BVwG W249 2149325-1

BVwGW249 2149325-17.7.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W249.2149325.1.00

 

Spruch:

W249 2149325-1/14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2017, Zl. 1079510303-150924566, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.06.2017 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Volkszugehörigkeit der Hazara, reiste spätestens am 24.07.2015 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vor Beamten der Landespolizeidirektion Steiermark, PI Spielfeld AGM.

 

2. Im Verlauf seiner Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er stamme aus dem Ort XXXX im Distrikt Jaghuri in der Provinz Ghazni in Afghanistan und habe sein Heimatland vor drei Jahren verlassen und seitdem illegal im Iran gelebt. In den letzten drei Jahren habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Vor etwa einem Monat habe er den Iran verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer an, dass er wegen des Bürgerkriegs aus Afghanistan habe flüchten müssen und die Taliban und der IS Jagd auf Schiiten machen würden. Aus dem Iran habe er flüchten müssen, weil er der Gewalt durch die Polizei ausgesetzt gewesen sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben. Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe bzw. ob er im Falle der Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, antwortete er mit "Der Bürgerkrieg in Afghanistan."

 

3. Am 31.07.2015 gab der Beschwerdeführer seiner Rechtsberaterin gegenüber an, nicht am XXXX geboren zu sein, sondern bereits 24 Jahre alt zu sein. Außerdem sei sein Name XXXX.

 

4. Am 11.11.2016 erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers, ua. für die Sprache Farsi.

 

Die Niederschrift der Einvernahme lautet auszugsweise:

 

"LA: Sie haben in Ihrem Verfahren bis jetzt immer der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

 

VP: Ja.

 

LA: Es wurde bei der Erstbefragung alles richtig protokolliert und dies rückübersetzt?

 

VP: Der erste Fehler ist, dass ich drei Monate im Iran lebte, und es wurden drei Jahre protokolliert. Mein Geburtsort wurde nicht richtig aufgeschrieben [ ], es ist XXXX. Außer diesen Fehlern passt alles.

 

LA: Sie haben in der Erstbefragung über den Bürgerkrieg erzählt. Wann war dieser Bürgerkrieg?

 

VP: Das war Ende 2016. Oder Ende 2015.

 

LA: Wann sind Sie ausgereist aus Afghanistan?

 

VP: Nicht letztes Jahr, sondern noch ein Jahr vorher.

 

LA: Im Jahr 2014?

 

VP: Drei Monate war ich im Iran und vorher in Afghanistan.

 

LA: Welches Jahr war das?

 

VP: Ich war 16 Jahre alt.

 

Anmerkung: Der AW kann auch nach längerem Überlegen kein genaues Datum sagen.

 

LA: Sie sind also mit 16 Jahren aus Afghanistan ausgereist?

 

VP: Ja.

 

LA: Wann waren Sie im Iran?

 

VP: Im ersten und zweiten und dritten Monat war ich im Iran.

 

LA: Sie sind also am 01.01.2014 16 Jahre alt geworden und waren vom Jänner bis zum April im Iran?

 

VP: Ja.

 

LA: Und der von Ihnen angegebene Bürgerkrieg war im Jahr 2015?

 

VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

 

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an?

 

VP: Es gab einen Bürgerkrieg in Afghanistan, aber ich wurde von den Taliban bedroht.

 

LA: Sie haben gerade gesagt, dass Sie mit 16 Jahren aus Afghanistan ausreisen mussten, dann haben Sie zu Protokoll gegeben, dass Sie in den ersten 3 Monaten nachdem Sie 16 Jahre alt geworden sind, im Iran lebten. Somit mussten sie aus dem Iran nach Europa ausgereist sein, stimmt das?

 

VP: Ja.

 

LA: Somit sind Sie nicht mit 16 Jahren aus Afghanistan ausgereist?

 

VP: Ich war 16 Jahre alt, als ich Afghanistan verließ und im Iran war ich 17 Jahre alt.

 

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

LA: Wie lange waren Sie im Iran?

 

VP: Drei Monate.

 

LA: Wie war Ihre letzte Adresse in Afghanistan?

 

VP: XXXX

 

LA: Wohnt Ihre Familie noch in Afghanistan?

 

VP: Mein Onkel väterlicherseits.

 

LA: Sonst noch wer?

 

VP: Nein.

 

LA: Wo leben Vater und Mutter?

 

VP: Beide verstorben.

 

LA: Sind Sie bei dem Onkel aufgewachsen?

 

VP: Ja.

 

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Onkel?

 

VP: Nein. Ich hatte mit dem Onkel eine gute Beziehung, aber mit seiner Frau nicht.

 

LA: Wie viel hat die Ausreise gekostet?

 

VP: 7000 US Dollar.

 

LA: Woher haben Sie das Geld?

 

VP: Mein Onkel hat meine Grundstücke verkauft und das Geld mir gegeben.

 

LA: Sie hatten eigene Grundstücke?

 

VP: Ja.

 

LA: Was haben Sie dort gearbeitet?

 

VP: Drei Jahre habe ich in der Klinik gearbeitet, ich habe dort geputzt und Tee gekocht.

 

LA: Welche Klinik und wo?

 

VP: Diese hat keinen Namen, das war die XXXX Klinik. In XXXX.

 

LA: Wie lange haben Sie gebraucht um das Geld für die Ausreise zu beschaffen?

 

VP: Ca. 1 Monat.

 

LA: Haben Sie die Grundstücke von den Eltern geerbt?

 

VP: Ja.

 

LA: Gibt es sonst noch Verwandte in Ihrem Dorf?

 

VP: Nein.

 

LA: Nur den Onkel?

 

VP: Ja.

 

LA: Warum sind Sie in den Iran gegangen?

 

VP: Weil ich in der Klinik gearbeitet habe, wollten die Taliban mich umbringen.

 

LA: Gibt es die Klinik noch?

 

VP: Ja.

 

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

 

VP: Sie haben und bedroht und gesagt, falls jemand mit der Regierung zusammenarbeitet oder in der Schule arbeitet, den bringen wir um.

 

LA: Sie arbeiteten aber nicht in der Schule oder für die Regierung sondern in einem Krankenhaus?

 

VP: Ja, ich habe in der Klinik gearbeitet.

 

LA: Wurden nur Sie dort bedroht im Krankenhaus?

 

VP. Nein.

 

LA: Wer noch?

 

VP: Alle.

 

LA: Aber nur Sie sind ausgereist?

 

VP: Ja.

 

LA: Und das Krankenhaus mit all den Ärzten und Pflegern, Angestellten gibt es noch dort?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass es das Krankenhaus noch gibt?

 

VP: Das Krankenhaus gibt es noch, aber die Mitarbeiter weiß ich nicht.

 

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

 

VP: Wir sind mit den Paschtunen Nachbarn und waren von den Taliban bedroht. Die Taliban sagten uns, falls wir mit der Regierung arbeiten, bringen uns die Taliban um.

 

LA: Haben Sie mit der Regierung zusammengearbeitet?

 

VP: Ich habe mit der Regierung gearbeitet.

 

LA: Ich dachte, Sie waren im Krankenhaus für Hilfsleistungen (Reinigung, Teekochen) beschäftigt? Was ist jetzt mit der Regierung?

 

VP: Wir haben unseren Lohn von der Regierung erhalten.

 

LA: Wohnten Sie in einem Haus, oder in einer Wohnung?

 

VP: Bei dem Onkel im Haus.

 

LA: Wem gehört dieses Haus/Wohnung momentan?

 

VP: Das hat mir und meinem Onkel gehört.

 

LA: Und Sie haben die Anteile des Hauses für die Ausreise dem Onkel verkauft?

 

VP: Ja.

 

LA: Wer wohnte noch in diesem Haus?

 

VP: Mein Onkel, die Frau und seine vier Kinder und Ich.

 

LA: Wie war das Verhältnis zur Frau des Onkels?

 

VP: Schlecht.

 

LA: Warum?

 

VP: Sie hat mich geschlagen und gesagt, dass ich die Hausarbeit auch machen muss.

 

LA: Deshalb haben Sie das Haus verkauft und sind weggezogen?

 

VP: Nein, nur wegen der Taliban.

 

LA: Das Krankenhaus ist noch in Betrieb oder?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Nach den allgemeinen Fragen zu Ihren persönlichen Umständen werde ich Sie nun jetzt zu Ihrem Fluchtgrund befragen.

 

LA: Was waren alle Ihre genauen zeitlich, aktuellen und konkreten Gründe, dass Sie Afghanistan verlassen mussten und auch nicht nach Afghanistan zurück können. Bitte schildern Sie nur die Fluchtgründe im Detail?

 

VP: [ ] Ich habe drei Jahre in dieser Klinik gearbeitet. Nach der Bedrohung durch die Taliban habe ich die Grundstücke und das Haus verkauft und Afghanistan verlassen. [ ]

 

LA: Wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen.

 

LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

 

LA: Wo ist der Brief?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Was stand in dem Brief?

 

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

 

LA: An wen war der Brief adressiert?

 

VP: An die XXXX Leute.

 

LA: An alle in dem Dorf?

 

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

 

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

 

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik.

 

LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief?

 

VP: Nein, nur durch diesen Brief.

 

LA: Warum glauben sie dass die Taliban die Reinigungskräfte eines Krankenhauses bedrohen?

 

VP: Wenn jemand mit der Regierung zusammenarbeitet den bringen die Taliban um.

 

LA: Warum sollten die Taliban funktionierende Krankenhäuser bedrohen?

 

VP: Sie bedrohen die Leute, die mit der Regierung zusammenarbeiten, überall waren Taliban.

 

LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht?

 

VP: Ja, ich bin bedroht worden.

 

LA: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht?

 

VP: In diesem Dorf XXXX. Bevor ich Afghanistan verlassen habe.

 

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie nur per Brief bedroht worden sind?

 

VP: Jetzt wurde ich per Brief und persönlich bedroht. Als ich in XXXX war, haben die Taliban mich dort gesehen.

 

LA: Wer hat Sie gesehen und wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Die Taliban und die Paschtunen haben mich dort gesehen und haben gesagt, wenn ich nochmal dorthin komme, dann bringen Sie mich um.

 

LA: War das ein Taliban oder ein Paschtune?

 

VP: Beides.

 

LA: Wie wurden Sie bedroht?

 

VP: Die Kinderlähmungs-Impfbox hatte ich bei mir und sie haben mich erkannt.

 

LA: Konnten Sie die Impfstoffe abliefern?

 

VP: Ich habe nur den Arzt dorthin gebracht.

 

LA: Was ist mit dem Arzt passiert?

 

VP: Ich kam zurück und der Arzt war noch da.

 

LA: Was hat der Arzt dort gemacht?

 

VP: Der Arzt hat die Kinder dort geimpft.

 

LA: Und der Arzt wurde nicht bedroht?

 

VP: Der Arzt wurde auch bedroht. Sie sagten, dass es diesmal kein Problem sei, aber beim nächsten Mal werden wir euch umbringen.

 

LA: Was hat der Arzt dann gemacht?

 

VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

 

LA: Haben Sie den Arzt nicht mehr mitgenommen?

 

VP: Später haben die Dorfbewohner den Arzt zurückgebracht.

 

LA: Die Dorfbewohner haben also dem Arzt geholfen wieder zurück in die Klinik zu kommen?

 

VP: Ja.

 

LA: Hat der Arzt dann die Arbeit wieder aufgenommen im Krankenhaus?

 

VP: Solange ich in Afghanistan war hat er auch dort gearbeitet.

 

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

 

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

 

LA: Was haben Sie dann gemacht?

 

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet.

 

LA: Wie lange hat der Hausverkauf gedauert?

 

VP: Ca. 1 Monat.

 

LA: Haben Sie im Krankenhaus gekündigt oder wurden Sie gekündigt?

 

VP: Ich habe gekündigt.

 

LA: Und der Arzt hat nicht gekündigt?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Wie heißt der Arzt?

 

VP: Dr. XXXX

 

Anmerkung: Der AW weiß nur den Vornamen und nicht den genauen Namen.

 

LA: Und Dr. XXXX war bis zu Ihrer Ausreise noch im Krankenhaus?

 

VP: Ja. Er war dort.

 

[ ]

 

LA: Könnten Sie im Fall einer Rückkehr bei Ihrem Onkel wieder unterkommen?

 

VP: Nein.

 

LA: Warum nicht?

 

VP: Ich habe kein Haus und kein Grundstück mehr und die Frau meines Onkels lässt mich nicht mehr in mein Haus.

 

LA: Warum haben Sie wegen der Probleme mit der Frau des Onkels nicht Ihr Haus verkauft und sind mit dem Geld in einen anderen Teil Afghanistans gezogen?

 

VP: Ich habe nicht nur mit der Frau meines Onkels sondern auch mit den Taliban. Egal wo in Afghanistan, wenn Sie mich finden, bringen Sie mich um.

 

LA: Sie wollen mir also ernsthaft erzählen, dass die Taliban nach einer Reinigungskraft in ganz Afghanistan suchen, während der Arzt dort seine Tätigkeit weiter ausführen konnte?

 

VP: Solange ich in Afghanistan war, arbeitet der Arzt in dieser Klinik und jetzt weiß ich nicht. Ich wurde bedroht.

 

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

Anmerkung: Der AW gibt an, dass es sein kann, dass der Arzt auch schon das Krankenhaus verlassen hat. Diese Vermutung passiert aufgrund der vielen Wiedersprüche in der Einvernahme.

 

[ ]

 

LA: Sind Sie politisch aktiv, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

 

VP: Nein.

 

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

 

VP: Hazare.

 

LA: Gab es in Afghanistan eine konkrete, gezielte Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Hazare?

 

VP: Nein. Außer dem Vorgebrachten nicht.

 

LA: Ich dachte Sie werden wegen der Arbeit im Krankenhaus verfolgt und nicht wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

 

VP: Ich wurde nicht wegen der Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt.

 

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

 

VP: Schiitischer Moslem.

 

LA: Gab es in Afghanistan jemals eine Verfolgung Ihrer Person aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit als Schiitischer Muslim?

 

VP: Nein.

 

LA: Haben, oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit afghanischen Behörden, Polizei oder Gerichten?

 

VP: Nein.

 

[ ]

 

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme, mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen?

 

VP: Nein

 

[ ]

 

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

 

Anmerkung: Nach der Übersetzung gibt der AW an:

 

1. Der AW gab an, dass es niemals einen Bürgerkrieg in meinem Dorf in Afghanistan gab.

 

2. Er hat nicht gesagt, dass er am 01.01.2014 im Iran war, sondern der AW gibt an, am 01.01.2017 im Iran gewesen zu sein. Nachgefragt gibt der AW noch einmal das Jahr 2017 an.

 

3. Er gibt an, dass er 17 Jahre alt im Iran war und nicht wie oben in der Aussage 16 Jahre.

 

Anmerkung: Der AW versucht bei der Übersetzung ständig, die von ihm getätigten Aussagen wegen der offensichtlichen Wiedersprüche auszubessern. Er wird wiederum zum dritten Mal wegen der Wahrheitspflicht belehrt. [ ]"

 

4. Dem Verwaltungsakt liegen weiter bei eine Bestätigung von 08.11.2016 über den Besuch des Beschwerdeführers eines Deutschkurses im Bewohnerservice, zwei Kursbestätigungen über den Besuch der Kurse "Deutsch für Asylwerbende" A1/1 und A1/2 sowie eine Teilnahmebestätigung des Kurses "Deutsch für Asylwerbende – Alphabetisierung".

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

 

In der Bescheidbegründung traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge des Verfahrens widersprüchlich dargestellt bzw. seine Fluchtgründe im Verlauf der Befragung gesteigert und erweitert habe. Zum Beispiel habe der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angegeben, Afghanistan (unter anderem) wegen eines Bürgerkriegs verlassen zu haben. Dieses Vorbringen habe er bei seiner Einvernahme am 11.11.2016 zunächst wiederholt, später in der Einvernahme aber habe er angegeben, dass es keinen Bürgerkrieg in seinem Gebiet gegeben habe und er Afghanistan wegen der Bedrohung durch die Taliban verlassen habe. Zudem sei der Beschwerdeführer zum angegebenen Zeitpunkt des angeblichen Bürgerkriegs im Jahr 2015 bereits im Iran gewesen, sodass er keiner Verfolgung durch einen Bürgerkrieg ausgesetzt gewesen sein konnte. Zum Fluchtgrund der Bedrohung durch die Taliban habe der Beschwerdeführer zunächst angegeben, im Zuge seiner Tätigkeit als Reinigungskraft und Teezubereiter in einem Krankenhaus per Drohbrief bedroht worden zu sein. Dieses Fluchtvorbringen erachtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nicht glaubwürdig. Einerseits wisse der Beschwerdeführer auf Nachfrage nicht, wo sich dieser Drohbrief befinde. Andererseits seien nach seinen Angaben alle Mitarbeiter des Krankenhauses bedroht worden, aber nur der Beschwerdeführer sei ausgereist. Dass gerade der Beschwerdeführer als Reinigungskraft und Teezubereiter das Krankenhaus verlassen musste, während die Ärzte weiter ihren Dienst versehen konnten, sei nicht nachvollziehbar. Auf die Konfrontation seiner widersprüchlichen Aussagen und aufgrund der mehrmaligen Belehrungen während der Einvernahme habe der Beschwerdeführer einen dritten Fluchtgrund angegeben, nämlich dass er einen Arzt zu einer Impfaktion in ein anderes Dorf gebracht habe und dort von Paschtunen und Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei. Dazu führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach auch der Arzt bedroht worden sei, dieser dann aber mit Hilfe der Dorfbewohner wieder zum Krankenhaus zurückgebracht wurde, nicht nachvollziehbar seien. Zudem habe der Beschwerdeführer insofern widersprüchliche Angaben getätigt, als er zum einen angab, aufgrund einer mitgeführten Impfbox erkannt worden zu sein, andererseits aber auf die Frage, ob er die Impfstoffe abliefern konnte, angab, dass er nur den Arzt hingebracht habe. Aus einer Gesamtschau dieser Aussagen gelangte das Bundesamt für Asyl zu der Auffassung, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bestünden, das dargestellte Vorbringen nicht vollinhaltlich glaubhaft sei und das geschilderte Bedrohungsszenario selbst bei Wahrunterstellung keine Asylrelevanz erreiche. Dem Vorbringen fehle gänzlich das Element der objektivierbaren Furcht vor Verfolgung, dies sei insbesondere daraus ableitbar, dass der Beschwerdeführer nicht überstürzt geflohen sei, sondern noch einen Monat Zeit gehabt habe, seine Grundstücke und sein Haus zu verkaufen.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz derzeit zwar schwer möglich sei, ihm mit Kabul jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe. Im Falle eine Rückkehr würde dem Beschwerdeführer keine Gefahr drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

 

6. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 02.03.2017 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang ein und machte als Beschwerdegründe die Verletzung von Verfahrensvorschriften infolge mangelhaftem Ermittlungsverfahren, mangelhafter Länderfeststellungen und mangelhafter Beweiswürdigung sowie die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und äußerte verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG.

 

Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Länderberichte seien teilweise veraltet, unvollständig und für die Beurteilung des konkreten Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers nicht ausreichend. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur muslimisch-schiitischen Glaubensgemeinschaft sowie aufgrund seiner politischen Gesinnung, mit den Taliban nicht kooperieren zu wollen, seinen Heimatstaat verlassen. Er sei Hazare und vor allem wegen seiner beruflichen Beschäftigung im Krankenhaus von den Taliban-Milizen bedroht und verfolgt worden. Auch der Onkel des Beschwerdeführers lebe in Furcht vor den Taliban, da er seinem Neffen die Flucht ermöglicht habe. Der Beschwerdeführer habe keine Anknüpfungspunkte mehr an seinen Heimatstaat. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer einer erneuten Verfolgung und Bedrohung sowie körperlichen Angriffen durch die Taliban ausgesetzt zu sein. Zudem stehe ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da die Taliban-Milizen gut vernetzt seien und ihn überall – selbst in einer Großstadt wie Kabul – aufspüren könnten. Zum Vorwurf der Unglaubwürdigkeit wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen lebensnah und sehr ausführlich gestaltet habe. Daher hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe, eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei und dem Beschwerdeführer internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 zugesprochen hätte werden müssen. Jedenfalls läge im Fall einer Rückkehr eine Bedrohungssituation im Sinne des § 8 AsylG 2005 vor, wonach dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen hätte werden müssen.

 

Der Beschwerdeführer sei um seine Integration in Österreich sehr bemüht, lerne Deutsch, spiele gerne Fußball und habe sich in seinen unterschiedlichen Unterkünften immer vorbildlich verhalten. Er achte und schätze die österreichische Rechtsordnung und sei strafrechtlich zu keiner Zeit in Erscheinung getreten.

 

7. Am 01.06.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

 

Der Beschwerdeführer legte ein Zertifikat über die Prüfung A1 vor, weiters Teilnahmebestätigungen über "Deutsch für Asylwerbende" A1/2 und A2/1 sowie eine Teilnahmebestätigung der Deutschkurse im Bewohnerservice Gnigl-Schallmoos.

 

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

 

"[ ]

 

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

 

BF: Nein.

 

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

 

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen rudimentärst verstanden und rudimentär auf Deutsch beantwortet hat.

 

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

 

BF: Ja, ich habe A1 bereits abgeschlossen, zur Zeit gehe ich zu einem Sprachkurs der Volkshochschule zweimal wöchentlich. Ich genieße auch einen privaten Unterricht, welche durch eine Österreicherin in ihrem Haus stattfindet, das ist auch zweimal wöchentlich.

 

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

 

BF: Nein.

 

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

 

BF: Ich besuche einen Deutschsprachkurs, ich laufe jeden Tag. Zweimal in der Woche spiele ich Fußball. Ich bin nicht Mitglied eines Vereines und habe auch keine kulturelle Aktivitäten.

 

RI: Wovon leben Sie derzeit?

 

BF: Ich bin in der Grundversorgung.

 

[ ]

 

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

 

BF: Nein.

 

R: Auch nicht zu Freunden?

 

BF: Dort, von wo ich komme, funktioniert das Internet nicht.

 

RI: Wie finanziert Ihre im Heimatland lebende Familie ihren Unterhalt?

 

BF: Von den Grundstücken.

 

RI: Würden Ihre Verwandten Sie im Falle der Rückkehr – zumindest zu Beginn – unterstützen und Ihnen bei der Wiedereingliederung behilflich sein können?

 

BF: Nein.

 

RI: Wieso nicht?

 

BF: Ich habe Probleme mit der Frau meines Onkels väterlicherseits, sie hat mich geschlagen und hat mich aus dem Haus geworfen, ich kann nicht zurück.

 

RI: Wie ist die Finanzsituation Ihrer Familie; Ihres Onkels.

 

BF: Seine finanzielle Lage ist gut.

 

[ ]

 

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

 

BF: Ich habe drei Jahre in einer Klinik gearbeitet, in der ich Tee für die Ärzte gekocht habe und die Reinigungsarbeiten gemacht habe. Eines Tages hat mich ein Arzt gebeten, dass ich ihn bis zu einer Ortschaft namens XXXX begleiten soll, da er dort Impfungen durchführen möchte. Ich habe ihn auf meinem Motorrad bis zu diesem Dorf gebracht. Dort waren Taliban, die haben uns gesagt, dass wir mit dem Staat arbeiten und wo auch immer wir in ihre Hände fallen werden, werden sie uns töten. Wir haben aber unsere Arbeit dort fortgesetzt, wir haben uns in diesem Dorf nur einen Tag aufgehalten und sind zurück zur Klinik gekommen. Nach einer Woche haben sie uns einen Drohbrief geschickt, in dieser Liste standen die Namen, diejenigen, die für den Staat arbeiten, und sie haben in diesem Brief geschrieben gehabt, dass sie diese Leute umbringen werden. Dann habe ich meine Grundstücke verkauft und habe die Heimat verlassen. Zurückkehren kann ich in meine Heimat deswegen nicht, weil sie mich direkt bedroht haben, darüber hinaus haben sie einen Drohbrief geschickt.

 

RI: Wie viel Zeit ist zwischen Ihrem Besuch in dem Dorf, wo die Taliban Sie bedroht haben, und dem Eingang des Drohbriefes im Krankenhaus vergangen?

 

BF: Eine Woche.

 

RI: D. h. zuerst war die Bedrohung im Dorf, dann haben Sie im Krankenhaus weitergearbeitet, einer Woche später gab es den Drohbrief und danach haben Sie Ihre Grundstücke verkauft, habe ich das richtig verstanden?

 

BF: Ja, Sie haben mich richtig verstanden.

 

RI: D. h. Sie haben noch eine Woche in der Klinik gearbeitet?

 

BF: Ja.

 

RI: Wieso haben Sie bisher ausgesagt, dass Sie nach der Drohung nicht mehr im Krankenhaus gearbeitet haben?

 

BF: Ich habe damals gesagt, dass ich nach dem Erhalt des Drohbriefes nicht mehr gearbeitet habe. Ich bin vom Dorf wieder in die Klinik und habe dort eine Woche gearbeitet. Ich habe auch damals gesagt, dass ich sowohl im Dorf von den Taliban bedroht worden bin, als auch von ihnen einen Drohbrief erhalten habe.

 

RI: Wie genau hat sich das zugetragen in dem Dorf? Wie sind die Taliban auf Sie zugekommen?

 

BF: Dieses Dorf, zu dem wir impfen gegangen sind, grenzt an einem anderen an, in dem Paschtunen leben. Dieses Dorf ist in fünf Minuten Fußweg zu erreichen. Die Taliban haben uns vom anderen Dorf gesehen. Sie sind mit Waffen und Fahrzeugen zu uns gekommen, sie waren ca. 25 – 30 Personen. Sie haben gesagt, dass wir mit dem Staat arbeiten und "wer mit dem Staat arbeitet, wird von uns getötet." Sie haben uns weiters gesagt, dass sie uns diesmal nichts antun werden. Sie haben gesagt, wenn sie davon erfahren, dass wir weiterarbeiten, werden sie uns umbringen, egal wo auch immer wir in ihre Hände fallen.

 

RI: Was haben Sie dann gesagt?

 

BF: Wir haben ihnen nichts gesagt und haben gedacht, dass sie das vielleicht nicht so ernst gesagt haben und haben unsere Arbeit fortgesetzt.

 

RI: Die Taliban sind einfach gegangen?

 

BF: Wir sind dann in die Klinik mit dem Motorrad gefahren.

 

RI: Der Arzt und Sie?

 

BF: Der Arzt ist dort geblieben, ich bin mit dem Motorrad in die Klinik gefahren.

 

RI: Was genau ist in dem Drohbrief gestanden?

 

BF: "Diejenigen, die mit dem Staat arbeiten, werden wir umbringen."

Darüber hinaus standen die Namen von Personen auf dem Brief, die dort gearbeitet haben.

 

RI: Da war Ihr Name dabei?

 

BF: Ja.

 

RI: Woher kannten die Taliban Ihren Namen?

 

BF: Sie haben Spione und wenn sie jemandem Geld geben, werden sie auch auf diese Art die Menschen umbringen.

 

RI: Wie haben Sie vom Drohbrief Kenntnis erlangt?

 

BF: Ich war in der Klinik und der Arzt hat mir den Brief gezeigt.

 

RI: Was hat der Arzt dazu gesagt, hat er das kommentiert?

 

BF: Der Arzt hat nichts gesagt, er hat nur gesagt, dass der Brief für diejenigen gefährlich ist, deren Namen auf diesem Brief steht.

 

RI: Bisher haben Sie ausgesagt, dass der Brief an die "XXXX-Leute" adressiert war, jetzt sagen Sie aus, dass der Brief eine Liste mit Namen hatte, inkl. den Ihren. In welchem Verhältnis steht das zueinander?

 

BF: Dieser Brief war nicht nur an die Klinik gerichtet gewesen, sondern auch an die Schule gerichtet. An alle, die beim Staat gearbeitet haben. Ich glaube, dass ich auch damals die Namensliste erwähnt habe, aber es besteht die Möglichkeit, dass ich einen Fehler gemacht habe oder der/die Schriftführer/in (Referent).

 

RI: Das war ein Brief oder gab es mehrere? Wie haben all diese Leute, die Klinik, die Schule diesen Brief bekommen?

 

BF: Das war nur ein Brief, und er ist an die Klinik geschickt worden. Sie haben davor auch die Schule bedroht gehabt.

 

RI: Ist außer Ihnen noch jemand geflohen, auf diesen Brief hin?

 

BF: Viele sind von dort geflohen, wohin sie gegangen sind, kann ich nicht sagen.

 

RI: Hat der Arzt weiter im Krankenhaus gearbeitet?

 

BF: Solange ich dort war, war der Arzt noch in der Klinik, ob er gearbeitet hat, weiß ich nicht.

 

RI: Warum haben Sie nicht einfach den Beruf gewechselt?

 

BF: Ich wargezwungen dort zu arbeiten, wo soll ich hingehen? Ich hatte niemanden anderen.

 

RI: Wie lange hat es von der brieflichen Drohung bis zu Ihrer Ausreise gedauert?

 

BF: Ca. ein Monat.

 

RI: Und in dieser Zeit haben Sie keine Angst vor den Taliban gehabt?

 

BF: Ich hatte vor ihnen Angst gehabt, z. B. in der Nacht habe ich auf dem Berg geschlafen.

 

RI: Wieso sind Sie nicht sofort geflohen?

 

BF: Ich hatte kein Geld.

 

RI: Wie geht es Ihrem Onkel?

 

BF: Meinem Onkel geht es gut, er hat Mandelbäume, ihm geht es gut.

 

RI: Und Ihr Onkel hat keine Angst vor den Taliban?

 

BF: Nein, er hat vor den Taliban keine Angst gehabt, ich habe in der Klinik mit dem Staat gearbeitet.

 

RI: In Ihrer Beschwerde haben Sie aber gesagt, dass Ihr Onkel selbst in Furcht vor den Taliban ist.

 

BF: Alle haben Angst. Die Leute, die sieben Personen, denen der Kopf abgetrennt wurden, waren von unserer Gegend. Sie haben auch einem neunjährigen Mädchen den Kopf abgetrennt.

 

RI: D. h. Ihr Onkel hat nur die allgemeinen Gründe, warum er sich vor den Taliban fürchtet?

 

BF: Ja.

 

RI: Woher wissen Sie, wie es ihm geht, wenn Sie keinen Kontakt zu ihm haben?

 

BF: Das ist klar, wenn der Kopf abgetrennt wird, hat jeder Angst.

 

RI: Wieso sind Sie in den Iran geflohen und nicht z. B. nach Kabul gegangen?

 

BF: Kabul ist nicht zum Leben, in Kabul gibt es keine Sicherheit. Gestern (31.05.2017) wurde in Kabul ein Selbstmordattentat verübt.

 

RI: Wieso gibt es in Kabul keine Sicherheit?

 

BF: Jeden Tag werden dort Leute umgebracht, Selbstmordattentate werden verübt. Der Präsident kann für seine eigene Sicherheit nicht sorgen. Jeden Tag werden Leute umgebracht. Vor einiger Zeit wurde ein Spital angegriffen. Leute haben wegen dem Strom demonstriert, durch ein Selbstmordattentat wurden sie getötet. Wo ist es sicher? Wenn es Sicherheit gegeben hätte, hätten die Amerikaner keine Bombe geworfen. Vor einiger Zeit wurde in Mazar die Armee getötet. In Jawzjan wurde vor einigen Tagen ein Selbstmordattentat verübt. Am ersten Tag des Ramadans wurde in Khost ein Selbstmordattentat verübt. In Zabul wurden Menschen umgebracht. Überall in Afghanistan werden Menschen getötet und die Provinzen fallen.

 

RI: D. h. die allgemeine nicht ausreichende Sicherheitslage war der Grund, warum Sie nicht in einem anderen Landesteil oder z. B. nach Kabul geflohen sind?

 

BF: Ja, außerdem ist mein Leben in Gefahr. Wahrscheinlich haben sie mich fotografiert, vielleicht haben sie mein Foto überall in Afghanistan verbreitet. Die Taliban bestehen nicht nur aus einer Gruppe, überall in Afghanistan gibt es Taliban. Wo auch immer sie mich in die Hände bekommen werden, werden sie mich umbringen.

 

RI: Wieso sollten die Taliban gerade an Ihnen ein so großes Interesse haben, Sie im ganzen Land zu suchen?

 

BF: Weil ich mit dem Staat war, und jeder, der mit dem Staat ist, wird getötet.

 

RI: Wenn jeder, der für den Staat arbeitet, von den Taliban getötet wird, dann müssten diese schon "bergeweise" Fotos haben.

 

BF: Sie haben Spione überall, rund um unseren Dorf sind alle Paschtunen. Sie bringen jeden um, der mit dem Staat arbeitet.

 

RI: Wieso haben Sie in Ihrer Erstbefragung am 24.07.2015 angegeben, wegen des Bürgerkriegs in Afghanistan zu flüchten und die Bedrohung Ihrer Person durch die Taliban überhaupt nicht erwähnt?

 

BF: Ich war erschöpft von der Flucht. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht oder der Dolmetscher oder Schriftführer.

 

RI: Wie viel haben Sie in der Klinik verdient?

 

BF: 120 Dollar.

 

RI: War Ihr Einkommen ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?

 

BF: Ja. Ich habe keine finanziellen Probleme gehabt, mein Leben war in Gefahr.

 

RI: Gibt es irgendwelche Belege, dass die Klinik, in der Sie gearbeitet haben, existiert? Das BFA konnte trotz intensiver Recherche keine Klinik in Ghazni mit dem Namen XXXX ausfindig machen.

 

BF: Ich habe diesbezüglich keine Unterlagen, die ich als Beweis vorlegen kann. Alle haben diese Klinik "XXXX" genannt, und es gibt diese Klinik.

 

RI: Wurden Sie jemals aufgrund Ihrer Volkszugehörigkeit als Hazara verfolgt?

 

BF: Nein.

 

RI: Warum machen Sie das in Ihrer Beschwerde geltend?

 

BF: Ich habe das aus diesem Grund in die Beschwerde eingebracht, weil es im Allgemeinen dieses Problem gibt. Die Hazara werden überall geköpft. Ihnen werden ihre Rechte nicht gegeben. Bei der Demonstration wegen dem Strom sind durch ein Selbstmordattentat die Hazara getötet worden. Deshalb habe ich das geltend gemacht, ich bin persönlich nicht verfolgt worden.

 

RI: Wurden Sie aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit als schiitischer Moslem verfolgt?

 

BF: Nein, persönlich bin ich nicht wegen meiner Religionszugehörigkeit oder Glaubensrichtung verfolgt worden.

 

RI: Wie viel hat Ihre Ausreise gekostet?

 

BF: 7.000 Dollar.

 

R: Wie haben Sie Ihre Ausreise aus Afghanistan finanzieren können?

 

BF: Ich habe meine Grundstücke und das Haus verkauft, die Grundstücke habe ich von den Eltern geerbt.

 

R: Waren Sie mit Ihrem Leben in Afghanistan zufrieden?

 

BF: Ja.

 

R: Haben Sie bei den Behörden um Schutz angesucht?

 

BF: In unserer Gegend gibt es keine staatliche Polizei. Als ich noch dort war, gab es keine Polizei.

 

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

 

BF: Ich werde getötet, wo ich auch hingehe. Afghanistan ist nicht sicher.

 

RI: Sie bleiben nach wie vor dabei, dass Sie für die Taliban so wichtig sind, dass diese Sie nach wie vor suchen würden?

 

BF: Ja, die für den Staat arbeiten, werden gesucht.

 

RI: Ich habe hier zwei Gutachten, die ich Ihnen auch nachher geben werde, in denen festgestellt wurde, dass die Taliban Personen, die sich der Zwangsrekrutierung widersetzt haben oder mit ausländischen oder afghanischen Organisationen kooperiert oder für sie gearbeitet haben, von den Taliban nicht weiter gesucht werden, wenn sie in Regionen gehen, wo die Taliban nicht herrschen bzw., wenn kein Schaden für die Taliban entstanden ist, sie z. B. ihre Arbeit niederlegen. Sie bleiben aber dabei, dass Sie konkret auf jeden Fall von den Taliban verfolgt werden würden?

 

BF: Ja, ich bleibe dabei.

 

RI: Warum glauben Sie, dass die Taliban Sie verfolgen würden?

 

BF: Weil ich beim Staat gearbeitet habe, ich habe Angst.

 

[ ]

 

BFV an BF: Wie sind Sie zu der Arbeitsstelle in die Klinik gekommen?

 

BF: Mein Onkel väterlicherseits hat mir die Arbeit gefunden.

 

BFV: Wie groß war die Klinik?

 

BF: Die Klinik war nicht so groß, sie hat zwei oder drei Zimmer gehabt.

 

BFV: Wurden dort Personen auch stationär behandelt, aufgenommen?

 

BF: Nein.

 

BFV: Was wurde dort genau gemacht?

 

BF: Die Kranken wurden untersucht und ihnen Medikamente gegeben bzw. wurden dort Impfungen durchgeführt.

 

BFV: Wie viele Personen haben dort ungefähr gearbeitet?

 

BF: Wir waren insgesamt fünf Personen.

 

BFV: Sind Ihre Eltern noch am Leben?

 

BF: Nein.

 

BFV: Haben Sie Geschwister?

 

BF: Nein.

 

BFV: Haben Sie weitere Verwandten als den Onkel in Afghanistan und wenn "ja", wo leben diese?

 

BF: Ich habe nur diesen Onkel, sonst niemanden.

 

8. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden folgende Dokumente in das Verfahren eingebracht und dem Beschwerdeführer gleichzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt:

 

* Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 sowie die Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan Q1.2017 vom 11.05.2017),

 

* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016,

 

* Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016,

 

* Dossier der Staatendokumentation (des BFA) aus 2016 zum Thema "Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur in Afghanistan und Pakistan",

 

* einen Auszug aus dem Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 5.7.2016, 29.094/09),

 

* das Gutachten von Mag. Karl Mahringer, GZ. BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017 vom 05.03.2017 sowie dessen Aktualisierung vom 15.05.2017,

 

* einen Auszug einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Sarajuddin RASULY vom 20.05.2016, W151 2119820-1, in einem anderen Verfahren des BVWG betreffend einen anderen Asylwerber

 

* sowie einen Auszug einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Sarajuddin RASULY vom 13.06.2012, C15 410.319-1/2009

 

9. Am 21.06.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er auf die in der Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Unterlagen replizierte sowie sich insbesondere mit der Gefährdung von Personen, die (zumindest) verdächtigt werden, mit der Regierung zusammen zu arbeiten sowie der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan, der Frage der Situation der Angehörigen der Volksgruppe Hazara sowie der Rückkehrer nach Afghanistan und dem Gutachten von Mag. Mahringer auseinander setzte.

