VwGH 2008/02/0150

VwGH2008/02/01503.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des W S in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 14. April 2008, Zl. UVS-3/17419/6-2008, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §17 Abs3;
ZustG §17 Abs4;
ZustG §21 Abs2;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §17 Abs4;
ZustG §21 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf die Aufhebung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 8. Jänner 2008 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen (hinsichtlich der Zurückweisung des Einspruches vom 31. Juli 2007 gegen die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 28. Juni 2007) wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 28. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 16 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO für schuldig befunden, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gemäß dem den Verwaltungsakten zuliegenden Rückschein erfolgte der erste Zustellversuch dieser Strafverfügung am 9. Juli 2007 und der zweite Zustellversuch am 10. Juli 2007. Ein Datum bezüglich der Hinterlegung dieses Schriftstückes wurde auf dem Rückschein nicht verzeichnet.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31. Juli 2007 Einspruch.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 8. Jänner 2008 der Übertretung des § 16 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO für schuldig befunden, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. Februar 2008 Berufung.

Mit Schreiben vom 3. März 2008 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, die Strafverfügung sei ihm bereits am 11. Juli 2007 "durch Hinterlegung beim Zustellpostamt" zugestellt worden. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe daher mit Ablauf des 25. Juli 2007 geendet. Der Einspruch sei jedoch erst am 31. Juli 2007 (Datum des Poststempels) eingebracht worden, sodass dieser als verspätet angesehen werden müsse.

Mit Schreiben vom 17. März 2008 nahm der Beschwerdeführer dahingehend Stellung, dass er sich nachweislich vom 10. Juli bis 24. Juli 2007 beruflich in Italien aufgehalten habe. Dem Beschwerdeführer sei es wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht möglich gewesen, rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. April 2008 wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis als mit der Rechtskraft der Strafverfügung vom 28. Juni 2007 nicht vereinbar aufgehoben und gleichzeitig der Einspruch des Beschwerdeführers vom 31. Juli 2007 gegen diese Strafverfügung als verspätet zurückgewiesen wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, es ergebe sich aus dem Verfahrensakt, dass die Strafverfügung durch Hinterlegung am 11. Juli 2007 zugestellt worden sei. Der gegen diese Strafverfügung vom Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters erhobene Einspruch sei mit 31. Juli 2007 (Datum des Poststempels) eingebracht worden. Im Rahmen des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer auf Vorhalt der Verspätung dieses Einspruches darauf hingewiesen, dass er sich vom 10. Juli 2007 bis 24. Juli 2007 beruflich in Italien aufgehalten habe und daher die Zustellung erst mit Wirksamkeit vom 25. Juli 2007 erfolgt sei.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne der Empfänger bei einer Zustellung zu eigenen Handen bereits durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und durch die Aufforderung, in der für die Vornahme des zweiten Versuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, Kenntnis davon erlangen, dass ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden solle. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme komme es dabei nicht an. Die Hinterlegung habe die Wirkung der Zustellung selbst dann, wenn der Empfänger auch nur am Tag des ersten Zustellversuches, nicht jedoch auch am Tag des zweiten Zustellversuches ortanwesend gewesen sei (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2003/21/0026).

Der Beschwerdeführer sei erst am 10. Juli 2007 ortsabwesend gewesen und es habe im Sinne des aktenkundigen Rückscheines der erste Zustellversuch am 9. Juli 2007 stattgefunden. Für den Beschwerdeführer habe im Sinne der zitierten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Zustellversuches bestanden. Ausgehend davon habe die Einspruchsfrist gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung am 11. Juli 2007 zu laufen begonnen. Der am 31. Juli 2007 eingebrachte Einspruch sei als verspätet zu betrachten.

Dieser Umstand sei im Rahmen des Berufungsverfahrens aufzugreifen, das angefochtene Straferkenntnis damit zu beheben und der gegenständliche Einspruch als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Aufhebung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 8. Jänner 2008 durch die belangte Behörde:

Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, der erste Zustellversuch sei laut belangter Behörde am 9. Juli 2007 erfolgt. Wie schon das Wort "Zustellversuch" sage, handle es sich um einen Versuch der Zustellung, welcher erfolglos geblieben sei. Nach diesem ersten Zustellversuch nehme der Zusteller das Poststück wieder mit und starte einen zweiten Zustellversuch. Erst danach werde die Verständigung der Hinterlegung abgegeben. De facto sei es dem Beschwerdeführer gar nicht möglich, nach dem ersten Zustellversuch zu dem Poststück zu gelangen; es werde noch nicht zur Abholung bereit gehalten. Der Beschwerdeführer habe sich schon am 9. Juli 2007 (Montag) direkt nach der Arbeit auf den Weg nach Italien begeben. Am 10. Juli 2007 sei der Beschwerdeführer schon im Ausland aufhältig gewesen und zwar bis zum 24. Juli 2007. Dass der Beschwerdeführer erst ab 10. Juli 2007 ortsabwesend gewesen sei, sei von ihm nie vorgebracht worden, sondern, dass er vom 10. Juli bis 24. Juli 2007 im Ausland gewesen sei. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer vom ersten Zustellversuch keinerlei Kenntnis erlangt. Von der Hinterlegung habe der Beschwerdeführer erst nach seiner Rückkehr erfahren. Kehre der Empfänger noch innerhalb der Abholfrist zurück, so werde die Zustellung an dem folgenden Tag wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könne.

Nach § 21 Abs. 1 ZustG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.

§ 21 Abs. 2 ZustG i.d.g.F. lautet:

"(2) Kann die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, so ist der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen."

Nach § 17 Abs. 1 leg. cit. i.d.g.F. ist das Schriftstück, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. i.d.g.F. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

§ 17 Abs. 3 ZustG i.d.g.F. lautet:

"Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte."

Gemäß § 17 Abs. 4 ZustG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es läge ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. das hg. Erkenntnis 1. April 2008, Zl. 2006/06/0243, m.w.N.).

Bei einer Zustellung zu eigenen Handen nach § 21 ZustG kann der Empfänger bereits durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und die Aufforderung, in der für die Vornahme des zweiten Zustellversuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, Kenntnis davon erlangen, dass ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden soll. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an (§ 17 Abs. 4 leg. cit.). Diese Möglichkeit bewirkt aber, dass die Hinterlegung die rechtswirksame Zustellung der Sendung auch dann zur Folge hat, wenn der Empfänger zur Zeit des zweiten Zustellversuches und/oder der Hinterlegung von der Abgabestelle abwesend ist (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 1. April 2008, Zl. 2006/06/0243, m. w.N.)

Unbestritten ist, dass der erste Zustellversuch am 9. Juli 2007 erfolgte. Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge des von der belangten Behörde gewährten Parteiengehörs zur Frage der verspäteten Einbringung des Einspruchs gegen die in Rede stehende Strafverfügung nicht vorgehalten, dass aufgrund der Annahme der Ortsanwesenheit des Beschwerdeführers am 9. Juli 2007 (= Tag des ersten Zustellversuches) die Zustellung der Sendung mit dem Zeitpunkt der Hinterlegung beim Postamt wirksam gewesen sei. Es war daher dem Beschwerdeführer nicht möglich, zur Frage einer allfälligen Verspätung der Einbringung des Einspruches infolge Abwesenheit zum Zeitpunkt der Verständigung über den ersten erfolglosen Zustellversuch (dies ist nunmehr nach der Begründung des angefochtenen Bescheides der maßgebliche Grund für die Verspätung des Einspruchs) Stellung zu nehmen, weshalb es ihm auch nicht verwehrt war, derartige Gründe erst in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen.

Der Beschwerdeführer machte jedoch bereits in seiner Stellungnahme im Zuge des Parteiengehörs zur Frage der Verspätung des Einspruchs gegen die Strafverfügung allgemein geltend, es sei ihm wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht möglich gewesen, rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen.

Sollte es jedoch für den Beschwerdeführer infolge seiner Abwesenheit tatsächlich nicht möglich gewesen sein, von der Verständigung vom ersten erfolglosen Zustellversuch der Strafverfügung und von der Aufforderung, in der für die Vornahme des zweiten Zustellversuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, Kenntnis zu erlangen, wäre die Annahme der belangten Behörde unzutreffend, dass die Hinterlegung die rechtswirksame Zustellung der Sendung zur Folge gehabt hat. Da die belangte Behörde jegliche Ermittlungen in diesem Sinne - trotz des bereits bekannten (allgemeinen) Einwandes des Beschwerdeführers, er sei abwesend gewesen - unterließ, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Aufhebung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 8. Jänner 2008 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2. Zur Zurückweisung des Einspruches des Beschwerdeführers vom 31. Juli 2007 durch die belangte Behörde:

Ein nicht rechtzeitiger Einspruch ist mit Bescheid zurückzuweisen. Zuständig hiefür ist die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat. Damit war es der belangten Behörde mangels Zuständigkeit verwehrt, den Einspruch als verspätet zurückzuweisen.

Die Unzuständigkeit der belangten Behörde führt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch dann, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., S. 581 angeführte hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher im dargestellten Umfang infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbebegehren betreffend "Beilagen" war abzuweisen, weil Barauslagen für die Herstellung von Fotokopien im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, Zl. 97/07/0114). Wien, am 3. Oktober 2008

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