diesem ersten Zustellversuch erfolgte Abreise die Gültigkeit und Wirksamkeit der Zustellung (grundsätzlich) nicht in Frage.[…]

Da nach der damaligen Rechtslage im Falle einer RSb-Zustellung durch Hinterlegung die Zustellung bereits am Tag des einzigen Zustellversuchs wirksam wurde, erübrigte sich die Erörterung, welcher Tag für die Ermittlung der gebotenen Ortsanwesenheit maßgeblich war. Vielmehr war evident, dass bei der RSb‑Zustellung der Tag des einzigen Zustellversuchs der Tag war, an welchem eine Ortsabwesenheit zur Unwirksamkeit der Zustellung geführt hatte.

Für die Eigenhandzustellung war daher der Tag des ersten Zustellversuchs für die Frage der gebotenen Ortsanwesenheit maßgeblich, während es für die RSb‑Zustellung der Tag des einzigen Zustellversuchs war.

Dass der Gesetzgeber auch dem Zustellgesetz dieses Verständnis des Begriffs der 'Kenntnisnahme' vom 'Zustellvorgang' für die Eigenhandzustellung (daher die Zustellung eines RSa-Schreibens) auch für die Auslegung des im §16 Abs5 ZustellG wie auch im §17 Abs3 ZustellG verwendeten Begriff des 'Zustellvorgangs' als maßgeblich erachtet, ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber auch im §21 Abs2 ZustellG an das Vorverständnis des 'Zustellvorgangs' angeknüpft hatte. Es ist daher auch aus diesem Grund davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht nur im §21 Abs2 ZustellG, sondern auch in den §§16 Abs5 ZustellG und 17 Abs3 ZustellG auf das von diesem vorgefundene Begriffsverständnis des Wortes 'Zustellvorgang' zurückgegriffen hatte.

Nach diesem zur Eigenhandzustellung dem Zustellgesetz explizit zugrunde gelegten Vorverständnis des Begriffs der 'Kenntnisnahme' vom 'Zustellvorgang' ist nun aber unter einem 'Zustellvorgang' zwingend der bei der Eigenhandzustellung für die Frage der Beurteilung der Ortsabwesenheit maßgebliche Zustellversuch des Zustellorgans zu verstehen.

Wie zuvor ausgeführt, verstanden nämlich die Judikatur und die Literatur zum §24 AVG wie auch zum §107 ZPO unter dem Begriff des 'Zustellvorgangs' den bei der Eigenhandzustellung für die Beurteilung des Zustellhinderungsgrunds der vorübergehenden Ortsabwesenheit maßgeblichen Zustellversuch des Zustellorgans an der Abgabestelle. Für die Zustellart der Eigenhandzustellung war dies der erste Zustellversuch.[…]

Analoges hat daher auch für die RSb-Zustellung zu gelten, bei welchem der einzige Zustellversuch der für die Frage der Beurteilung der Ortsabwesenheit maßgebliche Zustellversuch des Zustellorgans ist. Bei der RSb-Zustellung ist der einzige Zustellversuch der 'Zustellvorgang' im zustellrechtlichen Sinn.

Schon aufgrund der Regelungsnähe der Eigenhandzustellung zur Zustellung eines RSb-Schreibens, des Auslegungsprinzips der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssprache[Vgl. VfSlg 10.292/1984; VwGH 12.9.1979, 255/79; 31.3.1992, 90/13/0131, 24.11.2006, 2006/02/0235] und des Umstands, dass auch für die Eigenhandzustellung eines RSa-Schreibens durch Hinterlegung die Bestimmung des §17 ZustellG anzuwenden ist, liegt es nahe, dass der Gesetzgeber dieses vorgefundene und dem §21 Abs2 ZustellG explizit zugrunde gelegte Begriffsverständnis des Begriffs der 'Kenntnisnahme' vom 'Zustellvorgang' auch den §§16 Abs5 Zustellung und 17 Abs3 Zustellung zugrunde gelegt hat.

Gemäß diesem begrifflichen Vorverständnis muss daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des Zustellgesetzes unter der 'Rechtzeitigkeit der Kenntnis vom Zustellvorgang' den Umstand der Kenntniserlangung von der maßgeblichen Zustellorganhandlung im Rahmen des Zustellvorfahrens verstanden hat. Daraus ergibt sich zwingend, dass diese Zustellorganhandlung bereits vor dem Zeitpunkt der Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung (und damit noch während des 'Zustellverfahrens') gesetzt worden sein muss.[Daher entweder dem Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an den Ersatzempfänger oder aber dem Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung]

Für dieses Verständnis der Einstufung einer konkreten Zustellorganhandlung während des Zustellverfahrens als den im §16 Abs5 ZustellG bzw im §17 Abs3 ZustellG angesprochenen 'Zustellvorgang' spricht auch der Umstand, dass nach der Judikatur zu den §§106f ZPO als zum §24f AVG die Zustellung durch Hinterlegung bzw durch Ersatzzustellung mit der Übergabe des Schriftstücks an den Ersatzempfänger bzw der Hinterlegung des Schriftstücks wirksam zugestellt wurde, und damit das Zustellverfahren im Hinblick auf jede dieser beiden Zustellarten jeweils mit dem Zeitpunkt des letzten Zustellversuchs beendet waren. Dieser (zweite oder einzige) Zustellversuch war sohin das die Wirksamkeit der Zustellung eines RSa-Briefs oder RSb-Briefs bewirkende Ereignis. Erst durch die Bestimmung des §17 ZustellG wurde bestimmt, dass im Falle der Hinterlegung die Schriftstückzustellung nicht mehr zum Zeitpunkt der Hinterlegung, sondern mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung wirksam wird. Nach der Rechtslage zu den §§106f ZPO und §§24f AVG kam es daher keinesfalls auf das fiktive Zukommen des Schriftstücks an einen fiktiven Empfänger oder auf den fiktiven Verbleib einer Rechtsmittelfrist an, und es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.[Vgl. Schwaighofer K., Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367]

Dieses Begriffsverständnis deckt sich zudem auch mit dem Wortsinn des Wortes 'Zustellvorgang':

Nach einem üblichen Begriffsverständnis handelt es sich bei einem Vorgang nämlich um eine, ein konkretes und tatsächlich erfolgtes Ereignis. Wenn daher der Gesetzgeber das Wort 'Zustellvorgang' verwendet, so spricht viel dafür, dass er damit nicht einen hypothetischen Zeitpunkt der erstmals möglichen Kenntniserlangung vom Inhalt eines Schriftstücks vor Augen hat, sondern vielmehr ein konkretes Ereignis im Rahmen eines tatsächlich erfolgten konkreten Zustellverfahrens. Diesem Begriffsverständnis folgt das Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers, welches unter dem Begriff 'Zustellvorgang' den konkreten (maßgeblichen[…]) vergeblichen Zustellversuch des Zustellorgans versteht.[In diesem Sinne gelangt etwa das Oberlandesgericht Linz unter dem Begriff 'Zustellvorgang' nicht bloß die Hinterlegung selbst, sondern die gesamte Übermittlung der Sendung an den von der Behörde bezeichneten Empfänger, die mit dem Augenblick einsetzt, ab dem das Schriftstück die Behörde verlässt (vgl LSK 1985/20).]

 

IV.2.3.4.2.2) Begriffsverständnis der am Willen des historischen Gesetzgebers orientierten Judikatur und Literatur:

Dieses Verständnis des Begriffs 'Kenntnis' vom 'Zustellvorgang' liegt auch der am Gesetzgeberwillen orientierten höchstgerichtlichen Judikatur zum Zustellgesetz zugrunde, welche (entsprechend dem obreferierten vorgefundenen Begriffsverständnis) den Begriff der 'Kenntnisnahme' vom 'Zustellvorgang' im Sinne der Bedeutung dieser Wendung im §21 ZustellG bzw im Sinne des vom Gesetzgeber vorgefundenen begrifflichen Vorverständnisses zur Auslegung des §24 AVG bzw des §107 ZPO auslegen.

In den diese Auslegungsvariante verfolgenden höchstgerichtlichen Entscheidungen zum Zustellgesetz verstehen nämlich der Oberste Gerichtshof[…] wie auch der Verwaltungsgerichtshof[Vgl. VwGH 12.9.1985, 85/06/0118; 25.6.1986, 85/11/0245; 29.1.1987, 86/02/0157; 18.5.1988, 88/02/0010; 13.12.1989, 89/03/0214; 21.2.1990, 89/02/0209; 20.6.1990, 90/02/0036; 27.8.1990, 89/15/0139; 22.3.1991, 88/18/0098; 24.9.1991, 90/11/0232; 22.1.1992, 91/01/0199; 17.2.1992, 91/19/0322; 28.5.1993, 92/17/0239; 19.1.1995, 94/09/0248; 19.9.1995, 22.2.1995, 95/15/0014; 95/14/0067; 24.3.1997, 95/19/1302; 9.7.1998, 95/03/0092; 15.10.1998, 96/18/0210; 2.3.1999, 96/18/0495; 2.6.1999, 98/04/0111; 19.7.2002, 2002/11/0128; 17.9.2002, 99/01/0327; 25.4.2003, 2003/21/0026; 26.4.2005, 2005/21/0006; 25.5.2005, 2005/09/0017; 30.1.2007, 2005/21/0344; 20.2.2008, 2008/08/0016; 1.4.2008, 2006/06/0243; 3.10.2008, 2008/02/0150; 15.12.2008, 2004/10/0089; 21.2.2012, 2011/11/0190; konkludent 23.4.1987, 87/02/0032; 22.9.1987, 86/14/0170; 12.11.1987, 87/02/0127; 15.11.1989, 89/02/0186; 26.2.1992, 91/01/0193; 19.5.1993, 92/09/0331; 22.2.1994, 93/04/0064; 13.10.1994, 94/09/0213; 15.9.1995, 95/17/0054] unter einem 'Zustellvorgang' den maßgeblichen Zustellversuch, und daher nicht den Inhalt des zugestellten Schriftstücks oder den Umstand der erfolgten Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger oder den Umstand des Zeitpunkts der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung.

Exemplarisch für viele sei auf die Ausführung in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vom 19.3.1992, 7 Ob 519/92, und vom 31.3.1993, 9 ObA 64/93, verwiesen, wonach ein Adressat dann 'Kenntnis vom Zustellvorgang' erlangt bzw erlangen kann, wenn in seine Abgabeeinrichtung 'die Aufforderung, bei einem weiteren Zustellversuch anwesend zu sein', eingelegt worden ist.

Ebenso stellt der Verwaltungsgerichtshof klar, dass der Adressat durch die Hinterlegungsanzeige von einer erfolgten Hinterlegung 'Kenntnis' erlangt.[Vgl. VwGH 12.7.1990, 90/16/0059; 4.4.1991, 91/05/0015; 25.9.1991, 91/16/0046; 24.2.1992, 91/10/0251]

Exemplarisch seien etwa auch die Judikate des Verwaltungsgerichtshofs angeführt, in welchen dieser feststellt, dass im Falle, dass die Abwesenheit von der Abgabestelle erst am Tag nach dem Zustellversuch und der Hinterlegung der Sendung und der Verständigung hievon beginnt, der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen kann.[Vgl. VwGH 24.9.1991, 90/11/0232; 17.9.2002, 99/01/0327]

Ebenso unzweideutig sind die Judikate, welche klarstellen, dass der Zustelladressat 'auf Grund der Verständigung von der Hinterlegung rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen (konnte).'[Vgl. VwGH 12.7.1990, 90/16/0059; 4.4.1991, 91/05/0015; 25.9.1991, 91/16/0046; 24.2.1992, 91/10/0251; In diesem Sinne werden auch die Erkenntnisse zu verstehen sein, welche vom Nichtvorliegen eines regelmäßigen Aufenthalts dann ausgehen, wenn der Empfänger infolge der Ortsabwesenheit 'Zustellvorgänge im Bereich des Zustellorts wahrzunehmen (vgl VwSlg 11.850 A/1985, VwGH 28.2.1989, 88/04/0168).]

Zu Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zudem auf die weiteren Ausführungen im Kapitel IV.2.3.2) verwiesen.

Auch die am historischen Gesetzgeberwillen orientierte Lehre zu den §§16 bis 21 ZustellG legt dem Begriff der 'Kenntnis' vom 'Zustellvorgang' das vom Gesetzgeber im Jahre 1982 vorgefundenen Verständnis dieses Begriffs in der zustellrechtlichen Judikatur zugrunde.[Vgl. Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 91; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (19843) 71; Mayer, Das neue Zustellgesetz, ÖJZ1984, 421 (426); Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19822) 888; Hauer, Einige Bemerkungen zum neuen Zustellgesetz, GdZ1983, 34 (36); Hauer/Leukauf; Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Ergänzungsband 2009 (2009) 342; König, Die Ersatzzustellung bei längerer Abwesenheit, ÖGZ 1983, 116 (117); Achatz, Das neue Zustellrecht, NZ 1983, 113 (123); Stoll, Bundesabgabenordnung (1994) 1100f; konkludent Haller, Zum Entwurf eines ZustG, ZfV 1981, 1 (5); Vgl. auch Wiederin; Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (378)]

Zudem sei auf die Ausführungen im Kapitel IV.2.3.1) verwiesen, aus welchen sich ebenfalls ersehen lässt, dass der Oberste Gerichtshof wie auch der Verwaltungsgerichtshof in ihren Entscheidungen, in welchen das Verständnis des historischen Gesetzgebers favorisiert wird, sowie dass die Lehrmeinungen zu dieser Auslegungsvariante explizit auch im Hinblick auf die Auslegung der §§16, 17 und 21 ZustellG diesem vom Gesetzgeber vorgefundenen zu den §§24 AVG und §107 ZPO entwickelten Begriffsverständnis folgen.

Dieses dem Wortsinn folgende Begriffsverständnis wird durch die Judikatur auch insofern für maßgeblich erklärt, als klargestellt wird, dass die Abholung des Schriftstücks nicht mehr zur 'Zustellung' gehört.[Wörtlich führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31.8.1995, 95/19/0324, aus:

'Die Beschwerde verkennt die ausdrückliche gesetzliche Anordnung des §17 Abs3 Zustellgesetz in Verbindung mit §7 Zustellgesetz. Auf Grund der vom Beschwerdeführer selbst angeführten Ortsanwesenheit und rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang scheidet eine Ungültigkeit der Hinterlegung am 27. Jänner 1995 im Hinblick auf §17 Abs3 Zustellgesetz aus. Aber auch die Anwendung des §7 Zustellgesetz (Heilung von Zustellmängeln) kommt nicht in Betracht, da diese Norm ausdrücklich auf Mängel abstellt, welche während der Zustellung unterlaufen. Die Zustellung ist aber mit der Hinterlegung in Verbindung mit der Abholbereitschaft beendet. Das Ergebnis, daß die Abholung nicht mehr zur Zustellung gehört, läßt sich zwingend - neben dem Wortlaut der herangezogenen Normen - aus dem Normzweck ableiten, welcher sicherzustellen sucht, daß behördliche Verfahren auch dann weitergeführt werden können, wenn hinterlegte und zur Abholung bereitgehaltene Schriftstücke den Empfänger gar nicht erreichen (etwa mangels Abholung). Denn stellte man darauf ab, daß die Zustellung erst dann bewirkt wäre, wenn das Schriftstück dem Empfänger zugekommen ist, läge bei nicht abgeholten Schriftstücken regelmäßig ein Mangel gemäß §7 Zustellgesetz vor, welcher mangels Zukommens an den Empfänger nie sanierbar wäre.']

Im Gegensatz zu den in den Kapiteln IV.1.2.5 und IV.2.2.3 referierten Zustellvorgangsbegriffsverständnissen der an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen oder an der verbleibenden Rechtsmittelfristrecht orientierten Auslegungsvarianten, wird in den am historischen Gesetzgeberwillen orientierten höchstgerichtlichen Erkenntnissen unter dem im §16 Abs5 ZustellG bzw dem im §17 Abs3 ZustellG angesprochenen 'Zustellvorgang' nicht ein fiktiver Zeitpunkt verstanden, sondern vielmehr stets der bei der Eigenhandzustellung der erste Zustellversuch und bei den übrigen Zustellungen mit Zustellnachweis der (einzige) Zustellversuch des Zustellorgans.[So wird etwa im Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 31.1.2013, ZI. 6 Ob 154/12h, ausgeführt (in diesem Sinne auch VwSlg 13.230 A/1990; VwGH 22.3.1991, 88/18/0098; 17.9.2002, 99/01/0327; konkludent VwGH 17.2.1992, 91/19/0322; 28.5.1993, 92/17/0239; 24.3.1997, 95/19/1302): 'Konnte der Empfänger von der Hinterlegung allerdings rechtzeitig Kenntnis erlangen, kann er durch nachträgliches Verlassen der Abgabestelle die eintretende gesetzliche Zustellwirkung des §17 Abs3 Satz 3 ZustG nicht mehr beeinflussen (Rechberger in Rechberger, ZPO3 §17 ZustG Rz 8 mwN; LGZ Wien EFSIg 109.569), zumal das Gesetz lediglich auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme, nicht aber auf die tatsächliche Kenntnisnahme abstellt (VwGH 29. 1. 1987, 87/02/0157; 3. 10. 2008, 2008/02/0150). Die Zustellfiktion des §17 Abs3 Satz 3 ZustG bewirkt, dass der erste Tag der Abholfrist so betrachtet wird, als wenn an diesem die Übergabe der Sendung an den Empfänger erfolgt wäre (Stumvoll in Fasching/Konecny2 §17 ZustG Rz 15).' Im Wesentlichen dasselbe Verständnis wird auch in den Judikaten zum Ausdruck gebracht, welche dann vom Vorliegen eines regelmäßigen Aufenthalts ausgehen, wenn 'der Empfänger trotz der Abwesenheit in der Lage ist und es ihm zumutbar ist, Zustellvorgänge an der (jeweiligen) Abgabestelle wahrzunehmen (vgl VwSlg 11.850 A/1985; VwGH 28.2.1989, 88/04/0168; 15.11.1989, 89/02/0186; 19.5.1993. 92/09/0331; 16.2.1994, 93/03/0128; 20.6.1994, 94/10/0022; 19.1.1995, 94/09/0248; Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze. Bd. I [19982] 1971, 1988). Ebenso unmissverständlich ist die Formulierung des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Erkenntnis vom 17.9.2002, ZI. 99/01/0327:

'Nach dem als bescheinigt anzusehenden Vorbringen des beschwerdeführenden Vereins liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der vertretungs- und damit empfangsbefugte Präsident am 5. Mai (Tag des Zustellversuches und der Verständigung von der Hinterlegung) und nach einer Abwesenheit am 6. und 7. Mai ab dem 8. Mai 1999 nicht an der Vereinsadresse anwesend war und sich dort nicht regelmäßig aufgehalten hat. Beginnt aber die Abwesenheit von der Abgabestelle erst am Tag nach dem (im vorliegenden Fall einzigen, da die Zustellung nicht zu eigenen Handen erfolgte) Zustellversuch und der Hinterlegung der Sendung sowie der Verständigung hievon (im Beschwerdefall der 5. Mai 1999 bei Beginn der Abholfrist am 6. Mai 1999), so konnte der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen.' Explizit in diesem Sinne auch VwGH 25.5.2005, 2005/09/0017; 21.2.2012, 2011/11/0190; konkludent VwGH 28.5.1993, 92/17/0239] Dieses Verständnis teilen auch die diese Auslegungsvariante favorisierenden Lehrmeinungen.[Vgl. explizit Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 802 (819); Hauer/Leukauf; Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Ergänzungsband 2009 (2009) 359 (Pkt. 23c); konkludent: Arnold, Besprechung von VwGH 28.5.1993, 92/17/0239, AnwBI 1993, 949; Mayer, Das neue Zustellgesetz, ÖJZ1984, 421]

 

IV.2.3.4.2.3) Abgrenzung zum Verständnis des Begriffs 'Kenntnis' vom 'Zustellvorgang' der an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen bzw der verbleibenden Rechtsmittelfrist orientierten Auslegungsvarianten:

Bei Zugrundelegung des vom Gesetzgeber vorgefundenen und dem Verständnis des historischen Gesetzgebers folgenden Verständnisses der Wendung 'Kenntnis' vom 'Zustellvorgang' erscheint die gegenständliche Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' in einem ganz anderen Licht, als dies von den beiden erstreferierten Auslegungsvarianten der Höchstgerichte wie auch den diesbezüglichen Auslegungsvarianten der Lehre verstanden wird.

Wenn man nämlich diese Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' wortwörtlich nimmt, ist nichts anderes normiert, als dass der Gesetzgeber erstens auf die Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des Eintritts des maßgeblichen Ereignisses während des Zustellverfahrens, daher auf den jeweils maßgeblichen Zustellversuch, abstellt, und dass der Gesetzgeber zweitens auf die mögliche Kenntnis von diesem maßgeblichen Zustellversuch vor einer allfällig erfolgten Abreise abstellt.

Sofern daher bei einer Zustellung durch Hinterlegung der Empfänger vor der Bereithaltung des zuzustellenden Schreibens zur Abholung Kenntnis vom maßgeblichen Zustellversuch erlangen konnte, was regelmäßig im Falle der Abreise erst nach dem Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs anzunehmen ist, dann kann sich der Empfänger nach dem Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers nicht auf seine Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Bereithaltung des Schriftstücks berufen, sondern muss diesen Zeitpunkt der Bereithaltung des Schriftstücks als Zustellzeitpunkt gegen sich gelten lassen. In allen übrigen Fällen liegt dagegen im Falle einer Zustellung durch Hinterlegung keine Rechtzeitigkeit (der Kenntniserlangung vom maßgeblichen Hinterlegungsversuch und damit vom maßgeblichen Zustellvorgang während des Zustellverfahrens) vor.[Vgl. explizit Stumvoll, §17 ZustelIG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen. Bd. II (20163) 802 (819f)]

Nach dieser ausschließlich dem Gesetzeswortlaut folgenden Auslegung sind daher der Begriff 'rechtzeitig' wie auch der Zeitpunkt des jeweiligen Wirksamwerdens der Zustellung exakt bestimmt, und wird dieser Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zustellung auch durch die Judikatur in allen Erkenntnissen übereinstimmend, einheitlich und exakt bestimmt.

Damit ist aber hinreichend dargelegt, dass diese auf dem Verständnis des historischen Gesetzgebers gegründete drittangeführte Auslegungsvariante bis ins Detail dem Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers folgt, während die beiden erstangeführten Ausstellungsvarianten diametral dem Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers entgegen stehen, und nahezu regelmäßig zu einem vom Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers deutlich abweichenden Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zustellung gelangen.

Soweit ersichtlich, stellen zudem die – in den Kapiteln IV.1.2.5) und IV.2.2.3) dargestellt – ersten beiden obreferierten, von den Höchstgerichten judizierten Auslegungsvarianten nicht auf die 'mögliche rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang', sondern vielmehr auf die 'mögliche rechtzeitige Kenntniserlangung vom Inhalt des zustellten Schriftstücks' ab.[Vgl. etwa OGH 31.1.2013, ZI. 6 Ob 154/12h; VwGH 29. 1. 1987, 87/02/0157; 9.7.1992, 91/16/0091; 3. 10. 2008, 2008/02/0150; 30.9.2014, 2013/22/0369] Gegen diese Sichtweise spricht aber schon der Umstand, dass 'eine Interpretation des Begriffs 'rechtzeitige Kenntnis' nur in Bezug auf den Zustellvorgang tragfähig (ist) und nicht im Hinblick auf den Inhalt der zugestellten Sendung.'[Vgl. Stumvoll, §17 ZustelIG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 802 (819)]

Während daher die beiden zuvor dargelegten Auslegungsvarianten, welche die Maßfigur des Vollerwerbstätigen bzw welche die verbleibende Rechtsmittelfrist als zentrales Auslegungskriterium der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' einstufen, unter dem Begriff 'Zustellvorgang' im Ergebnis den hypothetischen Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Schriftstückinhalt durch den Schriftsatzadressaten verstehen, liegt der dem historischen Gesetzgeberwillen folgenden Auslegungsvariante ein völlig anderes Begriffsverständnis zugrunde.

 

IV.2.3.5) Begriffsverständnis der Wendung 'rechtzeitig' nach der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante:

 

IV.2.3.5.1) vom historischen Gesetzgebers vorgefundenes Verständnis des Begriffs 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte':

Sowohl durch die §§106f ZPO als auch durch den §24 AVG war die erforderliche rechtzeitige Kenntniserlangung von der für die Rechtmäßigkeit einer Zustellung maßgeblichen Handlung des Zustellorgans (daher vom Zustellvorgang) bereits insofern gesetzlich verankert, als im Falle einer Eigenhandzustellung vom Zustellorgan verlangt wurde, anlässlich des ersten erfolglosen Zustellversuchs eine Mitteilung an der Abgabestelle zu hinterlassen, in welcher ein zweiter Zustellversuch angekündigt wurde, wobei diese Mitteilung dann einen Zustellmangel dargestellt hatte, wenn nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Empfänger 'rechtzeitig (!)' von dieser Mitteilung 'Kenntnis' erlangen konnte, und daher nicht in die Lage versetzt war, zu diesem Zeitpunkt an der Abgabestelle anwesend zu sein.[Vgl. Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren (19647) 140 (Anm. 1 zu §23 AVG), 141 (Anm. 5 zu §23 AVG), 143 (Anm. 5 zu §24 AVG); Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren (19758) 214 (Anm. 1 zu §23 AVG), 215 (Anm. 6 zu §23 AVG), 218 (Anm. 7 zu §24 AVG); Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen, Bd. II (1962) 590 (Anm. 1 zu §104 ZPO), 593ff]

Nicht 'rechtzeitig' war daher eine 'Kenntniserlangung' dann, wenn dem Zustelladressaten durch ein Zustellorgan anlässlich eines Zustellversuchs in die Abgabeeinrichtung eine zu einem bestimmten Verhalten auffordernden Mitteilung (nämlich die Aufforderung, im Zeitraum des angekündigten zweiten Zustellversuchs sich an der Abgabestelle zur Schriftstückübernahme bereitzuhalten) eingelegt worden ist, und der Schriftstückadressat infolge Ortsabwesenheit von der Abgabestelle nicht in der Lage gewesen ist, dieses Verhalten, zu welchem er aufgefordert worden ist, tatsächlich zu setzen.

