VwGH 2009/21/0070

VwGH2009/21/007025.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des A, vertreten durch die Rechtsanwälte Bründl, Reischl & Partner OG in 5204 Straßwalchen, Braunauerstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. Jänner 2009, Zl. St 274/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen des Libanon, gemäß den §§ 31, 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend verwies sie auf die Ausführungen der Erstbehörde (Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn), der Beschwerdeführer sei am 27. Oktober (richtig: Dezember) 2000 schlepperunterstützt unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei "seit 04.11.2008 rechtskräftig negativ abgeschlossen". Seither halte er sich nicht rechtmäßig in Österreich auf. Der Beschwerdeführer habe angegeben, "seit April 2001 nahezu durchgehend in Österreich beschäftigt" gewesen zu sein; seit 1. Februar 2006 habe er durchgehend im selben Unternehmen (als Hilfskraft) gearbeitet und durchschnittlich EUR 1.300,-- netto monatlich verdient. Er bewohne allein eine rund 28 m2 große Mietwohnung. Seine Eltern, vier Brüder und seine Schwester lebten im Libanon, sie seien "dort offensichtlich gut integriert". Ein weiterer Bruder (und ein Cousin des Beschwerdeführers - so ergänzte die belangte Behörde in der Folge) lebten in Österreich. Der Beschwerdeführer sei "weder in Vereinen noch in einer Organisation engagiert". Er verfüge über gute Deutschkenntnisse.

Der unrechtmäßige Verbleib im Bundesgebiet nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens - so argumentierte die belangte Behörde nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften weiter - gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung des Beschwerdeführers zu deren Wahrung dringend geboten sei. Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme nämlich ein hoher Stellenwert zu. Das maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei überdies dadurch erheblich verletzt worden, dass sich der Beschwerdeführer bei seiner Einreise der Hilfe eines Schleppers bedient habe (wird näher ausgeführt).

Da sich der Beschwerdeführer (auf Grund seines Asylverfahrens) bereits mehr als 8 Jahre lang im Bundesgebiet aufgehalten habe, fast durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und dadurch seinen Lebensunterhalt (etwa eine eigene Wohnung) sichergestellt habe, engen Kontakt zu seinem in Österreich lebenden Bruder und seinem Cousin sowie zu Freunden und Arbeitskollegen gepflegt, einen Integrationskurs besucht habe und über gute Deutschkenntnisse verfüge, sei ihm eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen. Durch die Ausweisung werde somit in erheblicher Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Jedoch sei das Gewicht der Integration dadurch maßgebend gemindert, dass sein Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund eines derartigen Antrages, der sich letztlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär zulässig gewesen sei. Auch seine Unbescholtenheit könne das persönliche Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht maßgeblich verstärken.

Insgesamt folgerte die belangte Behörde nach Abwägung der dargestellten Umstände, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht so stark ausgeprägt seien, dass sie schwerer zu gewichten wären als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Unter Berücksichtigung, dass dem Beschwerdeführer von vornherein habe bewusst gewesen sein müssen, nur über eine temporäre Aufenthaltsberechtigung für die Dauer des Asylverfahrens zu verfügen, erachtete sie die Ausweisung vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des als sehr hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen iSd § 66 Abs. 1 FPG für dringend geboten und - auch unter der schon erwähnten Annahme eines maßgeblichen Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers - für zulässig. Zumal unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich einwanderungswillige Fremde, ohne das entsprechende Verfahren abzuwarten, nicht unerlaubt nach Österreich begeben dürften, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen, seien auch keine besonderen Umstände zu ersehen, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers begründen könnten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. März 2009, B 257/09-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Sie behauptet auch nicht, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Dafür finden sich nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass die belangte Behörde die durch einen Schlepper unterstützte Einreise maßgebend zu seinem Nachteil gewertet habe. Dem ist insoweit beizupflichten, als dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer (bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt im Jänner 2009) vor rund 8 Jahren mit Hilfe eines Schleppers eingereist ist, jedenfalls nach so langer Zeit für die Frage der aktuellen Berechtigung einer Ausweisung keine Bedeutung mehr zukommt. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde lässt sich nicht - wie sie im angefochtenen Bescheid formulierte - "unter Berücksichtigung" des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0242, vertreten, sondern sie steht vielmehr im ausdrücklichen Widerspruch zu den diesbezüglichen Erwägungen in dem genannten Erkenntnis. Auf die dortigen Entscheidungsgründe kann insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden (vgl. daran anschließend etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0533, mwN).

Ungeachtet dessen erweist sich die Ausweisung des Beschwerdeführers jedoch nicht als rechtswidrig. Der Beschwerdeführer vermag persönliche Interessen an einem Verbleib in Österreich nämlich in erster Linie aus seinem langjährigen inländischen Aufenthalt und einer seit 2001 "fast durchgehenden Erwerbstätigkeit" abzuleiten. Zwar handelt es sich dabei um einen langen Zeitraum, in dem er sich während der Dauer des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte, doch musste er sich auf Grund der ihm bekannten Gegebenheiten - erstinstanzliche Abweisung seines Asylantrages bereits im Jänner 2001 - der Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst gewesen sein. Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde ohnehin nicht zum Vorwurf gemacht, er sei für die (lange) Dauer des Asylverfahrens verantwortlich. Es entspricht aber der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die integrationsbegründenden Umstände (hier neben der Berufstätigkeit eine weitere soziale Integration durch das Erlernen der deutschen Sprache und den Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises in Österreich) während eines Aufenthaltes erworben wurden, der sich auf einen nicht berechtigten Asylantrag gründet. Die genannten Umstände reichen daher nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung des Beschwerdeführers hätte Abstand genommen werden und hätte akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (vgl. weiters etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 2009, Zl. 2009/21/0306).

Den erwähnten Gesichtspunkten der Integration steht gegenüber, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Dabei ist zunächst die - wenn auch bereits knapp mehr als acht Jahre zurückliegende - illegale Einreise des Beschwerdeführers als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessenabwägung zu seinem Nachteil einzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293). Darüber hinaus verstoßen gegen die genannten Normen diejenigen Fremden, die - wie der Beschwerdeführer - trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich verbleiben. Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privat- bzw. Familienleben angesehen hat.

Überdies fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer außer einem Bruder und einem Cousin keine weiteren Angehörigen in Österreich hat und somit seine familiäre Integration nicht besonders ausgeprägt ist. Dass er hingegen strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder das persönliche Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken, noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. zum Ganzen neuerlich etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0533, mwN).

Soweit der Beschwerdeführer damit argumentiert, "kaum bzw. keinen Kontakt" zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen zu haben, ist dem zu entgegnen, dass aktuell aufrechte Beziehungen zu seiner Mutter nicht einmal in der Beschwerde in Abrede gestellt werden. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen zwischenzeitig unterbrochene Kontakte zu den weiteren Verwandten nicht wiederhergestellt werden könnten.

Somit bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass die Ausweisung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nach § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei. Auch ist kein ausreichend gewichtiger Grund ersichtlich, den die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte berücksichtigen müssen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. Februar 2010

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