BVwG W199 2149325-4

BVwGW199 2149325-411.7.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W199.2149325.4.00

 

Spruch:

W 199 2149325-4/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2018, Zl. 1079510303-180303628/BMI-EAST_WEST, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, § 10 Abs. 1 Z 3 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100/2005 und §§ 52, 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, Art. 3 BG BGBl. I 100/2005 abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, welcher der ethnischen Gruppe der Hazara angehört, stellte am 24.7.2015 den Antrag, ihm internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeiinspektion Spielfeld AGM) am selben Tag gab er - wie es im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, wiedergegeben wird - an, " XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er stamme aus dem Ort XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan und habe sein Heimatland vor drei Jahren verlassen und seitdem illegal im Iran gelebt. In den letzten drei Jahren habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Vor etwa einem Monat habe er den Iran verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer an, dass er wegen des Bürgerkriegs aus Afghanistan habe flüchten müssen und die Taliban und der IS Jagd auf Schiiten machen würden. Aus dem Iran habe er flüchten müssen, weil er der Gewalt durch die Polizei ausgesetzt gewesen sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben. Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe bzw. ob er im Falle der Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, antwortete er mit ‚Der Bürgerkrieg in Afghanistan.'"

 

Am 31.7.2015 teilte die Rechtsberaterin des Beschwerdeführers dem Bundesamt mit, er habe ihr gegenüber angegeben, dass er nicht am XXXX geboren, sondern bereits XXXX Jahre alt sei. Außerdem sei sein Name XXXX .

 

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt; Außenstelle Salzburg) am 11.11.2016 machte der Beschwerdeführer Angaben, die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, wörtlich wie folgt wiedergegeben werden [LA = Leiter der Amtshandlung; VP = Verfahrenspartei, di. der Beschwerdeführer]:

 

"LA: Sie haben in Ihrem Verfahren bis jetzt immer der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

 

VP: Ja.

 

LA: Es wurde bei der Erstbefragung alles richtig protokolliert und dies rückübersetzt?

 

VP: Der erste Fehler ist, dass ich drei Monate im Iran lebte, und es wurden drei Jahre protokolliert. Mein Geburtsort wurde nicht richtig aufgeschrieben [ ], es ist XXXX . Außer diesen Fehlern passt alles.

 

LA: Sie haben in der Erstbefragung über den Bürgerkrieg erzählt. Wann war dieser Bürgerkrieg?

 

VP: Das war Ende 2016. Oder Ende 2015.

 

LA: Wann sind Sie ausgereist aus Afghanistan?

 

VP: Nicht letztes Jahr, sondern noch ein Jahr vorher.

 

LA: Im Jahr 2014?

 

VP: Drei Monate war ich im Iran und vorher in Afghanistan.

 

LA: Welches Jahr war das?

 

VP: Ich war XXXX Jahre alt.

 

Anmerkung: Der AW kann auch nach längerem Überlegen kein genaues Datum sagen.

 

LA: Sie sind also mit XXXX Jahren aus Afghanistan ausgereist?

 

VP: Ja.

 

LA: Wann waren Sie im Iran?

 

VP: Im ersten und zweiten und dritten Monat war ich im Iran.

 

LA: Sie sind also am XXXX Jahre alt geworden und waren vom Jänner bis zum April im Iran?

 

VP: Ja.

 

LA: Und der von Ihnen angegebene Bürgerkrieg war im Jahr 2015?

 

VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

 

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an?

 

VP: Es gab einen Bürgerkrieg in Afghanistan, aber ich wurde von den Taliban bedroht.

 

LA: Sie haben gerade gesagt, dass Sie mit XXXX Jahren aus Afghanistan ausreisen mussten, dann haben Sie zu Protokoll gegeben, dass Sie in den ersten 3 Monaten nachdem Sie XXXX Jahre alt geworden sind, im Iran lebten. Somit mussten sie aus dem Iran nach Europa ausgereist sein, stimmt das?

 

VP: Ja.

 

LA: Somit sind Sie nicht mit XXXX Jahren aus Afghanistan ausgereist?

 

VP: Ich war XXXX Jahre alt, als ich Afghanistan verließ und im Iran war ich XXXX Jahre alt.

 

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

LA: Wie lange waren Sie im Iran?

 

VP: Drei Monate.

 

LA: Wie war Ihre letzte Adresse in Afghanistan?

 

VP: XXXX

 

LA: Wohnt Ihre Familie noch in Afghanistan?

 

VP: Mein Onkel väterlicherseits.

 

LA: Sonst noch wer?

 

VP: Nein.

 

LA: Wo leben Vater und Mutter?

 

VP: Beide verstorben.

 

LA: Sind Sie bei dem Onkel aufgewachsen?

 

VP: Ja.

 

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Onkel?

 

VP: Nein. Ich hatte mit dem Onkel eine gute Beziehung, aber mit seiner Frau nicht.

 

LA: Wie viel hat die Ausreise gekostet?

 

VP: 7000 US Dollar.

 

LA: Woher haben Sie das Geld?

 

VP: Mein Onkel hat meine Grundstücke verkauft und das Geld mir gegeben.

 

LA: Sie hatten eigene Grundstücke?

 

VP: Ja.

 

LA: Was haben Sie dort gearbeitet?

 

VP: Drei Jahre habe ich in der Klinik gearbeitet, ich habe dort geputzt und Tee gekocht.

 

LA: Welche Klinik und wo?

 

VP: Diese hat keinen Namen, das war die XXXX .

 

LA: Wie lange haben Sie gebraucht um das Geld für die Ausreise zu beschaffen?

 

VP: Ca. 1 Monat.

 

LA: Haben Sie die Grundstücke von den Eltern geerbt?

 

VP: Ja.

 

LA: Gibt es sonst noch Verwandte in Ihrem Dorf?

 

VP: Nein.

 

LA: Nur den Onkel?

 

VP: Ja.

 

LA: Warum sind Sie in den Iran gegangen?

 

VP: Weil ich in der Klinik gearbeitet habe, wollten die Taliban mich umbringen.

 

LA: Gibt es die Klinik noch?

 

VP: Ja.

 

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

 

VP: Sie haben und bedroht und gesagt, falls jemand mit der Regierung zusammenarbeitet oder in der Schule arbeitet, den bringen wir um.

 

LA: Sie arbeiteten aber nicht in der Schule oder für die Regierung sondern in einem Krankenhaus?

 

VP: Ja, ich habe in der Klinik gearbeitet.

 

LA: Wurden nur Sie dort bedroht im Krankenhaus?

 

VP. Nein.

 

LA: Wer noch?

 

VP: Alle.

 

LA: Aber nur Sie sind ausgereist?

 

VP: Ja.

 

LA: Und das Krankenhaus mit all den Ärzten und Pflegern, Angestellten gibt es noch dort?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass es das Krankenhaus noch gibt?

 

VP: Das Krankenhaus gibt es noch, aber die Mitarbeiter weiß ich nicht.

 

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

 

VP: Wir sind mit den Paschtunen Nachbarn und waren von den Taliban bedroht. Die Taliban sagten uns, falls wir mit der Regierung arbeiten, bringen uns die Taliban um.

 

LA: Haben Sie mit der Regierung zusammengearbeitet?

 

VP: Ich habe mit der Regierung gearbeitet.

 

LA: Ich dachte, Sie waren im Krankenhaus für Hilfsleistungen (Reinigung, Teekochen) beschäftigt? Was ist jetzt mit der Regierung?

 

VP: Wir haben unseren Lohn von der Regierung erhalten.

 

LA: Wohnten Sie in einem Haus, oder in einer Wohnung?

 

VP: Bei dem Onkel im Haus.

 

LA: Wem gehört dieses Haus/Wohnung momentan?

 

VP: Das hat mir und meinem Onkel gehört.

 

LA: Und Sie haben die Anteile des Hauses für die Ausreise dem Onkel verkauft?

 

VP: Ja.

 

LA: Wer wohnte noch in diesem Haus?

 

VP: Mein Onkel, die Frau und seine vier Kinder und Ich.

 

LA: Wie war das Verhältnis zur Frau des Onkels?

 

VP: Schlecht.

 

LA: Warum?

 

VP: Sie hat mich geschlagen und gesagt, dass ich die Hausarbeit auch machen muss.

 

LA: Deshalb haben Sie das Haus verkauft und sind weggezogen?

 

VP: Nein, nur wegen der Taliban.

 

LA: Das Krankenhaus ist noch in Betrieb oder?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Nach den allgemeinen Fragen zu Ihren persönlichen Umständen werde ich Sie nun jetzt zu Ihrem Fluchtgrund befragen.

 

LA: Was waren alle Ihre genauen zeitlich, aktuellen und konkreten Gründe, dass Sie Afghanistan verlassen mussten und auch nicht nach Afghanistan zurück können. Bitte schildern Sie nur die Fluchtgründe im Detail?