 

10. Am 23.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer die Aktualisierung des Länderinformationsblatts vom 22.06.2017 zur allfälligen Stellungnahme übermittelt.

 

11. Am 28.06.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, am 30.06.2017 eine Ergänzung zur Stellungnahme, in denen er insbesondere auf die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan Bezug nahm und weiters einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vorlegte.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zum Beschwerdeführer:

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX, ist am XXXX geboren, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er spricht Farsi als Muttersprache.

 

1.1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX im Distrikt Jaghuri in der Provinz Ghazni in Afghanistan. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben, der Beschwerdeführer wuchs bei seinem Onkel auf. Der Onkel des Beschwerdeführers und dessen Frau leben noch im Distrikt Jaghuri der Provinz Ghazni. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Er ist ledig.

 

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre die Grundschule und war in drei Jahre lang in XXXX in der dortigen Klinik als Hilfsarbeiter (putzen und Tee kochen) beschäftigt.

 

Der Beschwerdeführer lebte nach seiner Ausreise aus Afghanistan für drei Monate im Iran, wo er als Hilfsarbeiter im Baubereich arbeitete. Er reiste aus dem Iran nach Europa, wobei die Reise etwa ein Monat dauerte. Spätestens seit 24.07.2015 hält er sich in Österreich auf.

 

1.1.3. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und konnten von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer ist insbesondere bei einer Rückkehr nach Afghanistan keiner Verfolgung durch Taliban oder andere Akteure ausgesetzt. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

 

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

 

1.1.4. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt KABUL oder der Stadt MAZAR-E SHARIF kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Dem Beschwerdeführer stehen innerstaatliche Fluchtalternativen in der Stadt KABUL und in der Stadt MAZAR-E SHARIF zur Verfügung.

 

1.1.5. Der Beschwerdeführer ist gesund, lebt von der Grundversorgung, geht keiner legalen Beschäftigung nach, verfügt über keinerlei Familienangehörige in Österreich und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

 

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und eine Prüfung über das Niveau A1 abgelegt.

 

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

 

Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

 

1.2.1. Staatendokumentation (Stand 22.06.2017):

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

[ ] INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017). [ ]

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

[ ]

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

[ ]

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

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1.2.1.1. Aktualisierung vom 22.06.2017:

 

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten – gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

 

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ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

 

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

 

Hauptstadt Kabul

 

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

 

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

 

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Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

 

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

 

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

 

Herat

 

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani – stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes – verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

 

Mazar-e Sharif

 

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

 

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

 

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

 

Taliban

 

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

 

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal‘ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha’ al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

 

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

 

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

 

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Ghazni

 

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

 

Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet – die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

39

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

952

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

140

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

155

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

4

Andere Vorfälle

2

Insgesamt

1.292

  

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

 

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vgl. auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

 

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

 

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vgl. auch:

ATN News 19.2.2017).

 

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Balkh

 

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

30

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

81

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

26

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

70

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

18

Andere Vorfälle

1

Insgesamt

226

  

 

Die zentral gelegene

Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch:

Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

 

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

 

High-profile Angriff:

 

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

 

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

 

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Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Distrikt Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

[ ]

 

Ring Road

 

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014).

 

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Kabul

 

In Kabul stehen viele Busse für Fahrten innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. auch: Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten "Afghan Milli Bus Enterprise", dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

 

Für Reisen zwischen den Provinzen variieren die Preise ja nach Destination und Entfernung:

 

 

Distanz

Preis

Kabul – Herat

AFA 2.000

Kabul – Mazar-e Sharif

AFA 1.500

Kabul – Kandahar

AFA 1.500

Kabul – Bamyan

AFA 1.500

Kabul – Jalalabad

AFA 1.000

Kabul – Kunduz

AFA 1.400

Kabul – Maimana

AFA 2.000

  

 

(BAMF 10.2014)

 

Mazar-e Sharif & Herat

 

Öffentliche Busse verkehren für AFA 2 – 5 bis an den Stadtrand. Private Busse stehen ebenso zur Verfügung, allerdings zu höheren Preisen (BAMF 10.2014).

 

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Flugverbindungen

 

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die nicht über asphaltierte Landebahnen verfügen (The World Factbook 25.2.2016).

 

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

 

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

 

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh eröffnet (Pajhwok 9.6.2013).

 

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Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

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Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force – AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

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Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

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Schiiten

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9 .2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

 

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

 

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9 .2016).

 

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein – dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

 

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Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

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Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben – Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

 

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Meldewesen

 

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vgl. auch: DW 9.10.2004).

 

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Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).

 

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

 

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

 

2017

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).

 

2016

 

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar (UN GASC 13.12.2016).

 

Flüchtlinge in Afghanistan:

 

Laut UNHCR sind derzeit in Afghanistan rund 55.000 registrierte Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und ca. 300 Asylwerber. Der Großteil der Menschen aus Pakistan ist im Juni 2014 vor Auseinandersetzungen aus der Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan geflüchtet (AA 9 .2016).

 

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Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung – Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens’ Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

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Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

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Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

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Iran

 

Seit 1. Jänner 2016 sind insgesamt 461.112 nicht-registrierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. In der zweiten Jännerwoche 2017 sind insgesamt 9.378 nicht registrierte Afghan/innennach Afghanistan durch Herat oder Nimroz zurückgekehrt; von diesen sind 3.531 freiwillig und 5.847 im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt - 2% der nicht registrierten Afghan/innen, die in den Transitzentren in Herat oder Nimroz ankamen, wurden von IOM unterstützt. Dazu zählten 101 UMF (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge), denen IOM eine besondere Unterstützung zukommen ließ, inklusive medizinischer Behandlung, sichere Unterkünfte und die Suche nach Familienangehörigen (IOM 15.1.2017).

 

Ein UNHCR-Vertreter berichtete, dass afghanische Flüchtlinge in Gegenden zurückkehrten, in denen der Friede wieder hergestellt wurde. Dennoch sei es schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge eines Jahres zu verteilen, da der Iran afghanische Migrant/innen zurückschickt und Afghanistan eine Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Pakistan Observer 2.1.2017). Die IOM-Transitzentren in Grenznähe bieten elementare Unterkünfte, Schutz für unbegleitete Minderjährige, Haushaltsgegenstände (Töpfe und Pfannen), sowie Transportmöglichkeiten für Familien, um sich in ihren Wunschgebieten ansiedeln zu können (DAWN 12.1.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt – um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

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Staatliches Pensionssystem

 

Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).

 

Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

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Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

 

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

 

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

 

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

 

Memorandum of Understanding (MoU)

 

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU – Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9 .2016).

 

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1.2.2. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016

 

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Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

 

Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs destraditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, dermassiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig.

 

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Regierungsmitarbeiter und Staatsbedienstete

 

Für den gesamten Zeitraum 2014 und 2015 dokumentierte UNAMA mehrere gezielte Angriffe auf zivile Staatsbedienstete durch regierungsfeindliche Gruppen bei Bodenoffensiven sowie auf Bürogebäude der zivilen Regierung und andere Gebäude. Zivile Staatsbedienstete zählten häufig zu den Opfern gezielter Tötungen. Politiker und Mitarbeiter der Regierung auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene wurden zu Zielen regierungsfeindlicher Kräfte, darunter Parlamentsmitglieder und Mitglieder des Hohen Friedensrates, Provinz- und Distrikt-Gouverneure und -Ratsmitglieder.

 

Insbesondere anvisiert wurden von der Regierung ernannte eingesetzte Richter und Staatsanwälte. UNAMA berichtet von 188 zivilen Opfern (46 Toten und 142 Verletzten) durch gezielte Anschläge auf Richter, Staatsanwälte und Justizeinrichtungen im Jahr 2015. Dies entspricht einem Anstieg um 109 Prozent im Vergleich zum Jahr 2014.

 

Lehrer, Schulwächter und Mitarbeiter der Bildungsbehörde wurden ebenfalls häufig gezielt angegriffen, ebenso wie medizinisches Personal, andere Staatsbedienstete und sogar zivile Auftragnehmer.

 

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Andere Zivilisten, die vermeintlich die Regierung oder die internationale Gemeinschaft unterstützen

 

Regierungsfeindliche Kräfte haben Berichten zufolge Zivilisten zur Strafe und zur Warnung anderer Personen dafür getötet, dass sie die Regierung unterstützten. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen Berichten zufolge auch Drohnachrichten per SMS, über lokale Radiosender ausgestrahlte Mitteilungen, soziale Medien und shab nameha ("nächtliche Drohbriefe") ein, um Zivilisten vor einer Unterstützung der Regierung zu warnen. In Gebieten, in denen die regierungsfeindlichen Kräfte keine öffentliche Unterstützung gewinnen konnten, bedrängen sie Berichten zufolge lokale Gemeinschaften, schüchtern sie ein und verhängen Strafen gegen die örtliche Bevölkerung aufgrund ihrer Unterstützung der Regierung. Zivilisten, denen "Spionage" für die Regierung vorgeworfen wird, werden Berichten zufolge im Rahmen von Schnellverfahren in parallelen und illegalen Justizverfahren verurteilt, die durch die regierungsfeindlichen Kräfte eingerichtet wurden. Die Strafe für derartige vermeintliche "Straftaten" ist in der Regel die Hinrichtung.

 

Schiiten

 

Die Anzahl der schiitischen Parlamentsmitglieder entspricht in etwa dem Anteil der Schiiten an der Gesamtbevölkerung. Während einige Quellen zwar angeben, dass die offene Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten abgenommen habe, berichten andere Quellen von fortgesetzter Diskriminierung. Außerdem wird die schiitische Bevölkerung nach wie vor gewaltsam durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) angegriffen. Es ist darauf hinzuweisen, dass ethnische Zugehörigkeit und Religion in Afghanistan oftmals untrennbar miteinander verbunden sind, insbesondere in Bezug auf die vorwiegend schiitische ethnische Gruppe der Hazara. Daher kann oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits und Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden.

 

Hazara

 

Die Hazara werden Berichten zufolge weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und gezielt durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit und körperliche Misshandlung unter Druck gesetzt. Bereits in der Vergangenheit wurden Hazara von Paschtunen marginalisiert und diskriminiert. Seit dem Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 haben sie Berichten zufolge jedoch erhebliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht. Jedoch stiegen in jüngerer Zeit Berichten zufolge die Fälle von Schikanierung, Einschüchterung, Entführung und Tötung durch Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).

 

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1.2.3. Auszug aus dem Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 5.7.2016, 29.094/09)

 

(...) Art 3 (iVm Art 13) verlangt auch im Zusammenhang mit Asylantragstellern nicht die Einrichtung eines mehrstufigen Instanzenzuges. Es reichte daher aus, dass dem Bf im gegenständlichen Fall gegen die negative behördliche Asylentscheidung ein Rechtsmittel an ein Gericht mit automatischer aufschiebender Wirkung bestand, wobei das Gericht eine umfassende Prüfungsbefugnis hatte. Dass das Rechtsmittel gegen die Entscheidung dieses Gerichts an das Höchstgericht keine automatische aufschiebende Wirkung hat und daher in diesem Zusammenhang nicht als effektives Rechtsmittel angesehen werden kann, ändert daran nichts.

 

Der Bf im gegenständlichen Fall war während der kommunistischen Ära in Afghanistan Mitglied der Revolutionsgarden gewesen, die eng mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatten, der für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war. Später war er Mitglied einer Mudschaheddin-Gruppe gewesen, die ebenfalls Menschenrechtsverletzungen begangen hatte. Dennoch hatte er zunächst unbeanstandet in Afghanistan gelebt, auch nach seiner Flucht aus der Haft bei einer anderen Mudschaheddin-Gruppe hatte diese ihn nicht weiter gesucht. Daher drohte ihm insofern im Fall einer Abschiebung keine unmenschliche Behandlung. Auch dass er der Minderheit der Hazara angehört, führt nicht dazu, dass ihm im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde, unbeschadet der schlechten Situation dieser Minderheit. Schließlich ist die allgemeine Situation in Afghanistan - wie der EGMR schon wiederholt ausgesprochen hat - nicht so gelagert, dass der bloße Umstand einer Rückkehr dorthin ein reales Risiko einer gegen Art 3 verstoßenden Misshandlung begründen würde.

 

1.2.3. Auszug aus dem Gutachten von Mag. Karl MAHRINGER vom 05.03.2017, GZ. BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017, aktualisiert am 15.05.2017

 

Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich aus den Fragen I bis VIII keine Gründe ergeben, welche die Rückkehr nach Afghanistan von männlichen Einzelpersonen unmöglich machen, ein besonderes Erschwernis darstellen oder eine Gefährdung der Rückkehrer bedeuten würden. Die Rückreise nach Kabul und Mazar-e Sharif aus Europa ist direkt möglich (über Dubai oder Istanbul) sowie nach Herat über Kabul. Tickets kosten zwischen 380 bis 500€.

 

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Kabul hat ähnlich Probleme wie jede schnellwachsende Mega City eines Entwicklungslandes. Herat und Mazar-e Sharif sind zwei aufstrebende, unter den gegebenen Umständen, gut verwaltete Städte.

 

Der Integrationserfolg eines Rückkehrers in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat hängt ausschließlich vom Willen des Rückkehrers ab. Eine Rückkehrberatung und Hilfe bei der Ankunft in der Zielstadt würden die Integration beschleunigen. Je länger der Rückkehrer in Europa war, desto schwieriger die Integration in Afghanistan.

 

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I.a) Wie stellt sich die allgemeine Versorgungslage in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat dar (etwa: Möglichkeit der Beschaffung von Wohnraum und Lebensmittel, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur dar)?

 

Die allgemeine Versorgungslage und allgemeine Infrastruktur ist in Summe als befriedigend zu bewerten. Alle notwendigen Infrastrukturen sind im ausreichenden Umfang vorhanden, und es gibt keine gravierenden Engpässe und Mängel in der allgemeinen Versorgungslage.

 

b) Gibt es diesbezüglich merkbare Unterschiede zwischen den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat?

 

Zwischen den Städten Kabul, Mazar e Sharif und Herat gibt es keine wesentlichen Unterschiede. Durch die geringere Bevölkerung in Herat und Mazar-e Sharif ist die Infrastruktur in weiten Teilen etwas besser als in Kabul.

 

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

 

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

Eine differenzierte Beantwortung von a) bis c) ist nicht möglich und hat keine Auswirkung auf die Möglichkeiten. Die Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind ohne Einschränkung in den Punkten a) bis c) gegeben.

 

d) Fragestellung a) bis c), wenn bereits Arbeitserfahrung (in oder außerhalb Afghanistans) gesammelt wurde (etwa: Landwirtschaft, handwerkliche Tätigkeit, Fabrikarbeit, Verkaufstätigkeit, Gelegenheitsarbeit)?

 

Arbeitserfahrung ist auch in Afghanistan von Vorteil (für Auslandserfahrung ist anzumerken, dass Berufsbilder nicht immer nach Afghanistan übertragen werden können).

 

e) Besteht die Möglichkeit der Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit auch für jene Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen?

 

In der Regel wird kein Unterschied gemacht, ob es sich um einen Rückkehrer handelt oder nicht, solange der Rückkehrer bereit ist, unter afghanischen Bedingungen zu arbeiten, dies gilt auch für Rückkehrer ohne entsprechender schulischen oder beruflichen Qualifikation. Die Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit ist auch für Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen, uneingeschränkt möglich.

 

III.a) Wie hoch sind die Lebenshaltungskosten in den Großstädten für die Sicherung existenzieller Bedürfnisse (Nahrung, Behausung)?

 

Hiezu gibt es keine zeitnahen, offiziellen Statistiken, auf Grund der langjährigen Erfahrung des SV im Nahrungsbereich in Afghanistan erscheint das Ergebnis der Befragung realistisch.

 

Die Frage nach den Kosten/Monat in US $ wurde wie folgt beantwortet:

 

Kabul Herat Mazar-e Sharif

 

 

 

 

b) ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit (differenziert nach den Gruppen II.a) bis c)) realistisch?

 

Die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit ist in den Gruppen II.a) bis c) als realistisch anzusehen. Für alle Stufen der schulischen und oder beruflichen Qualifizierung gibt es Arbeitsmöglichkeiten. Der Rückkehrer wird allerdings eine Zeit von 3 bis 6 Monate benötigen, um sich zu orientieren und Arbeit zu finden.

 

IV. Gibt es Belege für

 

a) andauernde schwerste körperliche Beeinträchtigung oder

 

b) Todesfälle

 

von an sich erwerbsfähigen und gesunden Rückkehrern (etwa durch: Hungersnöte, Obdachlosigkeit bei Kälte) aufgrund nur mangelnder Deckung der grundlegenden Existenzbedürfnisse?

 

Wenn ja: Handelt es sich dabei um Ausnahmefälle bzw. sind nähere Umstände hiezu eruierbar?

 

Wenn nein: ist eruierbar, wodurch a) und b) vermieden werden konnten?

 

Zu dieser Frage wurden hinsichtlich der Rückkehrer aus Europa keine Anhaltspunkte gefunden, weder positive noch negative. Eine Ursache, warum keine Beispiele gefunden werden konnten, dürfte im Umstand liegen, dass es noch nicht so viele Rückkehrer aus Europa gibt und das familiäre Netzwerk besser funktioniert als in Europa dargestellt.

 

Betrachtet man den Befund der Fragen I bis VIII, gibt es auch keinen Grund, warum solche Ereignisse in einer der drei Städte auftreten sollten.

 

V.a) Gibt es staatliche oder nichtstaatliche Einrichtungen/Organisationen/Strukturen, die existenzbedrohten alleinstehenden Personen zumindest vorübergehend grundlegendste Unterstützung bieten können (etwa: Notquartiere, Nahrung, Mikrokredite)?

 

Die offiziell bereitgestellten Finanzmittel für die Flüchtlingsbetreuung durch die internationale Gemeinschaft sind umfangreich, jedoch könnten bei effizienter, zielgerichteter Mittelverwendung wesentlich bessere Ergebnisse erzielt werden. Für Rückkehrer aus Europa gibt es keine Hilfe, Programme oder Unterstützung in Afghanistan bei der Existenzgründung, die den Rückkehrern bekannt sind. Wohl gibt es ein Angebote vom MoRR, den internationalen Hilfsorganisationen und NGO,s, die meisten Rückkehrer kennen diese allerdings nicht. Hilfsorganisationen verteilen Essenspakete, für Mikrokredite gibt es aber kein Programm für Rückkehrer. Der Schwerpunkt der Hilfe liegt auf Binnenflüchtlingen und Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan. Es wäre dringend ein Existenzgründungsprogramm für Rückkehrer aus Europa notwendig – als Hilfe zur Selbsthilfe.

 

b) Inwieweit können unzureichende staatliche Versorgungsstrukturen für Bedürftige durch Leistungen Privater, etwa Almosenabgabe, substituiert werden? Gibt es Belege für derartige Unterstützungsleistungen bzw. ist die Erlangung solcher realistisch?

 

In Afghanistan gibt es keine Spendenkultur, abgesehen vom Ramadan und einigen religiösen Feiertage gibt es keine Almosen.

 

c) Bestehen funktionierende Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer durch Familienangehörige, die sich in anderen Teilen Afghanistans aufhalten (etwa: Bankverbindungen, Übermittlung von Sachleistungen/Geld, Hawala)?

 

Der Familienzusammenhalt in Afghanistan ist noch sehr stark, und daher gibt es immer Unterstützung für die Rückkehrer. Geldzuwendungen sind unwahrscheinlich, Sachleistungen herrschen vor. Übermittlung von Sachleistungen innerhalb von Afghanistan ist problemlos möglich.

 

[ ]

 

VI. a) Inwiefern unterscheidet sich die Lebenssituation aus dem Ausland zurückkehrender Afghanen von der in Kabul ansässigen Bevölkerung?

 

Nach einer kurzen Orientierungsphase (2 bis 4 Wochen) gibt es keinen erkennbaren Unterschied zwischen der Lebenssituation der Rückkehrer und der in Kabul ansässigen Bevölkerung. Selbiges ist auch für Mazar-e Sharif und Herat feststellbar.

 

b) Verunmöglicht die Unkenntnis der örtlichen/infrastrukturellen Gegebenheiten (etwa Rückkehrer, die sich noch nie zuvor in afghanischen Großstädten aufgehalten haben; lange Abwesenheit aus Afghanistan) eine Existenzsicherung?

 

Die Integration von Rückkehrern, die noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt hatten, behindert die Existenzsicherung nicht. Nach einer 2 bis 4 wöchigen Orientierungsphasen kennen die Rückkehrer die Situation in der jeweiligen Stadt.

 

VII. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Rückkehrsituation je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen (Paschtunen/Hazara/Tadschiken/Usbeken/Aimaken/Turkmenen/Belutschen) variiert bzw. die Existenzsicherung für Angehörige einer bestimmten Volksgruppe ungleich schwieriger ist?

 

Abgesehen von dem Bestreben der Minister, im öffentlichen Bereich in ihren Ministerien und politischen Einflussbereich, jeweils bevorzugt Angehörige der eigenen Ethnie einzustellen, gibt es keine Benachteiligungen einer bestimmten Ethnie.

 

[ ]

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

 

2.2. Die Feststellungen unter 1.1.1. und 1.1.2. zu Identität, Geburtsdatum, Volksgruppe, Herkunft, Religionsbekenntnis, Muttersprache, Familienverhältnissen, Ausbildung, Berufstätigkeit und Aufenthaltsorten des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

2.3. Der Beschwerdeführer hat während des Verfahrens unterschiedliche Angaben zu Namen und Geburtsdatum gemacht. Seine Identität konnte aufgrund dessen sowie mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel nicht abschließend geklärt werden. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

 

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung am 24.07.2017 an, sich 3 Jahre im Iran aufgehalten haben, korrigierte das aber in der Folge auf 3 Monate. Da er kongruent weiter bei 3 Monaten Iran-Aufenthalt blieb, geht das BVwG von diesem Zeitraum aus.

 

Die Feststellung, dass er vom Iran aus nach Europa reiste, beruht auf seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA am 11.11.2016; die Feststellungen zur Dauer dieser Reise auf seinen Angaben in der Erstbefragung am 24.07.2015.

 

2.4. Die Feststellungen zum Einreisedatum ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem Datum der Antragstellung auf internationalen Schutz.

 

2.5. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich aus den folgenden Gründen der Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid an, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen nicht glaubhaft ist (ad 1.1.3.):

 

2.5.1. So fällt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der Erstbefragung die Asylgründe nur kurz geschildert werden sollen, auf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 24.07.2015 angab, aus Afghanistan aufgrund des Bürgerkriegs geflohen zu sein und dass "die Taliban und der IS Jagd auf Schiiten" machten, zu seinen später vorgebrachten Fluchtgründen aber kein Wort verlor. Auch, als er zu seinen Bedrohungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan befragt wurde, antwortete er ebenfalls – und damit in sich schlüssig - mit "der Bürgerkrieg in Afghanistan". Erst in der Einvernahme am 11.11.2016 brachte er erstmals vor, dass er von den Taliban bedroht worden sei.

 

Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017, wieso er in seiner Erstbefragung angegeben habe, wegen des Bürgerkriegs in Afghanistan zu flüchten und die Bedrohung seiner Person durch die Taliban überhaupt nicht erwähnt habe, gab der Beschwerdeführer an: "Ich war erschöpft von der Flucht. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht oder der Dolmetscher oder Schriftführer." Aus Sicht der erkennenden Richterin ist jedoch die Aussage "Ich musste aus Afghanistan wegen dem Bürgerkrieg flüchten. Die Taliban und der IS machen Jagd auf Schiiten." ein gänzlich anderer Fluchtgrund als jener der persönlichen Bedrohung durch die Taliban aufgrund zweier konkreter Vorfälle und wäre es auch vor dem Hintergrund von Erschöpfung und Kürze der Befragung deutlich naheliegender gewesen zu sagen, dass man selbst durch die Taliban bedroht worden sei. Auch dies wäre in einem schlichten, kurzen Satz möglich gewesen. Für das Vorliegen eines Fehlers von Dolmetscher oder Schriftführer gibt es ebenfalls keine Hinweise, insbesondere, da das Protokoll dem Beschwerdeführer rückübersetzt wurde und Verständigungsprobleme von ihm verneint wurden.

 

Auch in der Einvernahme vom 11.11.2016 blieb die Aussage des Beschwerdeführers zum Bürgerkrieg in sich unschlüssig:

 

"VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

 

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an?

 

VP: Es gab einen Bürgerkrieg, aber ich wurde von den Taliban bedroht."

 

2.5.2. Weiters blieb der Beschwerdeführer schon in der Einvernahme vom 11.11.2016 in sich widersprüchlich zur Bedrohung durch die Taliban: Verneinte er zuerst, von den Taliban persönlich bedroht worden zu sein ("LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief? VP: Nein, nur durch diesen Brief."), erklärte er schon zwei Fragen später, doch persönlich bedroht worden zu sein ("LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht? VP: Ja, ich bin bedroht worden. VP: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht? VP:

In diesem Dorf XXXX. Bevor ich Afghanistan verlassen habe.") Bei einer Bedrohung, die zur Flucht geführt hat, wäre jedoch davon auszugehen, dass man nachvollziehbar mitteilen kann, ob man nun durch einen Brief oder durch einen Vorfall in einem Dorf oder durch beides bedroht wurde.

 

2.5.3. In der Einvernahme vom 11.11.2016 fällt auf, dass es schwierig bleibt, kongruent nachzuvollziehen, wann welche Bedrohung erfolgt ist und welche Bedrohung zur Ausreise geführt hat:

 

Zuerst gab der Beschwerdeführer an: "Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen."

 

Dies wäre als Bedrohung und Flucht durch den Vorfall im Dorf zu verstehen, doch schon im nächsten Satz bezog sich der Beschwerdeführer auf eine briefliche Bedrohung:

 

"LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

 

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht."

