VwGH 98/04/0111

VwGH98/04/01112.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des EK in V, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in T., gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. April 1998, Zl. 1998/15/66-2, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Strafsache nach der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39;
AVG §63 Abs5;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §45 Abs1 Z2;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §21 Abs2;
AVG §37;
AVG §39;
AVG §63 Abs5;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §45 Abs1 Z2;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §21 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, mit dem er wegen einer Übertretung der GewO 1994 bestraft wurde, "als verspätet" zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sei dem Beschwerdeführer am 17. März 1998 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt V zugestellt worden. Damit habe die Berufungsfrist zu laufen begonnen. Der erste Zustellversuch habe am 16. März 1998 stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe nach seinen eigenen Angaben (erst) am 17. März 1998 einen Termin in Wien zu wahren gehabt. Er habe somit vom ersten Zustellversuch Kenntnis erlangen können. Ausgehend von der Hinterlegung am 17. März 1998 habe die Berufungsfrist am 31. März 1998 geendet, weshalb die am 1. April 1998 zur Post gegebene Berufung verspätet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Behauptung, der erste Zustellversuch habe am 16. März 1998 stattgefunden, widerspreche dem im Verwaltungsakt befindlichen Zustellnachweis. Das erstinstanzliche Straferkenntnis sei am 16. März 1998 von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck "erlassen" und am selben Tag zur Post gegeben worden. Dieses sei beim Postamt V "erst am 17. März 1998" eingelangt. Das gehe "zweifelsfrei und eindeutig aus den auf dem Rückschein befindlichen Poststempeln hervor". Es sei unmöglich, dass der Zustellbeamte bereits am 16. März 1998 einen ersten Zustellversuch unternommen habe. Das entsprechende Schriftstück könne an diesem Tag noch nicht beim zuständigen Postamt in V eingelangt gewesen sein. Der diesbezügliche Vermerk des Zustellers am Rückschein sei somit unrichtig. Daraus folge, dass das Poststück ohne Ankündigung eines zweiten Zustellversuches sofort hinterlegt worden sei. Die Zustellung durch Hinterlegung am 17. März 1998 sei daher unwirksam (erfolgt) und die Berufung rechtzeitig eingebracht worden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn eine Zustellung zu eigenen Handen erfolgen soll, kann eine Hinterlegung nach § 17 Zustellgesetz nicht schon dann vorgenommen werden, wenn die Sendung beim (ersten) Zustellversuch nicht zugestellt werden kann. § 21 Abs. 2 Zustellgesetz fordert vielmehr weitergehende Bemühungen mit dem Ziel, dass die Sendung wirklich demjenigen zukommt, für den sie persönlich ("zu eigenen Handen") bestimmt ist. Dementsprechend ist in der zuletzt genannten Gesetzesstelle - zwingend - angeordnet, dass nach einem erfolglosen ersten Zustellversuch dem Empfänger schriftlich ein zweiter Zustelltermin bekanntzugeben und er zu ersuchen ist, zu diesem Termin an der Abgabestelle zur Annahme der Sendung anwesend zu sein. Erst wenn der Empfänger auch zu diesem Termin (zweiter Zustellversuch) nicht angetroffen wird, darf gemäß dem letzten Satz des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz eine Hinterlegung nach § 17 leg. cit. mit den dort vorgesehenen Rechtsfolgen stattfinden. Zweck des im ersten Satz des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz genannten schriftlichen Ersuchens an den Empfänger, gleichzeitig zur bestimmten Zeit an der Abgabenstelle zur Annahme der Sendung anwesend zu sein, ist der, dem Empfänger tatsächlich die Möglichkeit der persönlichen Inempfangnahme des für ihn bestimmten Schriftstückes zu bieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1987, Zl. 86/14/0170). Die Bestimmung des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz führt dazu, dass eine Hinterlegung von Schriftstücken, die "zu eigenen Handen" zuzustellen sind, ohne Vornahme eines solchen zweiten Zustellversuches keine Rechtswirkungen entfalten kann.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass bei Zutreffen der Beschwerdebehauptung, der erste Zustellversuch sei am 17. März 1998 und ohne Vornahme eines zweiten Versuches am selben Tag die Hinterlegung erfolgt, eine rechtswirksame Zustellung am 17. März 1998 nicht anzunehmen und damit von der Rechtzeitigkeit der Berufung auszugehen wäre. Daran ändert auch nichts, wenn der Beschwerdeführer noch am 17. März 1998 von seinem Termin in Wien wieder nach Hause zurückgekehrt wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar (etwa in dem hg. Beschluss vom 26. November 1991, Zl. 91/14/0218, 0219) ausgeführt, dass eine kurzfristige Ortsabwesenheit der Annahme nicht entgegenstehe, der Empfänger halte sich regelmäßig an der Abgabestelle auf und er könne vom Zustellvorgang insofern "rechtzeitig" Kenntnis erlangen, als ihm ein für die Einbringung einer Beschwerde angemessener Zeitraum verblieb. Es sei keinesfalls erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die "volle Frist" für die Erhebung einer allfälligen Beschwerde zur Verfügung stehen müsse (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 19. September 1995, Zl. 95/14/0067). Diese Judikatur setzt aber voraus, dass überhaupt der im Gesetz vorgesehene Zustellvorgang (somit auch der zweite Zustellversuch gemäß § 21 Abs. 2 Zustellgesetz) eingehalten wurde.