 

VP: [ ] Ich habe drei Jahre in dieser Klinik gearbeitet. Nach der Bedrohung durch die Taliban habe ich die Grundstücke und das Haus verkauft und Afghanistan verlassen. [ ]

 

LA: Wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen.

 

LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

 

LA: Wo ist der Brief?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Was stand in dem Brief?

 

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

 

LA: An wen war der Brief adressiert?

 

VP: An die XXXX Leute.

 

LA: An alle in dem Dorf?

 

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

 

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

 

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik.

 

LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief?

 

VP: Nein, nur durch diesen Brief.

 

LA: Warum glauben sie dass die Taliban die Reinigungskräfte eines Krankenhauses bedrohen?

 

VP: Wenn jemand mit der Regierung zusammenarbeitet den bringen die Taliban um.

 

LA: Warum sollten die Taliban funktionierende Krankenhäuser bedrohen?

 

VP: Sie bedrohen die Leute, die mit der Regierung zusammenarbeiten, überall waren Taliban.

 

LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht?

 

VP: Ja, ich bin bedroht worden.

 

LA: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht?

 

VP: In diesem Dorf XXXX . Bevor ich Afghanistan verlassen habe.

 

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie nur per Brief bedroht worden sind?

 

VP: Jetzt wurde ich per Brief und persönlich bedroht. Als ich in Aw Paran war, haben die Taliban mich dort gesehen.

 

LA: Wer hat Sie gesehen und wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Die Taliban und die Paschtunen haben mich dort gesehen und haben gesagt, wenn ich nochmal dorthin komme, dann bringen Sie mich um.

 

LA: War das ein Taliban oder ein Paschtune?

 

VP: Beides.

 

LA: Wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Die Kinderlähmungs-Impfbox hatte ich bei mir und sie haben mich erkannt.

 

LA: Konnten Sie die Impfstoffe abliefern?

 

VP: Ich habe nur den Arzt dorthin gebracht.

 

LA: Was ist mit dem Arzt passiert?

 

VP: Ich kam zurück und der Arzt war noch da.

 

LA: Was hat der Arzt dort gemacht?

 

VP: Der Arzt hat die Kinder dort geimpft.

 

LA: Und der Arzt wurde nicht bedroht?

 

VP: Der Arzt wurde auch bedroht. Sie sagten, dass es diesmal kein Problem sei, aber beim nächsten Mal werden wir euch umbringen.

 

LA: Was hat der Arzt dann gemacht?

 

VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

 

LA: Haben Sie den Arzt nicht mehr mitgenommen?

 

VP: Später haben die Dorfbewohner den Arzt zurückgebracht.

 

LA: Die Dorfbewohner haben also dem Arzt geholfen wieder zurück in die Klinik zu kommen?

 

VP: Ja.

 

LA: Hat der Arzt dann die Arbeit wieder aufgenommen im Krankenhaus?

 

VP: Solange ich in Afghanistan war hat er auch dort gearbeitet.

 

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

 

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

 

LA: Was haben Sie dann gemacht?

 

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet.

 

LA: Wie lange hat der Hausverkauf gedauert?

 

VP: Ca. 1 Monat.

 

LA: Haben Sie im Krankenhaus gekündigt oder wurden Sie gekündigt?

 

VP: Ich habe gekündigt.

 

LA: Und der Arzt hat nicht gekündigt?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Wie heißt der Arzt?

 

VP: XXXX

 

Anmerkung: Der AW weiß nur den Vornamen und nicht den genauen Namen.

 

LA: Und XXXX war bis zu Ihrer Ausreise noch im Krankenhaus?

 

VP: Ja. Er war dort.

 

[ ]

 

LA: Könnten Sie im Fall einer Rückkehr bei Ihrem Onkel wieder unterkommen?

 

VP: Nein.

 

LA: Warum nicht?

 

VP: Ich habe kein Haus und kein Grundstück mehr und die Frau meines Onkels lässt mich nicht mehr in mein Haus.

 

LA: Warum haben Sie wegen der Probleme mit der Frau des Onkels nicht Ihr Haus verkauft und sind mit dem Geld in einen anderen Teil Afghanistans gezogen?

 

VP: Ich habe nicht nur mit der Frau meines Onkels sondern auch mit den Taliban. Egal wo in Afghanistan, wenn Sie mich finden, bringen Sie mich um.

 

LA: Sie wollen mir also ernsthaft erzählen, dass die Taliban nach einer Reinigungskraft in ganz Afghanistan suchen, während der Arzt dort seine Tätigkeit weiter ausführen konnte?

 

VP: Solange ich in Afghanistan war, arbeitet der Arzt in dieser Klinik und jetzt weiß ich nicht. Ich wurde bedroht.

 

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

Anmerkung: Der AW gibt an, dass es sein kann, dass der Arzt auch schon das Krankenhaus verlassen hat. Diese Vermutung passiert aufgrund der vielen Wiedersprüche in der Einvernahme.

 

[ ]

 

LA: Sind Sie politisch aktiv, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

 

VP: Nein.

 

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

 

VP: Hazare.

 

LA: Gab es in Afghanistan eine konkrete, gezielte Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Hazare?

 

VP: Nein. Außer dem Vorgebrachten nicht.

 

LA: Ich dachte Sie werden wegen der Arbeit im Krankenhaus verfolgt und nicht wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

 

VP: Ich wurde nicht wegen der Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt.

 

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

 

VP: Schiitischer Moslem.

 

LA: Gab es in Afghanistan jemals eine Verfolgung Ihrer Person aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit als Schiitischer Muslim?

 

VP: Nein.

 

LA: Haben, oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit afghanischen Behörden, Polizei oder Gerichten?

 

VP: Nein.

 

[ ]

 

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme, mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen?

 

VP: Nein

 

[ ]

 

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

 

Anmerkung: Nach der Übersetzung gibt der AW an:

 

1. Der AW gab an, dass es niemals einen Bürgerkrieg in meinem Dorf in Afghanistan gab.

 

2. Er hat nicht gesagt, dass er am 01.01.2014 im Iran war, sondern der AW gibt an, am 01.01.2017 im Iran gewesen zu sein. Nachgefragt gibt der AW noch einmal das Jahr 2017 an.

 

3. Er gibt an, dass er XXXX Jahre alt im Iran war und nicht wie oben in der Aussage XXXX Jahre.

 

Anmerkung: Der AW versucht bei der Übersetzung ständig, die von ihm getätigten Aussagen wegen der offensichtlichen Wiedersprüche auszubessern. Er wird wiederum zum dritten Mal wegen der Wahrheitspflicht belehrt. [ ]"

 

1.1.2. Mit Bescheid vom 13.2.2017, 1079510303-150924566/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, wies das Bundesamt den Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100 (in der Folge: AsylG 2005), hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wies es den Asylantrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II). Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (in der Folge: BFA-VG; Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012 [in der Folge: FNG]) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 erließ es gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters sprach es aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV). Das Bundesamt traf Feststellungen auf Grund einer Beweiswürdigung, die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, wie folgt wiedergegeben wird:

 

"In der Bescheidbegründung traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge des Verfahrens widersprüchlich dargestellt bzw. seine Fluchtgründe im Verlauf der Befragung gesteigert und erweitert habe. Zum Beispiel habe der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angegeben, Afghanistan (unter anderem) wegen eines Bürgerkriegs verlassen zu haben. Dieses Vorbringen habe er bei seiner Einvernahme am 11.11.2016 zunächst wiederholt, später in der Einvernahme aber habe er angegeben, dass es keinen Bürgerkrieg in seinem Gebiet gegeben habe und er Afghanistan wegen der Bedrohung durch die Taliban verlassen habe. Zudem sei der Beschwerdeführer zum angegebenen Zeitpunkt des angeblichen Bürgerkriegs im Jahr 2015 bereits im Iran gewesen, sodass er keiner Verfolgung durch einen Bürgerkrieg ausgesetzt gewesen sein konnte. Zum Fluchtgrund der Bedrohung durch die Taliban habe der Beschwerdeführer zunächst angegeben, im Zuge seiner Tätigkeit als Reinigungskraft und Teezubereiter in einem Krankenhaus per Drohbrief bedroht worden zu sein. Dieses Fluchtvorbringen erachtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nicht glaubwürdig. Einerseits wisse der Beschwerdeführer auf Nachfrage nicht, wo sich dieser Drohbrief befinde. Andererseits seien nach seinen Angaben alle Mitarbeiter des Krankenhauses bedroht worden, aber nur der Beschwerdeführer sei ausgereist. Dass gerade der Beschwerdeführer als Reinigungskraft und Teezubereiter das Krankenhaus verlassen musste, während die Ärzte weiter ihren Dienst versehen konnten, sei nicht nachvollziehbar. Auf die Konfrontation seiner widersprüchlichen Aussagen und aufgrund der mehrmaligen Belehrungen während der Einvernahme habe der Beschwerdeführer einen dritten Fluchtgrund angegeben, nämlich dass er einen Arzt zu einer Impfaktion in ein anderes Dorf gebracht habe und dort von Paschtunen und Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei. Dazu führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach auch der Arzt bedroht worden sei, dieser dann aber mit Hilfe der Dorfbewohner wieder zum Krankenhaus zurückgebracht wurde, nicht nachvollziehbar seien. Zudem habe der Beschwerdeführer insofern widersprüchliche Angaben getätigt, als er zum einen angab, aufgrund einer mitgeführten Impfbox erkannt worden zu sein, andererseits aber auf die Frage, ob er die Impfstoffe abliefern konnte, angab, dass er nur den Arzt hingebracht habe. Aus einer Gesamtschau dieser Aussagen gelangte das Bundesamt für Asyl zu der Auffassung, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bestünden, das dargestellte Vorbringen nicht vollinhaltlich glaubhaft sei und das geschilderte Bedrohungsszenario selbst bei Wahrunterstellung keine Asylrelevanz erreiche. Dem Vorbringen fehle gänzlich das Element der objektivierbaren Furcht vor Verfolgung, dies sei insbesondere daraus ableitbar, dass der Beschwerdeführer nicht überstürzt geflohen sei, sondern noch einen Monat Zeit gehabt habe, seine Grundstücke und sein Haus zu verkaufen.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz derzeit zwar schwer möglich sei, ihm mit Kabul jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe. Im Falle eine Rückkehr würde dem Beschwerdeführer keine Gefahr drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde."