 

In der Einvernahme vom 11.11.2016 wiederum gab der Beschwerdeführer nach der Schilderung des Vorfalls im Dorf mit den Taliban an:

 

"VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

 

[ ]

 

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

 

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

 

LA: Was haben Sie dann gemacht?

 

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet."

 

Dies wäre aus dem Zusammenhang so zu verstehen, dass die Flucht nach dem Vorfall im Dorf stattfand. In der Beschwerde vom 02.03.2017 hingegen, ebenso wie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017, gab der Beschwerdeführer an, nach dem Vorfall im Dorf noch im Krankenhaus gearbeitet zu haben ("BF: [ ] wir haben uns in diesem Dorf nur einen Tag aufgehalten und sind zurück zur Klinik gekommen. Nach einer Woche haben sie uns einen Drohbrief geschickt [ ]. Dann habe ich meine Grundstücke verkauft und habe die Heimat verlassen. [ ] RI: Wie viel Zeit ist zwischen Ihrem Besuch in dem Dorf, wo die Taliban Sie bedroht haben, und dem Eingang des Drohbriefes im Krankenhaus vergangen? BF: Eine Woche.") Auf Vorhalt des Widerspruchs gab der Beschwerdeführer an, dass er auch damals gesagt habe, dass er nach dem Erhalt des Drohbriefes nicht mehr gearbeitet habe; vom Dorf sei er wieder in die Klinik und habe dort eine Woche gearbeitet.

 

Es ist jedoch davon auszugehen, dass man, selbst wenn man genaue Monate oder Jahre nicht mehr zuordnen kann, sich an die Chronologie der Ereignisse, die zur Flucht geführt haben, erinnern würde und diese nachvollziehbar wiedergeben könnte.

 

2.5.4. Auch die Bedrohung durch den Brief blieb widersprüchlich: In der Einvernahme vom 11.11.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass ein Brief von den Taliban in die Klinik geschickt und er durch diesen Brief bedroht worden sei:

 

"VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

 

LA: Wo ist der Brief?

 

VP: Ich weiß es nicht.

 

LA: Was stand in dem Brief?

 

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

 

LA: An wen war der Brief adressiert?

 

VP: An die XXXX Leute.

 

LA: An alle in dem Dorf?

 

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

 

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

 

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik."

 

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017 erklärte der Beschwerdeführer nun erstmals, dass die Namen von Personen, die in der Klinik gearbeitet haben, auf dem Brief gestanden seien und machte damit eine konkrete Bedrohung gegen ihn persönlich geltend, die er, trotz der sehr ausführlichen Befragung durch das BFA in der Einvernahme am 11.11.2016 zum Drohbrief (s. voriger Absatz), davor noch nicht vorgebracht hatte.

 

Diesen Widerspruch versuchte der Beschwerdeführer auf Vorhalt der erkennenden Richterin damit zu erklären, dass er die Namensliste auch bei der Einvernahme erwähnt habe oder er oder der Schriftführer einen Fehler gemacht hätten. Für das Vorliegen eines Fehlers des Schriftführers bei der Einvernahme gibt es jedoch keine Hinweise, insbesondere, da das Protokoll dem Beschwerdeführer rückübersetzt und die Vollständigkeit von ihm bestätigt wurde. Auch von einem "Fehler des Beschwerdeführers" ist nicht auszugehen, hätte er diesen doch auch etwa schon in seinem Beschwerdevorbringen und nicht erst auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung mitteilen können.

 

2.5.5. Ebenso ist nicht schlüssig, warum nur der Beschwerdeführer, der lediglich als Hilfskraft im Krankenhaus arbeitete, vor den Taliban flüchten musste, während hingegen der Arzt, der nach der Aussage des Beschwerdeführers ebenfalls sowohl von dem Vorfall im Dorf als auch von dem Drohbrief betroffen war und als Arzt eine deutlich exponiertere Stellung als eine Hilfskraft hatte, jedenfalls bis zur Ausreise des Beschwerdeführers weiter in der Klinik blieb, wie der Beschwerdeführer übereinstimmend in der Einvernahme am 11.11.2016 sowie in der Verhandlung am 01.06.2017 angab.

 

2.5.6. Widersprüchlich blieb weiters, ob auch andere Personen, die im Krankenhaus bedroht wurden, flohen. Verneinte der Beschwerdeführer dies noch in der Einvernahme am 11.11.2016 ("LA:

Wurden nur Sie bedroht im Krankenhaus? VP: Nein. LA: Wer noch? VP:

Alle. LA: Aber nur Sie sind ausgereist? VP: Ja."), bejahte er dies in der Verhandlung am 01.06.2017 (RI: Ist außer Ihnen noch jemand geflohen, auf diesen Brief hin? BF: Viele sind von dort geflohen ").

 

2.5.7. Zur Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers trug weiter bei, dass in seiner Beschwerde vom 02.03.2017 gleich an zwei Stellen darauf abgestellt wurde, dass sein "Onkel, der ihm die Flucht mittels Grundstückverkauf mitermöglichen konnte sowie dessen Familie selbst in Furcht vor weiteren Repressalien der Taliban" lebten, die "über die Mithilfe des Onkels Bescheid" wüssten. In der Verhandlung am 01.06.2017 konnte der Beschwerdeführer jedoch keine konkrete Furcht seines Onkels vor den Taliban aufgrund der Fluchthilfe betätigen:

 

"RI: Wie geht es Ihrem Onkel?

 

BF: Meinem Onkel geht es gut, er hat Mandelbäume, ihm geht es gut.

 

RI: Und Ihr Onkel hat keine Angst vor den Taliban?

 

BF: Nein, er hat vor den Taliban keine Angst gehabt, ich habe in der Klinik mit dem Staat gearbeitet.

 

RI: In Ihrer Beschwerde haben Sie aber gesagt, dass Ihr Onkel selbst in Furcht vor den Taliban ist.

 

BF: Alle haben Angst. Die Leute, die sieben Personen, denen der Kopf abgetrennt wurden, waren von unserer Gegend. Sie haben auch einem neunjährigen Mädchen den Kopf abgetrennt.

 

RI: D. h. Ihr Onkel hat nur die allgemeinen Gründe, warum er sich vor den Taliban fürchtet?

 

BF: Ja."

 

Es untergräbt die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers, dass er damit einerseits widersprüchliche Angaben machte, es andererseits aber auch nicht schlüssig ist, dass der Onkel keine Angst vor den Taliban haben sollte, wenn er tatsächlich seinem von den Taliban bedrohten Neffen zur Flucht geholfen haben sollte.

 

2.6. In einer Gesamtschau ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in den wesentlichsten Elementen wie Fluchtgrund, zeitlicher Ablauf, ausschlaggebenden Details und objektiver Wahrscheinlichkeit widersprüchlich bzw. nicht schlüssig ist.

 

2.7. Da aus ausgeführten Gründen das Vorliegen einer Drohung durch die Taliban nicht angenommen werden konnte, ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer von den Taliban eine oppositionelle politische Einstellung oder "ungläubige" religiöse Gesinnung unterstellt wurde.

 

Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob es - wie in der Beschwerde vorgebracht wurde - den Taliban möglich ist, einzelne Personen im ganzen Land zu finden, auch wenn es in Afghanistan kein Meldewesen gibt.

 

2.8. Die Feststellungen zu den Integrationsleistungen des Beschwerdeführers (1.1.5.) während seines Aufenthalts in Österreich beruhen auf den im Verfahren vorgelegten Dokumenten sowie seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

 

2.9. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat (ad 1.2. und 1.1.4.) stützen einerseits sich auf die in der Beschwerdeverhandlung ins Verfahren eingeführten Länderdokumente, die UNHCR-Richtlinien sowie ein EGMR-Urteil. Da die Berichte im Länderinformationsblatt auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der schlüssigen Situationsdarstellungen im Herkunftsstaat zu zweifeln. Dasselbe gilt angesichts der Seriosität der beiden anderen eingebrachten Dokumente.

 

Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen in seinen Stellungnahmen nicht substantiiert entgegengetreten. Letztere enthalten nur allgemeine Berichte und allgemeine Schlussfolgerungen bzw. Hinweise auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan sowie Kabul, Herat und Marzar-e Sharif, die jedoch nicht auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers abstellen, sodass sie nicht geeignet sind, die getroffenen Feststellungen zu entkräften.

 

Andererseits stützen sich die Feststellungen zum Herkunftsstaat auf das Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017, aktualisiert am 15.05.2017. Als allgemein beeidetem und gerichtlich zertifiziertem Sachverständigen für Afghanistan kommt den Aussagen von Mag. Mahringer besondere Glaubwürdigkeit zu.

 

Der Beschwerdeführer ist dem Gutachten in seiner Stellungnahme vom 21.06.2017 ausführlich entgegengetreten und hat dabei insbesondere einen Widerspruch der Tatsachenerhebung zum Gutachtensauftrag, keinen Befund und Gutachten ieS entsprechend der Judikatur, mangelnde Überprüfbarkeit der Tatsachenerhebung, Unschlüssigkeit und Widersprüchlichkeit des Gutachtens sowie Entgegenstehen und Außerachtlassen anerkannter Quellen geltend gemacht.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hält dazu fest, dass das zur Situation von Rückkehrern nach Kabul bzw. nach Herat und Mazar-e Sharif erstellte Gutachten von Mag. Karl Mahringer aus einem Befund (der Erhebung von Tatsachen) und dem darauf basierenden Gutachten besteht, welches der Gutachter durch Schlussfolgerungen infolge besonderer Fachkunde erstellt hat. Zur Fachkompetenz des Gutachters ist festzuhalten, dass dieser seit 2014 als nichtamtlicher Sachverständiger am Bundesverwaltungsgericht und seit Mai 2016 auch als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger ua. für Afghanistan mit zusätzlicher Spezialisierung für Flüchtlingswesen und Entwicklungshilfe tätig ist. Dazu wird auf die Homepage des Bundesministeriums für Justiz (www.sv.justiz.gv.at ) verwiesen, auf der folgende Fachgebiete des länderkundigen Sachverständigen Mahringer für Afghanistan aufgelistet werden:

 

"Flüchtlingswesen: Ein umfassender Ansatz ist hier erforderlich. Ausgehend aus der klassischen Länderkunde (inkl. Recherche in den Herkunftsländern - Schwerpunkt Afghanistan, Irak, Syrien), der Risikoanalyse, der Betreuung der Flüchtlinge entlang der "Supply Chain" bis zu den Zielländern, der Asylprozess und die Rückführung der abgelehnten Asylanten sowie deren Reinintegrierung in den Herkunftsländern sowie der Integration in den Zielländern. Die Risikoanalyse umfasst sowohl die Bewertung des Herkunftslandes als auch die Risiken während der Flucht (inkl. Schlepperwesen) bis hin zum Bedrohungspotenzial im Zielland. Das Leistungsangebot umfasst sowohl Evaluierung stattgefundener Vorgänge als auch Lösungsvorschläge. Überprüfung von Standards, Mittelverwendung etc.

 

Entwicklungshilfe: Evaluierung von Entwicklungshilfeprojekte vor Projektbeginn als auch nach Projektabschluss, Benchmark Analyse, Effizientsanalysen, Studien zur Entwicklungshilfe. Analyse und Kontrolle der Mittelverwendung als auch der auftragsgemäße Verwendung. Nachhaltige Entwicklungshilfe-Konzepte. Finanzmanagement. Krisen- und Katastropenmanagement. Bewertung von Zusammenarbeit mit anderen Entwicklungsorganisationen und NGO‘s. Internationale Vernetzung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, Ökonomische und rechtliche Bewertung."

 

Aufgrund dieser Angaben auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz besteht kein Zweifel daran, dass Mag. Mahringer die notwendigen bzw. angegebenen Qualifikationen hat und daher für das Verfassen des ggstl. Gutachtens befähigt ist.

 

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten Tatsachen klarzustellen und auf Grund seiner Sachkenntnisse allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen, muss dabei aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben, wobei jedes Sachverständigengutachten der freien Beweiswürdigung durch die Behörde unterliegt, weshalb die Behörde allfällige rechtliche Ausführungen in einem Gutachten unbeachtet zu lassen hat (Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger "Verwaltungsverfahrensrecht, 9.Auflage", RZ 358).

 

Das vorliegende Gutachten zur Rückkehrsituation von afghanischen Asylwerbern wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nach eingehendem Studium als im Vergleich zu anderen vorliegenden Länderinformationen überaus umfassend und in weiterer Folge auch als richtig und schlüssig erachtet. Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, muss ein Sachverständigengutachten, das von der Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, ausreichend begründet sein (Hinweis E vom 27. Februar 2015, 2012/06/0063, mwN). Der Sachverständige muss in seinem Gutachten darlegen, auf welchem Weg er zu seiner Schlussfolgerung gekommen ist, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden kann (Hinweis E vom 14. November 2012, 2012/12/0036). Der Sachverständige hat im erstellten Gutachten dargelegt, wie er die erhobenen und dem Gutachten zu Grunde liegenden Tatsachen ermittelt hat. Das Bundesverwaltungsgericht misst besonders dem Umstand, dass die Methode von Umfragen vor Ort Anwendung fand, ein sehr hohes Maß an Realitätsnähe im Vergleich zu anderen vorliegenden Berichten mitunter nichtafghanischer Stellen bei, und geht daher auch von der Richtigkeit der erhobenen Tatsachen aus. Die Erhebungen, Befragungen und Recherchen wurden nach den glaubwürdigen Angaben des Sachverständigen persönlich unter Zuhilfenahme je eines erfahrenen und absolut verlässlichen Mitarbeiters für Kabul, Mazar- e Sharif und Herat durchgeführt. Es wurde auf umfangreiche Dokumente und Studien diverser Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zurückgegriffen. Der Sachverständige kann zudem auf langjährige Erfahrung (seit 1976) in Afghanistan verweisen, sowohl im Bereich der öffentlichen Verwaltung, der Entwicklungshilfe, des Flüchtlingswesens als auch dem privatwirtschaftlichen Sektor. Außerdem wurden in Afghanistan durch den Sachverständigen umfangreiche Befragungen und Erhebungen [600 Afghanen wurden im Rahmen eines über einen Monat dauernden Aufenthaltes in Afghanistan in Kabul, Mazare-e-Sharif und Herat (je 200 Personen) mittels Fragebogen zu ihrer subjektiven Sicht der Situation in Afghanistan sowohl aus der Sicht der Rückkehrer als auch der in Afghanistan Lebenden befragt] durchgeführt und dokumentiert. Der Sachverständige führt wohl zu Recht aus, dass es einen großen Unterschied der Bewertung aus subjektiver Sicht der Afghanen und den Erhebungen und Berichten der internationalen Gemeinschaft, welche in der Regel von westlichen Standards ausgeht, gibt. Es besteht kein Grund, an den Angaben und Schlussfolgerungen in seinem Gutachten zu zweifeln.

 

Anders als der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 21.06.2017 vermeint, stehen die Einschätzungen des Gutachtens auch nicht im Widerspruch "zu beinahe sämtlichen anerkannten Quellen", insbesondere nicht in den für die vorliegende Entscheidung wesentlichsten Punkten: Die Aussage des Gutachtens, dass "Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte ohne Einschränkung gegeben" sind, ist in einer Linie mit der Einschätzung von UNHCR zur Zumutbarkeit interner Schutzalternativen, wonach alleinstehende leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf eine Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung (Familie/ethnische Gruppe) darstellen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 10). Auch die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, die das Länderinformationsblatt mit 150-250 USD (ohne Miete) ansetzt, sind mit den im Gutachten angenommenen monatlichen Kosten von 100 USD für Essen zu vereinbaren. Weiters sind die monatlichen Ausgaben für Mieten nachvollziehbar: Für eine Ein-Zimmer-Wohnung in Kabul fallen laut Länderinformationsblatt 88 bis 146 USD an, gemäß Gutachten 40 USD, dies aber bei 4 Bewohnern im Raum. Auch im Länderinformationsblatt wird ausgeführt, dass in Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung steht.

 

Nach dem weiteren Erkenntnis des VwGH vom 16.02.2017, Ra 2016/05/0026, hat das VwG im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, und ist daher gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und es entsprechend zu würdigen, zumal an die Begründung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes auch insofern dieselben Anforderungen zum Tragen kommen wie bezüglich verwaltungsbehördlicher Entscheidungen nach dem AVG (Hinweis dazu etwa VwGH vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076; VwGH vom 18. Februar 2015, Ra 2014/03/0045; VwGH vom 20. Mai 2015, Ra 2015/20/0067). Das BVwG geht aufgrund der Vollständigkeit und Richtigkeit der Erhebungen und unter Bedachtnahme auf die dargelegte Fachkunde des Gutachters nach Prüfung der Nachvollziehbarkeit somit auch von der Schlüssigkeit des erstatteten Gutachtens aus, weshalb es der Entscheidung in Ergänzung der bisher verfügbaren Berichte ebenfalls zu Grunde gelegt wird.

 

Selbst wenn bei dem Gutachten die Anforderungen an ein Gutachten nicht gegeben sein sollten (wovon das BVwG nicht ausgeht), würde es sich bei dem Gutachten um ein sonstiges Beweismittel handeln, welches aufgrund der Expertise des Sachverständigen und den durchgeführten umfangreichen Befragungen und Erhebungen vor Ort als glaubwürdig erachtet wird. Aus dem Gutachten ergibt sich jedenfalls zweifelsfrei, dass derzeit keine exzeptionellen Umstände in Kabul und Mazare-e-Sharif anzunehmen sind, die annehmen lassen würden, dass der Beschwerdeführer dort keine Lebensgrundlage vorfindet und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

 

2.10. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig, die Städte KABUL und MAZAR-E SHARIF sind über die dortigen Flughäfen gut erreichbar (ad 1.1.4.). Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Ghazni, in der er sein ganzes Leben bis zur Flucht verbracht hat und ist demnach mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut. In KABUL und MAZAR-E SHARIF ist nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, und die afghanische Regierung behält die Kontrolle über die beiden Städte, selbst wenn es auch dort zu vereinzelten Anschlägen kommt.

 

Innerhalb KABULS existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt KABUL verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGO¿s sowie gezielt auf (internationale) Sicherheitskräfte ereignen, dies aus Gründen der Propaganda und der hohen medialen Aufmerksamkeit. Wenn es auch zu zivilen Opfern kommt, so sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen Anschlagsziele. In KABUL Stadt geht aber nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellen würde. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt KABUL nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist. Gleiches gilt für die Stadt

MAZAR-E SHARIF.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über eine sechsjährige Schulbildung und sowohl drei Jahre als Hilfsarbeiter in einer Klinik als auch drei Monate als Hilfsarbeiter im Baubereich (im Iran) gearbeitet. Er hat sohin zwar keine abgeschlossene Ausbildung, aber bereits praktische Arbeitserfahrung gesammelt. Folglich kann der erwerbsfähige Beschwerdeführer auch nach Rückkehr eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und seine Existenz bei einer Rückkehr nach KABUL, alternativ aber auch nach MAZAR-E SHARIF, gewährleisten.

 

Unter diesen Voraussetzungen sowie aufgrund der Länderfeststellungen und des Gutachtens von Mag. Mahringer ist es nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr in seiner Existenz bedroht wäre.

 

Es ist zudem notorisch, dass der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, wodurch er Rückkehrhilfe bzw. zusätzlich die Aufnahme in ein Reintegrationsprojekt beantragen kann: In Österreich stehen für afghanische Staatsangehörige zwei spezielle Reintegrationsprojekte zur Verfügung (ERIN oder RESTART II). Beide Angebote zielen effektiv auf die Wiedereingliederung im Heimatland ab und können erst nach Ankunft im Herkunftsland bezogen werden. Ziel ist es, den Rückkehrer vor allem durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, sowie Start Ups den Neustart im Heimatland zu erleichtern. Die Sachleistung beträgt bei ERIN 3.000 EUR; in bar erhalten die Personen 500,- EUR; beim IOM-Projekt (RESTART II) besteht die Sachleistung aus 2.800,- EUR und der Barwert aus 500,-

EUR. Je nach Bedarf stellt hier IOM auch Leistungen wie Family Assessment, temporäre Unterkunft nach der Ankunft und die Weiterreise zum Zielort zur Verfügung (sämtliche Informationen dazu können auch jederzeit aktuell auf www.voluntaryreturn.at in diversen Sprachen abgerufen werden).

 

2.11. Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass die Länderfeststellungen des BFA unzureichend seien und auf veralteten Länderberichten beruhten, ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht auch aufgrund der aktuellen Länderberichte zu keinem anderen Ergebnis kommt.

 

2.12. Zum Vorbringen in der Beschwerde betreffend die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung und Volkszugehörigkeit der Hazara, siehe unter 3.4.3.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

3.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Zu A)

 

3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10).

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).

 

3.4.2. Im gegenständlichen Fall sind die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben.

 

Erachtet nämlich die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).

 

Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ergibt sich der Schluss der Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens aus einer Gesamtschau seiner Angaben im Verfahren, insbesondere aber auch aufgrund des Verlaufes und des Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

 

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).

 

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

 

3.4.3. In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und vor dem Hintergrund der in der Beschwerde sowie der Stellungnahme vom 21.06.2017 getroffenen Ausführungen zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und als Schiit - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre. Dies, obwohl der Beschwerdeführer selbst in der Einvernahme am 11.11.2016 ausdrücklich verneint hat, wegen seiner Volkszugehörigkeit als Hazare und/oder seiner Religionszugehörigkeit als Schiit verfolgt worden zu sein.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und als Schiit in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Der Beschwerdeführer gehört als Hazara zwar einer ethnischen und als Schiite auch einer religiösen Minderheit an, doch ist festzuhalten, dass sich für die während der Taliban Herrschaft besonders verfolgten Hazara – wie aus den zugrundegelegten Länderfeststellungen ersichtlich – die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder aufleben. Eine generelle Verfolgung von Schiiten und/oder Hazara (bereits als nicht individualisierte Gruppen) in Afghanistan ist auch schon angesichts ihrer Repräsentation in Armee, Sicherheitsbehörden und Politik (vgl. die Länderfeststellungen) auszuschließen. Es ist somit davon auszugehen, dass weder die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara noch die Zugehörigkeit einer Person zur religiösen Minderheit der Schiiten für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre (vgl. dazu auch VwGH 31.10.2002, 2000/20/0358).

 

Der VwGH hat in seinen Erkenntnissen vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106 sowie vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0171 eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, welcher Umstand jedoch hier vorliegend nicht der Fall ist. In zahlreichen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (z.B. BVwG 24.10.2016, W191 2106225-2/10E; BVwG 09.05.2016, W119 2012593-1/20E, BVwG 18.04.2016, W171 2015744-1, BVwG 13.11.2015, W124 2014289-1/8E und viele andere mehr).

 

Der Verwaltungsgerichtshof judizierte in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan, zum Unterschied zB zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung – auch lokal – in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte (siehe auch BVwG 16.06.2016, W159 2105321-1/8E).

 

Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe.

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

3.4.4. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubhaft darzutun, war der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gem. § 3 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

 

3.5.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht.

 

Im Vergleich zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997, der auf § 57 FrG verwies, bezieht sich § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr direkt auf die EMRK. Die Verbote des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr § 50 FPG 2005) orientierten sich aber gleichfalls an Art 3 EMRK (Vgl. auch VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0557) und erweitern ihn um die Todesstrafe, die per se noch keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe i.S.d. EMRK darstellt. Angesichts des somit im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes - lässt sich die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 i.V.m § 57 Abs. 1 auch auf die neue Rechtslage anwenden.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren und in den Schutzbereich des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention fallenden Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 02.08.2000, 98/21/0461, zu § 57 FrG 1997; auch VwGH vom 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582; VwGH vom 31.05.2005, 2005/20/0095).

 

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts-und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016]

 

Nach Ansicht des EGMR ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. EGMR Urteil Husseini v. Sweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84 sowie das rezente Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoße würde: EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 und das dementsprechende Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/01/0134-7). Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage erscheint damit eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional - sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedlichen - Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

 

Hinsichtlich der Bezugspunkte bei der Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes hat der VfGH in seinem Erkenntnis vom 13.09.2013, U370/2012 Folgendes ausgeführt:

 

"Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013, U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012)."

 

Hinsichtlich einer Rückkehr an den Heimatort im Distrikt Jaghuri, Provinz GHAZNI ergibt sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellung und den in das Verfahren einfließenden sonstigen Informationen für das erkennende Gericht, dass aufgrund der dort auftretenden Sicherheitsprobleme eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region für diesen mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein könnte, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann.

 

3.5.2. Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes – nämlich die Hauptstadt KABUL oder die Stadt MAZAR-E SHARIF – verwiesen werden kann:

 

§ 11 AsylG normiert:

 

"(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

 

Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan nahm der Verfassungsgerichtshof in ständiger – und bislang auch nicht revidierter – Rechtsprechung ein willkürliches Vorgehen des (zum damaligen Zeitpunkt noch bestehenden) Asylgerichtshofes an, wenn dieser das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul für afghanische Asylwerber bejahte hatte, obwohl diese nie in Kabul gelebt und dort keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte hatten (s. u.a. VfGH 06.06.2013, U 2666/2012; 07.06.2013, U 2436/2012; 13.09.2013, U 370/2012).

 

Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Beschwerdeführer konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zu gewärtigen hat (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Vor diesem Hintergrund ging der Verwaltungsgerichtshof jüngst mitunter auch davon aus, dass betreffend die Beschwerdeführer in den konkreten Verfahren – auf Basis der darin getroffenen Feststellungen – keine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul dargetan worden sei (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert nämlich im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner jüngeren, zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des EGMR ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09, Vgl. hiezu insbesondere auch VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096). Es reicht für den Antragsteller nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mwN).

