OGH 3Ob22/87

OGH3Ob22/871.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B*** Gesellschaft mbH, D-7600 Offenburg, Hauptstraße 130, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei DIE G*** W*** Zeitschriftengesellschaft mbH & Co KG, 1160 Wien, Odoakergasse 34-36, vertreten durch DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer, Dr. Lothar Wiltschek und Dr. Guido Kucsko, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwirkung einer Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15. Jänner 1987, GZ 2 R 271/86-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 28. Oktober 1986, 37 Cg 374/86-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit der einstweiligen Verfügung vom 17. Oktober 1986, ON 2, gebot das Erstgericht der verpflichteten Partei ab sofort, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der periodischen Druckschrift "DIE G*** W***" das Ankündigen und/oder Durchführen von Gewinnspielen und/oder anderen Werbemaßnahmen zu unterlassen, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes verlost werden oder der Erhalt von Preisen sonst von einem Zufall abhängig ist, wenn dabei - etwa durch die Teilnahmebedingungen oder durch die Art der Ankündigung des Gewinnspieles - der Eindruck erweckt wird, daß zur Teilnahme der Erwerb der Druckschrift notwendig oder zumindest förderlich ist. Zugleich wurde eine besondere Form der verbotenen Ankündigung und/oder Durchführung von Gewinnspielen beschrieben und der verpflichteten Partei geboten, das in der Ausgabe Nr. 42 der Druckschrift "DIE G*** W***" vom 16. Oktober 1986 bereits begonnene Gewinnspiel "Greifen Sie nach den Sternen" nicht weiter anzukündigen und/oder durchzuführen.

Die einstweilige Verfügung wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen, die durch Gerichtsbedienstete am 21. und 22. Oktober 1986 durchgeführt worden waren, am 23. Oktober 1986 hinterlegt, wobei als Beginn der Abholfrist derselbe Tag angegeben wurde. Die Behebung erfolgte am 29. Oktober 1987.

In einem mit 27. Oktober 1986 datierten, beim Erstgericht am 28. Oktober 1986 überreichten Schriftsatz beantragte die betreibende Partei, ihr die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung der Ankündigung und Durchführung des Gewinnspiels "Greifen Sie nach den Sternen" in der periodischen Druckschrift "DIE G*** W***" zu bewilligen und über die verpflichtete Partei eine Geldstrafe von 50.000,-- S zu verhängen. Zugleich beantragte sie zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrags die Bewilligung der Fahrnisexekution. Sie brachte hiezu vor, daß die verpflichtete Partei der einstweiligen Verfügung dadurch zuwidergehandelt habe, daß in der Ausgabe Nr. 43 der angeführten Druckschrift vom 23. Oktober 1986 das Gewinnspiel weiter angekündigt und durchgeführt worden sei.

Das Erstgericht bewilligte die beantragten Exekutionen, wobei es die Verhängung der Beugestrafe dem Exekutionsgericht vorbehielt. Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag infolge Rekurses der verpflichteten Partei ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 300.000,-- S übersteigt. Es vertrat die Auffassung, die betpeibende Partei habe nicht konkret und schlüssig behauptet, daß die verpflichtete Partei der einstweiligen Verfügung nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit zuwider gehandelt habe. Die Exekution sei selbst dann zu Unrecht bewilligt worden, wenn man die Rekursbehauptung außer Acht lasse, daß die vom Gerichtsbediensteten beurkundete Zustellung der einstweiligen Verfügung infolge krankheitsbedingter Ortsabwesenheit des einzigen Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft der verpflichteten Partei unwirksam gewesen sei. Die Vollstreckbarkeit sei nämlich frühestens am 23. Oktober 1986 eingetreten, weil an diesem Tag die Abholfrist begonnen habe. Dabei könne die durch das Bereithalten der Sendung bewirkte Zustellung nicht mit dem Beginn des Tages, sondern frühestens mit der Möglichkeit, die Sendung bei Gericht abzuholen, angenommen werden. Es sei gerichtsbekannt, daß die Zeitschrift "DIE G*** W***" schon vor dem jeweils angeführten Erscheinungstag gedrus t und spätestens in den ersten Stunden dieses Tages, jedenfalls aber vor Dienstbeginn des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (7 Uhr 30), ausgeliefert werde. Die Mißachtung des Exekutionstitels durch entsprechende Gestaltung der Zeitschrift liege daher vor dem Eintritt der Vollstreckbarkeit. Auf Grund der Behauptungen der betreibenden Partei könne nicht davon ausgegangen werden, daß die verpflichtete Partei dem gerichtlichen Verbot schuldhaft, also zumindest fahrlässig, zuwidergehandelt habe. Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die betreibende Partei führt Exekution zur Erwirkung einer Unterlassung. Gemäß § 355 Abs 1 EO geschieht eine solche Exekution dadurch, daß wegen eines jeden Zuwiderhandelns nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels auf Antrag vom Exekutionsgericht anläßlich der Bewilligung der Exekution eine Geldstrafe verhängt wird. Da somit die Verhängung einer Geldstrafe die notwendige Folge der Exekutionsbewilligung ist, setzt schon diese voraus, daß der Verpflichtete dem Exekutionstitel nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit zuwiderhandelte.