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.2.2017 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

 

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 2.3.2017 eine Beschwerde ein, die das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, gemäß "§§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF" abwies. Begründend stellte es zur Person des Beschwerdeführers - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - fest:

 

"Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist am XXXX geboren, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er spricht Farsi als Muttersprache.

 

[...] Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben, der Beschwerdeführer wuchs bei seinem Onkel auf. Der Onkel des Beschwerdeführers und dessen Frau leben noch im Distrikt XXXX der Provinz Ghazni. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Er ist ledig.

 

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre die Grundschule und war in drei Jahre lang in XXXX in der dortigen Klinik als Hilfsarbeiter (putzen und Tee kochen) beschäftigt.

 

Der Beschwerdeführer lebte nach seiner Ausreise aus Afghanistan für drei Monate im Iran, wo er als Hilfsarbeiter im Baubereich arbeitete. Er reiste aus dem Iran nach Europa, wobei die Reise etwa ein Monat dauerte. Spätestens seit 24.07.2015 hält er sich in Österreich auf.

 

[...] Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und konnten von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer ist insbesondere bei einer Rückkehr nach Afghanistan keiner Verfolgung durch Taliban oder andere Akteure ausgesetzt. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

 

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [...].

 

[...] Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul oder der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Dem Beschwerdeführer stehen innerstaatliche Fluchtalternativen in der Stadt Kabul und in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung.

 

[...] Der Beschwerdeführer ist gesund, lebt von der Grundversorgung, geht keiner legalen Beschäftigung nach, verfügt über keinerlei Familienangehörige in Österreich und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

 

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und eine Prüfung über das Niveau A1 abgelegt."

 

Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus [BFA =

Bundesamt; BVwG = Bundesverwaltungsgericht; BF = Beschwerdeführer;

RI = erkennende Richterin]:

 

"Die Feststellungen [...] zu Identität, Geburtsdatum, Volksgruppe, Herkunft, Religionsbekenntnis, Muttersprache, Familienverhältnissen, Ausbildung, Berufstätigkeit und Aufenthaltsorten des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

[...] Der Beschwerdeführer hat während des Verfahrens unterschiedliche Angaben zu Namen und Geburtsdatum gemacht. Seine Identität konnte aufgrund dessen sowie mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel nicht abschließend geklärt werden. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

 

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung am 24.07.2017 an, sich 3 Jahre im Iran aufgehalten haben, korrigierte das aber in der Folge auf 3 Monate. Da er kongruent weiter bei 3 Monaten Iran-Aufenthalt blieb, geht das BVwG von diesem Zeitraum aus.

 

Die Feststellung, dass er vom Iran aus nach Europa reiste, beruht auf seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA am 11.11.2016; die Feststellungen zur Dauer dieser Reise auf seinen Angaben in der Erstbefragung am 24.07.2015. [...]

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich aus den folgenden Gründen der Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid an, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen nicht glaubhaft ist [...]:

 

[...] So fällt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der Erstbefragung die Asylgründe nur kurz geschildert werden sollen, auf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 24.07.2015 angab, aus Afghanistan aufgrund des Bürgerkriegs geflohen zu sein und dass ‚die Taliban und der IS ... Jagd auf Schiiten' machten, zu seinen später vorgebrachten Fluchtgründen aber kein Wort verlor. Auch, als er zu seinen Bedrohungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan befragt wurde, antwortete er ebenfalls - und damit in sich schlüssig - mit ‚der Bürgerkrieg in Afghanistan'. Erst in der Einvernahme am 11.11.2016 brachte er erstmals vor, dass er von den Taliban bedroht worden sei.

 

Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017, wieso er in seiner Erstbefragung angegeben habe, wegen des Bürgerkriegs in Afghanistan zu flüchten und die Bedrohung seiner Person durch die Taliban überhaupt nicht erwähnt habe, gab der Beschwerdeführer an: ‚Ich war erschöpft von der Flucht. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht oder der Dolmetscher oder Schriftführer.' Aus Sicht der erkennenden Richterin ist jedoch die Aussage ‚Ich musste aus Afghanistan wegen dem Bürgerkrieg flüchten. Die Taliban und der IS machen Jagd auf Schiiten.' ein gänzlich anderer Fluchtgrund als jener der persönlichen Bedrohung durch die Taliban aufgrund zweier konkreter Vorfälle und wäre es auch vor dem Hintergrund von Erschöpfung und Kürze der Befragung deutlich naheliegender gewesen zu sagen, dass man selbst durch die Taliban bedroht worden sei. Auch dies wäre in einem schlichten, kurzen Satz möglich gewesen. Für das Vorliegen eines Fehlers von Dolmetscher oder Schriftführer gibt es ebenfalls keine Hinweise, insbesondere, da das Protokoll dem Beschwerdeführer rückübersetzt wurde und Verständigungsprobleme von ihm verneint wurden.

 

Auch in der Einvernahme vom 11.11.2016 blieb die Aussage des Beschwerdeführers zum Bürgerkrieg in sich unschlüssig:

 

‚VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

 

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an? VP: Es gab einen Bürgerkrieg, aber ich wurde von den Taliban bedroht.'

 

[...] Weiters blieb der Beschwerdeführer schon in der Einvernahme vom 11.11.2016 in sich widersprüchlich zur Bedrohung durch die Taliban: Verneinte er zuerst, von den Taliban persönlich bedroht worden zu sein (‚LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief? VP: Nein, nur durch diesen Brief.'), erklärte er schon zwei Fragen später, doch persönlich bedroht worden zu sein (‚LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht? VP: Ja, ich bin bedroht worden. VP: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht? VP:

In diesem Dorf XXXX . Bevor ich Afghanistan verlassen habe.') Bei einer Bedrohung, die zur Flucht geführt hat, wäre jedoch davon auszugehen, dass man nachvollziehbar mitteilen kann, ob man nun durch einen Brief oder durch einen Vorfall in einem Dorf oder durch beides bedroht wurde.

 

[...] In der Einvernahme vom 11.11.2016 fällt auf, dass es schwierig bleibt, kongruent nachzuvollziehen, wann welche Bedrohung erfolgt ist und welche Bedrohung zur Ausreise geführt hat:

 

Zuerst gab der Beschwerdeführer an: ‚Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen.'

 

Dies wäre als Bedrohung und Flucht durch den Vorfall im Dorf zu verstehen, doch schon im nächsten Satz bezog sich der Beschwerdeführer auf eine briefliche Bedrohung:

 

‚LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.'

 

In der Einvernahme vom 11.11.2016 wiederum gab der Beschwerdeführer nach der Schilderung des Vorfalls im Dorf mit den Taliban an:

 

‚VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

 

[...]

 

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

 

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

 

LA: Was haben Sie dann gemacht?

 

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet.'

 

Dies wäre aus dem Zusammenhang so zu verstehen, dass die Flucht nach dem Vorfall im Dorf stattfand. In der Beschwerde vom 02.03.2017 hingegen, ebenso wie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017, gab der Beschwerdeführer an, nach dem Vorfall im Dorf noch im Krankenhaus gearbeitet zu haben (‚BF: [...] wir haben uns in diesem Dorf nur einen Tag aufgehalten und sind zurück zur Klinik gekommen. Nach einer Woche haben sie uns einen Drohbrief geschickt [...]. Dann habe ich meine Grundstücke verkauft und habe die Heimat verlassen. [...] RI: Wie viel Zeit ist zwischen Ihrem Besuch in dem Dorf, wo die Taliban Sie bedroht haben, und dem Eingang des Drohbriefes im Krankenhaus vergangen? BF: Eine Woche.') Auf Vorhalt des Widerspruchs gab der Beschwerdeführer an, dass er auch damals gesagt habe, dass er nach dem Erhalt des Drohbriefes nicht mehr gearbeitet habe; vom Dorf sei er wieder in die Klinik und habe dort eine Woche gearbeitet.

