VwGH 95/19/0324

VwGH95/19/032431.8.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des CB in W, vertreten durch die gesetzlichen Vertreter DB und PB, diese vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1995, Zl. 301.321/3-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. des Asylwesens als verspätet, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §7;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 5. Jänner 1995 als verspätet gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides rechtswirksam durch Hinterlegung am 27. Jänner 1995 erfolgt sei, die dagegen erhobene Berufung jedoch erst am 20. Februar 1995, somit verspätet, eingebracht worden sei.

Die Beschwerde führt dagegen - unter Beilage des Originalzustellkuverts - ins Treffen, daß der erstinstanzliche Bescheid zwar erstmals am 27. Jänner 1995 angekündigt und hinterlegt worden sei, doch sei der Bescheid den Eltern des minderjährigen Beschwerdeführers bei deren Vorsprache am Postamt kurz nach der Hinterlegung nicht ausgefolgt worden, sondern es sei diesen mitgeteilt worden, daß der Beschwerdeführer den Bescheid selbst beheben müßte. Kurz darauf habe auch der Beschwerdeführer beim Postamt in W vorgesprochen. Es sei ihm jedoch zur Mitteilung gebracht worden, daß auch ihm auf Grund seines Alters der Bescheid nicht ausgehändigt werden könne, sondern an die Behörde rückgemittelt werden müsse, um zur Feststellung zu bringen, wem der Bescheid ausgehändigt werden könne. Der Bescheid sei sodann an die Behörde retourniert worden und am 6. Februar 1995 neuerlich zur Hinterlegung gelangt. Diesmal hätten die Eltern des Beschwerdeführers den Bescheid auch abholen können. Somit sei der Bescheid rechtswirksam nicht am 27. Jänner 1995, sondern am 6. Februar 1995 hinterlegt worden, weshalb die Berufung vom 20. Februar 1995 rechtzeitig eingebracht worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist ein Schriftstück einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Im Falle der Zustellung durch die Post hat die Hinterlegung beim zuständigen Postamt zu erfolgen.

Gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen.

Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz gilt eine hinterlegte Sendung mit dem ersten Tag, an dem die Sendung zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt. Sie gilt nur dann nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Das der Beschwerde beigelegte Originalkuvert weist folgenden Adressaten auf:

CB

z.H. Fr. DB

A-Gasse nn

XX00 W.

Auf der Rückseite findet sich der Vermerk:

Angekündigt für den 27.1.95

Hinterlegt am 27.1.95

II Hinterlegt am 6.2.1995

Aus dem Zustellkuvert steht somit in Verbindung mit den Beschwerdeangaben zunächst fest, daß die Behörde richtigerweise das Schriftstück, bestimmt für den minderjährigen CB, zu Handen seiner gesetzlichen Vertreterin DB adressierte. Aus der Beschwerde steht weiters fest, daß die Adressatin von der Hinterlegung Kenntnis erlangte und "kurz nach Hinterlegung" die Behebung des Bescheides versuchte und nach vergeblicher Bemühung auch der Beschwerdeführer "kurz darauf" beim Postamt in W vorsprach. Daraus ergibt sich, daß DB und CB nicht von der Abgabestelle abwesend im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz waren und rechtzeitig von dem Zustellvorgang Kenntnis erlangt hatten.

Zwar nicht ausdrücklich aus dem Originalkuvert ersichtlich und von der Beschwerde angeführt ist jener Tag, an dem die hinterlegte Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde; es ist jedoch davon auszugehen, daß dies auf Grund der Tatsache, daß der 27. Jänner 1995 ein Freitag war, spätestens Montag der 30. Jänner 1995 war.

Die Beschwerde verkennt die ausdrückliche gesetzliche Anordnung des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz in Verbindung mit § 7 Zustellgesetz. Auf Grund der vom Beschwerdeführer selbst angeführten Ortsanwesenheit und rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang scheidet eine Ungültigkeit der Hinterlegung am 27. Jänner 1995 im Hinblick auf § 17 Abs. 3 Zustellgesetz aus. Aber auch die Anwendung des § 7 Zustellgesetz (Heilung von Zustellmängeln) kommt nicht in Betracht, da diese Norm ausdrücklich auf Mängel abstellt, welche während der Zustellung unterlaufen. Die Zustellung ist aber mit der Hinterlegung in Verbindung mit der Abholbereitschaft beendet. Das Ergebnis, daß die Abholung nicht mehr zur Zustellung gehört, läßt sich zwingend - neben dem Wortlaut der herangezogenen Normen - aus dem Normzweck ableiten, welcher sicherzustellen sucht, daß behördliche Verfahren auch dann weitergeführt werden können, wenn hinterlegte und zur Abholung bereitgehaltene Schriftstücke den Empfänger gar nicht erreichen (etwa mangels Abholung). Denn stellte man darauf ab, daß die Zustellung erst dann bewirkt wäre, wenn das Schriftstück dem Empfänger zugekommen ist, läge bei nicht abgeholten Schriftstücken regelmäßig ein Mangel gemäß § 7 Zustellgesetz vor, welcher mangels Zukommens an den Empfänger nie sanierbar wäre.

Somit entfaltete die Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides am 27. Jänner 1995 mit dem als spätestens 30. Jänner 1995 anzunehmenden Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde, die Wirkung des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz und galt als zugestellt. Denn im Falle der mehrmaligen (gültigen) Zustellung gebietet § 6 Zustellgesetz, daß die erste Zustellung maßgebend ist. Ab dieser Zustellung laufen die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen. Eine spätere Zustellung setzt die Rechtsmittelfrist nicht neuerlich in Lauf (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1989, Zl. 89/07/0122, und vom 18. April 1988, Zl. 87/12/0043).

Die vom Beschwerdeführer behaupteten anläßlich der Abholung des hinterlegten Schriftstückes unterlaufenen Mängel wären allenfalls im Lichte des § 71 AVG zu bewerten. Da eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedoch nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, erübrigt sich eine diesbezügliche Prüfung.

Die am 20. Februar 1995 eingebrachte Berufung erweist sich auch im Hinblick auf das zugunsten des Beschwerdeführers anzunehmende Datum der Abholbereitschaft vom 30. Jänner 1995 als verspätet, weshalb die belangte Behörde die Berufung zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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