 

Zudem verweist der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur (VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; 25.04.2017 Ra 2017/01/0016) auf die Rechtsprechung des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan ist nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 MRK verstoßen würde (Hinweis B vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u.a., Nr. 46 856/07).

 

In dem rezenten Erkenntnis vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, führte der Verwaltungsgerichtshof im Fall eines aus der Provinz NANGARHAR stammenden Revisionswerbers (erwerbsfähig, langjährige Schulbildung, aber keine Berufserfahrung), der über keine sozialen Netzwerke in anderen Landesteilen Afghanistans verfügt und in dessen Fall keine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt KABUL angenommen und ihm subsidiärer Schutz gewährt wurde, aus, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat aufgezeigt habe, dies bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht. Die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK würde damit aber nicht dargetan (vgl. dazu die Erkenntnisse des VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, und vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063, bzw. zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative für einen gesunden und arbeitsfähigen afghanischen Staatsangehörigen den Beschluss vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096).

 

Wie bereits in der Beweiswürdigung angeführt, ist in KABUL und MAZAR-E SHARIF nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, und die afghanische Regierung behält die Kontrolle über die beiden Städte, selbst wenn es auch dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Innerhalb KABULS existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt KABUL verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGO¿s sowie gezielt auf (internationale) Sicherheitskräfte ereignen, dies aus Gründen der Propaganda und der hohen medialen Aufmerksamkeit. Wenn es auch zu zivilen Opfern kommt, so sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen Anschlagsziele. In KABUL Stadt geht aber nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellen würde. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt KABUL nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist. Gleiches gilt für die Stadt MAZAR-E SHARIF. In beiden Städten ist auch allgemein der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Beide Städte sind über die dortigen Flughäfen sicher erreichbar.

 

Nach den Ergebnissen des Verfahrens muss - wie oben bereits dargestellt - davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer weder aus "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" aus einem der in der GFK angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat noch ihm bei einer Rückkehr eine solche Verfolgung drohen würde.

 

Im Falle seiner Rückkehr ist er auch nicht einer "realen Gefahr" iSd Art 2 oder Art 3 EMRK ausgesetzt, die subsidiären Schutz notwendig machen würde. Der Beschwerdeführer hat zwar ein umfangreiches Vorbringen zur allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan erbracht, es ist ihm jedoch nicht gelungen, den mit Blick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Nachweis hinsichtlich des Vorliegens von in seiner Person gelegenen, exzeptionellen Umständen im Hinblick auf eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in den Herkunftsstaat zu erbringen (vgl. dazu das rezente Erk des VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

 

Auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm. § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid

v. United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

 

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Provinz Ghazni geboren und hat bis zu seiner Flucht in Afghanistan gelebt, er ist daher mit den dortigen Gegebenheiten und kulturellen Gepflogenheiten vertraut. Er wurde in Afghanistan sozialisiert, besuchte dort die Schule und arbeitete drei Jahre lang als Hilfsarbeiter in einer Klinik sowie im Iran drei Monate lang im Baubereich. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, sodass er durch eigene Erwerbstätigkeit seine Existenz sichern kann.

 

Vor dem Hintergrund dieser individuellen Situation des Beschwerdeführers ist diesem die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt KABUL sowie in der Stadt MAZAR-E SHARIF aus folgenden Gründen möglich:

 

Aus den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sind in Bezug auf die Städte KABUL und MAZAR-E SHARIF keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer bei einer Rückkehr die Gefahr realer existenzbedrohender Verhältnisse anzunehmen wäre. Er ist gesund und erwerbsfähig, hat bereits Arbeitserfahrung und ist mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Exzeptionelle Umstände, die eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in den Herkunftsstaat indizieren würden, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, auch sonst sind solche nicht hervorgekommen.

 

Neben der Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevant sein. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Antragsteller handelt, bei denen individuelle Gründe bestehen, die die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit rechtfertigen, wie z.B. Personen mit Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern oder schwangeren Frauen (VfGH 14.12.2011, U2495/2010 mit Verweis auf VfGH 07.10.2010, U694/2010). Derartige individuelle Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer ist gesund. Auch sonst liegt eine spezifische Vulnerabilität des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer zwar über kein soziales oder familiäres Netz in KABUL und MAZAR-E SHARIF, sodass er bei der Wohnraum- und Arbeitsplatzsuche auf sich allein gestellt ist. Eine ausweglose Situation ist jedoch aufgrund dessen, dass er sich durch Erwerbstätigkeit ein Einkommen erwirtschaften kann, nicht anzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass eine fehlende familiäre Anknüpfung nicht zu einer Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative führt bzw. eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründet (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; vgl. VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016). Dies entspricht auch der oben dargestellten Einschätzung von UNHCR zur Zumutbarkeit interner Schutzalternativen, wonach alleinstehende leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf eine Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung (Familie/ethnische Gruppe) darstellen. Weiters wird dies gestützt durch das Gutachten von Mag. Mahringer, der eine Verdienstmöglichkeit von männlichen Rückkehrern ohne familiäre/soziale Anknüpfungspunkte in KABUL und MAZAR-E SHARIF bejaht.

 

Außerdem kann der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, wodurch er zusätzlich Unterstützung bei einer Rückkehr erlangen kann. Es bestehen insgesamt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Stadt KABUL als auch in die Stadt MAZAR-E SHARIF einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt ist. Aufgrund dieser Umstände ist ihm eine Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt KABUL als auch in der Stadt MAZAR-E SHARIF zumutbar.

 

Auch wenn bei einer Rückkehr sowohl nach KABUL als auch nach MAZAR-E SHARIF die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für den Beschwerdeführer besteht, dies bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, ist damit die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK nicht dargetan (vgl. dazu die Erkenntnisse des VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, und vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063, bzw. zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative für einen gesunden und arbeitsfähigen afghanischen Staatsangehörigen den Beschluss vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; sowie das Erk vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

 

Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, in Kabul oder Mazar-e Sharif nach einem – wenn auch anfangs nur vorläufigen – Wohnraum zu suchen und sich ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Dadurch wird er nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Zusammenschauend ergibt sich, dass für den Beschwerdeführer bei Rückkehr sowohl in die Stadt KABUL als auch in die Stadt MAZAR-E SHARIF die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende Lebensführung realistisch sind und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, zudem ist ihm die Inanspruchnahme dieser innerstaatlichen Fluchtalternativen aufgrund der dargestellten Umstände auch zumutbar.

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Städte KABUL und MAZAR-E SHARIF, die für ihn jeweils eine innerstaatliche Fluchtalternative darstellen, jedenfalls möglich und auch zumutbar ist.

 

Ausgehend davon ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

 

3.5.3. Die Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem Beschwerdeführer nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen ist.

 

3.6. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

3.6.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

§ 55 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

 

§ 57 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt."

 

§ 58 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

 

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

 

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

§ 52 (1) [...]

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

[...]

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration,

 

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

 

Aufgrund der Feststellungen zur Lebenssituation ist aber von einem bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich auszugehen. Aus folgenden Erwägungen fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu Lasten des Beschwerdeführers aus und stellt die Rückkehrentscheidung jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar:

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

 

Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", ist die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, der sich seit Juli 2015 – sohin seit zwei Jahren – in Österreich aufhält, als "eher kürzer" zu bewerten. Von der in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Judikatur, die bei einem über zehnjährigen Aufenthalt (sofern diese Dauer nicht durch gewisse Umstände relativiert wird) regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich ausgeht, ist die Länge des Aufenthalts des Beschwerdeführers ebenfalls noch weit entfernt. Sohin ist die zweijährige Aufenthaltsdauer nicht als so lange zu bewerten, dass diese das Interesse des Verbleibs des Beschwerdeführers in Österreich maßgeblich verstärken würde.

 

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer zwar bereits Integrationsschritte gesetzt, jedoch ist in Anbetracht der Dauer seines Aufenthalts keine außergewöhnlich starke Integration des Beschwerdeführers hervorgekommen. Der durch die Ausweisung des Beschwerdeführers allenfalls verursachte Eingriff in sein Recht auf Privat- oder Familienleben ist daher jedenfalls insofern iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt:

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, – je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse – variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich;

31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande;

31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

 

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Asylantragstellung im Juli 2015 im Bundesgebiet auf. Die Dauer des Verfahrens (behördliches Verfahren von Juli 2015 bis Februar 2017; Verfahren vor dem BVwG von März 2017 bis Juli 2017) übersteigt im Hinblick darauf, dass es in den vergangenen Jahren zu einem massiven Anstieg an Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz kam, nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

 

Der Beschwerdeführer verfügt über bestehende starke Bindungen zum Herkunftsstaat: Der 19-Jährige hat dort den weit überwiegenden Teil seines Lebens verbracht, er spricht eine Landessprache als Muttersprache, wurde in Afghanistan sozialisiert, ging dort zur Schule und arbeitete in einer Klinik.

 

Zu Gunsten des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ist zu werten, dass er mehrere Deutschkurse besucht und Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 erworben hat.

 

In Anbetracht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sind die integrativen Bemühungen des Beschwerdeführers aber insofern zu relativieren, als die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen (Hinweis E 26.1.2009, 2008/18/0720).

 

Demgegenüber ist der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von der Grundversorgung. Im Entscheidungszeitpunkt liegt keine Selbsterhaltungsfähigkeit vor.

 

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Interessen ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Spätestens mit der Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz durch den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2017 musste sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus¿ bewusst sein. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts des Asylverfahrens verfügte. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat.

 

Die dem Beschwerdeführer zumutbare, wenn auch allenfalls mit Schwierigkeiten behaftete Rückkehrsituation in seinen Herkunftsstaat vermag kein Überwiegen seiner Interessen am Verbleib in Österreich auszumachen. Da der Beschwerdeführer unter den oben dargestellten Umständen bei einer Rückkehr nach KABUL oder MAZAR-E SHARIF wieder wird Fuß fassen können, verstärkt die zu erwartende Rückkehrsituation sein Interesse am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Den teilweise wie obenstehend zu relativierenden privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.12.2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

 

Entsprechend hielt der Verwaltungsgerichtshof in einem rezenten Erkenntnis im Fall einer seit viereinhalb Jahren in Österreich lebenden unbescholtenen Asylwerberin, die seit Dezember 2012 - mit getrennten Wohnsitzen - eine Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger führt und der das Bundesverwaltungsgericht auch "außerordentliche Integrationsbemühungen" (Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 sowie kirchliches, soziales und berufliches Engagement) attestierte, fest, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen der Revisionswerberin an einem weiteren Verbleib in Österreich ausgehen musste, zumal sie sich bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses erst viereinhalb Jahre auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz in Österreich aufgehalten hatte und im Herkunftsstaat aufrechte familiäre Bindungen bestehen. Entgegen der Meinung in der Revision durfte das Bundesverwaltungsgericht bei der Gewichtung der für die Revisionswerberin sprechenden Umstände auch im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbeziehen, dass die integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sie sich (bereits nach Abweisung ihres unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesasylamt Ende April 2012) ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 23.02.2017, Ra 2017/21/0009).

 

Vor diesem Hintergrund und nach der obenstehenden individuellen Abwägung der berührten Interessen kann ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers jedenfalls als im Sinne des Artikels 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden.

 

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch – wie bereits ausgeführt – kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Da der Antrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen wurde, liegt weder ein Fall des § 8 Abs. 3a noch des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vor. Der Beschwerdeführer gab nicht an, über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen.

 

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe oben).

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe oben).

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des gegenständlichen Erkenntnisses betreffend die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan im Sinne des § 50 FPG ergeben würden. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

3.6.3. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

3.6.4. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auch in diesem Spruchpunkt als unbegründet abzuweisen.

 

3.6.5. Zur Anregung in der Beschwerde, die Bestimmung des § 16 Abs. 1 BFA-VG zur verkürzten zweiwöchigen Beschwerdefrist dem Verfassungsgerichtshof in einem Gesetzesprüfungsverfahren zuzuführen, ist auszuführen, dass der VfGH bereits am 27.06.2017 einen diesbezüglichen Prüfungsbeschluss unter E 502/2017-13 gefasst hat. Für das vorliegende Verfahren ist das Ergebnis des VfGH-Gesetzesprüfungsverfahren jedoch ohne Bedeutung, da die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde und der Beschwerdeführer sowohl in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht als auch in seinen Stellungnahmen ausreichend Gelegenheit hatte, seine Vorbringen zu erstatten, sodass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch die zweiwöchige Beschwerdefrist nicht beschwert ist.

 

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern stellt die Entscheidungsfindung ausschließlich das Resultat einer eingehenden Glaubwürdigkeitsauseinandersetzung, basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben des Beschwerdeführers. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar (vgl. dazu insb. Notwendigkeit einer der Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380, u.v.a; sowie zur Bewertung der aktuellen [Rückkehr-]situation in Afghanistan EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 und die dem entsprechenden Erkenntnisse des VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/01/0134-7 und vom 13.09.2016 Ra 2016/01/0096 sowie insbesondere das rezente Erkenntnis VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016). Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übertragbar, zudem sei auf das rezente Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2017, Ra 2017/21/0009 verwiesen. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides an.

 

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

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