 

Es ist jedoch davon auszugehen, dass man, selbst wenn man genaue Monate oder Jahre nicht mehr zuordnen kann, sich an die Chronologie der Ereignisse, die zur Flucht geführt haben, erinnern würde und diese nachvollziehbar wiedergeben könnte.

 

[...] Auch die Bedrohung durch den Brief blieb widersprüchlich: In der Einvernahme vom 11.11.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass ein Brief von den Taliban in die Klinik geschickt und er durch diesen Brief bedroht worden sei:

 

‚VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

 

LA: Wo ist der Brief?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Was stand in dem Brief?

 

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

 

LA: An wen war der Brief adressiert?

 

VP: An die XXXX .

 

LA: An alle in dem Dorf?

 

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

 

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

 

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik.'

 

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017 erklärte der Beschwerdeführer nun erstmals, dass die Namen von Personen, die in der Klinik gearbeitet haben, auf dem Brief gestanden seien und machte damit eine konkrete Bedrohung gegen ihn persönlich geltend, die er, trotz der sehr ausführlichen Befragung durch das BFA in der Einvernahme am 11.11.2016 zum Drohbrief (s. voriger Absatz), davor noch nicht vorgebracht hatte.

 

Diesen Widerspruch versuchte der Beschwerdeführer auf Vorhalt der erkennenden Richterin damit zu erklären, dass er die Namensliste auch bei der Einvernahme erwähnt habe oder er oder der Schriftführer einen Fehler gemacht hätten. Für das Vorliegen eines Fehlers des Schriftführers bei der Einvernahme gibt es jedoch keine Hinweise, insbesondere, da das Protokoll dem Beschwerdeführer rückübersetzt und die Vollständigkeit von ihm bestätigt wurde. Auch von einem ‚Fehler des Beschwerdeführers' ist nicht auszugehen, hätte er diesen doch auch etwa schon in seinem Beschwerdevorbringen und nicht erst auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung mitteilen können.

 

[...] Ebenso ist nicht schlüssig, warum nur der Beschwerdeführer, der lediglich als Hilfskraft im Krankenhaus arbeitete, vor den Taliban flüchten musste, während hingegen der Arzt, der nach der Aussage des Beschwerdeführers ebenfalls sowohl von dem Vorfall im Dorf als auch von dem Drohbrief betroffen war und als Arzt eine deutlich exponiertere Stellung als eine Hilfskraft hatte, jedenfalls bis zur Ausreise des Beschwerdeführers weiter in der Klinik blieb, wie der Beschwerdeführer übereinstimmend in der Einvernahme am 11.11.2016 sowie in der Verhandlung am 01.06.2017 angab.

 

[...] Widersprüchlich blieb weiters, ob auch andere Personen, die im Krankenhaus bedroht wurden, flohen. Verneinte der Beschwerdeführer dies noch in der Einvernahme am 11.11.2016 (‚LA: Wurden nur Sie bedroht im Krankenhaus? VP: Nein. LA: Wer noch? VP: Alle. LA: Aber nur Sie sind ausgereist? VP: Ja.'), bejahte er dies in der Verhandlung am 01.06.2017 (RI: Ist außer Ihnen noch jemand geflohen, auf diesen Brief hin? BF: Viele sind von dort geflohen...').

 

[...] Zur Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers trug weiter bei, dass in seiner Beschwerde vom 02.03.2017 gleich an zwei Stellen darauf abgestellt wurde, dass sein ‚Onkel, der ihm die Flucht mittels Grundstückverkauf mitermöglichen

konnte sowie dessen Familie ... selbst in Furcht vor weiteren

Repressalien der Taliban' lebten, die ‚über die Mithilfe des Onkels Bescheid' wüssten. In der Verhandlung am 01.06.2017 konnte der Beschwerdeführer jedoch keine konkrete Furcht seines Onkels vor den Taliban aufgrund der Fluchthilfe betätigen:

 

‚RI: Wie geht es Ihrem Onkel?

 

BF: Meinem Onkel geht es gut, er hat Mandelbäume, ihm geht es gut.

 

RI: Und Ihr Onkel hat keine Angst vor den Taliban?

 

BF: Nein, er hat vor den Taliban keine Angst gehabt, ich habe in der Klinik mit dem Staat gearbeitet.

 

RI: In Ihrer Beschwerde haben Sie aber gesagt, dass Ihr Onkel selbst in Furcht vor den Taliban ist.

 

BF: Alle haben Angst. Die Leute, die sieben Personen, denen der Kopf abgetrennt wurden, waren von unserer Gegend. Sie haben auch einem neunjährigen Mädchen den Kopf abgetrennt.

 

RI: D. h. Ihr Onkel hat nur die allgemeinen Gründe, warum er sich vor den Taliban fürchtet?

 

BF: Ja.'

 

Es untergräbt die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers, dass er damit einerseits widersprüchliche Angaben machte, es andererseits aber auch nicht schlüssig ist, dass der Onkel keine Angst vor den Taliban haben sollte, wenn er tatsächlich seinem von den Taliban bedrohten Neffen zur Flucht geholfen haben sollte.

 

[...] In einer Gesamtschau ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in den wesentlichsten Elementen wie Fluchtgrund, zeitlicher Ablauf, ausschlaggebenden Details und objektiver Wahrscheinlichkeit widersprüchlich bzw. nicht schlüssig ist.

 

[...] Da aus ausgeführten Gründen das Vorliegen einer Drohung durch die Taliban nicht angenommen werden konnte, ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer von den Taliban eine oppositionelle politische Einstellung oder ‚ungläubige' religiöse Gesinnung unterstellt wurde.

 

Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob es - wie in der Beschwerde vorgebracht wurde - den Taliban möglich ist, einzelne Personen im ganzen Land zu finden, auch wenn es in Afghanistan kein Meldewesen gibt."

 

Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 11.7.2017 zu Handen seines damaligen Vertreters zugestellt.

 

1.2.1. Am 1.9.2017 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag. Bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug) am selben Tag und bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt (Erstaufnahmestelle West in St. Georgen im Attergau) am 25.10.2017 gab er "neben seinen persönlichen Angaben befragt zu seinen neuen Fluchtgründen" - wie es im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017, W102 2149325-2/3E, wiedergegeben wird - an, "dass seine neuen Fluchtgründe die Alten seien, nämlich dass er im Krankenhaus tätig gewesen sei und sein Onkel nun tot sei, sonst gebe es nichts Neues. Auf Nachfrage warum er Ausführungen zum Tod seines Onkels treffe, gab er an, dass diese sein einziger Onkel sei und er dort niemand mehr habe. Weiters führte aus, dass sein Onkel vielleicht wegen ihm getötet worden sei, wofür er jedoch keine Hinweise habe. Sein Onkel sei mit Schusswaffen am 28.07.2017 getötet worden. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass es die Taliban oder die Paschtunen gewesen seien. Darüber hinaus traf er Ausführungen zu schlechten Lage der Hazaren Afghanistan. In Österreich oder Europa habe er keine Verwandten oder sonstigen Angehörigen."

 

1.2.2. Mit Bescheid vom 8.11.2017, 1079510303 - 171014937, wies das Bundesamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I), sprauch aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Schließlich hielt es fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III). In seiner Begründung hielt das Bundesamt zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Asylverfahren und zu seinem Privat- und Familienleben im Wesentlichen fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass sein Onkel ermordet worden sei. Der Beschwerdeführer leide an keiner schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückkehr in seine Heimat entgegenstehe. Insgesamt habe sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat seit Rechtskraft der letzten Entscheidung nicht geändert.

 

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 6.12.2017 eine Beschwerde ein, die das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.12.2017, W102 2149325-2/3E, "gemäß § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet" abwies. Begründend führte es aus:

 

"Der Beschwerdeführer stützte seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht hatte. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung (10.07.2017) über seinen Antrag auf internationalen Schutz ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte.

 

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

Der Beschwerdeführer ist seit seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer hat nie über einen Aufenthaltstitel ver-fügt, der sich nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt und auch mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft oder familienähnlichen Beziehung lebt. Der Beschwerdeführer bezieht während seines gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse beziehungsweise Prüfungen zuletzt über das Sprachniveau A1 absolviert, sodass er in der Lage ist, sich in Deutsch zu verständigen. Weitere Aus- oder Fortbildungen hat der Beschwerdeführer nicht absolviert. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände fest-gestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinen Familienverhältnissen sowohl in Österreich als auch in Afghanistan ergeben sich aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge seines bisherigen Verfahrens sowie aus dem Akteninhalt. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers war im Wesentlichen gleichlautend und sohin glaubwürdig.

 

Die Feststellungen zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren des Beschwerdeführers, einschließlich zu den darin vorgebrachten Fluchtgründen, ergeben sich aus der Einsicht in die jeweiligen Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere aus dem Bescheid des Bundesasylamtes und dem Erkenntnis des Bundesveraltungsgerichts. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung zur illegalen Einreise nach Österreich, zur Antragstellung und zu Stellung des Folgeantrags zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich bzw. zu den von ihm gesetzten Integrationsmaßnahmen, ergeben sich aus dem Akteninhalt und zwar insbesonde-re aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den von ihm diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Es finden sich weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsakt Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer um eine Integration in beruflicher oder sozialer Hinsicht außergewöhnlich stark bemüht hat, was sich unter anderem auch aus dem Umstand ergibt, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Aufenthalts keiner legalen Beschäftigung nachgegangen ist, um seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und auch keine Ausbildung absolviert hat. Dass der Beschwerdeführer Deutschkurse - zuletzt auf dem Niveau A1 - absolviert hat und daher in der Lage ist, sich in Deutsch zu verständigen, ergibt sich ebenfalls aus den diesbezüglich im Verfahren vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen sowie Zeugnissen. Die Feststellungen zum dauerhaften Bezug der Grundversorgung durch den Beschwerdeführer und zur fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen Angaben und aus den Auszügen aus dem GVS-Register. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers basieren auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszügen.

 

Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Ent-scheidung kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte, sondern seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe stützte, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht hatte, ist Folgendes auszuführen: Wie bereits das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt hat, hat der Beschwerdeführer betreffend die Begründung seines Folgeantrags keinen neuen maßgeblichen Sachverhalt vorgebracht. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass seine damaligen Angaben nach wie vor in Geltung seien und auch für den gegenständlichen Antrag gelten würden.

 

Die vom Bundesamt zur Lage in Afghanistan getroffenen Länderfeststellungen basieren auf aktuellen Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts der bisherigen Ausführungen im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers dar. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde lässt sich daraus - ohne ein dementsprechendes glaubwürdiges individuelles Vorbringen - keine Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde kein stichhaltiges Vorbringen erstattet."

 

Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 21.12.2017 persönlich ausgefolgt und damit zugestellt.

 

1.3. Am 26.2.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, abgeschlossen worden war, gemäß § 32 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 (in der Folge: VwGVG). Der Antrag zielte auf die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative und war mit dem Antrag verbunden, eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht zu erlassen (mit dem Ziel der Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts bzw. der Hintanhaltung der Abschiebung).

 

Mit Beschluss vom 14.3.2018, W249 2149325-3/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht diese Anträge ab.

 

In der Folge hielt sich der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland auf. Österreich erklärte sich gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 2013 Nr. L 180/31 ff. (Dublin-III-V) bereit, den Beschwerdeführer zu übernehmen; er wurde am 28.3.2018 nach Österreich überstellt.

 

2.1. Am 28.3.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag. Bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Salzburg PAZ) am selben Tag gab er an, er habe sich von 19.2.2018 bis zum 28.3.2018 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Auf die Frage, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, gab er an, er bleibe bei seiner Aussage (dh. bei der Aussage aus seinem früheren Asylverfahren); die Situation für seine Volksgruppe habe sich sogar verschlechtert. Er habe Angst vor den Taliban und vor dem "IS" (di. Daesh, der Islamische Staat, ISIS, ...). Auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit würde er umgebracht werden. Die Situation in Afghanistan sei gleich geblieben.

 

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt (Erstaufnahmestelle West) am 17.4.2018 gab der Beschwerdeführer an, er habe keine Verwandten in Österreich, sondern nur einige Freunde, und erhalte keine Unterstützung von Dritten. Er arbeite in der Betreuungsstelle in der Küche; in Traiskirchen und in Linz habe er im Lager gemeinnützig gearbeitet. In Salzburg habe er im September 2017 einen Deutschkurs besucht. Ohne Grundversorgungsleistungen könnte er sein Leben in Österreich nicht finanzieren. Auf die Frage, weshalb er einen neuen Asylantrag stelle, gab der Beschwerdeführer an, er habe nach Frankreich ausreisen wollen, sei aber in Deutschland festgenommen worden und es sei ihm mitgeteilt worden, dass Österreich ihn "wieder eingeladen" habe. Als die Frage wiederholt wurde, gab er an, er könne in Afghanistan nicht leben, er würde dort umgebracht werden. Auf die Frage, ob sich bezüglich seiner Ausreisegründe etwas geändert habe, gab er an, am 28.7.2017 sei sein Onkel ermordet und der Familie der Besitz weggenommen worden. Dort seien Häuser gebaut worden. Die Hazara-Bevölkerung sei in Gefahr, die Nachbarn seien alle Paschtunen. Auf die Frage nach weiteren Problemen gab der Beschwerdeführer an, er habe in einer öffentlichen Klinik als Hilfs- und Reinigungskraft gearbeitet und habe einen Arzt in ein Dorf namens XXXX (im ersten Asylverfahren XXXX genannt) gefahren, der dort Kinder habe impfen wollen. Dies hätten die Taliban gesehen und sie beide dann mit dem Tod bedroht. Sie hätten das zunächst nicht ernst genommen. Dann seien aber überall Drohbriefe geschickt und von allen verlangt worden, die Tätigkeit für die Regierung einzustellen.

- Auf den Vorhalt, dies habe er bereits in den vorhergehenden Verfahren erzählt, gab der Beschwerdeführer an, neu sei, dass das Grundstück weggenommen worden sei. Es treffe zu, dass er dies bereits im Verfahren über seinen zweiten Asylantrag angegeben habe, es sei aber immer noch aktuell. Die allgemeine Lage sei für die Hazara gefährlich.

 

Bei einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt (Erstaufnahmestelle West) am 25.4.2018 gab der Beschwerdeführer an, er habe Magenschmerzen und nehme ein Medikament namens Pantoloc ein. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, dort sei sein Leben in Gefahr. Vor drei Tagen habe es einen Anschlag in Kabul gegeben, in Nangarhar seien Leute umgebracht worden. Nirgendwo in Afghanistan sei es sicher. Die bei der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin gab an, seit Rechtskraft des letzten "Bescheides" am 21.12.2017 habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan maßgeblich verändert. Die im Vorverfahren aufgezeigte inländische Fluchtalternative Kabul sei "faktisch nicht mehr existent". In beinahe allen europäischen Ländern würden auf Grund dieser Situation alle Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt diesen - dritten - Asylantrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III); gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG erließ es gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Es erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI) und hielt fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII). Begründend führt es aus, die beiden früheren Asylverfahren seien am 10.7.2017 und am 21.12.2017 rechtskräftig abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe vorgebracht bzw. es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Er habe keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich bänden. Ohne staatliche Unterstützungsleistungen könnte er sein Leben in Österreich nicht finanzieren. Sodann trifft das Bundesamt Feststellungen zur Situation in Afghanistan. Beweiswürdigend heißt es, der Beschwerdeführer gebe dieselben Ausreisegründe an wie im Vorverfahren, dass ihn nämlich die Taliban bedroht hätten, als er einem Arzt bei einer Impfaktion geholfen habe, dass Grundstücksstreitigkeiten bestünden und dass die allgemeine Lage der Hazara schlecht sei. Auch die behauptete Ermordung seines Onkels habe er bereits im zweiten Asylverfahren vorgebracht. Damit decke sich sein Parteibegehren im dritten Antrag mit jenem in den beiden vorangegangenen Verfahren. Da er sein Vorbringen auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stütze, könne kein neuer Sachverhalt vorliegen.

 

Zum Einreiseverbot führt das Bundesamt aus, der Beschwerdeführer habe seine beiden bisherigen Asylanträge unbegründet und missbräuchlich gestellt, um sich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erwirken. Dass er untergetaucht sei und sich damit freiwillig in die Mittellosigkeit begeben habe und infolgedessen rechtswidrig eine Abschiebung in sein Heimatland zu verhindern versucht habe, ergebe sich aus dem Akteninhalt. Abschließend begründet das Bundesamt seine weiteren Aussprüche.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 25.6.2018 ausgefolgt und damit zugestellt.

