VwGH 90/19/0072

VwGH90/19/007212.3.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des R gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. August 1989, Zl. 61.020/21-2/89, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Arbeitnehmerschutzangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

ASchG 1972 §3 Abs2;
AVG §68 Abs1;
ASchG 1972 §3 Abs2;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das Arbeitsinspektorat für den 2. Aufsichtsbezirk hat mit Bescheid vom 25. April 1989 den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Februar 1989 um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in den im Kellergeschoß gelegenen, nicht natürlich belichteten Gasträumen in der Betriebsstätte in Wien X, X-Gasse, gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In der Begründung wurde auf den rechtskräftigen Bescheid des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk vom 30. September 1986 verwiesen, mit dem ein gleichartiges Ansuchen des Beschwerdeführers vom 30. Juni 1986 um Ausnahme von den Bestimmungen des § 3 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, dieselben im Kellergeschoß gelegenen nicht natürlich belichteten Gasträume betreffend, abgewiesen worden sei. Das Arbeitsinspektorat führte ferner aus, in der Betriebsanlage vorgenommene Erhebungen hätten ergeben, daß die für die bescheidmäßige Entscheidung des Arbeitsinspektorates vom 30. September 1986 maßgeblichen Voraussetzungen unverändert seien. So seien insbesondere die im Kellergeschoß befindlichen Gasträume nach wie vor ohne natürliche Belichtung; ebenso hätten keine Veränderungen in der Art der Nutzung dieser Räume festgestellt werden können. Es seien überhaupt keine Umstände hervorgekommen, die einen neuen Sachverhalt begründen könnten.

In der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung räumte der Beschwerdeführer zwar ein, daß die tatsächlichen Gegebenheiten in der gegenständlichen Betriebsstätte seit dem 30. September 1986 im wesentlichen unverändert seien. Dennoch sei bezüglich der für die Bescheiderlassung maßgeblichen Voraussetzungen in der Zwischenzeit insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als die in Rede stehenden Kellerräumlichkeiten nunmehr zweifellos im Zusammenhang mit einer seit geraumer Zeit bestehenden Betriebsstätte stünden. Im Bescheid vom 30. September 1986 sei die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung unter anderem deswegen versagt worden, weil ausdrücklich festgestellt worden sei, daß kein Zusammenhang mit einer bestehenden Betriebsstätte gegeben sei. Im übrigen benötige der Beschwerdeführer die Kellerräumlichkeiten dringend als zusätzliche Arbeitsräume.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 und § 68 Abs. 1 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, es sei Gegenstand des Berufungsverfahrens die Frage, ob eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 vorliege. Entschiedene Sache liege vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hätten. Eine Änderung der Sachlage wäre anzunehmen, wenn in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten wäre. Es könne nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zulasse, daß nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten könne. Eine Änderung von für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen reiche nicht aus. Sowohl der Antrag vom 30. Juni 1986 als auch der Antrag vom 18. Februar 1989 seien darauf gerichtet gewesen, die Beschäftigung von Arbeitnehmern in den im Kellergeschoß gelegenen, nicht natürlich belichteten Gasträumen gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes zuzulassen. Die tatsächlichen Gegebenheiten hätten sich seit der Entscheidung des Arbeitsinspektorates vom 30. September 1986 in keiner Weise geändert. In dem dem nunmehrigen Verfahren zugrunde liegenden Antrag vom 18. Februar 1989 werde eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes auch gar nicht behauptet, sondern lediglich angeführt, daß diese Kellerräumlichkeiten bei den Gästen sehr beliebt geworden seien. Dieser Umstand sei aber für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern ohne Bedeutung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid unter anderem in seinem Recht auf bescheidmäßige Sacherledigung seines Antrages verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 AVG 1950 in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache verhindern soll (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1988, Zl. 87/12/0004).

Die Regelung des § 68 Abs. 1 AVG 1950 entspricht dem Grundsatz "ne bis in idem". Die Identität der Sache ist - wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat - dann gegeben, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen - von Umständen abgesehen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind - mit dem früheren deckt (siehe unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1989, Zl. 89/11/0004). Es kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (siehe unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1987, Slg. Nr. 12.511/A).

Im Beschwerdefall, bei dem es lediglich darauf ankommt, ob die Behörde die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren stützen durfte, besteht nur Streit darüber, ob in dem für die Entscheidung des gegenständlichen vom Beschwerdeführer neuerlich gestellten Antrages auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes maßgeblichen Sachverhalt seit dem Ergehen des seinerzeit den Antrag abweisenden Bescheides vom 30. September 1986 eine Änderung eingetreten ist, die im Lichte der soeben dargestellten Grundsätze den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.

Mit Recht wird vom Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß sich der von ihm nunmehr - schlüssig - behauptete Sachverhalt vom damaligen dadurch unterscheidet, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 30. September 1986 noch keine Betriebsstätte bestanden hat, nunmehr aber ein Gastgewerbebetrieb in jenen Räumen geführt wird, die mit den in Rede stehenden Kellerräumlichkeiten verbunden werden sollen. Der Einwand der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß auch schon im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 30. September 1986 der Gastgewerbebetrieb bestanden habe, muß angesichts der vom Arbeitsinspektorat in dem genannten Bescheid getroffenen gegenteiligen Feststellungen ins Leere gehen. Somit hätte die Behörde die ihr bei einem Vergleich der Begründung des seinerzeitigen Bescheides vom 30. September 1986 mit dem streitgegenständlichen neuerlichen Antrag erkennbare Änderung im Sachverhalt bei Prüfung der Frage, ob das prozessuale Hindernis der entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 einer neuerlichen Sachentscheidung in dieser Angelegenheit entgegensteht, berücksichtigen müssen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes wird eine derartige Änderung im Sachverhalt behauptet, die im Zusammenhang mit den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften (§ 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes) eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, und somit eine andere Entscheidung nicht als unmöglich erscheinen läßt.

§ 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes regelt das Erfordernis der natürlichen Belichtung, von dem das Arbeitsinspektorat bei Vorliegen sonstiger wichtiger Gründe Ausnahmen zulassen kann. Gemäß dem letzten Satz der angeführten Gesetzesstelle liegen wichtige Gründe insbesondere dann vor, wenn dringend benötigte zusätzliche Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können.

Aus dieser Formulierung kann geschlossen werden, daß dieser wichtige Grund insbesondere dann vorliegen kann, wenn es sich um Räume im Zusammenhang mit einer bestehenden Betriebsstätte handelt (siehe Felix-Merkl, Arbeitnehmerschutzgesetz, Schriftenreihe des ÖGB/114, Anm. 7 zu § 3). Ausgehend von dieser Ansicht und der Feststellung, daß im gegenständlichen Fall kein Zusammenhang mit einer bestehenden Betriebsstätte gegeben war, hat das Arbeitsinspektorat in dem Bescheid vom 30. September 1986 das Vorliegen des im letzten Satz des § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes genannten wichtigen Ausnahmegrundes verneint. Besteht nunmehr aber eine Betriebsstätte, so kann im Beschwerdefall nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß das streitgegenständliche Ansuchen um Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes eine andere Erledigung als das seinerzeitige erste Ansuchen erfährt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Auf die weiteren Beschwerdeausführungen war nicht mehr einzugehen, da die zu treffende Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das auf Ersatz von Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, da gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur ein Anspruch auf Ersatz jener Stempelgebühren zusteht, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten sind.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte