VwGH 88/17/0135

VwGH88/17/013513.10.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der IB in L, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 9. Juni 1988, Zl. Jv 1480 - 33/88, betreffend Einbringung von Sachverständigengebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §7 Abs1;
StPO §44;
ZustG §9 Abs1;
GEG §7 Abs1;
StPO §44;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der beim Landesgericht Linz gegen FB, IA, IB und DB anhängigen Strafsache teilte Dr. Peter Wagner (der nunmehrige Beschwerdevertreter) dem Gericht mit Schriftsatz vom 8. März 1984 mit, F und IB (letzte die nunmehrige Beschwerdeführerin) hätten ihn, Dr. Peter Wagner, mit der Verteidigung betraut. Gleichzeitig legte Dr. Wagner die ihm von FB erteilte Vollmacht vor und teilte mit, die Beschwerdeführerin befinde sich bis voraussichtlich 10. April 1984 in Australien.

In diesem Strafverfahren erstattete der Sachverständige Professor Dkfm. Dr. WW Befund und Gutachten und nahm auch an der Hauptverhandlung teil, wofür er Gebühren von S 29.005,-- bzw. S 2.632,-- ansprach.

In der Hauptverhandlung vom 29. Mai 1984 waren die Beschuldigten F und IB sowie IA anwesend; für die beiden Erstgenannten schritt Dr. Peter Wagner als Verteidiger ein.

Mit Urteil vom selben Tage wurden die drei genannten Beschuldigten des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt und zu bedingten Freiheitsstrafen sowie zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens verurteilt. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft. Das Strafverfahren gegen DB war mit Beschluß vom 11. Jänner 1984 gemäß § 90 StPO eingestellt worden.

Mit Zahlungsauftrag vom 29. Jänner 1986 schrieb der Kostenbeamte den drei Verurteilten die obengenannten, aus Amtsgeldern ausbezahlten Gebühren des Sachverständigen zur Zahlung vor.

Mit Bescheid vom 16. September 1987 hob der Revisor beim Landesgericht Linz den genannten Zahlungsauftrag gemäß § 7 Abs. 4 GEG 1962 zur Gänze auf. Dies mit der Begründung, die dem Zahlungsauftrag zu Grunde liegenden Beschlüsse über die Bestimmung der Sachverständigengebühren seien im Zeitpunkt der Erlassung des Zahlungsauftrages noch nicht rechtskräftig gewesen und es sei darüber hinaus noch keine Beschlußfassung im Sinne des § 389 Abs. 3 StPO erfolgt.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 22. September 1987 wurden die Sachverständigengebühren mit S 21.753,75 bzw. S 2.632,--

bestimmt und ausgesprochen, alle drei Verurteilten hafteten zur ungeteilten Hand für die Bezahlung dieser Kosten (§ 389 Abs. 3 StPO). In der Begründung dieses Beschlusses heißt es im wesentlichen, da das Verfahren hinsichtlich DB eingestellt worden sei, hätten die übrigen drei Verurteilten nur 3/4 des geforderten Betrages von S 29.005,--, das seien sohin S 21.753,75, zu bezahlen. Die Solidarhaftung für alle drei Verurteilten ergebe sich aus dem ungefähr gleichen Umfang des Gutachtens für die drei Verurteilten.

Die dagegen von Dr. Peter Wagner namens F und IB erhobene Kostenbeschwerde an das Oberlandesgericht Linz blieb erfolglos.

Mit (neuerlichem) Zahlungsauftrag vom 9. Dezember 1987 hob der Kostenbeamte von FB, IA und IB je zur ungeteilten Hand die genannten Sachverständigengebühren von S 21.753,75 und S 2.632,-- zuzüglich der Einhebungsgebühr nach § 6 GEG 1962, zusammen also einen Betrag von S 24.405,75, ein. Dieser Zahlungsauftrag wurde an FB am 18. Dezember 1987, an die Beschwerdeführerin am 22. Dezember 1987 zugestellt. Unbestrittenermaßen ist Dr. Peter Wagner die an FB zugestellte Ausfertigung des Zahlungsauftrages am 18. Dezember 1987 zugekommen.

Bereits am 14. Dezember 1987 war beim Landesgericht Linz eine Eingabe des Jörg Hobmaier, Rechtsanwalt in Innsbruck, eingegangen, womit dieser eine Vollmacht des FB vorlegte und um Aktenübersendung an die Rechtshilfeabteilung beim Bezirksgericht Innsbruck ersuchte.

Mit Schreiben an die Einbringungsstelle vom 7. Jänner 1987 wies Dr. Peter Wagner darauf hin, daß die Beschwerdeführerin weiterhin von ihm vertreten werde, und beantragte die Zustellung des Zahlungsauftrages an ihn. Aufgrund dieses Antrages wurde der Zahlungsauftrag am 28. April 1988 (auch) an Dr. Peter Wagner zugestellt.

Mit dem am 4. Mai 1988 bei Gericht eingelangten Berichtigungsantrag begehrte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Zahlungsauftrages vom 9. Dezember 1987. Das gegenständliche Strafverfahren sei mit Urteil vom 29. Mai 1984 rechtskräftig abgeschlossen worden, weshalb der Anspruch des Bundes auf Ersatz der Sachverständigengebühren verjährt sei.

Unterbrechungshandlungen seien nicht gesetzt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Landesgerichtes Linz dem Berichtigungsantrag nicht statt. Dies mit der Begründung, es stehe fest, daß der Zahlungsauftrag, in welchem auch die Beschwerdeführerin als Zahlungspflichtige aufscheine, ihrem Rechtsvertreter am 18. Dezember 1987 zugekommen sei, sodaß der Zustellmangel gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz Zustellgesetz geheilt und Verjährung nicht eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, zum Ersatz der Sachverständigengebühren nicht herangezogen zu werden, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In dem dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegenden Strafverfahren vor dem Landesgericht Linz langte der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Vornahme bestimmter Vorerhebungen unter anderem gegen die Beschwerdeführerin am 12. Jänner 1983 bei Gericht ein. Auf das vorliegende Verfahren ist daher gemäß Art. VI Z. 1 und 8 GGG der § 7 GEG 1962 in der Fassung vor seiner Änderung durch Art. II Z. 9 lit. a GGG anzuwenden (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 86/17/0180).

Gemäß § 7 Abs. 1 GEG 1962 in der genannten Fassung ist gegen den Zahlungsauftrag ein Rechtsmittel nicht zulässig. Der Zahlungspflichtige kann aber, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen, in Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrundeliegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht.

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. verjähren der Anspruch des Bundes auf Bezahlung der Gebühren und Kosten und der Anspruch auf Rückerstattung von unrichtig berechneten Gebühren und Kosten in drei Jahren. Die Verjährungsfristen beginnen mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Gebühren- und Kostenanspruch entstanden ist und die Person des Zahlungspflichtigen feststeht, frühestens jedoch mit rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die Verjährung durch die Aufforderung zur Zahlung, die Einbringung eines Ansuchens um Stundung oder Nachlaß und durch jede Eintreibungshandlung unterbrochen.

§ 9 Abs. 1 und 2 des mit 1. März 1983 in Kraft getretenen Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, haben folgenden Wortlaut:

"(1) Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

(2) Haben mehrere Personen einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten, so ist mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung des Schriftstückes an ihn die Zustellung an alle diese Personen bewirkt ...."

Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend, die Auffassung, ein allenfalls vorliegender Zustellmangel sei geheilt, weil ein Exemplar des Zahlungsauftrages ihrem Vertreter zugekommen sei, sei unrichtig, weil der an ihren Ehegatten adressierte Zahlungsauftrag weder für die Beschwerdeführerin noch für ihren Vertreter bestimmt gewesen sei. Selbst durch eine Übersendung das an sie selbst adressierten Zahlungsauftrages an ihren Vertreter wäre eine Heilung nicht erfolgt. § 9 Zustellgesetz sei nicht anwendbar.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Ginge man nämlich mit der belangten Behörde davon aus, daß Dr. Peter Wagner auch im Verfahren nach dem GEG 1962 Vertreter der Beschwerdeführerin war, dann hätte die Zustellung des Zahlungsauftrages vom 9. Dezember 1987 rechtens an ihn erfolgen müssen, d.h., daß die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 ZustG Dr. Wagner als Empfänger hätte bezeichnen müssen. Da dies nicht geschah, hätte die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen gegolten, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen war. Dies wäre am 18. Dezember 1987 der Fall gewesen. Hiebei hätte es keine Rolle gespielt, daß es sich bei dem dem Beschwerdevertreter zugekommenen Exemplar des Zahlungsauftrages um jenes gehandelt hätte, welches dem Ehegatten der Beschwerdeführerin zugestellt worden war. Denn im Zahlungsauftrag sind alle drei Beschuldigten (also auch die Beschwerdeführerin) als Zahlungspflichtige und damit zugleich als Bescheidadressaten, damit aber auch als Empfänger im Sinne des Zustellgesetzes genannt. Daran hätte auch die Vollmachtsvorlage durch Dr. Hobmeier für den Gatten der Beschwerdeführerin am 14. Dezember 1987 nichts geändert, zumal darin nicht zum Ausdruck kam, das Vertretungsverhältnis zwischen dem Beschwerdevertreter und dem Gatten der Beschwerdeführerin sei erloschen. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erging entweder vor Inkrafttreten des Zustellgesetzes (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.327/A) oder betrifft anders gelagerte Sachverhalte.

Von der Annahme ausgehend, daß mit dem 18. Dezember 1987, also dem Tag, an dem der Zahlungsauftrag dem Beschwerdevertreter zukam, die Zustellung als erfolgt anzusehen sei, hätte freilich die belangte Behörde den erst am 4. Mai 1988 überreichten Berichtigungsantrag nicht ab-, sondern wegen Verspätung zurückweisen müssen.

Tatsächlich erweist sich jedoch schon die Annahme, Dr. Peter Wagner sei Vertreter der Beschwerdeführerin im Verfahren nach dem GEG 1962 gewesen, als unrichtig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 1980, Zlen. 321, 581/80, sinngemäß dargetan hat, liegt der Fall, daß nur an den Vertreter wirksam zugestellt werden kann, dann nicht vor, wenn die Partei den Vertreter nicht im Verfahren vor dem Kostenbeamten, sondern lediglich in dem gerichtlichen Verfahren, das dem Verfahren nach dem GEG 1962 voranging, namhaft gemacht hatte (vgl. hiezu auch das Erkenntnis vom 11. Juni 1987, Zl. 86/16/0063). Die 14-tägige Frist zur Stellung eines Berichtigungsantrages beginnt daher, wenn der Vertreter der zahlungspflichtigen Partei nicht im Verfahren vor dem Kostenbeamten namhaft gemacht worden war, sondern lediglich in dem gerichtlichen Verfahren, das dem Verfahren nach dem GEG 1962 voranging, mit der Zustellung des Zahlungsauftrages an die Partei selbst. Letztere erfolgte am 22. Dezember 1987. Richtigerweise hätte daher die belangte Behörde den Berichtigungsantrag vom 4. Mai 1988 aus diesem Grund zurückweisen müssen. Dadurch, daß sie dies nicht getan, sondern über den Berichtigungsantrag im abweisenden Sinne meritorisch entschieden hat, wurde die Beschwerdeführerin jedoch im Beschwerdepunkt in ihren Rechten nicht verletzt.

Nur der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß die Annahme der Streitteile, die Beschwerdeführerin habe im Strafverfahren, insbesondere mit der Eingabe vom 8. März 1984, eine schriftliche Vollmacht an den Beschwerdevertreter gelegt, unzutreffend ist. Tatsächlich wurde damals, wie ausgeführt, lediglich eine Vollmacht des FB vorgelegt. Dies hätte freilich vom Standpunkt der belangten Behörde aus im Ergebnis keinen Unterschied gemacht, weil die Bestellung zum Verteidiger durch den Beschuldigten auch stillschweigend erfolgen kann und als bestellter Verteidiger jener Rechtsanwalt gilt, der für den persönlich anwesenden Angeklagten in der Hauptverhandlung Anträge stellt und Erklärungen abgibt (vgl. hiezu Foregger-Serini, StPO Kurzkommentar3 Seite 71; Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht, Zweiter Teil, Strafprozeßordnung2, Seite 141 f, E. 3., 6. zu § 44).

Aus obigen Erwägungen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 13. Oktober 1988

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