OGH 9ObA13/89

OGH9ObA13/8911.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sandra S***, Angestellte, Feldkirch, Zeughausgasse 6, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Georg B***, Kaufmann, Linz,

Rainerstraße 23, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 27.541,93 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. September 1988, GZ 5 Ra 108/88-11, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8. Juni 1988, GZ 33 Cga 1140/87-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Zahlungsbefehl vom 9. Dezember 1987 wurde dem Beklagten unter der in der Klage angegebenen Anschrift Feldkirch, Schloßgraben 10, am 19. Dezember 1987 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt. Die Zustellstücke wurden nicht behoben. Am 18. Februar 1988 langte beim Erstgericht ein Antrag des Beklagten auf Nichtigerklärung des Verfahrens und neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehles ein. Der Beklagte habe seinen ständigen Wohnsitz und Aufenthaltsort in Linz und betreibe in Feldkirch unter der in der Klage angegebenen Anschrift eine Zweigbetriebsstelle, wo er nur gelegentlich in unregelmäßigen Abständen anwesend sei.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und stellte folgenden

wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Beklagte ist Inhaber der Einzelfirma F*** I***

mit dem Sitz in Linz und einer Filiale in Feldkirch, Schloßgraben 10, an der ständig einige Mitarbeiterinnen beschäftigt werden. Der Beklagte hält sich in dieser Filiale nicht ständig, sondern nur fallweise und eher unregelmäßig auf. Seinen Wohnsitz hat der Beklagte in Linz. Für den Beklagten in der Filiale einlangende Post wird für ihn entweder dort aufbewahrt oder, falls er voraussichtlich längere Zeit nicht nach Feldkirch kommt, an ihn nach Linz übermittelt. Der Briefkasten der Filiale wurde mehr oder weniger regelmäßig entleert. Zu Schwierigkeiten mit der Postzustellung war es bisher nicht gekommen. Die Zustellversuche wurden am 18. und 19. Dezember 1987 jeweils zwischen 8,30 Uhr und 9,30 Uhr vorgenommen. Der Postzusteller traf um diese Zeit - ebenso wie bei früheren Zustellungen - niemand an, weil das von der Beklagten betriebene Schlankheitsstudio erst zu einem späteren Zeitpunkt öffnet. Nicht festgestellt werden konnte, ob der Beklagte am 18. oder 19. Dezember 1987 oder während der anschließenden Abholfrist in der Filiale war und ob die Hinterlegungsanzeige an den Beklagten nach Linz weitergeleitet wurde.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Filiale sei als Betriebsstätte im Sinne des § 4 ZustG anzusehen, weil der Zusteller objektiv Grund zur Annahme gehabt habe, daß sich der Empfänger dort regelmäßig aufhalte. Der Beklagte habe nicht bewiesen, daß er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können. Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles aufgehoben und dessen neuerliche Zustellung an den Beklagten angeordnet wurde. Es vertrat die Rechtsauffassung, die Zustellung sei nicht gesetzmäßig erfolgt, weil ihre amtswegig durchzuführende Prüfung nicht ergeben habe, daß sich der Beklagte in einem Zeitraum an der Abgabestelle aufgehalten habe, der ausreiche, das Schriftstück entgegenzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist gemäß § 46 Abs 2 Z 1 ASGG iVm § 528 Abs 2 ZPO zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage der Hinterlegung an einer Betriebsstätte, an der sich der Empfänger (tatsächlich) nicht regelmäßig aufhält, bisher lediglich in dem nicht ganz gleichgelagerten Fall EvBl 1988/22 Stellung genommen hat.

Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 4 ZustG ist die Betriebsstätte eine Abgabestelle, das heißt, ein Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf. Dies bedeutet zunächst, daß die Zustellung nur an einer derartigen Abgabestelle gesetzmäßig ist und dort die Entgegennahme der Sendung vom Empfänger nicht verweigert werden darf (siehe Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Anm. 5 zu § 4 ZustG). Die Bestimmung des § 17 ZustG normiert als zusätzliche Voraussetzung für die Hinterlegung an der Abgabestelle, daß "der Zusteller Grund zur Annahme hat", daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Wiederin legt in "Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers" (ZfV 1988, 222 ff sowie 375 ff !376 f ) an Hand der einen Hinweis auf die bisherige Rechtslage enthaltenden Erläuternden Bemerkungen zu § 17 sowie der den (tatsächlichen) regelmäßigen Aufenthalt des Empfängers für die Zulässigkeit der Hinterlegung unterstellenden Erläuternden Bemerkungen zu § 18 (162 BlgNR XV GP 11) sowie des Ausschußberichtes zu § 16 (1050 BlgNR XV GP 2) überzeugend dar, daß für die Zulässigkeit der Hinterlegung nicht der subjektive Eindruck des Zustellers entscheidend ist; es ist vielmehr darauf abzustellen, ob sich der Empfänger tatsächlich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (vgl. auch EvBl 1988/22). Ein derartiger regelmäßiger Aufenthalt liegt auch dann nicht vor, wenn der Empfänger, wie im vorliegenden Fall, die Betriebsstätte nur gelegentlich in unregelmäßigen Abständen aufsucht - diese Aufenthaltsfrequenz liegt noch unter der des von Wiederin aaO 228 als Grenzfall für die Beständigkeit des Aufenthaltes in einer Wohnung angeführten Wochenpendlers (vgl. auch Berchtold, Zustellgesetz 32) -, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit und seinen regelmäßigen Aufenthaltsort aber an einem anderen weit entfernten Ort hat. Kam aber die Betriebsstätte mangels eines regelmäßigen Aufenthaltes des Beklagten als Abgabestelle für eine Hinterlegung nicht in Frage, dann konnte die Zustellung nicht gemäß § 17 Abs 3 ZustG durch "Rückkehr" des Beklagten an die Abgabestelle während der Abholfrist wirksam werden, sondern nur durch tatsächliches Zukommen der Sendung gemäß § 7 ZustG saniert werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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