Wie zuvor dargestellt, wurde diese vorgefundene Rechtslage vom Gesetzgeber explizit im §21 Abs2 ZustellG der Stammfassung übernommen und folgten sowohl die Judikatur als auch die Lehre diesem vorgefundenen begrifflichen Vorverständnis bei der Auslegung und Vollziehung des §21 Abs2 ZustellG der Stammfassung.

Da aus dem Gesetz und den Materialien kein gegenteiliges Indiz zu entnehmen ist, ist davon auszugehen, dass dieses zur Eigenhandzustellung vorgefundene Begriffsverständnis sinngemäß auch der Auslegung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' im §16 Abs5 ZustellG bzw im §17 Abs3 ZustellG für den Fall einer Zustellung eines RSb-Schreibens zugrunde zu legen ist.

Diesfalls ist bei der RSb-Zustellung das maßgebliche Schreiben, von welchem der Adressat durch das Zustellorgan in Kenntnis gesetzt wird, nicht die Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs (welchen es ja bei der RSb-Zustellung niemals gab), sondern die Ankündigung der künftigen Hinterlegung und des Beginns der erstmaligen Bereithaltung des zuzustellenden Schriftstücks.

Wie schon die Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs enthält auch diese Ankündigung der künftigen Hinterlegung und des Beginns der erstmaligen Bereithaltung des zuzustellenden Schriftstücks eine Aufforderung des Zustellorgans zur Setzung eines bestimmten Verhaltens.

Während im Fall der Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs der Adressat aufgefordert wird, im Zeitraum des in Aussicht genommenen zweiten Zustellversuchs sich an der Abgabestelle aufzuhalten, wird der Adressat durch das Schreiben, mit welchem dieser von der Hinterlegung und dem Beginn der Abholfrist in Kenntnis gesetzt wird, somit aufgefordert, sich am ersten Tag der Abholfrist beim zuständigen Postamt einzufinden und das Schriftstück zu übernehmen.

Während daher im Falle der Aufforderung zur Anwesenheit während des in Aussicht genommenen Zeitraums des zweiten Zustellversuchs dann nicht von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang auszugehen ist, wenn der Adressat infolge Ortsabwesenheit nicht in der Lage ist, sich in diesem Zeitraum in der Wohnung zur Schriftstückübernahme bereitzuhalten, ist somit im Falle der Aufforderung zur Behebung des Schreibens am ersten Tag der Bereithaltungsfrist dann von einer nicht rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellversuch auszugehen, wenn der Adressat infolge Ortsabwesenheit nicht in der Lage ist, an diesem ersten Tag der Bereithaltung das Postamt während der Öffnungszeiten aufzusuchen und das Schriftstück zu übernehmen.

Bei der Ersatzzustellung ist ebenfalls der (einzige) Zustellversuch als der im §16 Abs5 ZustellG bzw im §17 Abs3 ZustellG angesprochene 'Zustellvorgang' anzusehen, zumal auch bei diesem zu ermitteln ist, ob der Empfänger von der Abgabestelle (nicht bloß während der Tagesstunden) ortsabwesend gewesen ist. Diesfalls ist die anlässlich des (einzigen) Zustellversuchs gesetzte maßgebliche Handlung des Zustellorgans die Schriftstückübergabe des Zustellorgans an den Ersatzempfänger. Nach dem durch §16 ZustellG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers wird mit dieser Übergabe des Schreibens an den Ersatzempfänger der Empfänger angehalten, dieses Schreiben ehestmöglich vom Ersatzempfänger zu übernehmen.

Während daher im Falle der Aufforderung zur Anwesenheit während des in Aussicht genommenen Zeitraums des zweiten Zustellversuchs dann nicht von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang auszugehen ist, wenn der Adressat infolge Ortsabwesenheit nicht in der Lage ist, sich in diesem Zeitraum in der Wohnung zur Schriftstückübernahme bereitzuhalten, ist somit im Falle der im Rahmen der Ersatzzustellung erfolgten Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger dann von einer nicht rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellversuch auszugehen, wenn der Adressat infolge Ortsabwesenheit nicht in der Lage ist, an dem der Schriftstückausfolgung nächstfolgenden Kalendertag von der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger Kenntnis zu erlangen und dieses Schriftstück vom Ersatzempfänger zu übernehmen.

Die im §16 Abs5 ZustellG wie auch im §17 Abs3 ZustellG normierte Vorgabe einer 'rechtzeitigen' Kenntnisnahme verfolgte daher das Ziel, dass ein Empfänger zur Setzung einer künftigen, ihm obliegenden Handlung im Zustellverfahren rechtzeitig (daher zum ehestmöglichen Zeitpunkt) in die Lage versetzt wird. Dagegen war es für die Frage der 'Rechtzeitigkeit' ohne Belang, ob der Empfänger von der ihm eröffneten Möglichkeit zur Erlangung des Schriftstücks zum ehebaldigsten Zeitpunkt auch Gebrauch gemacht hat. Gemäß dieser Konstruktion ist es daher ohne Belang, ob der Empfänger dann diese von ihm erwartete Handlung auch wirklich setzt, daher 1) zum angekündigten Zeitpunkt an der Abgabestelle anwesend ist oder aber 2) vom Ersatzempfänger die Übergabe des Schriftstücks spätestens an dem der Schriftstückübergabe folgenden Tag fordert, oder aber 3) am ersten Tag der Bereithaltung das Schriftstück behebt.

Es spricht daher alles dafür, dass der Gesetzgeber bei der Normierung der Gebotenheit einer 'rechtzeitigen' 'Kenntnisnahme' vom 'Zustellvorgang' im §16 Abs5 ZustellG wie auch im §17 Abs3 ZustellG das zum §24 AVG wie auch zu den §§24f AVG und 106ff ZPO entwickelte[…] Begriffsverständnis der nach diesen Bestimmungen geforderten rechtzeitigen Kenntnisnahme vom (maßgeblichen) 'Zustellvorgang'[Das war gemäß den §§24f AVG und 106ff ZPO die ausreichend frühzeitige, und damit zwingend vor der Durchführung dieses zweiten Zustellversuchs erfolgte, Kenntnisnahme vom durchgeführten ersten Zustellversuch und von der anlässlich dieses ersten Zustellversuchs in die Abgabeeinrichtung eingelegte Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs während eines konkreten Zeitraums eines Tages.] übernommen hat. Dafür spricht auch der Umstand, dass dieses Verständnis des Begriffs der 'rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' auch von Anfang an der Bestimmung des §21 ZustellG zugrunde gelegt wurde.[…]

An dieses zu §24 AVG wie auch zu den §§106f ZPO entwickelte, bereits vorgefundene begriffliche Vorverständnis knüpfte daher der Gesetzgeber an, wenn dieser im §16 Abs5 ZustellG wie auch im §17 Abs3 ZustellG jeweils die Wendung 'wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' einfügte, und damit den Umstand der 'rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang' mit der Quasi-Kontumazfolge der Zustellwirkung bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an den Ersatzempfänger bzw der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks verknüpfte.

Wenn daher der (ortsanwesende) Empfänger 'rechtzeitig' vom maßgeblichen[…] (ersten bzw einzigen) Zustellversuch eines Zustellorgans im konkreten Zustellverfahren Kenntnis erlangt bzw erlangen konnte, schließt das eine nach dieser möglichen Kenntniserlangung eintretende Ortsabwesenheit die Anwendung des Heilungstatbestands (Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG aus.

Wie ein Schriftsatzadressat von solch einen Zustellversuch eines Zustellorgans Kenntnis erlangen kann, ist vielfältig:

So erlangt der Schriftsatzadressat bei der Eigenhandzustellung durch die Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs vom erfolgten ersten Zustellversuchs Kenntnis.

Bei einer RSb-Zustellung, welche zu einer Hinterlegung führte, erlangt der Schriftstückadressat dadurch von der Durchführung des (einzigen) Zustellversuchs Kenntnis, indem er die anlässlich dieses Zustellversuchs in der Abgabeeinrichtung eingelegte Hinterlegungsanzeige, in welcher die Hinterlegung angekündigt und der Beginn der Abholfrist bekannt gegeben wird, erlangt.

Wenn im Rahmen einer RSb-Zustellung das Schriftstück an einen Ersatzempfänger übergeben wird, geht der Gesetzgeber aufgrund der Regelung des §16 ZustellG implizit davon aus, dass der Empfänger durch den Ersatzempfänger von dieser Schriftstückübergabe in Kenntnis gesetzt wird, sodass der Empfänger auf diese Weise vom 'Zustellvorgang' (daher vom [einzigen] Zustellversuch) Kenntnis erlangt.

Dass den Gesetzgeber sichtlich wirklich dieses Verständnis geleitet hat, lässt sich zudem auch aus den Ausführungen der Regierungsvorlage zum §17 ZustellG der Stammfassung des Zustellgesetzes ersehen.[Vgl. die Wiedergabe der maßgeblichen Passagen der Regierungsvorlage im Kapitel IV.2.3.2)]

Wie nämlich im ersten Satz dieser Passage der Regierungsvorlage ausdrücklich hervorgehoben, soll die bisherige Regelung zur Zulässigkeit bzw Gebotenheit der Zustellung durch Hinterlegung auch nach der neuen zustellrechtlichen Regelung des §17 ZustellG übernommen werden. Der Gesetzgeber knüpft sohin (wie auch schon in der Regierungsvorlage wie auch im Ausschussbericht zum §16 ZustellG für die Zustellung durch Ersatzzustellung hervorgehoben) ausdrücklich an das bisherige (durch die Judikatur und Literatur konkretisierte) begriffliche Vorverständnis und Regelungskonzept der Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung an.

Aus der Ausführung zum §16 ZustellG zum Ausschussbericht ist wiederum zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dieses Verständnis auch auf die Regelung des §16 Abs5 ZustellG übertragen wollte.

Zudem brachte der Gesetzgeber in den Materialien mehrfach deutlich zum Ausdruck, dass er an die vorgefundene Gesetzeslage, Judikatur und Vollzugspraxis anknüpfen, und von dieser grundsätzlich nicht abgehen will.

Daraus ist zu folgern, dass im Zweifel durch die Bestimmung des §16 ZustellG bzw des §17 ZustellG nicht von bislang in Geltung gestandenen Regelungen zur Zulässigkeit und Gebotenheit der Zustellung durch Ersatzzustellung bzw durch Hinterlegung und auch nicht vom zu diesen beiden Zustellungsformenentwickelten Begriffsverständnis abgewichen werden soll. Alles spricht daher dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Regelung der Ersatzzustellung und Hinterlegung durch die §§16, 17 und 21 ZustellG das bisherige zustellrechtliche Begriffsverständnis (etwa der Begriffe 'vorübergehend ortsabwesend' oder 'Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte') übernommen werden soll.

Wenn man sich nun aber vor Augen hält, dass auch schon die Judikatur zu den §§23f AVG wie auch den §§106f ZPO an eine 'rechtzeitige Kenntnis vom Zustellvorgang' angeknüpft hat[Sowohl durch die §§106f ZPO als auch durch den §24 AVG war die erforderliche rechtzeitige Kenntniserlangung von der für die Rechtmäßigkeit einer Zustellung maßgeblichen Handlung des Zustellorgans (daher vom Zustellvorgang) bereits insofern gesetzlich verankert, als im Falle einer Eigenhandzustellung vom Zustellorgan verlangt wurde, anlässlich des ersten erfolglosen Zustellversuchs eine Mitteilung an der Abgabestelle zu hinterlassen, in welcher ein zweiter Zustellversuch angekündigt wurde, wobei diese Einlegung der Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs dann einen Zustellmangel dargestellt hatte, wenn nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Empfänger 'rechtzeitig (!)' von dieser Mitteilung 'Kenntnis' erlangen konnte, und daher nicht in die Lage versetzt war, zu diesem Zeitpunkt an der Abgabestelle anwesend zu sein (vgl Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren [19647] 140 [Anm. 1 zu §23 AVG], 141 [Anm. 5 zu §23 AVG], 143 [Anm. 5 zu §24 AVG]; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren [19758] 214 [Anm. 1 zu §23 AVG], 215 [Anm. 6 zu §23 AVG], 218 [Anm. 7 zu §24 AVG]; Fasching H., Kommentar zu den Zustellgesetzen, Bd. II [1962] 590 [Anm. 1 zu §104 ZPO], 593ff)], liegt es nahe, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung dieser Wendung im §16 Abs5 ZustellG wie auch in §17 Abs3 ZustellG auf dieses Begriffsverständnis zurückgegriffen hat.

Diese Annahme macht auch durchaus einen Sinn, zumal gerade dieses Abstellen auf die mögliche Kenntnis vom Zustellvorgang essentiell für die Vollziehung der

durch die Bestimmungen der §§16 Abs5 ZustellG und 17 Abs3 ZustellG vorgenommenen Regelungsneuerungen ist.

Bei diesem Verständnis muss der Begriff 'rechtzeitig' des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG im Sinne der zur Bestimmung des §24 AVG bzw der §§106f ZPO entwickelten Forderung, dass der Empfänger 'rechtzeitig' vor dem erfolgenden zweiten Zustellversuch Kenntnis vom festgesetzten zweiten Zustellversuch erlangt, ausgelegt werden. Folglich ist (nur) dann von einer 'Rechtzeitigkeit' auszugehen, wenn der Empfänger durch Kenntniserlangung einer erfolgten Zustellhandlung eines Zustellorgans (daher eines erfolgten Zustellversuchs) in die Lage versetzt wird, die nächste ihm obliegende Handlung im Zustellverfahren noch 'rechtzeitig' zu tätigen (daher entweder 1) sich bei einem angekündigten zweiten Zustellversuch bei einer versuchten Eigenhandzustellung zum angekündigten Zeitpunkt an der Zustelladresse zur Empfangnahme des Schriftstücks einzufinden, oder aber 2) das Schriftstück vom Ersatzempfänger spätestens an dem der Schriftstückübergabe folgenden Tag in Empfang zu nehmen, oder aber 3) am ersten Tag der Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung dieses zu beheben).

 

IV.2.3.5.2) vom historischen Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachtes Verständnis des Begriffs 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte':

 

IV.2.3.5.2.1) explizite Klarstellung, dass mit dem Begriff 'rechtzeitig' kein bislang nicht vorgefundenen Tatbestandsmerkmal geschaffen werden sollte:

Dass der historische Gesetzgeber der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' dieses vorgefundene Begriffsverständnis zugrunde legen wollte und sohin keinen neuartigen Tatbestand schaffen wollte, ergibt sich bereits aus den übereinstimmenden Ausführungen in der Regierungsvorlage und

im Ausschussbericht, wonach die bestehende Rechtslage fortgeschrieben werden soll.

Dazu kommt aber auch die explizite Klarstellung in den zur Stammfassung des Zustellgesetzes ergangenen Durchführungserlässen, wonach mit dem Begriff 'rechtzeitig' kein bislang nicht vorgefundenes Tatbestandsmerkmal geschaffen werden sollte.

Wörtlich wird in dem im Kapitel IV.2.3.2) teilweise wiedergegebenen Durchführungserlass des Finanzministeriums vom 28.2.1983 ausgeführt:

'Die wesentlichen Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage bestehen darin, daß die Zustellwirkung nicht schon mit der vorschriftsmäßigen Hinterlegung eintritt, sondern mit dem ersten Tag, an dem die Sendung zur Abholung bereitgehalten wird. In den in lite besprochenen Fällen gilt die Zustellung erst an einem späteren Tag, nämlich an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, als bewirkt.'

Hätte der Gesetzgeber wirklich mit dem Wort 'rechtzeitig' im §16 Abs5 ZustellG bzw im §17 Abs3 ZustellG einen Sondertatbestand schaffen wollen, nach welchem trotz Ortsabwesenheit während des maßgeblichen Zustellversuchs und trotz Rückkehr erst nach dem Ende der Behebungsmöglichkeit des Schriftstücks am ersten Bereithaltungstag die Anwendung des Heilungs- bzw Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG unterbunden ist, hätte der Regierungsvorlagenverfasser auf diese zentrale Abänderung des detailliert geschilderten Anwendungsfalls dieses Heilungs- bzw Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands wohl nicht vergessen. Schon gar nicht hätte der Regierungsvorlagenverfasser in diesem Fall zum Ausdruck gebracht, dass diese Einführung eines Sonderausschlusstatbestands durch das Wort 'rechtzeitig' keine weitere relevante Abänderung der bisherigen Rechtslage bewirkt hat.

Analoges gilt natürlich auch für die Verfasser der vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes publizierten Durchführungserlässe zum Zustellgesetz.

 

IV.2.3.5.2.2) explizite Bezeichnung des Vorliegens einer 'nicht-rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang':

Zudem ergibt sich aber auch aus den in der Literatur und Judikatur bislang unbeachtet gebliebenen Durchführungserlässen zum Zustellgesetz ein weiteres deutliches Indiz, dass der Gesetzgeber (daher die Autoren des Zustellgesetzes) die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' im obangeführten Sinn verstanden wissen will (wollen).

In diesen Durchführungserlässen wird nämlich bis ins Detail konkretisiert, wann konkret davon auszugehen ist, dass ein Adressat 'nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte'. Aus dieser expliziten Darlegung der Konstellation des Vorliegens einer 'nicht-rechtzeitigen' 'Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' ist es sodann im Umkehrschluss möglich zu bestimmen, wann von einer 'rechtzeitigen' 'Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' auszugehen ist.

Nach diesen Durchführungserlässen ist nämlich ausschließlich (!!!) dann vom Vorliegen einer 'nicht-rechtzeitigen' 'Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' auszugehen, wenn nachfolgende Voraussetzungen erfüllt sind:[Anm: Auszugsweise wörtliche Wiedergabe des Rundschreibens des Bundeskanzleramts vom 31.1.1983, GZ 601 661/1-V/1/83 sowie des Durchführungserlasses des Finanzministeriums vom 28.2.1982, siehe dazu oben im Erkenntnis S 39ff.]

1) der Zustelladressat war zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs nicht bloß tagsüber ortsabwesend (und sohin nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhältig);

2) das Zustellorgan ist während des maßgeblichen Zustellversuchs irrtümlich von einer regelmäßigen Aufhältigkeit des Zustelladressaten an der Abgabestelle ausgegangen;

3) der Zustelladressat ist erst zu einem Zeitpunkt an die Abgabestelle zurückgekehrt, zu welchem ihm die ehestmögliche Abholung des Schriftstücks nicht mehr möglich gewesen ist.

Es ist unschwer zu ersehen, dass sich diese explizite Vorgabe in den Durchführungserlässen bis ins Detail mit der Auslegung der gegenständlichen Wendung 'nicht-rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen kann' durch die am historischen Gesetzgeberwillen orientierten herrschende Lehre und ständigen Judikatur und auch den übrigen im gegenständlichen Kapitel IV.2.3) getätigten Ausführungen übereinstimmt.

 

IV.2.3.5.3) aus der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Judikatur und Lehre zu folgernde Begrifflichkeit der Wendung 'rechtzeitig':

Im Sinne des auch durch die Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Verständnisses des historischen Gesetzgebers ist daher der Begriff 'Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' im Sinne der zu diesem Begriff ergangenen Judikatur zum §24 AVG wie auch zum §107 ZPO auszulegen.

Dieses Begriffsverständnis wurde zudem auch stets von den Höchstgerichten im Rahmen der Vollziehung des §21 ZustellG (bis zur Novelle BGBl. I Nr 5/2008) der Begriff der 'Kenntniserlangung vom angekündigten zweiten Zustellversuch' zugrunde gelegt. Demnach erfolgte die 'Kenntniserlangung vom Umstand des ersten Zustellversuchs' durch das Auffinden der in die Abgabeeinrichtung (anlässlich des ersten Zustellversuchs) eingelegten Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs. Damit bezog sich die Kenntnisnahme von der maßgeblichen Zustellhandlung i.S.d. §21 ZustellG auf die (mögliche) Kenntniserlangung vom erfolgten ersten Zustellversuch (und der damit verbundenen Kenntniserlangung vom künftig erfolgenden zweiten Zustellversuch).[Vgl. OGH 19.9.1984, 1 Ob 654/84; 17.4.1986, 8 Ob 552/86; 28.4.1988, 8 Ob 550/88; 9.10.1990, 5 Ob 599/90; 12.9.1991, 6 Ob 602/91; 18.12.1991, 1 Ob 632/91; 7.10.1992, 1 Ob 615/92; 22.10.1997, 9 Ob 346/97s; 27.5.2004, 8 Ob 103/03k; VwGH 29.1.1987, 86/02/0157; 24.9.1991, 90/11/0232; 19.9.1995, 95/14/0067; 1.4.2008, 2006/06/0243; 3.10.2008, 2008/02/0150; In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 1.7.1987, ZI. 3 Ob 515/97, sprach dieser sogar aus, dass im Falle der Nichtanwesenheit des Empfängers während des zweiten Zustellversuchs, selbst wenn dieser Kenntnis vom ersten Zustellversuch und der Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs Kenntnis erlangt hat, niemals von einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung (und damit von einer Kenntniserlangung vom Zustellversuch) auszugehen ist, und diesfalls stets das Schriftstück erst mit dem der Rückkunft folgenden Abholtag zugestellt gilt.]

Zudem wird aber durch die höchstgerichtlichen Judikate, welche dem Verständnis des historischen Gesetzgebers folgen, dieses (insbesondere) bereits bei der Eigenhandzustellung vorgefundene und explizit auch im Hinblick auf die Vollziehung des §21 ZustellG übernommene Verständnis des Begriffs der 'Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' auch in analoger Weise auf die Fälle einer Zustellung eines RSb-Schreibens durch Ersatzzustellung oder Hinterlegung übertragen.[…]

In diesem Sinne judiziert etwa der Verwaltungsgerichtshof, dass im Falle des Beginns der Abwesenheit von der Abgabestelle erst am Tag nach dem (maßgeblichen[…]) Zustellversuch der Sendung infolge der Einlegung der entsprechenden Benachrichtigung in die Abgabestelle der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt hat bzw Kenntnis erlangen konnte. [Vgl. VwGH 29.1.1987, 86/02/0157; 24.9.1991, 90/11/0232; 19.9.1995, 95/14/0067]

 

IV.2.3.6) bei Zugrundelegung des Gesetzgeberwillens gebotene Folgerungen für die Auslegung der §§16f ZustellG:

Genau genommen unterscheidet sich das Regelungsregime des Zustellgesetzes zur Zustellung durch Ersatzzustellung bzw durch Hinterlegung vom Regelungsregime der §§23f AVG und §§106f ZPO somit primär nur darin,

- dass 1) nunmehr die Wirksamkeit einer Zustellung durch Hinterlegung nicht mehr mit dem Zeitpunkt der Hinterlegung, sondern mit dem Zeitpunkt der Bereithaltung des Schriftstücks eintritt,

- dass 2) der Gesetzgeber nunmehr auch eine zweite[Daher einen zusätzlichen Heilungstatbestand zum bereits vorgefundenen (vgl §108 ZPO) Heilungstatbestand des tatsächlichen Zukommens des Schriftstücks (vgl nunmehr §7 ZustellG).] Möglichkeit der Heilung des Mangels der nicht nur während der Tagesstunden andauernden Ortsabwesenheit des Empfängers zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung (daher zum Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an den Ersatzempfänger bzw nunmehr zum Zeitpunkt der Bereithaltung des Schriftstücks zur Behebung) eingeführt hat,

sowie

- dass 3) der Gesetzgeber eine bislang bestanden habendeMöglichkeit zum Missbrauch der zustellrechtlichen Regelungen auch ausdrücklich unterbunden hat. Nunmehr ist im Sinne der bereits vorgefundenen Judikatur zum schikanösen Adressaten[…] dann nicht von einer die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung bzw Ersatzzustellung vorläufig unterbindenden (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit während des maßgeblichen Zustellversuchs auszugehen, wenn der Empfänger in der Lage gewesen ist, die dem Empfänger durch den jeweiligen Zustellversuch zur Kenntnis gebrachte künftige Handlung (daher die Anwesenheit im Zeitraum des angekündigten zweiten Zustellversuchs bzw die Abholung am ersten Tag der Schriftstückbereithaltung bzw die Übernahme des Schriftstück vom Ersatzempfänger am der Schriftstückübergabe nächstfolgenden Tag) auch tatsächlich zu setzen. Folglich gelangt aufgrund der Einfügung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' in dieser Konstellation keine Anwendbarkeit der Heilungsbestimmung (des Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG, wohingegen in allen übrigen Fällen einer (nicht nur auf die Tagesstunden beschränkten) Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs die Heilungsbestimmung (des Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG Anwendung findet.

Durch das Zustellgesetz unangetastet geblieben ist somit insbesondere die bisherige, allein durch die Judikatur entwickelte Vorgabe, dass eine Ortsabwesenheit lediglich während der Tagesstunden nicht zur Unzulässigkeit (und damit zur Unwirksamkeit) einer Ersatzzustellung bzw Hinterlegung (und damit nicht zur Annahme einer vorübergehenden Ortsabwesenheit) führt.

Ebenso hat das Zustellgesetz nicht die bisherige Regelung angetastet, wonach auch im Falle der Nichtkenntnis des Empfängers von einer erfolgten Zustellung durch Ersatzzustellung (Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger) bzw Zustellung durch Hinterlegung (Hinterlegung nach alter Rechtslage, Schriftstückbereithaltungsbeginn nach neuer Rechtslage) die Zustellung bewirkt wird.

Während dagegen bis zur Erlassung des Zustellgesetzes eine, wenn auch nur kurzfristige Abwesenheit von der Abgabestelle über eine Dauer von mehr als 24 Stunden eine Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung dauerhaft unzulässig machte, und daher diesfalls nur eine Heilung durch Zukommen i.S.d. §108 ZPO in Frage kam, wurde nunmehr durch die §§16 Abs5 ZustellG und 17 Abs3 ZustellG die Möglichkeit einer weiteren Heilungsmöglichkeit dieses Zustellhindernisses der vorübergehenden Ortsabwesenheit beim maßgeblichen Zustellversuch (bzw ein Zustellwirkungsaufschiebungstatbestand) in den obangeführten Konstellationen[Doch greift dieser Heilungs- bzw Zustellwirkungshinausschiebungstatbestand des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG dann nicht, wenn zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs die konkrete Örtlichkeit nicht (mehr) als eine Abgabestelle i.S.d. §2 Abs1 Z4 ZustellG einzustufen ist (vgl OGH 11.1.1989, 9 ObA 13/89; VwSlg 11.575 A/1984; VwGH 25.11.1994, 94/02/0302; Ritz, Bundesabgabenordnung [20053] 1047; konkludent Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts [201911] 128; Stoll, Bundesabgabenordnung [1994] 1120).] geschaffen.

Diese Neuerung wird zudem im dritten Absatz der Ausführungen zum §17 ZustellG in der Regierungsvorlage zur Stammfassung des Zustellgesetzes ausdrücklich angesprochen.

Diese neue Regelung stellt daher letztlich eine Verschärfung der zustellrechtlichen Vorgaben aus Sicht des Empfängers dar.[Dies wird auch durch die Lehre ausdrücklich betont: vgl etwa Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht (1983) 96ff; Wiederin, Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 222. 375 (381); Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens (19822) 583 (Anm. 8); Hauer/Leukauf; Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Ergänzungsband 2009 (2009) 342; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht (2002) 120]

Wie zuvor ausgeführt wurde aber durch die gegenständliche Wendung 'rechtzeitig vom Zustellversuch Kenntnis erlangen konnte' auch die bislang bestand habende Missbrauchsmöglichkeit, die Wirksamkeit einer Zustellung dadurch zu verhindern, dass der Empfänger bei Kenntniserlangung von einem erfolgten Zustellversuch eines Zustellorgans seine Abgabestelle noch vor der gemäß diesem Zustellversuch zur Kenntnis gebrachten Handlungsvorgabe[Das war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zustellgesetzes bei der Eigenhandzustellung die Anwesenheit während des zweiten Zustellversuchs, bei der Hinterlegung eines RSb-Schreibens die Schriftstückübernahme am ersten Bereithaltungstag und bei der Ersatzzustellung eines RSb-Schreibens die Schriftstückübernahme am der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger nächstfolgenden Tag.] auf mehrere Tage verlässt bzw nicht mehr aufsucht, wodurch eine die Zustellung verhindernde Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung bzw Hinterlegung mutwillig herbeigeführt wird, ausdrücklich ein Riegel vorgeschoben.

Nunmehr ist ein solches Verlassen der Abgabestelle auf mehrere Tage für die Frage der Zustellwirkungen dann unbeachtlich, wenn der zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs ortsanwesende Empfänger nach diesem Zeitpunkt des Zustellversuchs und vor dem Zeitpunkt der durch den maßgeblichen Zustellversuch zur Kenntnis gebrachten Handlungsvorgabe[Das war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zustellgesetzes bei der Eigenhandzustellung die Anwesenheit während des zweiten Zustellversuchs, bei der Hinterlegung eines RSb-Schreibens die Schriftstückübernahme am ersten Bereithaltungstag und bei der Ersatzzustellung eines RSb-Schreibens die Schriftstückübernahme am der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger nächstfolgenden Tag.]die Abgabestelle verlässt, zumal für diesen Fall der Gesetzgeber annimmt, dass der Empfänger 'rechtzeitig vom Zustellversuch Kenntnis erlangen konnte.'

Bei diesem Verständnis des historischen Gesetzgebers bzw bei diesem vom Gesetzgeber selbst angesprochenen begrifflichen Vorverständnis des historischen Gesetzgebers sollte durch die Wendung 'rechtzeitig' nicht der Zeitpunkt des Eintritts einer einen Zustellmangel darstellenden Ortsabwesenheit i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG auf einen nicht näher bestimmten Zeitraum hinausgeschoben werden, sondern vielmehr die Konstellation konkretisiert werden, in welcher eine Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an einen Ersatzempfänger bzw zum Zeitpunkt der Bereithaltung eines Schriftstücks keinen Zustellmangel darstellt, und insofern unbeachtlich ist.

Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts ist aus dem Wortlaut der Heilungstatbestände des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG zudem auch zu folgern, dass mit diesen Bestimmungen auch der bis zur Erlassung des Zustellgesetzes nicht geregelt Fall, wie vorzugehen ist, wenn ein Empfänger zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs tatsächlich (nicht nur während der Tagesstunden) ortsabwesend gewesen ist, jedoch noch vor dem Zeitpunkt der möglichen Setzung der (durch den maßgeblichen Zustellversuch zur Kenntnis gebrachten) Handlungsvorgabe[Das war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zustellgesetzes bei der Eigenhandzustellung die Anwesenheit während des zweiten Zustellversuchs, bei der Hinterlegung eines RSb-Schreibens die Schriftstückübernahme am ersten Bereithaltungstag und bei der Ersatzzustellung eines RSb-Schreibens die Schriftstückübernahme am der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger nächstfolgenden Tag.] an die Abgabestelle zurückkehrt.

Nach der Judikatur zu den §§24f ZustellG und §106f ZPO wurde auch in diesem Fall von der Unzulässigkeit der Zustellung des Schriftsatzes (vom Heilungstatbestand des §108 ZPO abgesehen) angenommen.[Nach der Judikatur wie auch Lehre war selbst dann eine Hinterlegung unwirksam, wenn der Schriftstückadressat zwar zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs (noch) ortsabwesend war, jedoch vor dem zweiten Zustellversuch wieder an die Abgabestelle zurückgekehrt ist (vgl VwGH 22.9.1987, 86/14/0170; 20.3.1991, 90/02/0188, 20.3.1996, 96/03/0006; Walter/Mayer, Zustellrecht [1983] 116; Ritz, Bundesabgabenordnung [20053] 1059; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts [20038] 114).]

Demgegenüber wird nach dem klaren Gesetzeswortlaut des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG auch in dieser Konstellation davon auszugehen sein, dass der Empfänger 'rechtzeitig vom Zustellversuch Kenntnis erlangen konnte.'

Gemäß dieser Sichtweise des historischen Gesetzgebers stellt sich daher nicht die Frage, zu welchem Zeitpunkt - im Falle einer Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des zweiten Zustellversuchs (bei der Eigenhandzustellung), bzw der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger (bei der Ersatzzustellung eines RSb‑Schreibens) bzw bei der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks (bei der Hinterlegung) - das jeweilige Schriftstück wirksam zugestellt worden ist und daher mit welchem Zeitpunkt die Zustellwirkung der jeweils maßgeblichen Zustellhandlung Hinterlegung bzw Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger zu fingieren ist.

Vielmehr muss bei diesem Verständnis stets dann von einer Fingierung der Zustellwirkung mit dem Zeitpunkt des der Rückkunft folgenden Abholtages bzw Kalendertages ausgegangen werden, wenn trotz Ortsabwesenheit des Empfängers zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs die Übergabe des Schriftstücks an einen Ersatzempfänger bzw die Bereithaltung eines Schriftstücks keinen Zustellmangel darstellt. Solch ein Zustellmangel liegt nämlich nunmehr trotz der Abwesenheit zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs dann nicht vor, wenn der Empfänger 'rechtzeitig'[Daher eine Rückkehr vor der durch den Zustellversuch eröffneten Handlungsmöglichkeit (nämlich Anwesenheit während des zweiten Zustellversuchs bei der Ersatzzustellung, Schriftstückübernahme vorn Ersatzempfänger am der Schriftstückübergabe nächstfolgenden Tag bei der RSb-Zustellung, Schriftstückübernahem am ersten Tag der Schriftstückbereithaltung bei der RSb-Zustellung)] wieder an die Abgabestelle zurückkehrt, sodass dieser 'rechtzeitig vom Zustellversuch Kenntnis erlangen konnte.'[Dagegen bildet der zweite Anwendungsfall des Heilungstatbestands (des Zustellwirkungshinausschiebungstatbestands) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG, gemäß welchem eine Abreise nach dem erfolgten maßgeblichen Zustellversuch als unbeachtlich erklärt wird, ohnedies keinen Zustellmangel im Falle der dennoch erfolgten Hinterlegung bzw Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger.]

In allen übrigen Fällen einer Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs findet dagegen der Heilungstatbestand (Zustellwirkungshinausschiebungstatbestand) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG Anwendung, sodass diesfalls (vom Fall einer Nichtrückkehr an die Abgabestelle bis zum vorletzten Tag der Bereithaltungsfrist abgesehen) das Schriftstück mit dem der Rückkunft folgenden Kalendertag (Ersatzzustellung) bzw Abholtag (Hinterlegung) als wirksam zugestellt gilt.

Nach diesem Verständnis des historischen Gesetzgebers zu den Bestimmungen des §16 ZustellG und des §17 ZustellG ist daher der Zeitpunkt des Beginns der Zustellwirkungen einer Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung im Falle der vorübergehenden Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt des jeweils maßgeblichen Zustellvorgangs stets (auch für den jeweiligen Empfänger) im Voraus exakt ermittelbar:

Wenn der Empfänger am Tag des maßgeblichen[…] Zustellversuchs (nicht nur tagsüber) ortsabwesend war (und damit vom Zustellvorgang des Zustellversuchs Kenntnis erlangen konnte) bzw wenn der Empfänger 'rechtzeitig vom Zustellversuch Kenntnis erlangen konnte.' ist die Zustellung mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an einen Ersatzempfänger bzw der Bereithaltung des Schriftstücks bewirkt. Sonst tritt die Zustellwirkung im Falle der Zustellung durch Hinterlegung mit dem der Rückkunft folgenden (innerhalb des am Einlageschein angeführten Bereithaltungszeitraums noch möglichen) Abholtag bzw im Falle der Zustellung durch Ersatzzustellung mit dem der Rückkunft folgenden Kalendertag ein.[Doch treten diese Zustellwirkungen dann nicht ein, wenn die jeweilige Adresse zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs nicht als Abgabestelle i.S.d. §2 Abs1 Z1 ZustellG für den Empfänger zu qualifizieren war.]

 

V) Rückführbarkeit bzw Nichtrückführbarkeit dieser Auslegungsvarianten auf den Gesetzeswortlaut und Relevanz dieser unterschiedlichen Auslegungsvarianten für die Ermittlung des Zustellzeitpunkts:

Zusätzlich zu den im Vorkapitel dargestellten, geradezu gegensätzlichen und

zueinander in einem ausschließenden Widerspruch stehenden Auslegungsergebnissen der angeführten Auslegungsautoritäten kommt, dass all diese Auslegungsvarianten im Falle der Abwesenheit eines Empfängers von der Abgabestelle zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs zu insbesondere zeitlich völlig unterschiedlichen und zum Teil sogar zeitlich sehr weit auseinander liegenden gesetzlichen Zustellzeitpunkten gelangen.

Zudem vermag keine der beiden zuvor dargelegten Auslegungsvarianten, nämlich weder die an die Maßfigur des Vollerwerbstätigen noch die an der verbleibenden Rechtsmittelfrist orientieren Auslegungsvariante die Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' in einer Weise auszulegen, dass diese auf den Wortlaut des Gesetzes oder die Materialien zurückgeführt werden kann:

Aus der in den Kapiteln IV.2.1 und IV.2.2 referierten Darstellung dieser beiden Auslegungsvarianten der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' im §17 Abs3 ZustellG bzw im §16 Abs5 ZustellG ist deutlich zu entnehmen, dass alle diese Auslegungsvarianten es nicht vermocht haben, die Begriffsbestimmung der Worte 'rechtzeitig', 'Kenntnis' und 'Zustellvorgang' 1) aus dem Wortsinn der Begriffe 'rechtzeitig' bzw 'Zustellvorgang' (Wortinterpretation) oder aber 2) aus den Gesetzesmaterialien (historische Interpretation) oder aber 3) aus dem vorgefundenen Begriffsverständnis oder aber 4) aus dem Kontext der Verwendung des Begriffs 'rechtzeitig' bzw des Begriffs 'Zustellvorgang' im Regelungszusammenhang des Zustellgesetzes (systematische Interpretation) mit hinreichender Bestimmtheit bzw Nachvollziehbarkeit abzuleiten.

Letztlich basieren - abgesehen von der drittgenannten, auf das Verständnis des historischen Gesetzgebers gegründeten Auslegungsvariante - alle vertretenen Interpretationslösungen der Worte 'rechtzeitig', 'Kenntnis' und 'Zustellvorgang' auf 1) weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch 2) aus den Materialien oder den stenographischen Protokollen des Nationalrats noch 3) aus dem systematischen Zusammenhang des Gesetzes noch 4) aus dem vorgefundenen Begriffsverständnis ableitbare oder erschließbare, und sohin letztlich willkürliche Zusatzannahmen (nämlich der Beachtlichkeit der an die Abgabestelle Wohnung zurückkehrenden Maßfigur des Vollerwerbstätigen bzw der Beachtlichkeit des verbleibenden Rechtsmittelrests).

 

V.1) auf die übliche Abholpraxis eines vollerwerbstätigen, werktags erst abends von der Arbeit in die Wohnung zurückkehrenden vollerwerbstätigen Empfängers abstellende Auslegungsvariante:

 

V.1.1) Widerspruch zum klaren Gesetzeswortlaut:

Der Oberste Gerichtshof und ein Teil der Senate des Verwaltungsgerichtshofs folgern aus der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' eine nicht im Entferntesten dem Gesetz (weder nach dem Wortlaut noch nach der Systematik) oder den Materialien zu erschließende Vorgabe der Gleichstellung jedes Empfängers eines behördlichen Schriftstücks mit der typischen Lebenssituation eines vollerwerbstätigen beschäftigten und nicht an der Abgabestelle seiner Erwerbsarbeit nachgehenden Erwerbstätigen, welcher noch dazu so spät seinen Arbeitsplatz verlässt, dass dieser erst abends in seine Wohnung zurückkehrt.

Gemäß dem klaren Gesetzeswortlaut ist nun aber eine Zustellung durch Hinterlegung oder eine Ersatzzustellung nicht nur an der Abgabestelle der 'Wohnung' i.S.d. §2 Z4 ZustellG zulässig.

Für die übrigen Abgabestellen i.S.d. §2 Z4 ZustellG ist nun aber das willkürlich gewählte alleinige Auslegungskriterium der Rückkunft an die Abgabestelle 'Wohnung' am Abend eines Werktages durch den zurückkehrenden Vollerwerbstätigen völlig widersinnig.

Dies schon deshalb, weil für die meisten der übrigen Abgabestellen, wie etwa die Abgabestelle der Betriebsstätte, des Geschäftsraums, der Kanzlei und des Arbeitsplatzes, geradezu das Gegenteil von der für maßgeblich erachteten Maßfigur zutrifft. Ein werktags erst abends an die Abgabestelle 'Wohnung' zurückkehrender Vollerwerbstätiger kommt eben nicht erst werktags abends an die Abgabestelle der Betriebsstätte, des Geschäftsraums, der Kanzlei und des Arbeitsplatzes zurück. Ganz im Gegenteil ist der Vollerwerbstätige bei Zugrundelegung der unbewiesen gebliebenen Behauptung der Maßgeblichkeit von Arbeitszeiten werktags zwischen acht und sechzehn Uhr gerade zum Zeitpunkt des Zustellversuchs eines Zustellorgans an der jeweiligen Abgabestelle typischerweise anwesend.

Auf diese Abgabestellen der Betriebsstätte, des Geschäftsraums, der Kanzlei und des Arbeitsplatzes ist sohin die Anwendung des obangeführten Rechtssatzes widersinnig bzw unmöglich, zumal hier der konkrete Zustelladressat an sich selbst als Maßfigur im Hinblick auf eine ganz andere Abgabestelle gemessen wird, sodass bei einer Zustellung an allen anderen Abgabestellen als der 'Wohnung' diese Auslegungsvariante geradezu zu einem widersinnigen Auslegungsergebnis gelangt. Ein werktags während der Tagesstunden Vollerwerbstätiger ist nämlich typischerweise in der Lage, noch am Hinterlegungstag ein ihm bereits an diesem Tag bereitgehaltenes Schriftstück zu beheben, sodass es völlig widersinnig ist, diesfalls davon auszugehen, dass er typischerweise erst am nächsten Abholtag in der Lage sein werde, das Schriftstück abzuholen.

Dies wiederum zeigt, dass die gegenständliche Anwendungsvariante im Ergebnis die Wendung 'vom Zustellvorgang rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte' nur im Hinblick auf die Abgabestelle der 'Wohnung' beachtlich sein kann. Im Hinblick auf alle übrigen Abgabestellen wäre folglich die Wendung des Gesetzgebers 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' nicht anwendbar. Genau das vermag aber dem Gesetz nicht im Entferntesten entnommen zu werden.

Wenn nun aber angenommen wird, dass der Gesetzgeber wirklich nur für die Abgabestelle der 'Wohnung' die Sonderregelung der Maßgeblichkeit der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' normieren wollte, stellt sich die Frage, warum das dann der Gesetzgeber nicht auch so geregelt hat. Schon der Umstand der Unanwendbarkeit dieser Auslegungsvariante auf andere Abgabestellen als die der 'Wohnung' legt daher nahe, dass diese Auslegungsvariante weder auf den Gesetzeswortlaut noch auf den historischen Willen des Gesetzgebers gegründet werden kann.

 

V.1.2) Widerspruch zur Gesetzessystematik:

Dazu kommt, dass nicht nur in den Bestimmungen der §§16 Abs5 ZustellG und 17 Abs3 ZustellG an die mögliche Kenntniserlangung vom 'Zustellvorgang' angeknüpft wird.

Solch eine Anknüpfung fand sich bis zur Zustellgesetznovelle 2008 auch im §21 Abs2 ZustellG.

Unter der maßgeblichen Zustellhandlung, daher unter dem 'Zustellvorgang', im Sinne des die Eigenhandzustellung regelnden §21 Abs2 ZustellG ist (war) nun aber, auch nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur, der erste Zustellversuch zu verstehen, und damit etwas grundlegend anderes als die Vertreter dieser Auslegungsvariante unter einem Zustellvorgang i.S.d. §17 Abs3 ZustellG bzw i.S.d. §16 Abs5 ZustellG verstehen.

Schon der enge systematische Zusammenhang zwischen dem §21 ZustellG und dem §17 ZustellG - werden doch auch RSa-Brief regelmäßig gemäß §17 ZustellG durch Hinterlegung zugestellt - legt es mehr als nahe, dass beiden Bestimmungen derselbe Begriff des 'Zustellvorgangs' zugrunde liegt (lag). Sohin kann auch nicht auf Grundlage einer systematischen Interpretation der Bestimmung des §17 ZustellG das Begriffsverständnis der gegenständlichen Auslegungsvariante auf den Gesetzeswortlaut gegründet werden.

 

V.1.3) Unvereinbarkeit mit dem historischen Willen des Gesetzgebers wie auch mit dem vom Gesetzgeber vorgefundenen Begriffsverständnis:

Weiters ist das an der Maßfigur des Vollerwerbstätigen orientierte Verständnis der gegenständlichen Wendung nicht im Entferntesten auf den Willen des historischen Gesetzgebers wie auch auf das vom Gesetzgeber vorgefundene Begriffsverständnis der Worte 'Kenntniserlangung' und 'Zustellvorgang' in Einklang zu bringen. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird auf die Ausführungen im Kapitel IV.2.3 verwiesen.

 

V.1.4) Unbestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante:

Wie bereits im Kapitel IV.2.2.1.1) dargelegt, würde eine strenge Auslegung des Rechtssatzes dieser Auslegungsvariante zu einer vorhersehbaren Bestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts führen. Wie aber im Kapitel IV.2.2.1.2) sodann aufgezeigt, folgt die Judikatur regelmäßig nicht dieser strengen Auslegung, sodass erst recht wieder von einer mit den Vorgaben des Art18 Abs1 B‑VG im Widerspruch stehenden Unbestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts auszugehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof folgt in den Entscheidungen, in welchen er diese Auslegungsvariante favorisiert – soweit ersichtlich – überhaupt nie dieser im Kapitel IV.2.2.1.1) dargestellten strengen Auslegung dieser Auslegungsvariante, sodass die zu dieser Auslegungsvariante ergangenen Judikate generell nicht mit den Vorgaben des Art18 Abs1 B‑VG in Einklang zu bringen sind.

 

V.1.5) Unbestimmbarkeit des Zustellungstags in dem dem Gesetzesprüfungsantrag zugrunde liegenden Gesetzesprüfungsverfahren bei Zugrundelegung der gegenständlichen Auslegungsvariante:

Unter der Annahme, dass ein fiktiv vollzeitbeschäftigter Erwerbstätiger stets erst am Abend des Tages, an welchem die Hinterlegungsnachricht in die Abgabeeinrichtung seiner Wohnung eingelegt worden ist, an diese Abgabestelle zurückkehrt, und dass dieser an dem der Rückkehr nächstfolgenden Tag, an welchem die Abholung des Schriftstücks möglich ist, dieses Schriftstück abholen wird, wäre gemäß der nach dieser Auslegungsvariante geforderten Gleichstellung des Ortsabwesenden mit diesem fiktiven Vollzeiterwerbstätigen auch noch dann von einer 'rechtzeitigen' Kenntnisnahme auszugehen, wenn der (am Hinterlegungstag) Ortsabwesende spätestens am Tag vor der dem der Einlegung der Hinterlegungsnachricht in die Abgabestelle folgenden Abholtag an die Abgabestelle zurückkehrt.

Mit dieser Auslegungsvariante wird daher die Intention, dass selbst im Falle der Rückkunft an einem Sonntag dann von einer Zustellung am vorgegangenen Freitag auszugehen ist, dann erreicht, wenn an diesem Freitag sowohl erstmals die Hinterlegungsanzeige in die Abgabestelle eingelegt worden ist, und wenn zudem auch bereits am Freitag das Schriftstück erstmals zur Abholung bereit gehalten wurde (wobei am Samstag keine Abholung möglich war), exakt erreicht.

Auf das gegenständlich beim Verwaltungsgericht Wien anhängige Verfahren umgelegt, wäre daher davon auszugehen, dass ein typischer Vollerwerbstätiger, welcher am Donnerstag den 23.5.2019 abends in seine Wohnung zurückgekehrt ist, am darauffolgenden Tag dieses Schreiben abholen würde, und dieser daher am Freitag den 24.5.2019 von diesem Schreiben tatsächlich Kenntnis erlangen würde.

Infolge der Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers auch am 24.5.2019 würde daher bei Zugrundelegung einer strengen Auslegung der gegenständlichen Auslegungsvariante im gegenständlichen Verfahren der Heilungstatbestand des §17 Abs3 ZustellG zur Anwendung gelangen, und wäre daher das gegenständliche Schriftstück erst am Dienstag den 28.5.2019 wirksam zugestellt worden. Diesfalls wäre die Beschwerde als rechtzeitig eingebracht zu qualifizieren.

Doch kann nicht gesagt werden, ob bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante die Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG in dieser strengen Sicht auszulegen ist.

Gegen diese Sichtweise spricht, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur bei ausschließlicher Favorisierung dieser Auslegungsvariante nicht dieser strengen Auslegung dieser Auslegungsvariante folgt, sondern mitunter auch noch von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang ausgeht, wenn der Adressat erst am fünften dem Hinterlegungstag folgenden Tag an die Abgabestelle zurückkehrt; wohingegen aber der Verwaltungsgerichtshof in anderen Entscheidungen exakt das Gegenteil judiziert.[…]

Auch viele Judikate des Obersten Gerichtshofs gehen davon aus, dass ein typischer Erwerbstätiger üblicherweise auch nicht an dem seiner Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, an welchem eine Abholung möglich ist, das Schriftstück abholen würde.[…]

Aus nicht nachvollziehbaren Gründen verneint daher ein großer Teil der höchstgerichtlichen Entscheidungen, welche der am 'durchschnittlichen Vollerwerbstätigen' ausgerichteten Auslegungsvariante folgen, auch noch dann das Vorliegen einer (einen Zustellmangel darstellenden) Ortsabwesenheit, wenn der Empfänger erst am Abend des dem der Hinterlegung folgenden Tag, an welchem das Schriftstück bereits bereitgehalten wurde, an die Abgabestelle zurückkehrt. Selbst die Rückkehr am fünften der Hinterlegung folgenden Abholtag wird mitunter noch als eine rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang qualifiziert. Um ihrem Judikaturpostulat dennoch treu zu bleiben, suggerieren diese Entscheidungen ohne nachvollziehbaren Beleg, dass ein typischer Empfänger, welcher am Hinterlegungstag an seine Abgabestelle zurückgekehrt ist, das hinterlegte Schriftstück eben nicht am der Hinterlegung nächstmöglichen Tag abholen würde, bzw dass das vertretene Ergebnis nicht zu einer 'signifikaten'[Vgl. etwa VwGH 25.6.2015, Ro 2014/07/0107; 22.12.2016, Ra 2016/16/0094] Verschlechterung der Situation des Empfängers zur Situation eines hypothetischen Vollerwerbstätigen führen würde.