Die Vollstreckbarkeit tritt frühestens ein, wenn der Exekutionstitel gegenüber dem Verpflichteten wirksam wurde, weil erst ab diesem Zeitpunkt die darin festgelegte Verpflichtung beginnt (§ 409 Abs 3 ZPO, Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1548 ff). Besteht der Exekutionstitel, wie hier, in einem Beschluß, von dem den Parteien (hier: gemäß § 402 Abs 2 iVm § 64 Abs 1 EO; vgl. auch die §§ 426 und 427 ZPO) eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen ist, so beginnen seine Wirksamkeit und die Leistungsfrist mit der Zustellung der Ausfertigung (§ 416 Abs 1 ZPO; Fasching aaO Rz 1597, 1600; vgl. auch § 426 Abs 3 ZPO, § 64 Abs 3 EO).

Die verpflichtete Partei behauptete in ihrem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung, daß die Zustellung der den Exekutionstitel bildenden einstweiligen Verfügung frühestens am 28. Oktober 1986 wirksam geworden sei, weil ihr Vertreter vom Tag des ersten Zustellversuches an bis zum 27. Oktober 1986 infolge Krankheit an der Abgabestelle nicht anwesend gewesen sei. Hiezu ist folgendes bescheinigt:

Der einzige Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der verpflichteten Partei, Franz P***, war am 21. Oktober 1986 infolge einer dienstlichen Besprechung an der Abgabestelle nicht anwesend. Am 22. Oktober 1986 war er in seiner - von der Abgabestelle verschiedenen - Wohnung bettlägerig, weil er an Angina erkrankt war. Am 27. Oktober 1986 stand er wieder auf und suchte noch am Abend dieses Tages die Abgabestelle auf.

Diesen Feststellungen liegen die Aussagen des Geschäftsführers und seiner vom Obersten Gerichtshof vernommenen Sekretärin Anna T*** zugrunde. Der Oberste Gerichtshof veranlaßte außerdem die im Revisionsrekurs angeregte Vernehmung des Zustellorgans, aus der sich aber kein Hinweis auf die Unrichtigkeit der Aussage der angeführten Personen ergibt. Da somit keine Umstände hervorkamen, die gegen deren Glaubwürdigkeit sprechen, war von ihrer Aussage auszugehen. Gemäß § 17 Abs 1 ZustG ist das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Gemäß dem nachfolgenden Absatz 3 vierter Satz gelten hinterlegte Sendungen nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Die verpflichtete Partei behauptete nicht, und es ist auch nicht hervorgekommen, daß der Zusteller nicht annehmen durfte, daß sich ihr zum Empfang der hinterlegten Sendung befugter Vertreter zur Zeit der Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Es muß daher nicht geprüft werden, wann andernfalls die zunächst unwirksame Zustellung wirksam geworden wäre. Aus dem oben wiedergegebenen Sachverhalt ergibt sich aber, daß der Vertreter der verpflichteten Partei wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, weil er sich vom Beginn der Abholfrist an durch mehr als vier Tage nicht an der Abgabestelle aufhielt.

Die Zustellung wurde jedoch gemäß § 17 Abs 3 vorletzter und letzter Halbsatz ZustG wirksam. Voraussetzung hiefür ist, daß der Empfänger oder sein Vertreter so rechtzeitig an die Abgabestelle zurückkehrt, daß ihm noch ein voller Tag zur Verfügung steht, um die Sendung zu beheben, also spätestens am vorletzten Tag der Abholfrist. Ist dies der Fall, so wird die Zustellung am ersten der Rückkehr folgenden Tag wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden kann (vgl. Walter-Mayer, Zustellrecht, § 17 FN 39 und 41).

Der Vertreter der verpflichteten Partei kehrte am 27. Oktober 1986, einem Montag, an die Abgabestelle zurück und hatte daher am 28. Oktober 1986 erstmals die Möglichkeit, die hinterlegte Sendung zu beheben, wobei dieser Tag noch innerhalb der Abholfrist von mindestens zwei Wochen (§ 17 Abs 3 erster Satz ZustG) lag. Mit diesem Tag wurde die Zustellung der den Exekutionstitel bildenden einstweiligen Verfügung somit wirksam und diese daher vollstreckbar. Nach der seit der UWG-Nov. 1980 einheitlichen Rechtsprechung hat die betreibende Partei schon in einem auf Bewilligung der Exekution nach § 355 EO gerichteten Antrag das Zuwiderhandeln konkret und schlüssig zu behaupten (JBl 1982, 605; SZ 55/6; ÖBl 1984, 51 ua). Nun enthielt der vorliegende Exekutionsantrag zwar ein konkretes Vorbringen zu diesem Punkt. Da er mit 27. Oktober 1986 datiert ist, muß daraus aber entnommen werden, daß die betreibende Partei den Antrag auf ein Zuwiderhandeln stützt, das an oder vor diesem Tag geschah. Daran würde es nichts ändern, wenn die verpflichtete Partei ihr Verhalten an den folgenden Tagen fortgesetzt hätte. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kommt es nicht auf den Tag an, an dem der Exekutionsantrag bei Gericht einlangte. Schon die dargestellten Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß die Exekution nicht hätte bewilligt werden dürfen, weil die betreibende Partei ihren Exekutionsantrag nicht mit der erforderlichen Schlüssigkeit auf ein Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei stützte, das nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels lag. Auf die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht muß somit nicht eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO.

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