VwGH 2013/22/0252

VwGH2013/22/025211.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 26. August 2013, Zl. 164.651/2-III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §43 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013220252.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, ihm aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, gemäß § 41a Abs. 9 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 16. September 2011 in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Das Verfahren über diesen Antrag sei vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 29. Februar 2012 "negativ entschieden" worden. Unter einem sei gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen worden. Der Asylgerichtshof habe die dagegen eingebrachte Beschwerde mit Erkenntnis vom 8. Mai 2012 abgewiesen.

Den hier gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am 4. Juli 2012 gestellt. Auf Grund der seit 1. Juli 2011 geltenden Rechtslage und der Vorlage eines "Sprachzertifikates Deutsch auf dem Niveau A2" sei der - ursprünglich auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach dem vor dem 1. Juli 2011 geltenden § 44 Abs. 3 NAG gerichtete - Antrag als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach § 41a Abs. 9 NAG zu werten gewesen. Dieser Antrag sei von der Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 18. Jänner 2013 - beim in diesem Bescheid angeführten Datum 18. Jänner 2012 handle es sich, was schon aus dem Antragsdatum 4. Juli 2012 erhelle, offenkundig um ein Versehen - abgewiesen worden.

Der Asylgerichtshof habe unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen im Fall des Beschwerdeführers festgehalten, dass die Erlassung einer Ausweisung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig sei. Dies schließe es aus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten wäre. Mit einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrages sei nur dann nicht (nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) vorzugehen, wenn seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung maßgebliche Sachverhaltsänderungen vorlägen, sodass eine neuerliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich sei.

An solchen Änderungen des Sachverhalts habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass er am Arbeitsmarkt "entsprechend" integriert wäre und in einem Altersheim gemeinnützige Arbeit leisten würde. Es läge auch eine "fixe Arbeitsplatzzusage" vor. Außerdem fungiere er in einem Flüchtlingsheim als Dolmetscher und wäre (dort) gut integriert. Er engagiere sich "in der Kirche" und wäre begeisteter Fußballspieler. Hinsichtlich der Sprachkenntnisse sei vom Beschwerdeführer ein "Sprachdiplom auf dem Niveau A2" vorgelegt worden.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände seien allerdings nicht von einer derartigen Bedeutung, dass in einer Gesamtbetrachtung vom Vorliegen eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes iSd § 44b Abs. 1 NAG hätte ausgegangen werden können.

Ergänzend legte die belangte Behörde noch dar, weshalb es ihrer Ansicht nach auch bei einer inhaltlichen Beurteilung iSd Art. 8 EMRK nicht geboten sei, den begehrten Aufenthaltstitel zu erteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (27. August 2013) nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 68/2013 richtet.

Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG sind, liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 NAG vor, Anträge gemäß § 41a Abs. 9 oder § 43 Abs. 3 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b Abs. 1 NAG vorliegt, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0215, mwN).

Unter Bedachtnahme auf die seit der rechtskräftigen Erlassung der Ausweisung vergangene Zeit und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, nämlich der Verbesserung seiner Deutschkenntnisse, dem Vorliegen einer Arbeitsplatzzusage und von Unterstützungserklärungen sowie der Tätigkeit in einem Altenheim ist allerdings nicht zu sehen, dass fallbezogen Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde darüber hinaus einen Verfahrensfehler durch unzulässige Umdeutung seines Antrages vorwirft, ist ihm entgegenzuhalten, dass er zum einen gar nicht behauptet, er hätte einen anderen Aufenthaltstitel als jenen, über den die belangte Behörde letztlich entschieden hat, angestrebt. Zum anderen ist die Bestimmung des § 44b Abs. 1 NAG, auf die sich die belangte Behörde gestützt hat, auch dann heranzuziehen, wenn nicht ein Antrag nach § 41a Abs. 9 NAG, sondern nach § 43 Abs. 3 NAG vorliegen würde. Mangels Relevanz für den Ausgang des Verfahrens ist somit der Mängelrüge der Boden entzogen (vgl. zu dieser Konstellation etwa auch das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0161).

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. November 2013

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