Im gegenständlichen Anlassfall ist zu beachten, dass der Samstag der 25.5.2019 der zweite dem Hinterlegungsanzeigeneinlegungstag folgende Tag gewesen ist, an welchen das gegenständliche Schriftstück übernommen werden hätte können.

In Anbetracht des Umstands, dass der Beschwerdeführer tatsächlich erst am Montag den 27.5.2019 abends an die gegenständliche Abgabestelle zurückgekehrt ist, konnte der Beschwerdeführer das Schriftstück daher erstmals am vierten dem Hinterlegungstag folgenden Abholtag vom Postamt abholen.

Bei Zugrundelegung dieser (inkonsequenten) Judikatur wäre völlig unklar, ob bei Zugrundelegung der vom Verwaltungsgerichtshof zur auf die Maßfigur des Vollerwerbstätigen abstellenden Judikate gegenständlich von einer Wirksamkeit der Zustellung bereits am 24.5.2019 oder erst am 28.5.2019 auszugehen ist. Soweit ersichtlich würde etwa die Hälfte zu dieser Auslegungsvariante entwickelten Unterauslegungsvarianten den Wirksamkeitsbeginn mit dem 24.5.2019 präferieren, und dagegen die andere Hälfte der zu dieser Auslegungsvariante entwickelten Unterauslegungsvarianten den 28.5.2019 als Zustellungstag festlegen.

Je nach dem, ob der die gegenständliche Beschwerde prüfende Richter ausreichende Zeitressourcen hat oder nicht, würde daher bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante der eine oder der andere Tag als Zustelltag festgelegt werden. Jedenfalls hätte die für jeden Richter bequeme und daher nicht unwahrscheinlich favorisierte Auslegungsvariante der Annahme einer verspäteten Beschwerdeeinbringung für den Beschwerdeführer die fatale Folge, dass die gegenständliche Beschwerde als verspätet zurückzuweisen wäre.

 

V.2) auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellende Auslegungsvariante:

 

V.2.1) Widerspruch zum klaren Gesetzeswortlaut:

Im Gegensatz zu den Senaten der Höchstgerichte, welche auf das Kriterium des Abholverhaltens des durchschnittlichen Vollerwerbstätigen abstellen, stellen die die bei der Darstellung der zweiten Auslegungsvariante näher angeführten Senate des Verwaltungsgerichtshofs[…] auf das ebenfalls weder 1) auf das Gesetz (weder nach dem Wortlaut noch nach der Systematik), 2) noch auf die Materialien, 3) noch auf das vom Gesetzgeber vorgefundene Begriffsverständnis ab, zumal sich auch keinerlei Rechtsquelle das von dieser Auslegungsvariante favorisierte Kriterium des Ausreichens der verbleibenden Rechtsmittelfrist für die Einbringung eines Rechtsmittels ableiten lässt.

Das Abstellen auf dieses Kriterium erfolgt geradezu ausdrücklich im Widerspruch zum gesetzlichen Wortlaut, welcher ausschließlich auf die Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung vom Zustellvorgang, und daher ausschließlich auf das Sachverhaltsmerkmal 'Zustellvorgang' und nicht auf das Sachverhaltsmerkmal 'verbleibende Rechtsmittelfrist' anknüpft.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die Ausführung in den Kapiteln IV.2.2.2.2), IV.2.3.5.3), V.2), VI.1.2) und VI.2.2) verwiesen.

 

V.2.2) Unbestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts:

Wie im Kapitel IV.2.2.1.2) ausführlich dargelegt, gelangt die ständige und seit Jahrzehnten gefestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die am Rest der verbleibenden Rechtsmittelfrist orientierten Anwendungsvariante zum Schluss, dass stets dann von einer 'rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' auszugehen ist, wenn nach der Rückkehr des Empfängers an die Abgabestelle diesem (bei hypothetischer Annahme, dass dieser niemals ortsabwesend gewesen ist) noch mindestens neun volle Kalendertage verbleiben.

Auch wenn es damit scheint, dass durch diese Auslegungsvariante exakt bestimmbar ist, wann ein einem Ortsabwesenden durch Hinterlegung oder Ersatzzustellung zugestelltes Schreiben wirksam zugestellt worden ist, muss auch hinsichtlich dieser Auslegungsvariante konstatiert werden, dass auch nach dieser der Zustellzeitpunkt vorhersehbar bestimmbar ist.

Zu diesem Ergebnis hat man nämlich deshalb zu gelangen, zumal es zumindest ebenso viele in Entsprechung dieser Auslegungsvariante ergangene Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs gibt, in welchen bereits ein Verbleibender Rechtsmittelfristrechts von mehr als zehn Tagen als eine 'nicht-rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' und damit als ein Anwendungsfall der Heilungsbestimmung (des Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestands) des §16 Abs5 ZustellG bzw des §17 Abs3 ZustellG gewertet wurde.

Wenn man nun aber davon ausgeht, dass bereits viele diese Auslegungsvariante favorisierenden höchstgerichtliche Entscheidungen bei einer Ortsabwesenheit von sieben Tagen, ja mitunter bereits bei einer Ortsabwesenheit von nur vier Tagen[Vgl. VwGH 16.5.1995, 95/08/0075] das Vorliegen eines 'regelmäßigen' Aufenthalts an der Abgabestelle und damit auch die Zulässigkeit einer Zustellung einer Zustellung durch Ersatzzustellung bzw Hinterlegung negieren, bzw dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bereits eine mehrtägige Ortsabwesenheit von der Abgabestelle das Vorliegen eines 'regelmäßigen Aufenthalts an der Abgabestelle' ausschließt,[Vgl. VwGH 29.1.2004, 2003/11/0070] ist auch diese Auslegungsvariante nicht geeignet, einen vorhersehbaren Zeitpunkt der Zustellung eines Schriftstücks zu bestimmen.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die Ausführung in den Kapiteln IV.2.2.1.2) und V.2) verwiesen.

 

V.2.3) Unbestimmbarkeit des Zustellungstags in dam dem Gesetzesprüfungsantrag zugrunde liegenden Gesetzesprüfungsverfahren bei Zugrundelegung der gegenständlichen Auslegungsvariante:

Auf das gegenständlich beim Verwaltungsgericht Wien anhängige Verfahren umgelegt, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Nichtortsabwesenheit den gegenständlich bekämpften Bescheid am 24.5.2019 zugestellt worden wäre. Da er diesen Bescheid aufgrund seiner Rückkunft an die Abgabestelle erst am 27.5.2019 frühestens erst am 28.5.2019 beheben konnte (und auch behoben hat), würde die Annahme der Nichtanwendbarkeit der Heilungsbestimmung (des Zustellwirksamkeitshinausschiebungstatbestands) des §17 Abs3 ZustellG zu einer Verkürzung die Beschwerdeeinbringungsfrist um vier volle Kalendertage auf drei Wochen und drei Tage führen.

Da die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs durchgängig selbst bei einer verbleibenden Rechtsmittelfrist von zehn Tagen als eine 'rechtzeitige Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' einstuft, und soweit ersichtlich es keine Entscheidung eines dieser Auslegungsvariante folgenden Senats des Verwaltungsgerichtshofs gibt, welcher im Falle einer 'bloßen' Verkürzung der Rechtsmittelfrist um 'lediglich' vier Kalendertage von einer 'nicht-rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellvorgang' ausgeht, würde das Verwaltungsgericht Wien bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante zwingend zu einem klaren und eindeutigen Auslegungsergebnis, nämlich der Verspätung des Rechtsmittels, gelangen; nur mit der Besonderheit, dass dieses Auslegungsergebnis genau das Gegenteil zum Auslegungsergebnis der obangeführten strengen Auslegungsvariante der auf die Maßfigur des Vollerwerbstätigen abstellende Auslegungsvariante und zur am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante darstellt.

Nach dieser strengen Auslegungsvariante der auf die Maßfigur des Vollerwerbstätigen abstellende Auslegungsvariante wie auch nach der am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante hätte nämlich der Beschwerdeführer nichtrechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt (i.S.d. §17 Abs3 ZustellG) und wäre daher die wirksame Zustellung des Bescheids erst am 28.5.2019 erfolgt. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wäre daher vom Verwaltungsgericht Wien nicht zurückzuweisen.

 

V.3) auf die Wortbedeutung und das Regelungskonzept des historischen Gesetzgebers abstellende Auslegungsvariante:

 

V.3.1) Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut:

Wieder anders lautet das Ergebnis, wenn man die gegenständliche Wendung 1) im Sinne des Ergebnisses der Wortinterpretation (grammatikalische Auslegung), sowie 2) im Sinne der Auslegung nach dem Begriffszusammenhang (systematische Auslegung), 3) im Sinne des Regelungskonzeptes des historischen Gesetzgebers (historische Interpretation) und im 4) Sinne des vom Gesetzgeber vorgefundenen Begriffsverständnisses, daher entsprechend der drittangeführten, am historischen Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungsvariante des Verwaltungsgerichtshofs auslegen würde.

Diesfalls würde unter dem Begriff 'Zustellvorgang' entsprechend dem Wortsinn dieses Wortes tatsächlich ein konkretes Ereignis während des Zustellverfahrens, nämlich der 'maßgebliche'[…] Zustellversuch des Zustellorgans, und sohin nicht ein hypothetisches Ereignis der frühestmöglichen Kenntniserlangung des Inhalts eines zuzustellenden Schriftstücks verstanden werden.

Auch würde diesfalls das Wort 'rechtzeitig' im Sinne des Wortsinns dieses Wortes und dem grammatikalischen Zusammenhang zwischen dem Wort 'rechtzeitig' und 'Zustellvorgang' als eine zeitliche Relation zu diesem konkreten Ereignis 'Zustellvorgang' verstanden werden.[Dagegen bezieht sich das Wort 'rechtzeitig' bei der auf die Maßfigur des Vollerwerbstätigen abstellenden Auslegungsvariante auf einen im Gesetzeswortlaut nicht ansatzweise angesprochenen hypothetischen Vergleich zwischen dem Zeitpunkt des üblichen Erhalts des zugestellten Schreibens durch einen werktags erst abends an die Abgabestelle zurückkehrenden Vollerwerbstätigen bei zusätzlicher hypothetischer Annahme der Zustellung des konkreten Schreibens an dessen Abgabestelle 'Wohnung'. Nach der auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellenden Auslegungsvariante bezieht sich das Wort 'rechtzeitig' dagegen auf ein ebenfalls im Gesetz nicht ansatzweise angesprochenes und zudem auf ein überhaupt nur partiell bei Zustellungen vorkommendes Ereignis, nämlich auf den Zeitpunkt des Ablaufs einer allfällig durch eine Zustellung ausgelösten Rechtsmittelfrist im hypothetischen Falle der Zustellung an einen ortsanwesenden Schriftsatzadressaten. Rechtzeitigkeit ist diesfalls dann anzunehmen, wenn zwischen dem frühestens Erlangungszeitpunkt des Schriftsatzes durch den konkreten Empfänger und dem hypothetischen Rechtsmittelfristende (bei Annahme der Nichtortsabwesenheit des Empfängers) je nach Einschätzung des entscheidenden Organwalters noch mindestens neun volle Kalendertage oder doch noch mehr Kalendertage verbleiben.]

Zudem würde bei Zugrundelegung dieser, am historischen Willen des Gesetzgebers orientierten Auslegungsvariante die Worte 'rechtzeitig' und 'Zustellvorgang' im Sinne des vom Gesetzgeber vorgefundenen zustellrechtlichen Begriffsverständnisses und zudem auch im Sinne des auch andernorts, nämlich im §21 ZustellG, gebrauchten Begriffsverständnisses ausgelegt werden.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die Ausführung in den Kapiteln IV.2.3) und V.3) verwiesen.

 

V.3.2) Bestimmbarkeit des Zustellungstags in dem, dem Gesetzesprüfungsantrag zugrunde liegenden Gesetzesprüfungsverfahren bei Zugrundelegung der gegenständlichen Auslegungsvariante:

Bei Zugrundelegung dieser, am historischen Willen und den Gesetzeswortlaut orientierten Auslegungsvariante wäre zu konstatieren, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem ersten Zustellversuch ortsabwesend gewesen war, und auch erst nach der erfolgten erstmaligen Bereithaltung des gegenständlichen Schriftstücks zur Abholung an die Abgabestelle wieder zurückgekehrt ist.

Demnach ist nach dieser Auslegungsvariante davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig vom gegenständlichen Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Es würde daher (in Übereinstimmung mit dem Auslegungsergebnis der ersten Auslegungsvariante) das gegenständliche Schriftstück erst mit dem der Rückkehr folgenden Werktag, daher mit dem 28.4.2019, wirksam geworden sein, sodass die gegenständliche Beschwerde nicht zurückzuweisen wäre.

 

VI) Darlegung der Bedenken:

 

VI.1) Verstoß gegen die Vorgaben des Art18 Abs1 B‑VG i.V.m. Art83 Abs2 B‑VG:

Das Verwaltungsgericht Wien hegt Bedenken, dass die angefochtene Wendung des §17 Abs3 ZustellG gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B‑VG verstößt, weil durch diese Wendung es für den Normunterworfenen nicht (vorhersehbar) bestimmbar ist, wann im Sinne dieser Bestimmung eine Zustellung als wirksam erfolgt einzustufen ist, wenn der Empfänger eines Schreibens zum Zeitpunkt des Zustellversuchs (nicht bloß tagsüber) von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen ist.

Ebenso versetzt die angefochtene Wendung weder die Behörden, noch die Gerichte, noch sonstige Rechtsanwender, noch sonstige Verfahrensparteien in die Lage festzustellen, an welchem konkreten Tag ein bestimmtes behördliches oder gerichtliches Schriftstück wirksam zugestellt worden ist, wenn der Empfänger eines Schreibens zum Zeitpunkt des Zustellversuchs (nicht bloß tagsüber) von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen ist.

Weiters verunmöglicht die angefochtene Wendung, dass eine Person, welche aufgrund einer Zustellung eines Schreibens Rechte erlangt, Kenntnis erlangen kann, ab welchem konkreten Tag diese Person diese Rechtsstellung erlangt hat, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Zustellversuchs dieses die Rechtsstellung bewirkenden Schreibens (nicht bloß tagsüber) von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen ist.

Außerdem verunmöglicht die angefochtene Wendung, dass eine Person, welche aufgrund einer Zustellung eines Schreibens Rechte erlangt, Kenntnis erlangen kann, ab welchem konkreten Tag diese Person diese Rechtsstellung verloren hat, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Zustellversuchs dieses den Rechtsverlust bewirkenden Schreibens (nicht bloß tagsüber) von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen ist.

Zudem verunmöglicht die angefochtene Wendung, dass eine Person, welche aufgrund einer Zustellung eines Schreibens zu einem Verhalten verpflichtet wird, Kenntnis erlangen kann, ab welchem konkreten Tag diese Person zu diesem Verhalten verpflichtet ist, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Zustellversuchs dieses eine Handlungspflicht auslösende Schreiben (nicht bloß tagsüber) von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen ist.

Letztlich kann die angefochtene Wendung auch bewirken, dass nicht feststellbar ist, ob auf einem bestimmten Vollzugsakt die Rechtslage vor oder nach dem Inkrafttreten einer Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung anzuwenden ist.

All diese Unklarheiten treffen zudem aber auch alle sonstigen vom jeweiligen Schreiben tangierten Personen, insbesondere alle dieses Schreiben vollziehenden Vollzugsorgane.

 

VI.1.1) verfassungsgerichtliche Judikatur zu den durch Art18 Abs1 B‑VG und Art83 Abs2 B‑VG normierten Vorgaben zur Bestimmtheit und Konkretisierung von Gesetzesnormen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgt aus Art18 Abs1 B‑VG, dass die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf.[So etwa VfSlg 3994/1961; 5698/1968, 5924/1969, 6675/1972, 8349/1978; 13.021/1992]

Das in Art18 Abs1 B‑VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde oder des Gerichts vorherbestimmt ist.[Vgl. VfSlg 20.235/2018]

In ständiger Rechtsprechung betont daher der Verfassungsgerichtshof, dass bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen.[Vgl. VfSlg 8395/1978 und die dort genannten Beispiele aus der Vorjudikatur] Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelung sein können, ganz allgemein davon auszugehen ist, dass Art18 B‑VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt.[Vgl. VfSlg 13.785/1994, 16.993/2003, 18.895/2009]

Eine besonders genaue gesetzliche Determinierung einer Gesetzesregelung i.S.d. Art18 Abs1 B‑VG ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in jenen Bereichen geboten, in denen eine exakte Vorherbestimmung möglich ist und in denen das Rechtsschutzbedürfnis (wie etwa im Strafrecht, Sozialversicherungsrecht oder im Steuerrecht) eine solche erfordert.[Vgl. VfSlg 13.785/1994 mwN; 19.448/2011]

Eine strenge inhaltliche Determinierung im Hinblick auf die Bestimmungserfordernisse des Art18 Abs1 B‑VG fordert der Verfassungsgerichtshof insbesondere für gesetzliche Regelungen, welche eine Beitragspflicht auslösen. Bei solchen Bestimmungen ist es im Hinblick auf Art18 B‑VG erforderlich, dass aus den einschlägigen (...) Vorschriften unmittelbar zu entnehmen ist, ab welchem Zeitpunkt eine Beitragspflicht anzunehmen ist.'[Vgl. VfSlg 19.448/2011]

Die Frage, wann das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes in rechtliche Existenz tritt, also als 'erlassen' gilt, ist von maßgeblicher Bedeutung sowohl für die Rechtssicherheit als auch für zentrale Fragen des Rechtsschutzes, insbesondere die Frage der Zuständigkeit einer Behörde oder eines Gerichts zur Behandlung eines Antrags, sodass für diese Fragen regelnde Gesetzesbestimmungen die Vorgaben des Art18 Abs1 B‑VG an die Bestimmtheit von Gesetzesbestimmungen streng auszulegen sind.[Vgl. VfSlg 19.965/2015]

Auch in seinem Erkenntnis VfSlg 19.849/2014 betonte der Verfassungsgerichtshof, dass an zustellrechtliche Vorschriften ['jedenfalls bei fristgebundenen Anbringen von Beteiligten (zB Rechtmittelfristen)'] ein strenger Konkretierungsmaßstab i.S.d. Art18 Abs1 B‑VG zur Anwendung zu gelangen hat.

Gemäß Art83 Abs2 B‑VG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Diese Verfassungsnorm bindet nicht nur die Vollziehung, sondern auch die Gesetzgebung. Das bedeutet, dass die sachliche Zuständigkeit einer Behörde im Gesetz selbst festgelegt sein muss. Art18 Abs1 i.V.m. Art83 Abs2 B‑VG verpflichtet den Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gerade in Bezug auf die Behördenzuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung.[Vgl. zB VfSlg 9937/1984, 10.311/1984, 13.029/1992, 13.816/1994, 16.794/2003, 17.086/2003, 18.639/2008; 19.677/2012] Zur Ermittlung des Inhalts des Gesetzes sind aber alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Das Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 i.V.m. Art83 Abs2 B‑VG verpflichtet sohin den Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes[Vgl. zB VfSlg 9937/1984, 10.311/1984, 13.029/1992, 13.816/1994, 16.794/2003, 17.086/2003, 18.639/2008] gerade in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung. Eine Zuständigkeitsfestlegung muss klar und unmissverständlich sein.[Vgl. etwa die Regelungen über die Erlassung gerichtlicher Urteile in §416 ZPO] Das gilt auch für eine vergleichbar zentrale Frage der Verwaltungsgerichtsbarkeit einschließlich der Voraussetzungen für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes. Diesem Anspruch wird eine gesetzliche Bestimmung, durch welche sich nicht mit der nötigen Klarheit ermitteln lässt, wann ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes als erlassen gilt, nicht gerecht. Für solche gesetzliche Regelungen gelten die strengen, aus dem Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 i.V.m. Art83 Abs2 B‑VG erfließenden Anforderungen, die an die Klarheit und Verständlichkeit solcher Regelungen anzulegen sind. Darunter zählen insbesondere Zuständigkeitsfestlegungen oder Regelungen, welche vergleichbar zentrale Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Inhalt haben.[Vgl. VfSlg 19.965/2015]

Zudem ist auf das vom Verfassungsgerichtshof entwickelte Gebot eines effektiven Rechtsschutzes zu verweisen, mit welchem wohl nur schwer vereinbar ist, dass ein Empfänger eines Schriftstücks nicht in die Lage versetzt ist, mit hinreichender Sicherheit vorausbestimmen zu können, wann die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels zu laufen beginnt.

Aufgrund der Unbestimmbarkeit der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen', hängt das Ergebnis des Zeitpunkts der Wirksamkeit einer Zustellung vom reinen Zufall bzw von der Willkür des für die Erledigung zuständigen Organwalters der Behörde bzw des Gerichts ab, was wohl auch einen Fall der faktischen Verwehrung eines gesetzlich vorgesehenen Gerichtszugangs darstellt.[Vgl. zur Unzulässigkeit der Verwehrung des gesetzlich vorgesehenen Gerichtszugangs etwa VfSlg 5484/1967; 9314/1982; 15.661/1999; 16.641/2012; VfGH 26.9.2019, G117/2019]

Ebenso wird aus dem rechtsstaatlichen Prinzip abgeleitet, dass Rechtswirkungen eines hoheitlichen Akts nur dann greifen sollen, wenn die aus der Rechtsnorm resultierenden Berechtigungen und Verpflichtungen dem betreffenden Normadressaten hinreichend konkretisiert und bestimmt bekanntgeben werden.[Vgl. Achatz, Das neue Zustellrecht, NZ 1983, 113 (113ff); Schedlberger, Probleme der rechtswirksamen Zustellung von Strafurteilen, AnwBI 1992, 281 (281)] Dieses Gebot der ausreichenden Konkretisierung und Bestimmtheit bezieht sich wohl auch auf die Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeginns der jeweils durch den Vollzugsakt ausgelösten Rechtswirkungen.

 

VI.1.2) Darlegung der Bedenken:

 

VI.1.2.1) Ausmaß der Unbestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts nach der geltenden Rechtslage und damit bewirkte zwingende Willkürlichkeit der Gesetzesvollziehung:

Wie zuvor ausgeführt, ist je nach Auslegungsvariante ein Zeitraum von bis zu achtzehn Tagen offen, innerhalb dessen im Falle der Ortsabwesenheit des Schriftsatzadressaten zum Zeitpunkt des Zustellversuchs willkürlich festgestellt werden kann, dass das Schriftstück entweder mit dem ersten Abholtag bzw dem Schriftstückübergabetag an den Ersatzempfänger oder aber mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle nächstfolgenden Kalendertag bzw Abholtag als wirksam zugestellt gilt.

Dazu kommt, dass die Rechtsordnung nicht einmal einen Rechtsbehelf zur Verfügung stellt, welcher dem Schriftsatzadressaten oder sonst einer Person oder einem Vollzugsorgan die Möglichkeit einräumt, dass im je konkreten Fall (wenngleich stets erst ex post) der Beginn der Wirksamkeit des jeweiligen Schreibens bestimmt wird.

Es entspricht zudem nach der geltenden Rechtslage dem Regelfall einer Schriftsatzzustellung, dass der Schriftsatzempfänger gar keine Möglichkeit hat zu erfahren, wann ein während seiner Ortsabwesenheit hinterlegter oder einem Ersatzempfänger übergebener Schriftsatz wirksam geworden ist. Faktisch ausgeschlossen ist eine solche Kenntniserlangung jedenfalls im Falle der Zustellung eines Schreibens, welches Rechtswirkungen auslöst, welche nicht durch die Erhebung eines Rechtsmittels aufgeschoben oder aber ausgelöscht werden können. Zu denken ist etwa an die Zuerkennung einer beantragten Leistung, wenn der Beginn des Leistungsanspruchs nicht bereits im Spruch des Schreibens exakt bestimmt ist. Nichts anders gilt im Falle der Erteilung einer Bewilligung oder der Schaffung einer den Adressaten nicht beschwerenden Rechtslage (etwa Zustellung eines Promotionsbescheids oder Zuerkennung der Staatsbürgerschaft) oder die Zustellung einer letztinstanzlichen Entscheidung.

Doch selbst wenn durch das zugestellte Schreiben Rechtswirkungen auslöst werden, welche nicht durch die Erhebung eines Rechtsmittels aufgeschoben oder aber ausgelöscht werden können, wird im Regelfall im Rechtsmittelverfahren nicht exakt in rechtskraftfähiger Weise ausgesprochen, wann der jeweilig bekämpfte Schriftsatz wirksam geworden ist. Wenn überhaupt, so findet solch einen Ausspruch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung statt, womit aber auch schon das Problem aufgezeigt ist:

Ein Rechtsnormadressat ist bei Zugrundelegung der Widersprüchlichkeit und Unbestimmtheit der Auslegungsergebnisse der gegenständlichen Wendung nicht in der Lage zu erkennen, wann das zugestellte Schreiben wirksam zugestellt worden ist und daher wann die jeweilige Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt. Es liegt daher am zufälligen - einem Lotteriespiel nahekommenden - Umstand, welche Auslegungsvariante und zudem welchen willkürlichen Auslegungsspielraum der jeweiligen Auslegungsvariante der jeweilige über das Rechtsmittel befindende Organwalter favorisiert.

Letztlich liegt es in der absoluten Willkür des Organwalters der Behörde bzw des Gerichts, je nach favorisierter Auslegungsvariante und der dieser Auslegungsvariante ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur innerhalb eines Zeitraums von achtzehn Tagen jedes beliebige Auslegungsergebnis zu vertreten.

Wenn man sich zudem vor Augen hält, dass viele Organwalter dazu angehalten sind, möglichst viele Erledigungen pro Tag vorzunehmen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein Organwalter einer Verwaltungsbehörde bzw eines Gerichts im Zweifelsfall die Auslegungsvariante favorisieren wird, welche eine Verspätung des Rechtsmittels vertretbar erscheinen lässt. Schon aus diesem Grund ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass seit dem 1.1.2014 (infolge der mit diesem Tag erfolgten Normierung einer grundsätzlichen vierwöchigen Rechtsmittelfrist gegen Bescheide) binnen eines Einbringungszeitraums von achtzehn Tagen ein gegen einen Bescheid erhobenes Rechtsmittel als verspätet eingestuft wird.

Doch kann der jeweilige Rechtsmittelwerber auch das Glück haben, dass der jeweilige Organwalter des Gerichts bzw der Behörde im konkreten Fall (ebenfalls mit Berufung auf höchstgerichtliche Judikatur) sich erbarmt, und (unter fast selbstloser Aufsichladung der Durchführung eines ordentlichen Verfahrens) dennoch von der Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleinbringung ausgeht.

Der Umstand, dass die gegenständliche Wendung 'vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' derart unbestimmt ist, dass in ständiger höchstgerichtlicher Judikatur drei miteinander völlig unvereinbare Auslegungsvarianten und diverse nochmals miteinander unvereinbare Auslegungsuntervarianten judiziert werden,

wobei zudem noch bei zweien der Auslegungsvarianten (und deren Untervarianten) nicht ansatzweise ermittelbar ist, wann nach dieser Auslegungsvariante von der Wirksamkeit eines hoheitlichen Schreibens auszugehen ist, lässt die Bestimmung des Beginns der Wirksamkeit eines hoheitlichen Schriftsatzes zu einem Lotteriespiel werden.

Diese mangelnde Ermittelbarkeit des konkreten Zustellzeitpunkts ist auch eine Folge des Umstands, dass es bislang keinem der die ersten beiden Auslegungsvarianten vertretenden Höchstgerichte gelungen ist, ausreichend bestimmte Kriterien zur Ermittlung des konkreten Zustellzeitpunkts bei Zugrundelegung der Konzeption der jeweiligen Auslegungsvariante zu entwickeln.

Wie auch immer dieser Organwalter entscheidet; diese Entscheidung ist zum Zeitpunkt der Erlangung des jeweiligen Schriftstücks durch den Rechtsmitteladressaten niemals vorhersehbar.

 

VI.1.2.2) Verstoß gegen das Gebot der vorhersehbaren exakten Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeninns von Vollzugsakten insbesondere aufgrund der rechtsstaatlichen Vorgaben zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes:

 

VI.1.2.2.1) verfassungsgerichtliche Judikatur:

Bei Zugrundelegung der im Kapitel VI.1.1) dargestellten verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Bestimmtheitserfordernis des Art18 Abs1 B‑VG ist davon auszugehen, dass Art18 Abs1 B‑VG insbesondere dann fordert, dass durch das Gesetz der Zeitpunkt des Beginns der Wirksamkeit einer Zustellung exakt bestimmt sein muss, wenn der Adressat des zustellten Schreibens oder sonst eine Person ein Rechtsschutzbedürfnis auf eine solche exakte Bestimmbarkeit hat.

Nach dieser verfassungsgerichtlichen Judikatur ist davon auszugehen, dass ein solches Rechtschutzbedürfnis stets 1) bei der Auslösung von Fristen durch einen zugestellten Schriftsatz oder 2) bei der Bewirkung einer Rechtspflicht durch diesen Schriftsatz oder 3) bei der Zuerkennung eines Rechts durch diesen Schriftsatz oder 4) im Falle der Maßgeblichkeit dieses Zustelldatums im Hinblick auf die Zuständigkeit eines Vollzugsorgans anzunehmen ist.[Vgl. explizit VfSlg 13.785/1994, 19.448/2011, 19.849/2014; 19.965/2015 sowie implizit VfSlg 20.235/2018; Vgl. zum Gebot der exakten Ermittelbarkeit einer Behördenzuständigkeit VfSlg 9937/1984, 10.311/1984, 13.029/1992, 13.816/1994, 16.794/2003, 17.086/2003, 18.639/2008; 19.677/2012; Rechberger problematisiert, dass diese Bestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts bei Zugrundelegung der ersten beiden dargestellten Auslegungsvarianten nun aber nicht möglich ist, bzw führen diese Auslegungsvarianten im Hinblick von, keine Handlungsfrist auslösenden Schriftsätzen zu keinem Bestimmungsergebnis (vgl Rechberger, Zustellung durch Hinterlegung, Glosse zu 3 Ob 22/78, MR 1988, 26).]

Insofern ist wohl auch davon auszugehen, dass die mangelnde gesetzliche Konkretisierung der exakten Ermittelbarkeit des Wirksamkeitsbeginns eines zugestellten hoheitlichen Schreibens auch einen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebote eines effektiven Rechtsschutzes darstellt.[Mit dem vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Gebot eines effektiven Rechtsschutzes erscheint es nicht vereinbar, dass ein Empfänger eines Schriftstücks nicht in die Lage versetzt ist, mit hinreichender Sicherheit vorausbestimmen zu können, wann die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels zu laufen beginnt. Die vom reinen Zufall der vom Organwalter der der jeweiligen Rechtsmittelinstanz favorisierten Auslegungsvariante der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen' abhängende unterschiedliche Bestimmung des Beginns der Rechtsmittelfrist im Rechtsmittelverfahren stellt wohl auch einen Fall der faktischen Verwehrung eines gesetzlich vorgesehenen Gerichtszugangs dar (vgl zur Unzulässigkeit der Verwehrung des gesetzlich vorgesehenen Gerichtszugangs etwa VfSlg 5484/1967; 9314/1982; 15.661/1999; 16.641/2012; VfGH 26.9.2019, G117/2019).]

 

VI.1.2.2.2) Relevanz dieser Judikatur für den Anlassfall:

All diese, eine exakte Bestimmbarkeit des Zeitpunkts der Wirksamkeit eines zugestellten Schreibens gebietenden Konstellationen sind im gegenständlichen Fall bzw sind im Hinblick auf die Unbestimmbarkeit des Zeitpunkts des Wirksamkeitsbeginns einer Zustellung im Falle der (nicht nur während der Tagesstunden währenden) Ortsabwesenheit des Schriftsatzadressaten zum Zeitpunkt des Zustellversuchs des Zustellorgans gegeben:

1) Mit der Zustellung des gegenständlich bekämpften Bescheids wurde der Lauf einer gesetzlichen Rechtsmittelfrist ausgelöst. Wie gegenständlich dargelegt, kann je nach Favorisierung einer der zahlreichen divergenten höchstgerichtlichen Auslegungsvarianten und Auslegungssubvarianten zur gegenständlich angefochtenen Wendung von der rechtzeitigen oder der verspäteten Einbringung der dem Anlassverfahren zugrundeliegenden Beschwerde ausgegangen werden.

2) Durch den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die unverzügliche Zahlung eines Geldbetrags vorgeschrieben und damit die Vollstreckbarkeit dieses Geldbetrags im gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungswege eröffnet. Es liegt daher auch die in der verfassungsgerichtlichen Judikatur als exemplarisch für ein strenges Konkretisierungserfordernis i.S.d. Art18 Abs1 B‑VG angesprochene Konstellation der Bewirkung einer Rechtspflicht durch den verfahrensgegenständlichen Schriftsatz vor.

3) Ebenso ist durch die Ungewissheit des Zeitpunkts der Zustellung des gegenständlich bekämpften Bescheids völlig ungewiss, ob ein Vollzugsorgan (gegenständlich das Verwaltungsgericht Wien) zur meritorischen Behandlung dieser Beschwerde befugt ist. Die gegenständliche Unbestimmbarkeit der angefochtenen Wendung führt sohin auch zur Unfeststellbarkeit des Vorliegens einer gesetzlich vorgesehenen Vollzugsorganzuständigkeit.

 

VI.1.2.2.3) Gebotenheit der vorhersehbaren exakten Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeginns von Vollzugsakten aufgrund der Relevanz des Zustellzeitpunkts für die Rechtsstaatlichkeit:

Dieses aus Art18 Abs1 B‑VG erschlossene Gebot der vorhersehbaren exakten Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeginns von Vollzugsakten scheint durchaus einleuchtend, zumal alle gesetzlichen Instrumente zur Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit zur Makulatur werden, wenn nicht im Voraus bestimmbar ist, ob diese Instrumente zur Anwendung gebracht werden können.

Zu diesen gesetzlichen Instrumenten zur Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit zählen nun aber nicht nur die gesetzlich eingeräumten Rechtsmittelbefugnisse (insbesondere die Frage des Zeitpunkts des Endes der Wahrnehmung eines Rechtsmitteleinbringungsrechts), sondern auch alle anderen gesetzlichen Vorgaben zur Gewährleistung rechtsstaatlicher Verhältnisse.

Zu nennen seien etwa:

-die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf den Eintritt einer Verjährung im Strafrecht (Strafbarkeitsverjährung, Vollstreckungsverjährung),

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung eines abgaben- oder gebührenrechtlichen Anspruchs,

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf die Frage, ob die vor oder nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes oder einer Verordnung maßgebliche Rechtslage anzuwenden ist,

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf die Änderung der Behördenzuständigkeit i.S.d. Art83 Abs2 B‑VG durch das Materiengesetz,

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf die erfolgte Bestellung eines Erwachsenenvertreters einer Verfahrenspartei,

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Rechtspflichten auslösenden Bescheids im Hinblick auf den Zeitpunkt des Beginns der verordnete Handlungs- oder Unterlassungspflicht,

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf die mit der Erlassung eines Bescheids bewirkten Zuerkennung eines Rechts;

- die Maßgeblichkeit des Erlassungszeitpunkts eines Bescheids im Hinblick auf die mit der Erlassung eines Bescheids bewirkten Aberkennung eines Rechts

So widerspricht es etwa den rechtsstaatlichen Vorgaben an gesetzliche Verjährungsbestimmungen im Strafrecht, wenn es der Willkür der Vollzugsorgane anheim gestellt ist, vom Vorliegen eines Verjährungstatbestands auszugehen oder nicht. Genau dieses Gebot der Unterbindung behördlicher Willkür ist nun aber verletzt, wenn die gegenständlich angefochtene Wendung in der Bandbreite der diversen ständigen höchstgerichtlichen Auslegungsvarianten des §17 Abs3 ZustellG ausgelegt wird, zumal es auf diese Weise im Hinblick auf den Zeitraum von bis zu achtzehn Kalendertagen im Belieben des jeweils die Verjährungsbestimmung beachten müssenden Vollzugsorgans steht, vom Vorliegen des Verjährungstatbestands auszugehen oder nicht.[Von welch eminenter Bedeutung es ist, dass exakt der Tag der Erlassung eines Strafbescheids festgestellt werden kann, lässt sich etwa in den Fällen ersehen, in denen die Strafbehörde bzw die Rechtsmittelinstanz zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Beschuldigte rechtzeitig vom Zustellvorgang im Hinblick auf die Zustellung des Strafbescheids Kenntnis erlangen konnte. Dieser Umstand hat nämlich u.U. zur Folge, dass der von der Strafbehörde erlassene Strafbescheid bzw die bestätigende Entscheidung der Rechtsmittelinstanz wegen eingetretener Strafbarkeitsverjährung zu Unrecht ergangen ist, und stattdessen von der Unzulässigkeit der Bestrafung des Beschuldigten auszugehen ist (vgl zur Strafbarkeitsverjährung etwa VwGH 5.11.1987, 86/02/0171; 30.6.2004, 2001/09/0234; 16.9.2010, 2010/09/0082). Nach der derzeitigen Vollzugspraxis und Judikatur verfügt nun aber die Behörde bzw das Gericht im Hinblick auf einen Zeitraum bis zu achtzehn Tagen über eine gerade willkürliche Befugnis, vom Nichtvorliegen der Verjährung auszugehen. Ebenso kann für die Frage, ob Vollstreckungsverjährung eingetreten ist, der exakte Tag der Zustellung eines Bescheids von entscheidender Bedeutung sein (vgl etwa VwGH 2.8.1996, 95/02/0508).]

Auch ist gerade im Hinblick darauf, dass die Verjährung eines Abgaben- oder Gebührenanspruchs[Vgl. etwa die Relevanz des Bescheiderlassungszeitpunkts im Hinblick auf Gebühren-bzw Abgabenverjährungstatbestände (vgl etwa zu §154 WAO VwGH 10.9.1998, 96/15/0257; zu §184 WAG VwGH 13.11.1992, 91/17/0047; zu §207 BAO VwGH 12.11.1997, 97/16/0217; zu §68 Abs2 ASVG VwGH 30.5.1995, 93/08/0201; 30.9.1997, 95/08/0263; zu §25 StudFG VwGH 11.5.1994, 90/12/0188; zu §8 GEG VwGH 13.10.1988, 88/17/0135] unterbrechende behördliche Mahnungen etc. regelmäßig erst knapp vor dem Ablauf der jeweiligen Verjährungsfrist gesetzt werden, oft von entscheidender Relevanz, ob dieser die Verjährung unterbrechende behördliche Akt zum Zeitpunkt der erstmaligen Bereithaltung oder aber mit dem der Rückkunft nächstfolgenden Abholtag wirksam (und damit erlassen) worden ist.

Ebenso widerspricht es den rechtsstaatlichen Vorgaben an die mit dem gesetzlichen Inkrafttreten von Gesetzes verknüpften Rechtswirkungen, wenn es im Belieben eines Vollzugsorgans steht, im Ausmaß von bis zu 18 Kalendertagen willkürlich bestimmen zu können, ob eine an einen hoheitlichen Vollzugsakt anknüpfende Gesetzesbestimmung anzuwenden ist, zumal es im Belieben des Vollzugsorgans steht festzustellen, ob dieser maßgebliche hoheitliche Vollzugsakt vor oder nach dem Inkrafttreten dieser gesetzlichen Bestimmung erlassen worden ist. Zu denken sei etwa auch an den Fall der gesetzlichen Änderung der Vollzugszuständigkeit mit einem konkreten Stichtag.

Nichts anders ist für die schon gemäß den Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips gebotene Bestimmbarkeit des Beginns einer zu beachtenden gesetzlichen Verpflichtung bzw des Beginns einer vollstreckbaren Rechtspflicht zu folgern. Wenn daher durch einen individuellen Vollzugsakt einem Rechtsnormunterworfenen eine bestimmte Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung auferlegt wird (wie etwa im Falle der Erlassung eines behördlichen Betretungsverbots oder eines gerichtlichen Duldungsgebots oder einer gerichtlich verfügten Unterlassungspflicht oder einer einstweiligen Verfügung), ist es zwingend geboten, dass alle mit der Vollziehung dieser erlassenen Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung unmittelbar oder mittelbar betrauten Vollzugsorgane wie auch der durch diesen Vollzugsakt Verpflichtete bzw Berechtigte übereinstimmend und einheitlich erkennen können, ab welchem Tag diese erlassene Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung wirksam geworden ist. Wie Rechberger zutreffend problematisiert, ist diese Bestimmbarkeit des Zustellzeitpunkts bei Zugrundelegung der ersten beiden dargestellten Auslegungsvarianten nun aber nicht möglich, bzw führen diese Auslegungsvarianten im Hinblick von keine Handlungsfrist auslösenden Schriftsätzen zu keinem Bestimmungsergebnis.[Vgl. Rechberger, Zustellung durch Hinterlegung, Glosse zu 3 Ob 22/87, MR 1988, 26]

Dieses Gebot der exakten und schon im Voraus für jedermann möglichen Erkennbarkeit des Zeitpunkts des Beginns der Wirksamkeit einer durch einen Vollzugsakt vorgeschriebenen Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung wird umso gebotener, wenn an die Nichtbefolgung dieser durch einen Vollzugsakt vorgeschriebenen Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung 1) eine Verwirklichung eines gesetzlichen Straftatbestands oder 2) eine Schadenersatzleistungsverpflichtung oder 3) ein sonstiger Eingriff in subjektive Rechte verknüpft ist.

Zudem gebieten auch die vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen die exakte und für jedermann und jedes Vollzugsorgan exakt und übereinstimmend mögliche Bestimmbarkeit des Beginns der Vollstreckbarkeit einer durch einen Vollzugsakt vorgeschriebenen Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Vollstreckungsbehörden bzw Exekutionsgerichte regelmäßig nicht die den vollstreckbaren Titel erlassenden Behörden bzw Gerichte sind, und dass diese zudem nicht befugt sind, den Zeitpunkt der Erlassung dieses Behörden- oder Gerichtsakts in einem alle (übrigen) Vollzugsorgane bindenden Verfahren zu bestimmen.

Analoges gilt natürlich auch für den Fall, dass durch einen Vollzugsakt jemandem ein Rechtsanspruch (etwa ein öffentlicher Geldleistungsanspruch) eingeräumt wird oder aber mit der Erlassung eines Vollzugsakts ein bislang bestanden habendender Rechtsanspruch untergeht.[Von welch zentraler Bedeutung es etwa im Falle der Erlassung eines Vollzugsakts ist, mit dessen Erlassung der Verlust eines bislang bestanden habenden Rechtsanspruchs verknüpft ist, wird durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21.9.2010, 2010/11/0042, exemplarisch deutlich. Diesem Erkenntnis lag ein bestätigender Berufungsbescheid zugrunde, welchem die von der Rechtsmittelinstanz bestätigte erstinstanzliche Abweisung eines Zivildienstleistungsantrags zugrunde lag. Diese Abweisung wurde damit begründet, dass der Zivildienstantrag ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Einberufungsbefehls nicht mehr gestellt werden darf, und gegenständlich der Zivildienstantrag erst nach der Zustellung des Einberufungsbefehls gestellt worden ist. Strittig war im gegenständlichen Fall, ob der Antragsteller rechtzeitig vom Zustellvorgang im Hinblick auf den Einberufungsbefehl Kenntnis erlangen konnte, daher ob der Heilungstatbestand des §17 Abs3 ZustellG zur Anwendung gelangte oder nicht. Dies wurde von der Erstbehörde wie auch von der Berufungsbehörde gleichermaßen verneint. Dagegen gelangte der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss, dass der Antragsteller nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt hatte, was die Aufhebung des Berufungsbescheids zur Folge hatte. Es muss wohl nicht darauf hingewiesen werden, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Zugrundelegung einer anderen Auslegungsvariante bzw Auslegungsuntervariante zum §17 Abs3 ZustellG zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen wäre; das Ergebnis des Verwaltungsgerichtshofs daher ein rein Zufälliges ist. Nach der derzeitigen Vollzugspraxis und Judikatur verfügt die Behörde bzw das Gericht im Hinblick auf einen Zeitraum bis zu achtzehn Tagen über eine geradezu willkürliche Befugnis, vom Eintritt eines durch eine Bescheidzustellung erfolgten Rechtsverlusts auszugehen oder nicht.] Auch hier gebietet es die Rechtsordnung, dass für jedermann insbesondere für jedes Vollzugsorgan (wie etwa für jedes Vollstreckungsorgan) exakt bestimmbar sein muss, ab welchem Zeitpunkt jemandem dieser Rechtsanspruch zukommt.

Wie sehr es in einem Rechtsstaat gefordert ist, dass für alle Vollzugsorgane und alle Verfahrensparteien im Voraus übereinstimmend exakt festgestellt werden kann, wann ein Vollzugsakt erlassen worden ist, wird auch im Falle der Zu- oder Aberkennung einer bestimmten Rechtsposition durch einen Vollzugsakt, wie etwa die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft oder eines Asylrechts oder eines Aufenthaltsrechts oder eines akademischen Titels oder einer Berufsausübungsbefugnis oder die Erlassung eines Scheidungsurteils etc., deutlich.[So sei etwa exemplarisch auf die Bedeutung der Ermittelbarkeit der Zustellung eines Scheidungsurteils und den daraus abgeleiteten Rechtskrafteintritt verwiesen, zumal erst ab der Rechtskraft des Scheidungsurteils eine Neuverehelichung wieder zulässig ist. Auch bemisst sich von diesem Zeitpunkt, ob ein Kind als ehelich geboren einzustufen ist. Auch gilt eine Scheidung im Falle des Todes eines der Gatten vor der Rechtskraft der Zustellung des Scheidungsurteils als nicht bewirkt. Natürlich enden die ehelichen Pflichten auch erst mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils (vgl zu allem Pichler, Wann wird der Scheidungsbeschluß rechtskräftig?, Rz 1994, 32). Weiters sei daran erinnert, dass nach der ständigen Judikatur verfahrensleitende Anträge nur bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft einer aufgrund eines Antrags erfolgten Erledigung zurückgezogen werden können (vgl etwa Pichler, Wann wird der Scheidungsbeschluß rechtskräftig?, Rz 1994, 32).]

Da die Rechtsordnung regelmäßig solch einen Rechtserwerb bzw Rechtsverlust mit besonderen Rechten (etwa Wahlrecht, Berufsausübungsrecht, Aufenthaltsrecht, bei Erlassung eines Scheidungsurteils das Neuverehelichungsrecht, der Unterhaltsleistungspflichtenuntergang, die Ehelichkeitsvermutung etc.) und besonderen Pflichten (zB Beachtung der disziplinarrechtlichen Vorgaben im Falle der Definitivstellung, bei der Eheschließung die Unterhaltspflicht und Treuepflicht) verknüpft, ist es stets von höchster Relevanz, ob an einem bestimmten Tag dieser Rechtsanspruch schon erlangt worden ist oder nicht, bzw ob an einem bestimmten Tag ein Rechtsverlust bereits eingetreten ist oder auch nicht.

Auch hier wird diese Gebotenheit der exakten Bestimmbarkeit im Falle der Anknüpfung einer Strafsanktions- oder einer Rechtserwerbs- bzw -verlustnorm an einem vor oder nach einem solchen Rechtserwerb bzw Rechtsverlust eingetretenen Sachverhalt (etwa den Fall einer durchgeführten Abschiebung oder einer wahrgenommenen Berufsausübungshandlung oder im Falle des Erwerbs- bzw des Verlusts eines Wahl- oder Gestaltungsrechts) offensichtlich.

All diese Erwägungen gelten natürlich auch für all die Vollzugsakte, durch welche nicht (nur) der Beginn, sondern (auch) das Ende einer Rechtspflicht festgesetzt wird. Zu denken sei etwa an den Fall einer befristeten Führerscheinentziehung, bei welcher die Entziehungsfrist mit dem Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheids beginnt.

Auch ist es insbesondere im rechtsgeschäftlichen Verkehr von eminenter Bedeutung, ab welchem Zeitpunkt die Bestellung eines Erwachsenenvertreters für eine bestimmte Person wirksam geworden ist.

 

VI.1.2.3) Verstoß gegen das Gebot der vorhersehbaren exakten Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeginns von Vollzugsakten aufgrund der regelmäßigen Anknüpfung der Rechtsordnung an einen bestimmten Tag der Erlassung eines Vollzugsakts:

 

VI.1.2.3.1) verfassungsgerichtliche Judikatur:

Bei Zugrundelegung der im Kapitel VI.1.1) dargestellten verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Bestimmtheitserfordernis des Art18 Abs1 B‑VG ist davon auszugehen, dass durch das Gesetz der Zeitpunkt des Beginns der Wirksamkeit einer Zustellung insbesondere dann exakt bestimmt sein muss, 1) wenn durch dieses Schreiben konstitutiv eine Rechtspflicht oder 2) wenn durch dieses hoheitliche Schreiben eine bestimmte Rechtslage geschaffen wird.[Vgl. explizit VfSlg 19.448/2011, 19.849/2014; 19.965/2015]

 

VI.1.2.3.2) Relevanz dieser Judikatur für den Anlassfall:

All diese, eine exakte Bestimmbarkeit des Zeitpunkts der Wirksamkeit eines zugestellten Schreibens gebietenden, Konstellationen sind im gegenständlichen Fall, bzw sind im Hinblick auf die Unbestimmbarkeit des Zeitpunkts des Wirksamkeitsbeginns einer Zustellung im Falle der (nicht nur während der Tagesstunden währenden) Ortsabwesenheit des Schriftsatzadressaten zum Zeitpunkt des Zustellversuchs des Zustellorgans, gegeben:

1) Durch den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die unverzügliche Zahlung eines Geldbetrags vorgeschrieben und damit die Vollstreckbarkeit dieses Geldbetrags im gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungswege eröffnet. Es liegt daher auch die in der verfassungsgerichtlichen Judikatur als exemplarisch für ein strenges Konkretisierungserfordernis i.S.d. Art18 Abs1 B‑VG angesprochene Konstellation der Bewirkung einer Rechtspflicht durch den verfahrensgegenständlichen Schriftsatz vor.

2) Ebenso wurde der Beschwerdeführer durch den gegenständlich bekämpften Bescheid zu einer Geldzahlung verpflichtet, womit auch eine neue 'bestimmte Rechtslage' geschaffen wurde.

 

VI.1.2.3.3) Gebotenheit der vorhersehbaren exakten Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeginns von Vollzugsakten aufgrund der Relevanz des Zustellzeitpunkts für die Gesetzesvollziehung:

Dieses aus Art18 Abs1 B‑VG erschlossene Gebot der vorhersehbaren exakten Bestimmbarkeit des Wirksamkeitsbeginns von Vollzugsakten scheint durchaus einleuchtend, zumal es für alle Rechtsnormadressaten und auch Vollzugsorgane gleichermaßen möglich sein muss zu ermitteln, an welchem Tag eine bestimmte Rechtspflicht eingetreten bzw eine bestimmte Rechtslage geschaffen worden ist.

Wie essentiell dieses Gebot ist, lässt sich schon daraus ersehen, dass an die Nichtbeachtung dieser durch einen Vollzugsakt angeordneten Rechtspflicht bzw durch einen Vollzugsakt neu geschaffenen Rechtslage durch das Gesetz regelmäßig Sanktionen (etwa eine verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Strafbarkeit oder eine Schadenersatzverpflichtung oder ein Rechtsverlust oder ein Forderungsanspruch etc.) geknüpft sind.

All das zeigt, dass die gegenständliche Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG nicht nur deshalb verfassungsrechtlich bedenklich ist, weil diese es in die Willkür der Organwalter der Rechtsmittelinstanzen legt, ob ein bestimmtes Rechtsmittel als rechtzeitig oder verspätet einzustufen ist.

Vielmehr knüpft die Rechtsordnung fast in unzähligen weiteren Hinsichten an den Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines individuellen Vollzugsakts an, wobei in all diesen Fällen die nicht im Voraus mögliche und für alle Vollzugsorgane zu einem einheitlichen Ergebnis führende Bestimmung des Zeitpunkts des Wirksamwerdens dieses Vollzugsakts mitunter gravierendste, mit den Vorgaben eines Rechtsstaats unvereinbare Folgen hat. Insbesondere auch in diesen Konstellationen ist aber bei Favorisierung der ersten beiden Auslegungsvarianten eine Bestimmbarkeit des jeweiligen Zeitpunkts des Wirksamwerdens der Zustellung des jeweiligen hoheitlichen Schriftstücks nicht möglich. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen sei etwa auf die im Kapitel VI.2.2) angeführten exemplarischen Fallkonstellationen verwiesen.

 

VI.1.2.4) Unbestimmbarkeit der Begriffe 'rechtzeitig' und 'Zustellvorgang':

Die maßgeblichen Worte der gegenständlichen Wendung sind die Wörter 'rechtzeitig' und 'Zustellvorgang'.

Es liegt auf der Hand, dass die gegenständlich bekämpfte Wendung nur dann ausreichend im Sinne des Art18 Abs1 B‑VG bestimmt ist, wenn diese beiden Begriffe allenfalls durch Heranziehung zulässiger Interpretationsmethoden hinreichend begrifflich bestimmbar sind.

Wie aus der zur gegenständlichen Wendung nun schon seit dem Jahre 1983 ergangenen ständigen Judikatur wie auch aus allen Literaturmeinungen seit dem Jahr 1983 ersichtlich, gelang es bislang weder der höchstgerichtlichen Judikatur noch der Lehre, diese beiden Begriffe in einer verlässlichen und überzeugenden Weise auszulegen. Vielmehr wird – wie im Kapitel IV.1) dargelegt – seit dem Jahr 1983 einhellig und mit sichtlicher Verärgerung die Unklarheit und Unauslegbarkeit der gegenständlichen Wendung beklagt.

Wie in den Kapiteln IV.2.1.5), IV.2.2.3) und IV.2.3.4) aufgezeigt, liegt jeder der drei bislang von den Höchstgerichten wie auch der Literatur entwickelten Auslegungsvarianten der gegenständlichen Wendung jeweils ein anders Verständnis des Begriffs 'Zustellvorgang' zugrunde. Die auf die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen abstellende Auslegungsvariante versteht unter einem 'Zustellvorgang' den hypothetischen Zeitpunkt des üblichen Zukommens eines durch Ersatzzustellung oder Hinterlegung zugestellten Schriftstücks an einen werktags einer Vollzeitbeschäftigung nachgehenden, abends erst an die Abgabestelle zurückkehrenden Adressaten im Falle der Zustellung an der Abgabestelle 'Wohnung'. Die auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellende Auslegungsvariante legt den Begriff 'Zustellvorgang' ebenfalls als einen hypothetischen Zeitpunkt der Erlangung des Schriftstücks aus, diesfalls aber nicht im Hinblick auf die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen, sondern im Hinblick auf die Maßfigur des konkreten Adressaten. Die auf das Verständnis des historischen Gesetzgebers abstellende Auslegungsvariante übernimmt wiederum das durch die Judikatur zum AVG und zur ZPO entwickelte Begriffsverständnis, wonach bei einer Eigenhandzustellung unter einem Zustellvorgang der erste Zustellversuch zu verstehen ist. Es muss nicht gesagt werden, dass jeder dieser drei Zeitpunkte, an welchen der jeweilige 'Zustellvorgang' im konkreten Fall als erfolgt anzusehen ist, faktisch immer an gänzlich unterschiedlichen Kalendertagen liegt.

Da das Wort 'rechtzeitig' durch den Gesetzgeber in eine gewisse Relation zum Begriff 'Zustellvorgang' gestellt wurde, ist mehr als naheliegend, dass jede dieser drei Auslegungsvarianten auch von einem völlig unterschiedlichen Begriffsverständnis des Wortes 'rechtzeitig' ausgeht. Die auf die Maßfigur eines Vollerwerbstätigen abstellende Auslegungsvariante versteht das Wort 'rechtzeitig' im Hinblick auf die zeitliche Relation zwischen dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Kenntniserlangung vom Schriftstückinhalt durch den konkreten Empfänger im Verhältnis zum hypothetischen Zeitpunkt der üblichen Kenntniserlangung vom Schriftstückinhalt eines werktags einer Vollzeitbeschäftigung nachgehenden, abends erst an die Abgabestelle zurückkehrenden Adressaten im Falle der Zustellung an der Abgabestelle 'Wohnung'.[Von einer Möglichkeit zur rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang ist diesfalls dann auszugehen, wenn der tatsächliche Adressat das Schriftstück spätestens an dem Tag, an welchem die hypothetische Maßfigur hypothetisch das Schriftstück erlangen würde, auch erlangen könnte.] Die auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellende Auslegungsvariante wiederum versteht das Wort 'rechtzeitig' im Hinblick auf die zeitliche Relation zwischen dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Kenntniserlangung vom Schriftstückinhalt durch den konkreten Empfänger und dem Ende des Ablaufs der Rechtsmittelfrist unter der hypothetischen Annahme, dass dieser Empfänger nicht ortsabwesend i.S.d. §16 Abs5 ZustellG bzw i.S.d. §17 Abs3 ZustellG wäre.[Von einer Möglichkeit zur rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang ist diesfalls dann auszugehen, wenn der tatsächliche Adressat eines Schriftstücks dieses Schriftstück frühestens zu einem Zeitpunkt erlangen könne, ab welchem noch mindestens neun volle Tage (bzw eine angemessene Fristdauer) bis zum Ablauf der hypothetischen Rechtsmittelfrist liegen würden (würde).] Die auf das Verständnis des historischen Gesetzgebers abstellende Auslegungsvariante übernimmt wiederum das durch die Judikatur zum AVG und zur ZPO entwickelte Begriffsverständnis und versteht das Wort 'rechtzeitig' im Hinblick auf die zeitliche Relation zwischen dem Zeitpunkt des maßgeblichen[…] Zustellversuchs und dem Zeitpunkt der ersten Möglichkeit des Empfängers, die mit diesem Zustellversuch ermöglichte Handlung zu setzen.[Von einer Möglichkeit zur rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang ist diesfalls dann auszugehen, wenn der tatsächliche Adressat erst nach dem erfolgten maßgeblichen Zustellversuch die Abgabestelle nicht nur über Tags verlassen hat, sodass dieser zum Zeitpunkt der Schriftstückübergabe an den Ersatzempfänger bzw zum Zeitpunkt der erstmaligen Schriftstückbereithaltung nicht nur während des Tags ortsabwesend gewesen ist (in diesem Sinne explizit Stumvoll, §17 ZustelIG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II [20163] 802 [819f]); Vgl. auch die Ausführungen im Kapitel IV.2.3.5)]

Viel deutlicher lässt sich die Unbestimmbarkeit dieser beiden Begriffe gar nicht dokumentieren.

 

VI.1.2.5) kein Vorliegen eines 'bloßen' Vollzugsdefizits:

Bei der Behandlung des gegenständlichen Gesetzesprüfungsantrags stellt sich zweifelsohne auch die Frage, ob die geltend gemachte Unbestimmbarkeit der Bedeutung einer bestimmten Gesetzesbestimmung ihre Ursache wirklich in der mangelhaften Begriffsdefinition durch den Gesetzgeber oder nicht vielmehr in der mangelhaften Vollziehung einer an sich ausreichend bestimmten gesetzlichen Wendung hat.

Insbesondere in Anbetracht der widersprüchlichen und gegensätzlichen drei zuvor referierten aktuellen Auslegungsvarianten (bzw deren Auslegungsuntervarianten) der Höchstgerichte könnte man versucht sein, irgendwelche zwei dieser drei Auslegungsvarianten (bzw eine bestimmte Anzahl von Auslegungsuntervarianten) als ein Vollzugsdefizit abzutun und damit das Vorliegen eines Determinierungsproblems zu negieren.

Zu diesem allfälligen Einwand sei vorab ausgeführt, dass es erstens nur schwer mit dem Konzept der Bundesverfassung zu vereinbaren ist, eine seit Jahrzehnten gepflogene ständige Judikaturlinie eines Höchstgerichts oder zweier Höchstgerichte als ein Vollzugsdefizit zu qualifizieren.

Davon abgesehen gründet die Annahme des Vorliegens eines Vollzugsdefizits gerade in der gleichzeitigen Annahme, dass ohnehin durch den Gesetzgeber der Bedeutungsgehalt der jeweils strittigen Gesetzesbestimmung klar bestimmt worden ist. Die Annahme des Vorliegens eines Vollzugsdefizits eines oder mehrerer Vollzugsorgane setzt daher eine ohnehin für jeden Rechtsanwender hinreichend klare Bestimmbarkeit der jeweiligen Gesetzesnorm voraus. Dass nun aber im Hinblick auf die im §17 Abs3 ZustellG (wie auch im §16 Abs5 ZustellG) verwendete Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' diese hinreichende Klarheit jedenfalls für einen Rechtsanwender (etwa die diversen mit dem Schriftsatz befassten Vollzugsorgane) und den Schriftsatzadressaten nicht erkennbar ist, erscheint in Anbetracht der zuvor dargestellten widersprüchlichen und miteinander unvereinbaren unversöhnt gegenüberstehenden diversen Lehrmeinungen und Judikaturstränge zur Auslegung dieser Wendung hinreichend belegt.

 

VI.2) Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG:

Der durch Art7 B‑VG normierte Gleichheitsgrundsatz gebietet dem Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005).

Der Beschwerdeführer ist offenkundig österreichischer Staatsbürger. Die Bestimmung des Art7 B‑VG ist daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren beachtlich.

 

VI.2.1) Unsachlichkeit der auf die übliche Abholpraxis eines vollerwerbstätigen, werktags erst abends von der Arbeit in die Wohnung zurückkehrenden vollerwerbstätigen Empfängers abstellenden Auslegungsvariante:

Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts erscheint eine Auslegung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' im §17 Abs3 ZustellG im Sinne der Judikatur eines Teils der Senate des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs, welche bei der Frage der Ermittlung des Vorliegens einer rechtzeitigen Kenntniserlangung i.S.d. §17 Abs3 ZustellG auf die Maßfigur eines werktags vollerwerbstätigen und regelmäßig erst abends in die Wohnung zurückkehrenden Rechtsnormadressaten abstellt, unsachlich und gleichheitswidrig.

 

VI.2.1.1) Nichtrückführbarkeit dieser Auslegungsvariante auf den Gesetzeswortlaut und damit Willkürlichkeit des Auslegungsergebnisses:

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist insbesondere dann von einer gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG verstoßenden Gesetzeslage auszugehen, wenn diese den Vollzugsorganen eine Befugnis zur Willkürausübung einräumt.

Wie im Kapitel IV.2.2.1.2) ausführlich dargelegt, eröffnet der Umstand der nicht bestimmten Auslegbarkeit der gegenständlich bekämpften Wendung bei Favorisierung der gegenständliche Auslegungsvariante eine völlige Unklarheit und willkürliche Bestimmbarkeit, wann im Falle einer (über die Tagesstunden hinausgehenden) Ortsabwesenheit von der wirksamen Zustellung eines hinterlegten und bereit gehaltenen Schriftsatzes auszugehen ist. Dadurch steht es jedem Vollzugsorgan selbst bei Beachtung der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur frei, willkürlich im Hinblick auf einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen den Tag der Wirksamkeit der Zustellung mit dem Tag der ersten Bereithaltung des Schriftstücks oder aber mit dem der Rückkunft nächsten Abholtag festzusetzen.

Dazu kommt, dass diese Auslegungsvariante gar nicht auf den Gesetzeswortlaut rückführbar ist, und auch deshalb als unsachlich und willkürlich einzustufen ist.

Diese Auslegungsvariante ist nämlich weder 1) auf den Wortsinn der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' rückführbar, noch 2) auf ein Auslegungsergebnis im Wege der systematischen oder historischen Auslegungsmethode. Besonders fällt auf, dass diese Auslegungsvariante geradezu als contra legem einzustufen ist, zumal wider dem Bedeutungsgehalt des Wortes 'Zustellvorgang' unter dem Wort 'Zustellvorgang' gerade nicht die im Zustellverfahren erfolgten Vorgänge (daher Zustellhandlungen), sondern unter 'Zustellvorgang' die fiktive (ehestmögliche) tatsächliche Erlangung des zugestellten Schriftstücks durch einen fiktiven Vollerwerbstätigen verstanden wird. Diese Auslegungsvariante stellt daher entgegen den klaren Wortsinn des Wortes Zustellvorgang 'nicht auf eine Rechtzeitigkeit der Kenntniserlangung einer der im Zustellverfahren gesetzten Zustellhandlungen' ab. Stattdessen wird unter dem Begriff 'Zustellvorgang' die fiktive Erlangung des zuzustellenden Schriftstücks durch einen fiktiven Empfänger und unter dem Begriff 'rechtzeitig' der Vergleich des hypothetischen Zeitpunkts der üblichen Schriftstückerlangung durch einen am Hinterlegungstag bzw Schriftsatzaushändigungstag nicht ortsabwesenden, vollzeiterwerbstätigen und stets werktags erst abends in seine Wohnung zurückkehrenden Empfänger mit dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Schriftsatzerlangung durch den konkreten Empfänger verstanden.

Im Sinne der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Gleichheitssatz ist daher von einem Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG auszugehen.

 

VI.2.1.2) Willkürlichkeit der Heranziehung einer werktags erst abends von der Arbeit in die Wohnung zurückkehrenden vollerwerbstätigen Person als einzige Maßfiaur zur Ausleauna dieser Auslegungsvariante:

Im Hinblick auf die Konstellationen, in welchen die Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG nach dem klaren Gesetzeswortlaut zur Anwendung zu gelangen hat, ist die alleinige Beachtlicherklärung der hypothetischen Lebenssituation eines werktags erst abends von der Arbeit in die Wohnung zurückkehrenden vollerwerbstätigen Normadressaten absolut unrepräsentativ und willkürlich; was im Übrigen bereits Schwaighofer mit guten Argumenten hervorhob[Vgl. Schwaighofer, Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367.].

Dieses Auslegungskriterium negiert den Umstand, dass dieses Auslegungskriterium nicht im Entferntesten den Regelfall einer Anwendbarkeit des §17 Abs3 ZustellG darstellt.

Die Beachtlicherklärung ausschließlich der Maßfigur des vollerwerbstätigen, werktags abends an seine Abgabestelle 'Wohnung' Zurückkehrenden ist durch nichts sachlich gerechtfertigt.

Die Willkürlichkeit dieses Maßstabs für die Auslegung der Wendung wird insbesondere dadurch offenkundig, als nachweislich weniger als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung erwerbstätig ist[So wohnten im Jahresdurchschnitt 2018 in Österreich 8.837.707 Personen. Erwerbstätig waren im Jahresdurchschnitt des Jahres 2018 in Österreich 4.319,100 Personen] und zudem nur knapp über ein Drittel der österreichischen Bevölkerung vollerwerbstätig ist[So wohnten im Jahresdurchschnitt 2018 in Österreich 8.837.707 Personen. Vollerwerbstätig waren im Jahresdurchschnitt des Jahres 2018 in Österreich 3,101.900 Personen].

Dazu kommt, dass viele Vollerwerbstätige nicht während der üblichen Bürostunden und zudem viele auch nicht bloß von Montag bis Freitag ihrer Arbeit nachgehen.

Zudem trifft es selbst auf eine große Zahl der Vollerwerbstätigen nicht zu, dass diese regelmäßig erst abends an ihre Abgabestelle zurückkehren. So sei nur an all die Personen erinnert, welche einen frühen Dienstbeginn haben, und deren Dienstzeit mitunter bereits um 13.00 Uhr endet, oder all die Personen, welche vorwiegend entweder abends, nachts oder morgens arbeiten.

Tatsächlich trifft es daher nur auf eine marginale Minderheit der möglichen Zustelladressaten zu, nämlich nur auf nach dieser Auslegungsvariante als archetypisch eingestuften, werktags während der üblichen Bürostunden arbeitenden und regelmäßig abends an ihre Abgabestelle 'Wohnung' zurückkehrenden Vollerwerbstätigen.

Hätte daher der Gesetzgeber wirklich dieses Auslegungsverständnis gehabt, wäre schon aufgrund der offenkundigen Unsachlichkeit dieses Kriteriums diese Regelung unsachlich und im Sinne des Art7 B‑VG verfassungsrechtlich bedenklich.

Folglich ist dieses als einzig maßgeblich erachtete Auslegungskriterium als nicht sachlich begründet einzustufen.

Im Sinne der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Gleichheitssatz ist daher von einem Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG auszugehen.

 

VI.2.1.3) willkürliche Reduzierung des Auslegungsspielraums der gegenständlichen Wendung auf eine einzige mögliche Abgabestelle, nämlich die Abgabestelle 'Wohnung':

Die gegenständliche Auslegungsvariante stellt sichtlich ausschließlich auf die Hinterlegung bei dem Postamt, welchem die Abgabestelle 'Wohnung' des Zustelladressaten zugeordnet ist, ab; kehrt doch ein typischer Vollerwerbstätiger abends stets nur in seine 'Wohnung' zurück.

Dieser Beurteilungsmaßstab ist im höchsten Maße willkürlich, zumal nach dem Regelungsinhalt des Zustellgesetzes eine Hinterlegung (wie auch eine Ersatzzustellung) an vielen weiteren möglichen Abgabestellen i.S.d. §2 Abs1 Z4 ZustellG möglich und vorgesehen ist, an welche ein typischer Vollerwerbstätiger gerade nicht abends zurückkehrt. Daher ergibt diese Auslegungsvariante im Hinblick auf alle anderen Abgabestellen als die der 'Wohnung' ein völlig absurdes und keinesfalls dem Gesetzgeber zurechenbares Auslegungsergebnis. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den Kapiteln IV.2.1.4.2), V.1), VI.2.1.1) und VI.2.1.2) verwiesen.

Nach dieser Auslegungsvariante wäre etwa bei einem Zustellversuch am Arbeitsplatz des Zustelladressaten im Gegensatz zur eher üblichen Konstellation, dass solch ein Adressat üblicherweise während des Tags an der Abgabestelle anwesend ist, und daher geradezu niemals während dieses Zustellversuchs an der Entgegennahme des Schriftstücks gehindert ist, auf den Zeitpunkt des üblichen Zukommens des Schriftstücks an einen ebensolchen Adressaten an eine gänzlich andere Abgabestelle, nämlich die Abgabestelle 'Wohnung' abzustellen.[Wie inkonsistent diese Konzeption dieser Auslegungsvariante ist, lässt sich daraus ersehen, dass diese Auslegung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' stets dann völlig widersinnig ist, wenn der Empfänger nicht von seiner Abgabestelle 'Wohnung', sondern von seiner Abgabestelle 'Beschäftigungsort' abwesend war, zumal bei einer Gleichbehandlung mit einem typischen Vollerwerbstätigen, welcher ja am Tag des Zustellversuchs nicht ortsabwesend wäre, die Heilungsregelung des §17 Abs3 Zustellung – infolge der regelmäßigen Anwesenheit des vollerwerbstätigen Empfängers werktags während der Tagesstunden am Arbeitsort - bei solch einer Abgabestelle niemals zur Anwendung gelangen könnte (vgl auch die von Schwaighofer unverzüglich getätigte Kritik an dieser Entscheidung [vgl Schwaighofer, Zustellung bei vorübergehender Abwesenheit des Empfängers, RdW 1984, 367]). Denkmöglich sieht das der Oberste Gerichtshof auch so, zumal er etwa im Erkenntnis OGH 25.9.2019, 1 Ob 126/19i, bei der Abgabestelle des Beschäftigungsorts bei der Bestimmung der Frage des Vorliegens einer rechtzeitigen Kenntniserlangung vom Zustellort nicht auf die Vergleichsfiktion der Situation eines typischen Vollzeitbeschäftigten abstellt.] Damit kommt es aber bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante stets zu einem lebens- und tatsachenfremden Auslegungsergebnis.

Diese alleinige Maßgeblicherklärung der Abgabestelle der 'Wohnung' i.S.d. §2 Z4 ZustellG für die Auslegung der gegenständlichen Wendung ist daher mehr als willkürlich.

 

VI.2.1.4) Unsachlichkeit und dem Gesetzeswortlaut wie auch dem Regelungswillen des Gesetzgebers widersprechende Verkürzung der Rechtsmittelfrist:

Wie bereits insbesondere Schwaighofer[So betont Schwaighofer, dass 'Fristen, die der Gesetzgeber einräumt, den Sinn (haben), daß der Betreffende grundsätzlich die gesamte Frist zur Verfügung hat – gerade diese Zeitspanne hielt der Gesetzgeber für angemessen und ausreichend, um sich entsprechend vorzubereiten, zu informieren, beraten zu lassen, Entscheidungen zu treffen, Rechtsmittel auszuführen.' (vgl Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379 [381]; vgl auch Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290).] und Ritz[Vgl. Ritz, Zum Begriff 'rechtzeitig' im §17 Abs3 ZustellG, ÖStZ 1984, 270] überzeugend dargelegt haben, ist die Dauer der vom Gesetzgeber für die Einbringung eines bestimmten Rechtsmittels normierten Rechtsmittelfrist ein Beleg, welche Rechtsmitteldauer der Gesetzgeber für die Einbringung dieses Rechtsmittels unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung als notwendig und erforderlich einstuft (insbesondere im Hinblick auf die rechtsstaatlich vorgesehene Möglichkeit der Betrauung eines berufsmäßigen Rechtsfreundes mit der Rechtsvertretung). Die vom Gesetzgeber für die Einbringung eines bestimmten Rechtsmittels normierte Rechtsmittelfrist bringt explizit zum Ausdruck, welche Rechtsmitteldauer der Gesetzgeber für die Einbringung dieses Rechtsmittels unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung als notwendig und erforderlich einstuft (insbesondere im Hinblick auf die rechtsstaatlich vorgesehene Möglichkeit der Betrauung eines berufsmäßigen Rechtsfreundes mit der Rechtsvertretung).

Zudem stellen auch alle vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes ergangenen Durchführungserlässe klar, dass durch die Bestimmungen der §§16 Abs5 ZustellG und 17 Abs3 ZustellG erreicht werden soll, dass jedem Ortsabwesenden nach seiner Rückkehr die volle und ungekürzte Rechtsmittelfrist zur Verfügung steht.[Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel IV,2.3.2)]

In diesem Sinne legte auch der Verwaltungsgerichtshof den die verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelfristen regelnden §32 Abs2 AVG aus. Demnach liegt der Regelung des §32 Abs2 AVG der Gedanke zugrunde, dass demjenigen, dem eine Frist eingeräumt ist, die Frist auch nicht um Bruchteile eines Tages verkürzt werden darf.[Vgl. VwGH 24.10.1972, 1603/72; 29.9.1978, 2601/77] Es ist nicht erkennbar, warum diese Sichtweise nicht weiterhin im Hinblick auf Rechtsmittelfristen normierende Gesetzesbestimmungen gelten soll.

Für ein Abgehen von dieser gesetzlich vorgesehen Rechtsmitteleinräumungsfrist nach dem bloßen Kriterium, wann ein vom konkreten Rechtsnormadressaten unterschiedlicher, geradezu willkürlich gewählter Rechtsnormadressat mit hoher Wahrscheinlichkeit Kenntnis vom Inhalt eines zugestellten Schriftstücks erlangen kann, und die damit ohne rechtliche Grundlage gefolgerte Verkürzung der zukommenden Rechtsmittelfrist erscheint im Hinblick auf den Umstand, dass der Gesetzgeber generell jedem Rechtsnormadressaten grundsätzlich die volle Rechtsmittelfrist einräumen soll, nicht sachlich gerechtfertigt.

Dazu kommt aber auch noch, dass in den Gesetzesmaterialien explizit klargestellt wird, dass einem zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs ortsabwesenden Empfänger bei Zustellung eines durch Rechtsmittel bekämpfbaren Schriftsatzes stets die volle Rechtsmittelfrist offen stehen soll.

Einem erst nach der erstmaligen Bereithaltung des hinterlegten Schriftsatzes bzw erst nach dem Tag der Schriftsatzübergabe an den Ersatzempfänger an die Abgabestelle Zurückkehrenden soll daher die volle Rechtsmittelfrist zukommen, sodass auch die Verkürzung der Rechtsmittelfrist um nur einen Tag nicht mit der Intention des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist.[Anm: Wörtliche Wiedergabe des Durchführungserlasses des Finanzministeriums vom 28.2.1983, siehe dazu oben im Erkenntnis S 41 f.]

Durch die gegenständliche Auslegungsvariante wird daher nichts anderes vorgenommen, als im Vollzugsweg die Sichtweise des Vollzugsorgans vom erforderlichen Ausmaß der einzuräumenden Rechtsmittelfrist an die Stelle des ausdrücklichen Gesetzgeberwillens zu stellen. Diese Auslegungsvariante unterstellt daher ohne jeglichen Anhaltspunkt, dass die Bestimmungen des §16 Abs5 ZustellG und des §17 Abs3 ZustellG leges speciales zu allen gesetzlichen Rechtsmittelfristfestsetzungsbestimmungen sind, durch welche diese Rechtsmittelfristsetzungsregelungen im Einzelfall außer Kraft gesetzt werden können.

Es besteht keinerlei sachlicher Grund, dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu folgen.

Im Sinne der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Gleichheitssatz ist daher von einem Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG auszugehen.

 

VI.2.2) Unsachlichkeit der auf die verbleibende Rechtsmittelfrist abstellenden Auslegungsvariante:

Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts erscheint eine Auslegung der Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' im §17 Abs3 ZustellG im Sinne der Judikatur eines Teils der Senate des Verwaltungsgerichtshofs, welche bei der Frage der Ermittlung des Vorliegens einer rechtzeitigen Kenntniserlangung i.S.d. §17 Abs3 ZustellG auf die dem jeweiligen Adressaten verbleibende Rechtsmittelfrist abstellt, unsachlich und gleichheitswidrig.

 

VI.2.2.1) Nichtrückführbarkeit dieser Auslegungsvariante auf den Gesetzeswortlaut und damit Willkürlichkeit des Auslegungsergebnisses:

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist insbesondere dann von einer gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG verstoßenden Gesetzeslage auszugehen, wenn diese den Vollzugsorganen eine Befugnis zur Willkürausübung einräumt.

Wie im Kapitel IV.2.2) ausführlich dargelegt, ermöglicht es die gegenständliche Auslegungsvariante, dass jedes Vollzugsorgan im Falle einer (über die Tagesstunden hinausgehenden) Ortsabwesenheit von der Zustellung eines hinterlegten und bereit gehaltenen Schriftsatzes selbst bei Beachtung der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur innerhalb eines Zeitraums von bis zu achtzehn Kalendertagen den Tag der Wirksamkeit der Zustellung mit dem Tag der ersten Bereithaltung des Schriftstücks oder aber mit dem der Rückkunft nächsten Abholtag festsetzen kann.

Dazu kommt, dass diese Auslegungsvariante gar nicht auf den Gesetzeswortlaut rückführbar ist, und auch deshalb als unsachlich und willkürlich einzustufen ist. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den Kapiteln IV.2.2.2.2), V.2) und VI.2.2.1) verwiesen.

Im Sinne der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Gleichheitssatz ist daher von einem Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG auszugehen.

 

VI.2.2.2) Willkürlichkeit und sachliche Unvertretbarkeit der Auslegung der gegenständlichen Wendung ausschließlich im Hinblick auf den durch eine Zustellung möglicherweise bewirkten Beginn des Laufs einer Rechtsmittelfrist und damit willkürliche Ausklammerung der übrigen Rechtswirkungen von Zustellungen:

Diese Auslegungsvariante legt als einziges Bestimmungskriterium für die Zulässigkeit der Ermittlung des Zeitpunkts der Wirksamkeit einer Zustellung eines Schriftstücks eine einzige von vielen vom Gesetzgeber für die Zustellung hoheitlicher Schriftstücke vorgesehen Konstellationen zugrunde.

Zugrunde gelegt wird nämlich geradezu willkürlich die Konstellation eines Schriftstücks, durch welches eine Rechtsmittel- oder Leistungsfrist ausgelöst wird, wobei noch dazu nach der verbleibenden Dauer der Rechtsmittelfrist (bei hypothetischer Zugrundelegung der Nichtortsabwesenheit des Zustelladressaten) oder der verbleibenden Leistungsfrist der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zustellung bemessen wird.

Nach dieser Auslegung ist daher in Fällen, in welchen durch die Zustellung eines Schriftstücks gar keine Rechtsmittel- oder Leistungsfrist ausgelöst wird, eine Bestimmung des Zeitpunkts der Wirksamkeit einer Zustellung überhaupt nicht möglich.

Um nur einige Fälle der nach dieser Auslegungsvariante völlig ausgeklammerten Konstellationen aufzuzählen:

1) Zustellung einer höchstgerichtlichen Entscheidung

2) Zustellung einer sonstigen Entscheidung, gegen welche keine Rechtsmittelerhebungsmöglichkeit eröffnet wird

3) Zustellung eines dem Antrag entsprechenden Bescheids (gegen welchen schon mangels Beschwer kein Rechtsmittel zulässig ist)

4) Zustellung eines verfahrensleitenden Beschlusses bzw Bescheids

5) Zustellung einer behördlichen Erledigung zur Kenntnisnahme

6) Zustellung einer (einfachen) Ladung

In diesem Sinne betont etwa Stoll, dass es eine Verkennung des Regelungsgegenstands von zustellrechtlichen Bestimmungen darstellt, zugleich auch die Folgen einer erfolgten Zustellung mitregeln zu wollen, wie dies nun aber durch diese Auslegungsvariante vorgenommen wird; ist doch vielmehr eine strenge Trennung zwischen der Wirksamkeit einer Zustellung von den durch diese Zustellung ausgelösten Folgen vorzunehmen.

Weiters zeigt Stumvoll auf, dass bei Zugrundelegung dieser Auslegungsvariante 'bei Sendungen, die verschiedene Fristen im Gefolge haben – etwa eine Ladung für einen Termin in 3 Tagen und für einen Termin in 4 Wochen – schon die Wirksamkeit derselben Zustellung (anstelle der verfahrensrechtlich rechtzeitigen Zustellung der Ladung) gespalten beurteilt werden (müsste).

'Es kann nämlich nicht akzeptiert werden, dass eine Zustellung an verschiedenen Tagen wirksam wird, je nachdem ob ihr Inhalt eine sechswöchige Frist, eine Dreitagesfrist oder gar keine Frist (bezogen auf ihre Anfechtbarkeit etwa letztinstanzliche Urteile) auslöst oder ein Drittverbot enthält etc.'[Vgl. Stumvoll, §17 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 802 (819)]

Andererseits versagt eine solche Anknüpfung, wenn nach dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks gar keine Frist ausgelöst wurde oder keine prozessuale Reaktion des Empfängers möglich war (etwa bei Zustellung unanfechtbarer Entscheidungen), oder wenn sofort mit der Zustellung Rechtsfolgen eintreten (besonders deutlich wird dies bei der Zustellung eines Drittverbots i.S.d. §294 Abs3 S 1 EO), oder für die Beurteilung eines Zuwiderhandelns nach der Titelzustellung bei der Exekutionsbewilligung nach §355 Abs1 EO.'[Vgl. Stumvoll, §16 ZustellG, in: Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. II (20163) 780 (798), welcher ua auch klarstellt, dass auch eine erst nach dem Ladungstermin zugestellte Ladung wirksam zugestellt worden ist, auch wenn diese Ladung nicht mehr wahrgenommen werden kann und deshalb die Nichtbefolgung der Ladung keine Säumnisfolge auszulösen vermag.]

Schon die Willkürlichkeit der ausschließlichen Herausgreifung der Konstellation der Zustellung eines eine Rechtsmittelfrist auslösenden hoheitlichen Schriftstücks und die damit verbundene Nichtvollziehbarkeit der Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG im Hinblick auf alle übrigen vom Gesetzgeber vorgesehenen Konstellationen einer Zustellung durch Hinterlegung lassen die gegenständliche Auslegungsvariante als nicht sachlich gerechtfertigt erscheinen.

Auf das bei dieser Auslegungsvariante zum Ausdruck gebrachte Ergebnis, dass auch noch eine Rückkunft von achtzehn Tagen nach der erstmaligen Bereithaltung des Schriftstücks zur Abholung bzw nach der Schriftstückübergabe an einen Ersatzempfänger noch von einer 'rechtzeitigen Kenntnisnahme vom Zustellvorgang' auszugehen ist, und das Spannungsverhältnis zum Umstand, dass gemäß §17 Abs3 ZustellG ein Schriftstück lediglich vierzehn Tage zur Abholung bereit gehalten werden muss, sei hingewiesen.

Je nach dem, wie man dieses Spannungsverhältnis löst, eröffnen sich weitere vom Gesetzgeber offenkundig nicht im Entferntesten intendierte Auslegungsprobleme, auf deren Vielzahl von unterschiedlichen Lösungsvarianten nicht eingegangen werden muss. Doch ist schwer denkbar, dass eine dieser Lösungsvarianten in der Lage ist, zu keinem willkürlichen Ergebnis zu gelangen.

Zu keinem wesentlich sachlicheren Ergebnis käme man, wenn man davon ausginge, dass die gegenständliche Wendung 'rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte' dahingehend auszulegen ist, dass es im Einzelfall nach einem umfassenden Ermittlungsverfahren (wohl von der Rechtsmittelinstanz) zu ermitteln ist, welcher zeitmäßige Aufwand im je konkreten Fall dem Rechtsmittelwerber von Verfassungs wegen[Vgl. dazu auch die zur Frage der einzuräumenden Mindestrechtsmittelfrist ergangene verfassungsgerichtliche Judikatur (vgl VfSlg 5484/1967, 9314/1982, 15.661/1999; VfGH 3.12.2018, G103/2018; 12.3.2019, G329/2018; 26.9.2019, G117/2019)] jedenfalls für sein Rechtsmittel zuzuerkennen ist, sodass auf Grundlage dieses wohl zwingend im Instanzenzug bekämpfbaren Ermittlungsergebnisses des Endes des Zeitraums, innerhalb welchem von einer Rechtzeitigkeit der Kenntnis des Zustellvorgangs auszugehen ist, exakt ermittelt werden kann. Bei dieser Auslegungsvariante wäre dieser letzte Tag, an welchem noch vom Vorliegen einer rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang auszugehen ist, der Tag, welcher vor dem Tag liegt, an welchem gerade noch diese zuzuerkennende Rechtsmittelfrist in Anspruch genommen werden hätte können. Jedenfalls für diese je im Einzelfall zu ermittelnde konkret erforderliche Mindestrechtsmittelwahrnehmungsfrist bietet nun aber weder die Bestimmung des §17 Abs3 ZustellG noch die übrige Rechtsordnung die für diese Bestimmung im Hinblick auf alle nur erdenklichen Rechtmitteleinbringungserfordernisse nötigen Kriterien, sodass wohl jedenfalls diese Auslegungsvariante nicht mehr dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B‑VG entsprechen wird.

Im Sinne der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Gleichheitssatz ist daher von einem Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG auszugehen.

 

VI.2.2.3) Unsachlichkeit und dem Gesetzeswortlaut wie auch dem Regelungswillen des Gesetzgebers widersprechende Verkürzung der Rechtsmittelfrist:

Wie bereits insbesondere Schwaighofer[So betont Schwaighofer, dass 'Fristen, die der Gesetzgeber einräumt, den Sinn (haben), daß der Betreffende grundsätzlich die gesamte Frist zur Verfügung hat – gerade diese Zeitspanne hielt der Gesetzgeber für angemessen und ausreichend, um sich entsprechend vorzubereiten, zu informieren, beraten zu lassen, Entscheidungen zu treffen, Rechtsmittel auszuführen.' (vgl Schwaighofer, Problematische Neuerungen im Zustellrecht, AnwBI 1983, 379 [381]; vgl auch Schwaighofer, Besprechung von LGZ Wien 20.12.1983, 41 R 900/83, AnwBI 1984, 290).] und Ritz[Vgl. Ritz, Zum Begriff 'rechtzeitig' im §17 Abs3 ZustellG, ÖStZ 1984, 270] überzeugend dargelegt haben, ist die Dauer der vom Gesetzgeber für die Einbringung eines bestimmten Rechtsmittels normierten Rechtsmittelfrist ein Beleg, welche Rechtsmitteldauer der Gesetzgeber für die Einbringung dieses Rechtsmittels unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung als notwendig und erforderlich einstuft (insbesondere im Hinblick auf die rechtsstaatlich vorgesehene Möglichkeit der Betrauung eines berufsmäßigen Rechtsfreundes mit der Rechtsvertretung). Die vom Gesetzgeber für die Einbringung eines bestimmten Rechtsmittels normierte Rechtsmittelfrist bringt explizit zum Ausdruck, welche Rechtsmitteldauer der Gesetzgeber für die Einbringung dieses Rechtsmittels unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung als notwendig und erforderlich einstuft (insbesondere im Hinblick auf die rechtsstaatlich vorgesehene Möglichkeit der Betrauung eines berufsmäßigen Rechtsfreundes mit der Rechtsvertretung).

Zudem stellen auch alle vor dem Inkrafttreten des Zustellgesetzes ergangenen Durchführungserlässe klar, dass durch die Bestimmungen der §§16 Abs5 ZustellG und 17 Abs3 ZustellG erreicht werden soll, dass jedem Ortsabwesenden nach seiner Rückkehr die volle und ungekürzte Rechtsmittelfrist zur Verfügung steht.[Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel IV.2.3.2)]

In diesem Sinne legte auch der Verwaltungsgerichtshof den, die verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelfristen regelnden §32 Abs2 AVG aus. Demnach liegt der Regelung des §32 Abs2 AVG der Gedanke zugrunde, dass demjenigen, dem eine Frist eingeräumt ist, die Frist auch nicht um Bruchteile eines Tages verkürzt werden darf.[Vgl. VwGH 24.10.1972, 1603/72; 29.9.1978, 2601/77] Es ist nicht erkennbar, warum diese Sichtweise nicht weiterhin im Hinblick auf Rechtsmittelfristen normierende Gesetzesbestimmungen gelten soll.

Für ein Abgehen von dieser gesetzlich vorgesehen Rechtsmitteleinräumungsfrist nach dem bloßen Kriterium, wann ein vom konkreten Rechtsnormadressaten unterschiedlicher, geradezu willkürlich gewählter Rechtsnormadressat mit hoher Wahrscheinlichkeit Kenntnis vom Inhalt eines zugestellten Schriftstücks Kenntnis erlangen kann, und die damit ohne rechtliche Grundlage gefolgerte Verkürzung der zukommenden Rechtsmittelfrist erscheint im Hinblick auf den Umstand, dass der Gesetzgeber generell jedem Rechtsnormadressaten grundsätzlich die volle Rechtsmittelfrist einräumen soll, nicht sachlich gerechtfertigt.

Dazu kommt aber auch noch, dass in den Gesetzesmaterialien explizit klargestellt wird, dass einem zum Zeitpunkt des maßgeblichen Zustellversuchs ortsabwesenden Empfänger bei Zustellung eines durch Rechtsmittel bekämpfbaren Schriftsatzes stets die volle Rechtsmittelfrist offen stehen soll. Einem erst nach der erstmaligen Bereithaltung des hinterlegten Schriftsatzes bzw erst nach dem Tag der Schriftsatzübergabe an den Ersatzempfänger an die Abgabestelle Zurückkehrenden soll daher die volle Rechtsmittelfrist zukommen, sodass auch die Verkürzung der Rechtsmittelfrist um nur einen Tag nicht mit der Intention des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist. [Anm: Wörtliche Wiedergabe des Durchführungserlasses des Finanzministeriums vom 28.2.1983, siehe dazu oben im Erkenntnis S 41 f.]

Durch die gegenständliche Auslegungsvariante wird daher nichts anderes vorgenommen, als im Vollzugsweg die Sichtweise des Vollzugsorgans vom erforderlichen Ausmaß der einzuräumenden Rechtsmittelfrist an die Stelle des ausdrücklichen Gesetzgeberwillens zu stellen. Diese Auslegungsvariante unterstellt daher ohne jeglichen Anhaltspunkt, dass die Bestimmungen des §16 Abs5 ZustellG und des §17 Abs3 ZustellG leges speciales zu allen gesetzlichen Rechtsmittelfristfestsetzungsbestimmungen sind, durch welche diese Rechtsmittelfristsetzungsregelungen im Einzelfall außer Kraft gesetzt werden können.

Es besteht keinerlei sachlicher Grund, dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu folgen.

Im Sinne der ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Gleichheitssatz ist daher von einem Verstoß gegen die Vorgaben des Art7 B‑VG auszugehen.

 

VI.3) Verstoß gegen Art6 Abs1 EMRK und Art13 EMRK:

 

VI.3.1) maßgebliche Rechtsgrundlagen: Art6 Abs1 EMRK lautet wie folgt:

'(1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.'

Gemäß Art13 EMRK hat im Falle, dass die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt worden sind, der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

 

VI.3.2) Darlegung der Bedenken:

Wie bereits in den Kapiteln IV) und V) dargelegt, ist die gegenständliche Wendung keiner (übereinstimmend bzw im Voraus) bestimmbaren Auslegung zugänglich. Dies ist wohl auch die Erklärung, dass in ständiger Judikatur der Oberste Gerichtshof wie auch der Verwaltungsgerichtshof drei mit einander völlig unvereinbare Auslegungsvariante (samt diversen ebenfalls miteinander nicht im Einklang zu bringender Unterauslegungsvarianten) gleichzeitig und willkürlich alternativ anwenden, sodass bis zu einem Zeitraum von achtzehn Tagen es willkürlich möglich ist, entweder den Tag der ersten Bereithaltung oder den der Rückkunft folgenden Abholtag als Zustellzeitpunkt anzunehmen.

Eine solche Konstellation bewirkt, dass es in vielen Fällen dem reinen Zufall anheim gestellt ist, ob ein durch Art6 Abs1 EMRK bzw durch Art13 EMRK garantierter Rechtsbehelf zu einer meritorischen Befassung der Rechtsschutzinstanzen führt oder nicht.

Letztlich liegt es in vielen Konstellationen im Belieben des Organwalters der jeweiligen Rechtsschutzinstanz, ob er ein Rechtsmittel seiner rechtmäßigen Behandlung zuführt oder aber diesem Rechtsmittel die meritorische Behandlung verweigert. Bedenklich ist diese Rechtslage auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Zurückweisung eines Rechtsmittels einen geringen Aufwand für den entscheidenden Organwalter erfordert, und daher ein (insbesondere unter einem Belastungs- und Erledigungsdruck stehender) Organwalter geneigt ist, im Zweifel die Auslegungsvariante heranzuziehen, welche eine Zurückweisung des Rechtsmittels ermöglicht.

Wie nun aber insbesondere bereits in den Kapiteln VI.1.2.2) und VI.1.2.3) dargestellt, stellt die exakte Bestimmbarkeit des Tags des Wirksamwerdens eines hoheitlichen individuellen Vollzugsakts eine essentielle Voraussetzung für die Gewährleistung aller rechtsstaatlichen Garantien dar.

 

VI.4) Verstoß gegen Art47 GRC:

 

VI.4.1) Vorliegen einer Vollziehung von EU-Recht beim gegenständlichen Anlassfall:

 

VI.4.1.1) maßgebliche Rechtsgrundlagen:

Art31 der Charta der Grundrechte samt Überschrift lautet wie folgt: 'Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.

(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.'

Art47 der Charta samt Überschrift lautet wie folgt:

'Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

(1) Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

(2) Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

(3) Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.'

Art7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (kurz: RL 2003/88/EG ) lautet:

'Jahresurlaub

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.'

Nach Art17 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten von bestimmten Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen. Im Hinblick auf die Regelung des Art7 dieser Richtlinie ist allerdings keine Abweichung erlaubt.

 

VI.4.1.2) Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Art7 Abs1 der Richtlinie 2003/88 :

Nach dem Wortlaut des Art7 Abs1 der Richtlinie 2003/88 i.V.m. Art31 Abs2 der Charta hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Dieser Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen.[Vgl. EuGH 20. Juli 2016, C341/15, Rn. 25 (Maschek) und die dort angeführte Rechtsprechung; 13.12.2018, C-385/17 , Rn 22 (Hein)]

Dieser jedem Arbeitnehmer zustehende Anspruch ist zudem in Art31 Abs2 der Charta der Grundrechte primärrechtlich ausdrücklich verankert.[Vgl. EuGH 8.11.2012, C229/11 und C230/11, Rn 22 (Heimann und Toltschin); 29.11.2017, C214/16, Rn 33 (King); 4.10.2018, C12/17, Rn. 25 (Dicu); 13.12.2018, C-385/17 , Rn 23 (Hein)]

Die durch diese Bestimmung garantierten Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Zahlung des Urlaubsentgelts stellen zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs dar.[Vgl. EuGH 20.1.2009, C-350/06 und C-520/06 , Rn 60 (Schultz-Hoff); 15.9.2011, C-155/10 , Rn 26 (Williams); 13.12.2018, C-385/17 , Rn 24 (Hein)] Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Ausdruck 'bezahlter Jahresurlaub' in Art7 Abs1 der Richtlinie 2003/88 bedeutet, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des 'Jahresurlaubs' im Sinne dieser Richtlinie weiter zu gewähren ist, und dass der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss.[Vgl. EuGH 16.3.2006, C-131/04 und C-257/04 , Rn 50 (Robinson-Steele); 15.9.2011, C-155/10 , Rn 19 (Williams); 29.11.2017, C-214/16 , Rn 35 (King); 13.12.2018, C-385/17 , Rn 32 (Hein)]

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird mit dem in Art7 der Richtlinie 2003/88 verankerten Anspruch auf Jahresurlaub der Zweck verfolgt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen.[Vgl. EuGH 20.1.2009, C-350/06 und C-520/06 , Rn 25 (Schultz-Hoff); 30.6.2016, C-178/15 , Rn 25 (Sobczyszyn); 20.7.2016, C341/15, Rn 34 (Maschek); 29.11.2017, C-214/16 , Rn 37 (King); 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16 , Rn 41ff (Bauer und Broßonn)]

Dementsprechend soll der garantierte Anspruch auf ein bezahltes Urlaubsentgelt es dem Arbeitnehmer ermöglichen, den Urlaub, auf den er Anspruch hat, auch tatsächlich zu nehmen.[Vgl. EuGH 16.3.2006, C-131/04 und C-257/04 , Rn 60 (Robinson-Steele); 29.11.2017, C-214/16 , Rn 35 (King); 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16 , Rn 40 (Bauer und Broßonn)]

Zudem ergibt sich insbesondere aus dem ersten, vierten, siebten und achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/08 , dass diese auch das Ziel der Angleichung der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften verfolgt.[Vgl. etwa EuGH 26.6.2001, C-173/99 , Rn 37 (Bectu); 9.9.2003, C-151/02 , Rn 45, 47 (Jaeger); 5.10.2004, C‑397/01 , Rn 91 (Pfeiffer); 1.12.2005, C-14/04 , Rn 40 (Dallas); Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 24.1.2008, C-520/06 , Rn 47 (Stringer)]

Aus dem Wortlaut des Art7 der Richtlinie 2003/88 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass es die Pflicht der Mitgliedstaaten ist, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Wahrnehmung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen und dabei die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer diesen Anspruch geltend machen können.[Vgl. EuGH 20.1.2009, C350/06 und C520/06, Rn 28 (Schultz-Hoff); 12.6.2014, C-118/13 , Rn 20f (Bollacke); 29.11.2017, C-214/16 , Rn 34f (King); 6.11.2018, C-684/16 , Rn 34 (Max-Plank-Gesellschaft); 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16 , Rn 39f (Bauer und Broßonn)] Insbesondere haben die Mitgliedstaaten geeignete gesetzliche Maßnahmen zu setzen, um mit Art7 der Richtlinie 2003/88/EG unvereinbare Praktiken zu unterbinden.[Vgl. EuGH 16.3.2006, C131/04 und C-257/04 , Rn 67 (Robinson-Steele)]

 

VI.4.1.3) Darstellung der relevanten Vorschriften des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes und Ausführungen zur deren Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Art7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie Folgerung der Vollziehung von EU-Recht im gegenständlichen Anlassverfahren:

Die Umsetzung des Art7 der Richtlinie 2003/88/EG für einen gesetzlich näher bestimmten Kreis von in der Bauwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern (vgl die §§2 und 3 BUAG) erfolgt durch die §§4 bis 12, 22 bis 23, 24 bis 29a Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG):

Der gegenständlich bekämpfte und den Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens bildende Bescheid wurde auf Grundlage der Bestimmung des §25 BUAG erlassen. Durch diese Bestimmung wird der durch §14 Abs2 BUAG als öffentliche Rechtsträgerin eingerichteten 'Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK)' das Recht zugesprochen, Bauunternehmen 'Zuschläge' und 'Nebengebühren' vorzuschreiben. Im Falle der Nichtbezahlung dieser 'Zuschläge' bzw 'Nebengebühren' wird der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) durch §25 Abs3 BUAG das Recht zur Erlassung eines Rückstandsausweises zuerkannt. Bei einem Rückstandsausweis handelt es sich um einen hoheitlichen Rechtsakt, mit welchem eine fällige Forderung einer im Regelfall öffentlich-rechtlichen Körperschaft festgestellt wird. Wenn dieser Rückstandsausweis nicht beeinsprucht wird, ist dieser ein gültiger Exekutionstitel, und somit insbesondere in einem gerichtlichen Exekutionsverfahren vollstreckbar.

