Spruch:
Eine Ersatzzustellung durch Hinterlegung ist nur dann wirksam erfolgt, wenn die Person, welcher zugestellt werden soll, zwar von den in § 101 Abs. 1 ZPO. genannten Räumen abwesend, aber doch ortsanwesend ist.
Entscheidung vom 23. Feber 1951, 2 Ob 128/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Raabs; II. Instanz: Kreisgericht Krems.
Text
Das Erstgericht verpflichtete den väterlichen Großvater eines Pflegebefohlenen zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages.
Das Rekursgericht wies den Rekurs, den der Großvater 21 Tage nach der postamtlichen Hinterlegung des erstgerichtlichen Beschlusses zur Post gegeben hatte, als verspätet zurück.
Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der erstinstanzliche Unterhaltsbemessungsbeschluß wurde in einem blauen Rückscheinbrief dem Rekurswerber zu eigenen Handen zugestellt, laut dem auf den Rückschein gesetzten Vermerk am 7. Juli 1950 beim Postamte hinterlegt, da der Empfänger ungeachtet vorgängiger, in der Wohnung zurückgelassener Aufforderung nicht anzutreffen war, und laut vorgelegter Bestätigung am 18. Juli 1950 vom Rekurswerber beim genannten Postamte behoben. In seinem Rekurse gegen diesen erstinstanzlichen Unterhaltsbemessungsbeschlusse behauptet der Rekurswerber und stellt unter Beweis, daß er von Anfang Juli bis 17. Juli 1950 nach Oberösterreich verreist war. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ. XIX/193 ausgesprochen, daß die Ersatzzustellung nur dann wirksam erfolgt, wenn die Person, welcher zugestellt werden soll, zwar von den im § 101 Abs. 1 ZPO. bezeichneten Räumen abwesend, aber doch ortsanwesend ist, so daß sie die Möglichkeit hat, auf Grund der Aufforderung und späteren Verständigung zur Entgegennahme der Zustellung anwesend zu sein, bzw. den Gerichtsbrief bei der Post zu beheben, weil sonst der bei der Ersatzzustellung einzuhaltende Vorgang zwecklos und eine leere Form wäre. Ist der Empfänger auf längere Zeit verreist und kann er deshalb der Aufforderung nicht Folge leisten, weil er von ihr gar nichts weiß, so ist die Ersatzzustellung nicht wirksam erfolgt und gilt als erst in dem Zeitpunkte bewirkt, in dem das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 108a ZPO.). Das Rekursgericht durfte sich daher über die Behauptung des Rekurswerbers, daß er zur Zeit der Ersatzzustellung (u. zw. zur Zeit der Aufforderung am 5. Juli 1950 und zur Zeit der Hinterlegung am 7. Juli 1950) verreist war, nicht mit Stillschweigen hinwegsetzen, da, wenn diese Behauptung richtig ist, die vorgenommene Ersatzzustellung unter Umständen (wenn der Rekurswerber nicht trotz seiner Abwesenheit von der Zustellung Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis erlangen hätte müssen, etwa weil er mit Vorsatz, die Zustellung zu vereiteln, verreiste) unwirksam ist. Dabei wird das Rekursgericht im Hinblick auf das Vorbringen in dem gegen seinen Beschluß erhobenen Rekurs (das als Rekursvorbringen gegen das Neuerungsverbot verstoßen würde) auch sonst zu prüfen haben, ob die gegenständliche Ersatzzustellung dem Gesetze entsprach.
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