 

2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 17.7.2018, in der vorgebracht wird, der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens (gemeint: seit Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren) maßgeblich geändert. So seien die Hazara in Ghazni neuerlich bedroht. Der Beschwerdeführer lege dazu Dokumente vor, die er erst vor rund 14 Tagen erlangt habe. Zudem habe sich seine Integration weiter verbessert. Schon allein deshalb könne von einem identischen Sachverhalt nicht ausgegangen werden. Dem Beschwerdeführer drohe darüber hinaus auf Grund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan im Falle seiner Rückkehr dorthin eine Verletzung von Art. 2 und 3 MRK. Alleine auf Grund der geänderten Umstände im Herkunftsstaat hätte das Bundesamt den Asylantrag nicht zurückweisen dürfen, sondern ihn inhaltlich prüfen müssen. Sodann wird dargelegt, weshalb sich nach Ansicht der Beschwerde die Sicherheitslage im Herkunftsland seit rechtskräftigem Abschluss des letzten Asylverfahrens verschlechtert habe. Dabei wird auch auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Ghazni, Kabul, Herat und in Mazar-e Sharif eingegangen. Dazu zitiert die Beschwerde Berichte aus den Jahren 2015 bis 2017. Zum Einreiseverbot bringt sie vor, der Beschwerdeführer sei nicht nach Afghanistan zurückgekehrt und habe damit den Anweisungen der österreichischen Fremdenbehörde nicht Folge geleistet, weil er in Afghanistan nach wie vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sei. Art. 11 Abs. 3 der Rückführungsrichtlinie (gemeint: Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. 2008 L 348, 98) sehe vor, dass in Einzelfällen aus humanitären Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbotes abgesehen werden könne. Diese humanitären Gründe lägen vor, daher sei das Einreiseverbot aufzuheben. Ein für die Dauer von zwei Jahren verhängtes Einreiseverbot scheine jedenfalls nicht gerechtfertigt zu sein. So fehle es generell an Feststellungen, weshalb die Höhe des Einreiseverbotes genau mit zwei Jahren bemessen worden sei. In Anbetracht "des an sich wohlfälligen" Verhaltens des Beschwerdeführers könne ihm nur vorgeworfen werden, dass er bisher nicht freiwillig ausgereist sei. Schließlich beantragt die Beschwerde, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Beigelegt ist der Beschwerde eine "Verhaltensbeurteilung" vom 11.6.2018, ausgestellt von der "ERS Service GmbH" in der Betreuungsstelle Thalham, wonach sich der Beschwerdeführer, geboren am XXXX "in Guinea", in der Betreuungsstelle mit außerordentlich angenehmen Verhalten ausgewiesen habe. Er habe täglich in verschiedenen Bereichen mitgearbeitet, seine Fähigkeiten in das Gemeinschaftsleben eingebracht und für ein gutes Miteinander gesorgt. Trotz der eigenen Belastung als Asylwerber habe er Mitbewohnern geholfen, er habe versucht, sich gut zu integrieren, und regelmäßig den Deutschkurs besucht.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017 wurde dem Beschwerdeführer am 11.7.2017 zu Handen seines damaligen Vertreters zugestellt. Dieses Erkenntnis wurde mit der Zustellung rechtskräftig.

 

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer am 21.12.2017 zugestellt. Dieses Erkenntnis wurde mit der Zustellung rechtskräftig.

 

2.1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß § 73 Abs. 11 und 12 AsylG 2005 idF des FNG und des FNG-Anpassungsgesetzes ist § 10 AsylG 2005 idF des FNG und des FNG-Anpassungsgesetzes mit 1.1.2014 in Kraft getreten. Gemäß § 73 Abs. 18 AsylG 2005 idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 BGBl. 145 (in der Folge: FrÄG 2017) ist § 10 Abs. 1 AsylG 2005 idF des FrÄG 2017 am 1.11.2017 in Kraft getreten.

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

 

2.1.2. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

2.2. Gemäß § 1 VwGVG idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Dementsprechend sind im Verfahren über die vorliegende Beschwerde Vorschriften des AsylG 2005 und des BFA-VG idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz und des BG BGBl. I 144/2013 anzuwenden.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

 

Zu A)

 

1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183;

30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 27.4.2000, 98/10/0318;

7.6.2000, 99/01/0321; 5.7.2000, 2000/03/0126; 14.9.2000, 2000/21/0087; 20.9.2000, 95/08/0261; 27.6.2001, 98/18/0297;

4.10.2001, 2001/08/0057; 28.1.2003, 2002/18/0295; 2.10.2003, 2000/09/0186; 28.10.2003, 2001/11/0224; 3.11.2004, 2004/18/0215;

5.7.2005, 2005/21/0093; 24.1.2006, 2003/08/0162; 2.10.2008, 2008/18/0538; 6.6.2012, 2009/08/0226).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden darf. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs. 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt. Fest steht nach der Rechtsprechung weiters, dass auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mit ihrer Erlassung rechtskräftig wird, dabei haben alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der Rechtskraft. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; vgl. weiters VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913;

27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235; 17.9.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.2.2009, 2008/01/0344;

6.11.2009, 2008/19/0783; 21.6.2018, Ra 2017/07/0125; 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 9.8.2018, Ra 2018/22/0078; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043;

ausdrücklich zum VwGVG: 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwSlg. 13.639 A/1992, 15.694 A/2001; VwGH 12.3.1990, 90/19/0072;

4.6.1991, 90/11/0229; VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 28.10.2003, 2001/11/0224; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684;

19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783; 17.12.2014, 2013/10/0246). Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat (VwGH 19.3.1980, 2426/79, mwN; 9.7.1990, 89/10/0225; 28.9.1992, 92/10/0055; 30.6.1994, 92/06/0270; 25.3.1997, 96/05/0182; 24.4.1997, 97/06/0039; 27.5.1999, 98/06/0052; 22.5.2001, 2001/05/0075;

4.9.2001, 2000/05/0126; 7.8.2002, 2002/08/0120; 26.9.2002, 2001/06/0039; 20.3.2003, 2001/06/0050; 25.5.2005, 2004/09/0198;

25.4.2006, 2006/06/0038; 20.11.2007, 2006/05/0278; 26.5.2009, 2009/06/0004; 23.6.2009, 2009/06/0075; 12.12.2013, 2013/06/0203;

vgl. auch VwGH 13.9.2011, 2011/22/0035; 23.2.2012, 2012/22/0002;

19.9.2012, 2012/22/0114; 20.8.2013, 2012/22/0119; 9.9.2013, 2013/22/0161; 9.9.2013, 2013/22/0215; 3.10.2013, 2012/22/0068;

11.11.2013, 2013/22/0252; 22.1.2014, 2013/22/0007; 10.4.2014, 2011/22/0286; 10.4.2014, 2013/22/0198; 19.11.2014, 2012/22/0056;

19.11.2014, 2013/22/0017; 19.4.2016, Ra 2015/22/0052). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684). Soweit nicht das Bundesasylamt, das Bundesamt oder der unabhängige Bundesasylsenat, sondern der Asylgerichtshof oder das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat, ist Maßstab nicht ein Bescheid, sondern die Entscheidung des Gerichtes.

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes;

vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196; 17.2.2006, 2006/18/0031;

14.12.2015, Ra 2015/09/0076) fehlt es an der Identität der Sache;

neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391; 13.9.2016, Ra 2015/01/0256), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Das bedeutet, dass erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, keine Änderung des Sachverhalts darstellen, sondern nur einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens bilden können (zum VwGVG VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043; 25.10.2018, Ra 2018/07/0353).

 

Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183, mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431; 17.9.2008, 2008/23/0684; 6.11.2009, 2008/19/0783; vgl. zum VwGVG: VwGH 25.10.2018, Ra 2018/07/0353: "Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst").

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG 2005 - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN, zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 - in der Folge: AsylG 1997; 17.9.2008, 2008/23/0684; weiters VwGH 6.11.2009, 2008/19/0783). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365;

25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 17.9.2009, 2009/07/0045; 31.7.2014, 2013/08/0163;

9.3.2015, Ra 2015/19/0048; 25.2.2016, Ra 2015/19/0267; 12.10.2016, Ra 2015/18/0221; 25.4.2017, Ra 2016/01/0307; 24.5.2018, Ra 2018/19/0187; 27.11.2018, Ra 2018/14/0213). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides (Vorerkenntnisses) einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; vgl. auch VwGH 4.6.1991, 90/11/0229).

 

1.2. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid (Vorerkenntnis) auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235; 12.12.2002, 2002/07/0016; 19.9.2013, 2011/01/0187; zum VwGVG: VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; 8.8.2018, Ra 2017/04/0112). Gibt es mehrere Vorbescheide (Vorentscheidungen), so ist Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) jener (jenes), "in welchem letztmalig materiell über die Sache abgesprochen" (VwGH 15.11.2000, 2000/01/0184) bzw. "mit dem zuletzt materiell in der Sache entschieden" (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0440; 15.3.2010, 2006/01/0316) worden ist (vgl. weiters VwGH 13.10.2006, 2006/01/0323; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; vgl. auch schon VwGH 4.5.1990, 90/09/0016; 19.10.1995, 93/09/0502: nicht eine Formalentscheidung [Zurückweisung wegen entschiedener Sache], sondern ein materiellrechtlicher Abspruch ist maßgeblich).