Gegen einen Rückstandsausweis gemäß §25 Abs3 BUAG kann das durch diesen belastete Unternehmen ein Rechtsmittel namens 'Einspruch' an die Bezirksverwaltungsbehörde einbringen, welche sodann über diesen Einspruch mit einem Bescheid abzusprechen hat. Gegen einen solchen Bescheid steht dem belasteten Bauunternehmer gemäß Art132 i.V.m. Art130 und Art131 B‑VG das Rechtsmittel der 'Beschwerde' an das zuständige Landesverwaltungsgericht zu. Solch eine Beschwerde ist der Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Die Höhe der von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) durch einen Rückstandsausweis einem Bauunternehmen regelmäßig vorschreibbaren Forderung namens 'Zuschlag' wird durch die Bestimmungen der §§21 und 21a BUAG näher geregelt. §25 Abs4 BUAG bestimmt die Höhe der von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) vorschreibbaren 'Nebengebühr'.

Durch diese gesetzlich normierten Zahlungspflichten von Bauunternehmungen ('Zuschlag' und 'Nebengebühr') erfolgt die Finanzierung der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK), deren Aufgabe wiederum darin besteht, bestimmte Entgeltansprüche, welche ein Dienstnehmer des verpflichteten Bauunternehmens gegen dieses Bauunternehmen hat, anstelle des verpflichteten Bauunternehmens dem Dienstnehmer dieses Bauunternehmens auszuzahlen. So normiert §8 Abs1 letzter Satz BUAG, dass 'der Anspruch [des Arbeitnehmers] auf Urlaubsentgelt sich gegen die Urlaubs-und Abfertigungskasse (richtet)'. Daher hat auch ein Arbeitnehmer, welcher ein Urlaubsentgelt ausbezahlt erhalten will, gemäß §8 Abs2 BUAG bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) einen entsprechenden Auszahlungsantrag einzubringen. Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) nimmt daher insbesondere im Umfang dieser (durch Art7 der Richtlinie 2003/88/EG garantierten) Arbeitnehmerentgeltansprüche eine Auszahlungsfunktion für das zur Zuschlags- und Nebengebührenzahlung verpflichtete Bauunternehmen wahr.[Gemäß §8 BUAG dürfen die in den §§2 und 3 BUAG angeführten Unternehmen die deren Dienstnehmern zustehenden Entgeltansprüche aus den Titeln des Urlaubs nur von einem eigens eingerichteten Konto auszahlen. Dieses Konto wird gemäß §8 Abs3 BUAG von den vom Unternehmen an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) geleisteten Zahlungen gespeist. Ein von diesem Gesetz betroffener Dienstnehmer erhält gemäß §8 bzw 9 bzw 13f BUAG bzw §13m BUAG die diesem Dienstnehmer zustehenden Entgeltansprüche aus den Titeln des Urlaubs, der Abfertigung und den übrigen Anspruchsgrundlagen entweder von diesem von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) kontrollierten Konto oder direkt von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) ausbezahlt.]

Zu der von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) für die jeweiligen Bauunternehmer wahrzunehmenden Entgeltauszahlungsaufgabe zählt auch die Auszahlung der einem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubsentgelte (vgl §8 BUAG) bzw Urlaubsersatzleistungen (vgl §9 BUAG). Zudem erfolgt durch die §§4 bis 7 BUAG die nähere Konkretisierung der einem Arbeitnehmer eines durch die §§2 und 3 BUAG erfassten Bauunternehmens gegenüber dessen Dienstgeber geltend machbaren Urlaubsgewährungsansprüche (daher der geltend machbaren Urlaubsruhezeitansprüche).

Diese Art der Umsetzung der Vorgaben des Art7 der Richtlinie 2003/88/EG durch die Zwischenschaltung einer Garantieeinrichtung erfolgt nach der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union in Übereinstimmung mit dem durch diese Richtlinienbestimmung verfolgten Schutzziel des Arbeitnehmerschutzes[Zur grundsätzlichen Geeignetheit der gesetzlichen Schaffung einer Garantieeinrichtung zur Erreichung des auch durch Art7 der Richtlinie 2003/88/EG verfolgten Schutzzwecks des Arbeitnehmerschutzes vgl etwa EuGH 28.3.1996, C‑272/94 , Rn 12ff (Guiot); 14.7.1998, C-125/97 , Rn 20 (Regeling); 25.10.2001, C‑49/98 , C-50/98 , C-52/98 , C-54/98 , Rn 45,49,53 (Finalarte), 18.7.2007, C‑490/04 , Rn 46 (Bundesrepublik Deutschland); Vgl. zur Geeignetheit der gesetzlichen Schaffung einer Garantieeinrichtung zum Zwecke des Schutzzwecks des Arbeitnehmerschutzes EuGH 25.9.2002, C-341/02 (Bundesrepublik Deutschland); 17.11.2011, C-435/10 (Ardennen); 5.11.2014, C-11/13 (Tümer); 24.11.2016, C‑454/15 ; 25.7.2018, C-338/17 (Guigo)] und werden die Vorgaben des Art7 der Richtlinie 2003/88/EG durch viele nationale Rechtsordnungen auf diese Weise umgesetzt[Vgl. etwa in Frankreich (Caisse Nationale de Surcompensation du Bätiment et des Travaux Publics de France), in Belgien (Office Nationale de Sdcuritd Sociale), in Italien (Commissione Nazionale Paritetica per le Casse Edili), in den Niederlanden (Stichting Vakantiefonds voor de Bouwnijverheid und Stichting Vakantiefonds voor de Landbouw), in Deutschland (Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft) (vgl dazu auch Schlussanträge des Generalanwalts Colmer, C-490/04 , Rn 64 [Bundesrepublik Deutschland])].

Weiters hat der Gerichtshof der Europäischen Union zur Rolle der nationalen Gerichte bei einem Verfahren über eine Rechtsstreitigkeit zwischen Privatpersonen, in dem sich zeigt, dass die fragliche nationale Regelung gegen das Unionsrecht verstößt, klargestellt, dass es diesen Gerichten obliegt, den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, wobei nationale Gericht die volle Wirkung der unionsrechtlichen Bestimmungen zu gewährleisten haben.[Vgl. EuGH 19.1.2010, C-555/07 , Rn 45 (Kücükdeveci); 19.4.2016, C-441/14 , Rn. 29 (DI); 13.12.2018, C-385/17 , Rn 48 (Hein)] In diesem Zusammenhang sind die Mitgliedstaaten auch verpflichtet, einem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Wahrnehmung eines wirksamen Rechtsbehelfs i.S.d. Art47 der Charta einzuräumen.[Vgl. EuGH 29.11.2017, C‑214/16 , Rn 41 (King)]

Wenn man sich vor Augen hält, dass die nach der oa Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union zulässige Umsetzungsvariante der Zwischenschaltung einer Garantieeinrichtung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber auch Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen einer Garantieeinrichtung und einem Arbeitnehmer wie auch zwischen einer Garantieeinrichtung und einem Arbeitgeber schafft, kann im Lichte der Vorgaben des Art47 der Charta nach Ansicht des antragstellenden Gerichts nichts anderes für Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Arbeitnehmer und einer Garantieeinrichtung bzw zwischen einem Arbeitgeber und einer Garantieeinrichtung gelten. Auch im Hinblick auf diese Rechtsverhältnisse haben daher die Vorgaben des Art7 der Richtlinie 2003/88/EG und der sonstigen unionsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere von den Gerichten) beachtet zu werden.

Im Übrigen hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch ausgesprochen, dass ein Vollstreckungsverfahren im Hinblick auf einen Hoheitsakt, durch welchen EU-Recht durchgeführt wurde, auch in Durchführung von EU-Recht ergeht.[Vgl. EuGH 30.6.2016, C-205/15 , Rn 26-28 (Toma)]

Durch das gegenständliche Anlassverfahren hat das Verwaltungsgericht Wien daher EU-Recht zu vollziehen.

 

VI.4.2) Beachtlichkeit der Vorgaben der GRC in Verfahren gemäß Art140 B‑VG:

Im Erkenntnis vom 14.3.2012, ZI. U466/11, VfSlg 19.632, hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Geltendmachung der von der Grundrechte-Charta der Europäischen Union garantierten Rechte vor dem Verfassungsgerichtshof als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte zulässig ist. Daher ist die EU-Grundrechte-Charta auch ein Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle gemäß Art140 B‑VG.

 

VI.4.3) Konkretisierung der Bedenken:

Da die Garantien des Art47 Abs2 GRC den Garantien der Artt. 6 Abs1 und 13 EMRK nachgebildet sind, wird zur Vermeidung unnötigen Wiederholungen auf die unter Punkt VI.3.2) angeführten Bedenken verwiesen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

 

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

4. Im Anlassverfahren stellt sich – soweit für das Gesetzesprüfungsverfahren relevant – im Wesentlichen die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde. Die Rechtzeitigkeit der Beschwerde ist im vorliegenden Fall fraglich, weil die Zustellung des bekämpften Bescheids gemäß §17 ZustG durch Hinterlegung vorgenommen wurde; zu klären ist, ob der Beschwerdeführer trotz einer bescheinigten Abwesenheit von der Abgabestelle zum Zeitpunkt des Zustellvorgangs 'rechtzeitig' im Sinne des §17 Abs3 ZustG Kenntnis von diesem Zustellvorgang erlangen konnte. Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts erfüllen die angefochtenen Teile des §17 Abs3 ZustG nicht die – in Bezug auf Rechtsmittelfristen besonders streng auszulegenden – Anforderungen des in Art18 Abs1 B‑VG enthaltenen Determinierungsgebots. Auch in Bezug auf Art7 B‑VG, Art6 EMRK und Art47 GRC hegt das Verwaltungsgericht Wien Bedenken.

5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat, notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf. Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (vgl zu alldem jüngst VfGH 10.3.2020, G163/2019 ua mwN).

6. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre, der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde, oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl erneut VfGH 10.3.2020, G163/2019 ua mwN).

7. Der vom antragstellenden Gericht gewählte Anfechtungsumfang erweist sich schon deshalb als zu eng, weil sich die (auf den Anlassfall bezogenen) Bedenken im Wesentlichen gegen die mangelnde Bestimmtheit des Beginns der Rechtsmittelfrist richten. Dabei übersieht das antragstellende Gericht nach Ansicht der Bundesregierung, dass in der angefochtenen Bestimmung bloß eine Regelung über die Zustellung getroffen wird, die für sich genommen keinen Zusammenhang zur Beschwerdefrist hat. Vielmehr hätte das antragstellende Gericht vor dem Hintergrund seiner Bedenken auch die Anknüpfung an den Tag der Zustellung als Beginn der Beschwerdefrist in §7 Abs4 Z1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, miteinzubeziehen gehabt. Der vorliegende Antrag erweist sich nach Ansicht der Bundesregierung bereits aus diesem Grund insgesamt als unzulässig.

8. Selbst wenn man davon ausginge, dass die alleinige Anfechtung von Teilen des §17 Abs3 ZustG für sich genommen zulässig sei, erwiese sich der konkret gewählte Anfechtungsumfang als unzulässig:

 Der Primärantrag ließe im Fall seines Erfolges einen sprachlich unverständlichen Torso zurück, weil der verbleibende Satzteil nur in Zusammenhang mit einer auf eine Abwesenheit von der Abgabestelle bezogenen Abweichung von der Regel des §17 Abs3 dritter Satz ZustG Sinn ergibt. Ohne eine derartige Abweichung bliebe der verbleibende Teil des §17 Abs3 letzter Satz ZustG auch ohne Anwendungsbereich.

 Mit der vom ersten Eventualantrag angestrebten Aufhebung würde hingegen die angenommene Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt, weil mit dem Wort 'rechtzeitig' das einzige – wenn auch nach Ansicht des antragstellenden Gerichts zu unbestimmte – Kriterium in Bezug auf die Kenntnis vom Zustellvorgang beseitigt würde. Es wäre in diesem Fall unklar, wann die Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt werden müsste.

 Der zweite Eventualantrag würde hingegen dazu führen, dass der verbleibende Gesetzesteil einen dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbaren, weil unsachlichen, Inhalt hätte. Gerade §17 Abs3 letzter Satz ZustG stellt sicher, dass es bei vom Empfänger unverschuldeter Unkenntnis vom Zustellvorgang nicht zu einer Benachteiligung dieses Empfängers kommen soll. In Anbetracht dessen scheint die mit dem zweiten Eventualantrag bewirkte ausnahmslose Festlegung des Zustellzeitpunkts mit dem ersten Tag der Abholfrist als unsachlich.

9. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag zur Gänze unzulässig ist.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:

 

III. In der Sache:

10. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

 

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art18 Abs1 B‑VG (iVm. Art83 Abs2 B‑VG)

11. Das antragstellende Gericht ist im Wesentlichen der Ansicht, dass das Wort 'rechtzeitig' in §17 Abs3 ZustG den Anforderungen des in Art18 Abs1 B‑VG enthaltenen Determinierungsgebots nicht entspricht. Dies leitet das Verwaltungsgericht Wien daraus ab, dass es in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (und des Obersten Gerichtshofes) mehrere unterschiedliche Rechtsprechungslinien gebe, die dazu führten, dass im Falle einer Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle im Zeitpunkt des Zustellvorgangs innerhalb eines Zeitraums von bis zu 18 Tagen willkürlich festgestellt werden könne, ob die Zustellung im Falle der Hinterlegung mit dem ersten Tag der Abholfrist oder dem der Rückkehr folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam werde.

12. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Verwendung so genannter unbestimmter Gesetzesbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, dann mit Art18 B‑VG vereinbar ist, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (zB VfSlg 6477/1971 mwN; ferner VfSlg 11.776/1988 zu unbestimmten Gesetzesbegriffen in einem Straftatbestand). Er hat auch die Auffassung vertreten, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ganz allgemein davon auszugehen sei, dass Art18 B‑VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlange (vgl zB VfSlg 13.785/1994, 15.468/1999, 16.993/2003, 17.349/2004 und 19.771/2013).

13. Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl zB VfSlg 8209/1977, 9883/1983 und 12.947/1991). Bei der Ermittlung des Inhalts einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt, verletzt die Regelung die in Art18 B‑VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl zB VfSlg 5993/1969, 7163/1973, 7521/1975, 8209/1977, 8395/1978, 11.499/1987, 14.466/1996, 14.631/1996, 15.493/1999, 16.137/2001 und 16.635/2002).

14. Nun ist dem antragstellenden Gericht zuzugestehen, dass es in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Wortes 'rechtzeitig' im Sinne des §17 Abs3 ZustG zwei Anknüpfungspunkte gibt; einerseits die dem Empfänger oder der Empfängerin verbleibende Rechtsmittelfrist und andererseits den Vergleich des Empfängers oder der Empfängerin mit der Mehrheit der berufstätigen Bevölkerung und dem Zeitraum, der auch im Fall einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof allerdings ausführlich in der auch im Antrag zitierten Entscheidung VwGH 25.6.2015, Ro 2014/07/0107, dargelegt hat, erweisen sich diese Judikaturlinien nicht als unvereinbar. Dies ist auch daran erkennbar, dass der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen beide Judikaturlinien gemeinsam heranzieht (vgl etwa VwGH 25.4.2014, 2012/10/0060). Die gemeinsame Heranziehung und die Übereinstimmung des Ergebnisses der Beurteilung der 'Rechtzeitigkeit' nach diesen beiden Rechtsprechungslinien liegt auch darin begründet, dass beiden im Kern zugrunde liegt, eine Benachteiligung des Empfängers oder der Empfängerin zu vermeiden. Die Kenntnis vom Zustellvorgang ist somit dann als 'rechtzeitig' zu beurteilen, wenn der Empfänger durch den in seiner Abwesenheit durchgeführten Zustellvorgang nicht (signifikant) schlechter gestellt wird; dass diese Beurteilung im Einzelfall unterschiedlich ausfallen kann, führt allerdings nicht zu einer Verletzung des Determinierungsgebots, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass Gerichtsentscheidungen auf alle Umstände dieses Einzelfalls Rücksicht nehmen.

15. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nach Ansicht der Bundesregierung der Sinngehalt des Wortes 'rechtzeitig' in §17 Abs3 ZustG daher den Anforderungen des Art18 Abs1 B‑VG entsprechend bestimmt werden (vgl VfSlg 20.288/2018).

Auch der Verfassungsgerichtshof dürfte keine Bedenken in Bezug auf eine mangelnde Bestimmtheit des Wortes 'rechtzeitig' hegen, wie aus der Auslegung dieses Wortes durch den Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in mehreren Entscheidungen abzuleiten ist (vgl VfSlg 19.063/2010; 19.111/2010; VfGH 27.6.2012, B249/12).

16. Da sich die Bedenken in Bezug auf Art6 EMRK und Art47 GRC ebenfalls auf die soeben widerlegte Behauptung der Unbestimmtheit des Wortes 'rechtzeitig' stützen, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf diese Bedenken.

 

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art7 B‑VG

17. Da sich die Bedenken in Bezug auf Art7 B‑VG nicht gegen das Gesetz richten, sondern gegen bestimmte Aspekte der Auslegung der angefochtenen Bestimmung durch den Verwaltungsgerichtshof (und den Obersten Gerichtshof), erweisen sich diese Bedenken als unzulässig (vgl VfSlg 20.279/2018 mwN). Eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Bedenken kann daher unterbleiben.

18. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

 

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung zweifeln ließe.

1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

1.3. Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, der Anfechtungsumfang erweise sich schon deshalb als zu eng, weil sich die Bedenken im Wesentlichen gegen die mangelnde Bestimmtheit des Beginns der Rechtsmittelfrist richteten, jedoch §7 Abs4 Z1 VwGVG, wonach die Frist für Bescheidbeschwerden mit dem Tag der Zustellung beginnt, nicht mitangefochten worden sei.

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da das antragstellende Gericht Bedenken in erster Linie dahingehend hegt, dass nicht klar bestimmbar sei, wann im Fall der Hinterlegung gemäß §17 ZustellG "rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt" werden konnte und nicht dagegen, dass der Beginn der Beschwerdefrist an den Tag der Zustellung anknüpft. Vor dem Hintergrund der Bedenken besteht daher keine untrennbare Einheit zwischen der angefochtenen Bestimmung und §7 Abs4 Z1 VwGVG.

1.4. Die Bundesregierung bringt des Weiteren vor, der Hauptantrag sei unzulässig, da diesfalls ein sprachlich unverständlicher Torso zurückbleibe. Mit dem ersten Eventualantrag würde die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt, da in diesem Fall unklar wäre, wann die Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt werden müsste.Auch der zweite Eventualantrag sei zurückzuweisen, da er dazu führe, dass der verbleibende Gesetzesteil einen dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbaren, weil unsachlichen, Inhalt hätte.

Mit diesem Vorbringen ist die Bundesregierung teilweise im Recht: Im Falle der Aufhebung der mit dem Hauptantrag angefochtenen Wortfolge verbliebe in §17 Abs3 letzter Satz ZustellG lediglich die ohne den ersten Satzteil sinnentleerte Wendung "doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte." und damit ein sprachlich unverständlicher Torso. Der Hauptantrag erweist sich daher als zu eng. Zulässig ist jedoch der erste Eventualantrag, soweit das antragstellende Gericht einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot geltend macht: Entgegen der Auffassung der Bundesregierung würde die behauptete Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung des Begriffs "rechtzeitig" beseitigt. Diesfalls würde die Zustellung bei mangelnder Kenntnis vom Zustellvorgang wegen Abwesenheit von der Abgabestelle erst an dem auf die Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

1.5. Das antragstellende Gericht bringt weiters vor, dass manche der unterschiedlichen höchstgerichtlichen Auslegungsvarianten zur angefochtenen Bestimmung gegen Art7 B‑VG verstoßen. Mit diesem Vorbringen macht das antragstellende Gericht lediglich Vollzugsmängel und keine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung geltend, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

Im Übrigen erweist sich der erste Eventualantrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Das antragstellende Gericht hegt Bedenken im Lichte des Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B‑VG, da nicht bestimmbar sei, wann eine Zustellung iSd angefochtenen Bestimmung als erfolgt gelte, wenn der Empfänger nicht bloß tagsüber von der Abgabestelle abwesend gewesen sei. Vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art18 B‑VG liege zudem ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot eines effektiven Rechtsschutzes vor, wenn der Empfänger eines Dokuments nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln könne, wann der Inhalt dieses Dokuments wirksam werde, etwa die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels (bzw auch eine andere Frist oder Rechtspflicht etc.) zu laufen beginne. Durch die unterschiedliche höchstgerichtliche Judikatur werde ein Zeitraum von bis zu 18 Tagen eröffnet, in dem das betreffende Dokument entweder mit dem Tag, an dem es erstmals zur Abholung bereitgehalten wird oder mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Kalendertag als zugestellt gelte. Damit liege die Wirksamkeit der Zustellung im Belieben des Vollzugsorgans, wodurch ferner zum einen das "Gebot der Unterbindung behördlicher Willkür" verletzt und zum anderen der Zugang zum Gericht faktisch verwehrt werde, was gegen Art6 Abs1 und Art13 EMRK verstoße. Aus den selben Gründen sei auch eine Verletzung von Art47 GRC anzunehmen, der ebenfalls Prüfungsmaßstab sei, da das antragstellende Gericht im Anlassverfahren Unionsrecht zu vollziehen habe.

2.3. Die Bundesregierung hält §17 Abs3 ZustellG für hinreichend bestimmt: Die beiden unterschiedlichen Judikaturlinien zur Auslegung des Begriffs "rechtzeitig" habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zusammengeführt; der Empfänger erlange dann "rechtzeitig" Kenntnis vom in seiner Abwesenheit durchgeführten Zustellvorgang, wenn er dadurch nicht (signifikant) schlechter gestellt werde, als ein Empfänger, der sich berufsbedingt nur tagsüber nicht in der Abgabestelle aufgehalten hat und das Dokument einige Tage später behebt. Auch der Verfassungsgerichtshof hege in dieser Hinsicht keine Bedenken, wie aus mehreren Entscheidungen ersichtlich sei, in denen der Verfassungsgerichtshof zur Auslegung von "rechtzeitig" auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen habe. Die Bedenken im Hinblick auf Art6 EMRK und Art47 GRC stützten sich ebenfalls auf die mangelnde Bestimmtheit des Wortes "rechtzeitig", weshalb sich ein Eingehen auf diese Bedenken erübrige.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Verwendung sogenannter unbestimmter Gesetzesbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, dann mit Art18 B‑VG vereinbar ist, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (vgl zB VfSlg 6477/1971 mwN; ferner VfSlg 11.776/1988 zu unbestimmten Gesetzesbegriffen in einem Straftatbestand). Art18 B‑VG verlangt dabei – angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können – einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad (vgl zB VfSlg 13.785/1994).

Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl zB VfSlg 8209/1977, 9883/1983 und 12.947/1991). Bei der Ermittlung des Inhalts einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt, verletzt die Regelung die in Art18 B‑VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl zB VfSlg 5993/1969, 7163/1973, 7521/1975, 8209/1977, 8395/1978, 11.499/1987, 14.466/1996, 14.631/1996 und 15.493/1999 sowie 16.137/2001 und 16.635/2002).

2.5. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien als nicht begründet:

2.5.1. Wie das antragstellende Gericht zutreffend ausführt, haben sich insbesondere der Verwaltungsgerichtshof und der Oberste Gerichtshof bereits eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Empfänger gemäß §17 Abs3 letzter Satz ZustellG "nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte", und dabei im Wesentlichen zwei Judikaturlinien entwickelt.

2.5.2. Dass diese beiden unterschiedlichen Judikaturlinien einander nicht widersprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof in VwSlg 19.150 A/2015 dargelegt: Demnach lag in den Fällen, in denen bei bis zu vier Tagen nach Beginn der Abholfrist noch von einer rechtzeitigen Kenntnisnahme von der Hinterlegung ausgegangen wurde, ein Wochenende zwischen Hinterlegungszeitpunkt und Abholung. Hier besteht kein signifikanter Unterschied zu jenem Teil der berufstätigen Bevölkerung, der am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfährt und die Sendung – bedingt durch die Berufstätigkeit – erst einige Tage später behebt. Bei einer angenommenen Abholung von bis zu vier Tagen nach Beginn der Abholfrist verblieb in der Regel auch eine angemessene Frist, ein Rechtsmittel einzubringen; in vielen Erkenntnissen wurden und werden daher auch beide Argumentationslinien des Verwaltungsgerichtshofes gemeinsam wiedergegeben und dann einzelfallbezogen entschieden, ob die Kenntnisnahme vom Zustellvorgang noch rechtzeitig iSd §17 Abs3 ZustellG erfolgt ist oder nicht (vgl zB VwGH 24.5.2007, 2006/07/0101; 25.4.2014, 2012/10/0060).

2.5.3. Um eine umfassende Einzelfallbetrachtung zu ermöglichen, eröffnet die angefochtene Bestimmung einen Spielraum und weist dadurch zwangsläufig gewisse Unschärfen auf – das macht sie, anders als das antragstellende Gericht vermeint, jedoch noch nicht zu unbestimmt. In Anbetracht der angeführten Judikatur vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass es dem Einzelnen nicht möglich wäre, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren (vgl VfSlg 20.288/2018); es ist sohin hinreichend klar geregelt, wann die Zustellung iSd §17 Abs3 letzter Satz ZustellG wirksam wird.

2.5.4. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch ein Eingehen auf die weiteren Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip, Art6 Abs1 und Art13 EMRK sowie Art47 GRC, da sie letztlich auf der vermeintlichen Unbestimmtheit der angefochtenen Bestimmung fußen.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des in §17 Abs3 letzter Satz enthaltenen Wortes "rechtzeitig" erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der erste Eventualantrag ist daher insoweit abzuweisen.

2. Der Hauptantrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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