VwGH 2009/22/0273

VwGH2009/22/027313.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 12. August 2009, Zl. E1/1856/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Pakistan, eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG).

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 20. August 2001 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Noch am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 11. Februar 2002 abgewiesen worden sei. Die dagegen eingebrachte Berufung sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15. September 2008 "negativ beschieden" worden. Das Asylverfahren sei seit 19. September 2008 rechtskräftig abgeschlossen. Die Behandlung der gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes gerichteten Beschwerde sei vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 abgelehnt worden.

Jedenfalls seit 20. September 2008 halte sich der Beschwerdeführer infolge des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Es sei sohin seine Ausweisung aus dem Grund des § 53 Abs. 1 FPG zulässig.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, es sei sein seit 20. August 2001 währender Aufenthalt im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Allerdings sei er dazu nur auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen vorläufig berechtigt gewesen. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe vier Kinder. Seine pakistanische Ehefrau und alle Kinder lebten aber in seinem Heimatland. Der Beschwerdeführer unterstütze diese vom Bundesgebiet aus finanziell. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet könnten nicht festgestellt werden. Es liege sohin durch die gegenständliche Maßnahme kein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers vor. Allerdings sei hinsichtlich der Schutzwürdigkeit seines Privatlebens zu beachten, dass er in Österreich viele Freunde gefunden habe. Er habe vorgebracht, Deutsch zu sprechen, sich "nie etwas zu Schulden kommen" haben zu lassen und selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen als Küchengehilfe und Gebäudereiniger sei belegt. Zumindest in der Zeit von 1. Jänner 2004 bis 23. Oktober 2008 sei der Beschwerdeführer bei unterschiedlichen Unternehmen beschäftigt gewesen. Seit 23. April 2009 scheine er "als 'selbst versichert' auf". Der Beschwerdeführer sei unbescholten.

Der Asylantrag des Beschwerdeführers habe sich als unberechtigt erwiesen. Es könne sohin die Zeit des rechtmäßigen Aufenthalts während des Asylverfahrens als "nicht wirklich relevant" angesehen werden. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Spätestens ab 11. Februar 2002 habe sich der Beschwerdeführer infolge der erstinstanzlichen Ablehnung seines Asylbegehrens seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Insofern sei auch der aus einem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet abzuleitenden Integration nur vermindertes Gewicht beizumessen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, er wüsste nicht, an wen er sich im Fall seiner Rückkehr in Pakistan wenden solle, sei dem zu entgegnen, dass dort seine Ehefrau und die vier gemeinsamen Kinder lebten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, er halte sich seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, und es sei der die Erlassung einer Ausweisung ermöglichende Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 53 Abs. 1 FPG (in der Stammfassung) erfüllt. Angesichts der Feststellungen der belangten Behörde bestehen gegen die Richtigkeit dieser Auffassung keine Bedenken, zumal nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über irgendeine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt hätte.

Die Beschwerde richtet sich allerdings gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG (in der Fassung des BGBl. I Nr. 29/2009). Insoweit macht der Beschwerdeführer aber keine Umstände geltend, die die belangte Behörde im Rahmen ihrer Abwägung nicht schon in ausreichendem Maß berücksichtigt hätte. Der Beschwerdeführer vermag persönliche Interessen an einem Verbleib in Österreich in erster Linie aus seinem langjährigen inländischen Aufenthalt, seiner bisherigen Erwerbstätigkeit, Freunden im Bundesgebiet und Kenntnissen der deutschen Sprache abzuleiten. Zwar handelt es sich um einen relativ langen Zeitraum, in dem er sich während der Dauer des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, doch musste er sich auf Grund der ihm bekannten Gegebenheiten - erstinstanzliche Abweisung seines Asylantrages - bereits im Februar 2002 der Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst gewesen sein. Anders als der Beschwerdeführer meint hat es ihm die belangte Behörde nicht zum Vorwurf gemacht, dass er im Asylverfahren ein Rechtsmittel ergriffen hat oder er für die lange Dauer des Asylverfahrens verantwortlich gewesen sei. Es entspricht aber der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die integrationsbegründenden Umstände (hier neben der Berufstätigkeit eine weitere soziale Integration durch das Erlernen der deutschen Sprache und den Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises in Österreich) während eines Aufenthalts erworben wurden, der sich auf einen nicht berechtigten Asylantrag gründet. Die genannten Umstände reichen daher nicht dafür aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung des Beschwerdeführers hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, 2009/21/0070).

Den erwähnten Gesichtspunkten der Integration steht gegenüber, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Es verstoßen gegen die genannten Normen diejenigen Fremden, die - wie der Beschwerdeführer - unrechtmäßig einreisen und trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich verbleiben. Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben - vom Vorhandensein eines Familienlebens in Österreich ist auf Grund der Feststellungen nicht auszugehen - angesehen hat.

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. dazu neuerlich etwa das bereits genannte Erkenntnis vom 25. Februar 2010, Zl. 2009/21/0070, mwN).

Somit bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass die Ausweisung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nach § 66 FPG dringend geboten und verhältnismäßig sei. Auch ist kein ausreichend gewichtiger Grund ersichtlich, den die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte berücksichtigen müssen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 13. Oktober 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte