Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
ZustG §16 Abs1;
ZustG §16 Abs5;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
ZustG §16 Abs1;
ZustG §16 Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. Juli 1995 erstellte die Agrarbezirksbehörde V. im Verfahren zur Regelung des Gemeinschaftsbesitzes "Nachbarschaft Sp." die Liste der Parteien. Dieser Bescheid wurde auch dem Beschwerdeführer zugestellt.
Der Beschwerdeführer berief. Er wandte sich dagegen, daß er nicht als Partei des Regulierungsverfahrens anerkannt worden sei.
Mit Schreiben vom 19. März 1996 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, nach Ausweis der Akten sei der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer gegenüber am 31. Juli 1995 erlassen worden. Da die Berufung erst am 18. August 1995 zur Post gegeben worden sei, müsse davon ausgegangen werden, daß sie verspätet eingebracht worden sei. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, hiezu Stellung zu nehmen.
In seiner Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde gehe aus nicht nachvollziehbaren Gründen davon aus, daß der Bescheid dem Beschwerdeführer am 31. Juli 1995 zugestellt worden sei. Tatsächlich sei der Bescheid dem Beschwerdeführer am 4. August 1995 zugegangen. Die Behörde teile auch nicht mit, in welcher Form am 31. Juli 1995 der Bescheid erlassen bzw. zugestellt worden sei, entweder durch Eigenhandzustellung oder durch Hinterlegung. Tatsächlich halte sich der Beschwerdeführer überwiegend in Berlin auf. Der 31. Juli 1995 sei ein Montag gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer in Berlin aufgehalten. Eine "Eigenhandzustellung" scheide demgemäß aus. Da der Post bzw. dem Zustellorgan die Berlinaufenthalte bekannt gewesen seien, könne auch keine Zustellung durch Hinterlegung erfolgt sein. Dem Beschwerdeführer sei der Bescheid tatsächlich erst am 4. August 1995, einem Freitag, zugekommen. Er sei die ganze Woche in Berlin gewesen. Die Berufungsfrist sei daher ab dem 4. August 1995 zu berechnen, weshalb die am 18. August 1995 zur Post gegebene Berufung rechtzeitig sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. September 1997 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurück.
In der Begründung heißt es nach der Wiedergabe der Stellungnahme des Beschwerdeführers, Beweismittel über die behauptete Ortsabwesenheit seien im Zuge der Stellungnahme nicht mitvorgelegt worden. Dazu sei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, derzufolge mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel die Unwirksamkeit der Zustellung im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs. 5 des Zustellgesetzes nicht dargetan werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe bereits in seiner Stellungnahme ausgeführt, daß er am 31. Juli 1995 und in der ganzen anschließenden Woche in Berlin gewesen sei. Er habe auch angegeben, daß der Post bzw. dem Zustellorgan seine Ortsabwesenheit bekannt gewesen sei. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, den zuständigen Postbediensteten als Zeugen zu vernehmen. Überdies hätte der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer zu eigenen Handen zugestellt werden müssen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 22 zweiter Satz AVG ist bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.
Eine Zustellung von Bescheiden betreffend die Liste der Parteien in einem Regulierungsverfahren zu eigenen Handen des Empfängers ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß im Beschwerdefall besonders wichtige Gründe eine Zustellung zu eigenen Handen hätten geboten erscheinen lassen. Der Beschwerdeführer nennt auch keine derartigen Gründe. Es war daher nicht rechtswidrig, daß die Erstbehörde keine Zustellung zu eigenen Handen verfügt hat.
Kann die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf nach § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Eine mehrtägige Abwesenheit erfüllt das Tatbestandselement des regelmäßigen Aufenthaltes in der Abgabestelle nicht (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1247 angeführte Rechtsprechung).
Nach § 16 Abs. 5 ZustG gilt eine Ersatzzustellung als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Die belangte Behörde hat die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und näheres Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel die Unwirksamkeit der Zustellung im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs. 5 ZustG nicht dargetan werden kann, damit begründet, der Beschwerdeführer habe keine entsprechenden Beweismittel zur Untermauerung der behaupteten Ortsabwesenheit vorgelegt.
Die von der belangten Behörde herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich aber auf Fälle, in denen die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung im Sinne des § 16 Abs. 5 ZustG mit der bloßen Behauptung einer Abwesenheit von der Abgabestelle geltend gemacht wird. Der Beschwerdefall ist aber anders gelagert. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die Unzulässigkeit der Ersatzzustellung mit der Begründung behauptet, der Post und dem Zustellorgan sei die Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle bekannt gewesen.
Voraussetzung der wirksamen Ersatzzustellung ist, daß der Zusteller Grund zur Annahme hatte, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (§ 16 Abs. 1 ZustG).
Ist dem Zustellorgan bekannt, daß sich der Empfänger nicht regelmäßig im Sinne des § 16 Abs. 1 ZustG an der Abgabestelle aufhält, so darf eine Zustellung an einen Ersatzempfänger nicht erfolgen. Erfolgt die Ersatzzustellung dennoch, so ist diese Zustellung unwirksam und zieht demnach auch keine Rechtswirkungen nach sich. Insbesondere gilt nicht § 16 Abs. 5 ZustG, weil gar nicht zugestellt werden durfte. Da die Annahme der Sendung durch den Ersatzempfänger aber für die Annahmeberechtigung spricht, ist es Sache des Empfängers darzutun, weshalb die Zustellung unwirksam ist (vgl. den Beschluß des OGH vom 1. Oktober 1986, 1 Ob 638/86).
Der Beschwerdeführer hat das, was ihm möglich war, um die Unzulässigkeit der Ersatzzustellung darzulegen, getan, indem er die Behauptung aufgestellt hat, der Post und dem Zustellorgan sei seine Abwesenheit von der Abgabestelle und sein Aufenthalt in Berlin bekannt gewesen. Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, durch entsprechende Ermittlungen, insbesondere durch Vernehmung des Zustellorgans, die Richtigkeit dieser Behauptung zu überprüfen. Dadurch, daß sie das nicht getan hat, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Da im Falle einer Unzulässigkeit der Ersatzzustellung, die ihren Grund darin hat, daß der Zusteller nicht davon ausgehen durfte, daß sich der Empfänger an der Abgabestelle aufhält, § 16 Abs. 5 ZustG nicht zur Anwendung kommt, geht auch das Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift ins Leere, der Beschwerdeführer hätte rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt. Diese Auffassung ist überdies unabhängig von der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 5 ZustG auch deswegen verfehlt, weil von einer rechtzeitigen Kenntniserlangung von der Zustellung durch den Empfänger nur dann die Rede sein kann, wenn diesem die wahrzunehmende Frist ungekürzt oder zumindest nahezu ungekürzt zur Verfügung steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1987, 86/07/0212, u.a.). Davon kann bei einer Verzögerung der Kenntnis von der Zustellung um mehrere Tage nicht mehr die Rede sein.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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