 

Bescheide und Erkenntnisse, mit denen ein Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird, scheiden daher als Vergleichsbescheide und Vergleichserkenntnisse aus. Auch die Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit eines neuen Vorbringens bei der Prüfung, ob ein Folgeantrag zulässig ist - iSd der Ausführungen zum "glaubhaften Kern" -, führt nicht dazu, "dass aus der Zurückweisung eines Folgeantrages dessen inhaltliche Erledigung wird" (VwGH 26.7.2005, 2005/20/0226).

 

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (jetzt: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; VwGH 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235; 26.2.2004, 2004/07/0014; 24.6.2014, Ra 2014/19/0018). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400; 15.9.2010, 2008/23/0334, mwN; 15.12.2010, 2007/19/0265).

 

Aus dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesamtes zu kontrollieren hat.

 

1.3. "Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, das Verwaltungsgericht darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Verwaltungsbehörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Es hat daher entweder

 

1.4. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

2.1. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Vergleichserkenntnis ist das Erkenntnis vom 7.7.2017, weil mit ihm zum letzten Mal inhaltlich entschieden worden ist. Der angefochtene Bescheid enthält an mehreren Stellen Formulierungen, wonach es auf die Rechtskraft des zweiten Erkenntnisses ankomme (zB hinsichtlich der behaupteten Ermordung des Onkels des Beschwerdeführers oder dahin, sein Parteibegehren im dritten Antrag decke sich mit jenem in den beiden vorangegangenen Verfahren). Auch die Beschwerde stellt auf eine Veränderung der Sicherheitslage in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des letzten (also des zweiten) Verfahrens ab, und auch die Rechtsberaterin äußerte sich bei der Einvernahme am 25.4.2018 in diesem Sinne. Dies trifft nach der Rechtsprechung in dieser Form nicht zu, maßgeblich kann danach nur das erste der beiden Erkenntnisse sein.

 

2.2. Der Beschwerdeführer hat gegenüber seinen Angaben im ersten Asylverfahren neu angegeben, dass sein Onkel am 28.7.2017 getötet worden sei, dass sich die Lage der Hazara in der Provinz Ghazni verschlimmert habe und dass sich die Situation in Afghanistan allgemein verschlimmert habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Erkenntnis vom 7.7.2017 angenommen, dass dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative in näher genannten Städten in Afghanistan zustehe. So heißt es dort wörtlich: "Hinsichtlich einer Rückkehr an den Heimatort im Distrikt XXXX , Provinz Ghazni ergibt sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellung und den in das Verfahren einfließenden sonstigen Informationen für das erkennende Gericht, dass aufgrund der dort auftretenden Sicherheitsprobleme eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region für diesen mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein könnte, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann."

 

Auf die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni kommt es daher nicht an; ob sie sich geändert hat, wie die Beschwerde behauptet, ist nicht relevant. Dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul und Mazar-e Sharif geändert hätte, wird zwar von der Beschwerde behauptet, jedoch nur mit veralteten Berichten (aus den Jahren 2015 bis 2017) zu belegen versucht.

 

Da das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 7.7.2017 von einer inländischen Fluchtalternative ausgeht, ist auch nicht erkennbar, welchen Einfluss der behauptete Tod des Onkels auf die Rückkehrsituation des Beschwerdeführers haben sollte.

 

Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, liegen auch nicht vor, da sich die allgemeine Situation in Afghanistan in der kurzen Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht wesentlich geändert hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht eine seit Rechtskraft der Entscheidung im früheren Asylverfahren behauptete Lageänderung im Herkunftsstaat der Zurückweisung des Folgeantrags dann entgegen, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass demnach die Frage des subsidiären Schutzes anders beurteilt werden könnte (VwGH 25.4.2017, Ra 2016/01/0307, mwN). Aspekte der Integration des Beschwerdeführers, die sich nach den Behauptungen der Beschwerde weiter verbessert haben soll, sind nicht bei der Frage zu berücksichtigen, ob der Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, sondern bei den weiteren Spruchpunkten (su.).

 

2.3. Somit hat sich weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch im Hinblick auf jenen, der von Amts wegen aufzugreifen ist, die maßgebliche Sachlage geändert. Das neue Begehren zielt auf dasselbe wie das ursprüngliche, nämlich darauf, dem Beschwerdeführer Asyl (oder subsidiären Schutz) zu gewähren.

 

Mithin steht die Rechtskraft des des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017 einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seinem zweiten Asylantrag die Überprüfung eines der Beschwerde nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt hat. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I war daher abzuweisen.

 

2.3.1.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idF des FNG ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird und wenn nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird. Zwar spricht § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 davon, dass der Asylantrag abgewiesen werde, doch stellt diese Vorschrift iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar" (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0085; 14.11.2017, Ra 2017/20/0274; 13.2.2018, Ra 2017/18/0332; 22.3.2018, Ra 2017/01/0287). - Nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist in diesem Fall - mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen (dass nämlich dem Fremden "kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen" [gemeint jedenfalls: nach anderen Bundesgesetzen als nach dem AsylG 2005] zukommt) - eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, richtet sich nach § 9

BFA-VG.

 

Eine Rückkehrentscheidung ist mithin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 dann zu erlassen, wenn § 9 BFA-VG dem nicht entgegensteht und wenn überdies nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt voraus, dass die Frage geklärt wird, ob ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird (VwSlg. 19.112 A/2015); die Prüfung dieser Frage muss dieser Entscheidung vorangehen; ist nämlich ein Titel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen, so ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0023 bis 0024).

 

2.3.1.2.1. Nach § 9 Abs. 1 BFA-VG ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn durch sie in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, (nur dann) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. § 9 Abs. 2 BFA-VG zählt Umstände auf, die dabei insbesondere zu berücksichtigen sind (sie entsprechen wörtlich den in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF vor dem FNG aufgezählten, abgesehen davon, dass es statt "Herkunftsstaat" nunmehr heißt: "Heimatstaat" [vgl. die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005, die freilich durch das FNG nicht geändert worden ist und gemäß § 2 Abs. 2 BFA-VG auch im Anwendungsbereich des BFA-VG gelten soll]). Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung (nach § 52 FPG) jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf abzusprechen, ob sie gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. Dies ist nur dann der Fall, "wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind". (Bloß vorübergehende Abschiebungshindernisse führen nach den Intentionen des Gesetzes zu einer bloßen Duldung im Bundesgebiet [vgl. § 46a FPG]: VwSlg. 19.112 A/2015.) Dies wiederum "ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht" verfügen, unzulässig wäre.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 MRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.516/2005 (Pt. IV.2.1), das zu einer der Vorgängerbestimmungen des § 9 BFA-VG ergangen ist (nämlich zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997, der statt von einer "Rückkehrentscheidung" von einer "Ausweisung" sprach), beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (in der Folge: FrG) verankerten Ausweisungshindernis (das den Schutz des Privat- und Familienlebens im Auge hatte) durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082, mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das BFA-VG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfSlg. 17.516/2005 [Pt. IV.3.2]; vgl. VfSlg. 18.224/2007, wo der VfGH - anlässlich einer auf § 10 AsylG 2005 gestützten Ausweisung - auf das zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997 ergangene Erk. VfSlg. 17.340/2004 verweist): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

Die diesbezügliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat der Verfassungsgerichtshof wie folgt zusammengefasst (VfSlg. 18.223/2007, 18.224/2007; vgl. weiters VfSlg. 18.417/2008, 18.524/2008; VfGH 28.4.2009, U 847/08; 1.7.2009, U 1209/09; 3.9.2009, U 61/09; VwGH 23.9.2009, 2006/01/0954, mwN;

21.1.2010, 2008/01/0637; 15.3.2010, 2007/01/0537, mwN; 21.6.2010, 2006/19/0451; 9.9.2010, 2006/20/0176; 15.12.2010, 2007/19/0869;

23.2.2011, 2011/23/0074; 21.4.2011, 2011/01/0132; 27.4.2011, 2011/23/0057; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474):

 

"Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die [...] an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird [...], das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [...] und dessen Intensität [...], die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert [...], die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung [...] für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen [...]."

 

Im Erkenntnis 22.6.2009, U 1031/09, hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahin zusammengefasst, diese Kriterien seien "u.a.:

 

* die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;

 

* die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen;

 

* die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;

 

* die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und wenn ja, welches Alter sie haben, und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte in dem Land unter Umständen begegnet, in das der Beschwerdeführer auszuweisen ist."

 

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 MRK insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und "die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war", das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die "strafgerichtliche Unbescholtenheit", Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, "die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren", und "die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist". Aus den parlamentarischen Materialien (Erläut. zur RV, 1803 BlgNR 24. GP , 10 f., ebenso aus den parlamentarischen Materialien zur Vorgängerbestimmung, Erläut. zur RV, 88 BlgNR 24. GP , 2 f., und Erläut. zur RV, 1078 BlgNR 24. GP ,

43) ergibt sich, dass damit nichts anderes geschehen soll, als der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 8 MRK Rechnung zu tragen, ohne eine gegenüber der früheren materiell andere Rechtslage zu schaffen.