Den Bescheidausführungen, wonach er am 16. März ortsanwesend gewesen sei und er daher im Falle eines an diesem Tage stattgefundenen Zustellversuches von einem solchen hätte Kenntnis erlangen können, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Die belangte Behörde ging entsprechend dem Vermerk des Zustellers auf dem Rückschein davon aus, dass am 16. März 1998 ein "erster Zustellversuch" an der Adresse des Beschwerdeführers durch das Zustellorgan des Postamtes V erfolgt sei. Dagegen verweist der Beschwerdeführer nur auf den im Verwaltungsakt aufliegenden Rückschein, der dieser Annahme der Behörde entgegenstünde.

Die belangte Behörde zeigt in ihrer Gegenschrift richtig die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf, wonach der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens die Partei nicht von der Verpflichtung entbindet, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Die - auch im Verwaltungsstrafverfahren zum Tragen kommende - Mitwirkungspflicht der Partei erfordert es, dass diese den ihr vorgehaltenen Beweisergebnissen, die sie als unvollständig oder unrichtig erachtet, konkrete Behauptungen entgegensetzt und entsprechende Beweise hiefür anbietet. Unterlässt sie dies, so bedeutet es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt. Eine sich aus der mangelnden Mitwirkung der Partei allenfalls ergebende unvollständige oder unrichtige Sachverhaltsannahme seitens der Behörde ginge insofern zu Lasten der Partei, als sie eine solche vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr geltend machen könnte (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0174). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. April 1998 die Verspätung der Berufung infolge Zustellung durch Hinterlegung am 17. März 1998 vorgehalten und dem Beschwerdeführer konkrete Fragen zur Klärung der Zustellorgane gestellt. Es wäre somit an ihm gelegen gewesen, diese Fragen vollständig zu beantworten und insbesondere einzuwenden, dass das Zustellorgan entgegen den Vermerken auf dem Rückschein keinen (ersten) Zustellversuch am Tag zuvor unternommen habe. Hingegen begnügte sich der Beschwerdeführer damit, nur einzelne Termine, die außerhalb seiner Abgabestelle stattfanden, anzugeben. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist infolge der kurzen Entfernung zwischen Innsbruck und V ein erster Zustellversuch in V noch am Tag der Postaufgabe in Innsbruck nicht ohne weiteres auszuschließen.

Auf der Vorderseite des im Akt aufliegenden Rückscheines weist der Poststempel des Aufgabepostamtes das Datum "16.3.1998" und der Poststempel des für die Zustellung zuständigen Postamtes V das Datum "17.3.1998" auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei dem die Zustellversuche beurkundenden Postrückschein um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. September 1995, Zl. 95/17/0054). Die Richtigkeit des vom Zustellorgan auf dem Rückschein als stattgefunden angemerkten Zustellversuches hätte bei der Behörde dann auf erhebliche Zweifel stoßen müssen, wenn eine gesetzliche Vorschrift bestünde, dass das für die Verteilung zuständige Postamt seinen Poststempel auf der Vorderseite des Rückscheines sofort bei Einlangen, somit vor einem ( erstmaligen ) Zustellversuch durch das Zustellorgan dieses Postamtes anzubringen hätte. In diesem Fall wäre die belangte Behörde gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG verpflichtet gewesen, von Amts wegen beim Postamt V weitergehende Nachforschungen über die Gesetzmäßigkeit des Zustellvorganges anzustellen, weil nur bei Vorliegen eines mit dem Gesetz in Einklang stehenden, ordnungsgemäß ausgestellten Rückscheines die belangte Behörde unterstellen durfte, dass die Angaben des Zustellers auf dem Rückschein richtig seien. Eine dieser Annahme entgegenstehende gesetzliche Vorschrift besteht aber nicht.

Vielmehr sieht § 130 Abs. 2 Postvollzugsordnung I Teil B iVm § 13 Abs. 1 und 2 der Dienstvorschrift für die Zustellung von RSa- und RSb-Briefen für die Post vor, dass die vollzogenen ( somit nach dem Zustellvorgang vom Zusteller überbrachten ) Rückscheine dahin zu prüfen sind, ob 1. bei der Zustellung vorschriftsmäßig vorgegangen wurde, 2. die Rückscheine ordnungsgemäß ausgefertigt sind und 3. auf dem zurückgebrachten RSa-Brief die entsprechenden Vermerke angebracht wurden und ob diese Vermerke mit den Angaben auf dem Rückschein übereinstimmen. Nach dieser Prüfung durch den dazu bestimmten Bediensteten des Zustellpostamtes sind die Rückscheine mit einem Abdruck des OT-Stempels des Zustellpostamtes zu versehen (§ 13 Abs. 2 der Dienstvorschrift). Demgemäß lässt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen aus der Anbringung des Poststempels mit dem Datum "17.3.1998" vor dem Hintergrund dieser Dienstvorschriften keinesfalls ableiten, dass vor diesem Tag ein Zustellversuch durch den Zusteller ( noch ) nicht stattgefunden haben könne.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. Juni 1999

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