 

Ist zu beurteilen, ob es aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK zulässig ist, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen, so sind das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung und das persönliche Interesse des Fremden an seinem weiteren Verbleib in Österreich zu gewichten und einander gegenüber zu stellen. Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles va. zu prüfen, inwieweit der Fremde die Zeit, die er in Österreich verbracht hat, dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen Bedacht zu nehmen, die es auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, wenn sein Aufenthalt beendet würde (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN).

 

Der Befolgung der Vorschriften, die den Aufenthalt von Fremden regeln, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die, nachdem ihr Asylverfahren negativ abgeschlossen worden ist, über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig hier verbleiben. Das Interesse an einem Verbleib in Österreich, das durch eine soziale Integration erworben worden ist, ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN).

 

2.3.1.2.2. Das Bundesamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 MRK bzw. durch § 9 Abs. 2 BFA-VG vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bisher - soweit überhaupt - nur auf Grund eines Asylantrages zum Aufenthalt berechtigt war, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, sodass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479, sowie mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.12.1999, 99/18/0409, uva.; vgl. auch VwGH 9.5.2003, 2002/18/0293, wonach dies anders zu beurteilen ist, wenn [fallbezogen] "nicht festgestellt wurde, dass der Asylantrag [...] von vornherein - und nicht etwa wegen einer geänderten Lage im Kosovo - unberechtigt gewesen wäre"; VfGH 12.6.2010, U 613/10 [wesentliche Bedeutung eines - wie hier - nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus, kein Rechtsanspruch auf Grund des Art. 8 MRK allein durch beharrliche Missachtung fremden- und aufenthaltsrechtlicher Vorschriften]; ebenso VfSlg. 19.086/2010; nach VfSlg. 19.203/2010 [zum vergleichbaren § 66 FPG idF BG BGBl. I 29/2009] ist zu berücksichtigen, ob eine Integration während eines Asylverfahrens stattgefunden hat, das ohne Verschulden des Fremden und ohne dass besonders komplexe Rechtsfragen vorgelegen wären, besonders lange gedauert hat). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt worden sind, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (ausführlich VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN; 10.4.2019, Ra 2019/18/0049; 10.4.2019, Ra 2019/18/0058).

 

Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zu (in diesem Fall schlösse § 52 Abs. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung aus; der Ausdruck "kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen" ist jedenfalls auch auf das AsylG 2005 zu beziehen [in diesem Sinne wohl VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274]).

 

Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf die oben wiedergegebenen Überlegungen aus dem Erkenntnis vom 19.12.2017, die bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht unaktuell geworden sind. Mit der bloßen Behauptung (aufgestellt in der Beschwerde vom 17.7.2018), die Integration des Beschwerdeführers habe sich "weiter verbessert", und mit einer "Verhaltensbeurteilung", wonach sich der Beschwerdeführer in der Betreuungsstelle mit außerordentlich angenehmen Verhalten ausgewiesen habe, wird dies jedenfalls schon angesichts der Kürze des bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich und seiner Mittellosigkeit nicht dargetan. Die Angabe des Geburtslandes des Beschwerdeführers mit Guinea lässt zudem Zweifel darüber aufkommen, ob sich diese Verhaltensbeurteilung in der Tat auf den Beschwerdeführer bezieht.

 

Unter diesen Umständen kommt den öffentlichen Interessen daran, dass der Beschwerdeführer das Land verlässt, größere Bedeutung zu als seinen persönlichen Interessen.

 

2.3.2. Da einer Rückkehrentscheidung weder § 9 BFA-VG entgegensteht noch von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist, ist die Rückkehrentscheidung, die das Bundesamt erlassen hat, zu bestätigen.

 

2.4. Voraussetzung dafür, nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ("Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK") einen Aufenthaltstitel zu erteilen, ist jedenfalls, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist (§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; VwSlg. 19.112 A/2015). Wird ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 nicht von Amts wegen erteilt, so kann dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rechtsweg geltend gemacht werden ("in jenem Fall [...], in dem das Bestehen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels infolge dessen, dass dem Antrag auf internationalen Schutz der Erfolg versagt wurde, von der Behörde von Amts wegen zu prüfen ist": VwSlg. 19.031 A/2015). Daher ist über das Ergebnis der amtswegigen Prüfung, ob nach § 55 (und nach § 57) AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG 2005; VwSlg. 19.031 A/2015). Ist eine aufenthaltsbeendende Maßnahme kein unverhältnismäßiger Eingriff in die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte, so folgt daraus, dass sie im Grunde des § 9 BFA-VG zulässig ist, ebenso aber auch, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 MRK nicht geboten ist (VwSlg. 19.268 A/2015 und va. die darin bezogene Entscheidung VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; 28.1.2016, Ra 2016/21/0006; 30.6.2016, Ra 2016/21/0103; 4.8.2016, Ra 2016/21/0203; 20.10.2016, Ra 2016/21/0271; 31.1.2019, Ra 2018/22/0086). § 58 Abs. 3 AsylG 2005 (jedenfalls seit der Neufassung durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 BGBl. I 70) bietet keine Rechtsgrundlage dafür, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, darüber hinaus auch noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen (mag der Fremde auch nicht dadurch in Rechten verletzt sein, wenn der Abspruch über die Rückkehrentscheidung zu Recht ergangen ist) (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; dem folgend VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0185; 20.12.2016, Ra 2016/21/0255; 22.2.2017, Ra 2017/19/0001 bis 0006; 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 31.1.2018, Ra 2018/20/0004; dennoch einen solchen Ausspruch aufhebend VwGH 15.3.2016, Ra 2015/21/0174; 5.10.2016, Ra 2016/19/0158).

 

Aus dem oben zur Rückkehrentscheidung Gesagten ergibt sich, dass diese Voraussetzung - dass nämlich die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist - nicht erfüllt ist (ansonsten wäre die Rückkehrentscheidung nicht zulässig). Das Bundesamt hat daher zu Recht keinen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 erteilt.

 

2.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, der Drittstaat könnte aus Gründen, die der Drittstaatsangehörige zu vertreten hat, nicht festgestellt werden. Ob eine Abschiebung zulässig ist, richtet sich nach § 50 FPG, dessen erste beide Absätze weitgehend den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und den Verfolgungsgründen der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention) entsprechen; der dritte Absatz betrifft den Fall, dass der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass der Abschiebung keine derartigen Gründe entgegenstehen; dass keine Konventionsgründe und keine Gründe nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen, ist bereits oben geprüft und festgestellt worden. Zwar ist im Rahmen eines Verfahrens auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat vorgesehen, doch kommt ihr nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen. In diesem Sinn ist diese amtswegige Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; dem folgend VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0101; 15.9.2016, Ra 2016/21/0234; 13.11.2018, Ra 2018/21/0205; 7.3.2019, Ra 2019/21/0044, vgl. auch VwSlg. 19.425 A/2016).

 

2.5.2. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen. Dies ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. (§ 53 Abs. 3 FPG sieht für bestimmte Fälle eine Höchstdauer von zehn Jahren vor.) Bei der Bemessung der Dauer hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Der Beschwerdeführer hat nunmehr seinen dritten Asylantrag gestellt; außerdem hatte er einen Wiederaufnahmsantrag gestellt. Alle diese Anträge blieben erfolglos. Unter diesen Umständen dürfte das Bundesamt mängelfrei davon ausgehen, dass die Voraussetzungen eines Einreiseverbotes vorlagen. Auch die Dauer, die es mit zwei Jahren bemaß, begegnet keinen Bedenken.

 

Die Beschwerde hält dem entgegen, im Fall des Beschwerdeführers lägen humanitäre Gründe vor, aus denen von der Verhängung eines Einreiseverbotes abgesehen werden könne. Dies wird nicht weiter begründet. Weiters wirft die Beschwerde dem Bundesamt vor, dem angefochtenen Bescheid mangle es an Feststellungen, weshalb die Höhe des Einreiseverbotes genau mit zwei Jahren bemessen worden sei. Dazu genügt der Hinweis, dass sich die festgelegte Dauer im unteren Bereich des vom Gesetz vorgesehenen Rahmens bewegt und dem Verhalten des Beschwerdeführers angemessen erscheint. Schließlich bringt die Beschwerde vor, in Anbetracht "des an sich wohlfälligen" Verhaltens des Beschwerdeführers könne ihm nur vorgeworfen werden, dass er bisher nicht freiwillig ausgereist sei. Dies trifft zu und rechtfertigt die Verhängung des Einreiseverbotes; was mit dem "an sich wohlfälligen" Verhalten des Beschwerdeführers gemeint ist, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

 

2.5.3. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht eine solche Frist nicht ua. für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG, wie sie hier vorliegt.

 

Da die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist die Feststellung des Bundesamtes, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, zu bestätigen.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte