VwGH Ra 2016/19/0350

VwGHRa 2016/19/035022.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. September 2016, W119 2110712- 1/5E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: H H in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12), zu Recht erkannt:

Normen

32011L0095 Status-RL Art10 Abs1 litd;
32011L0095 Status-RL Art9 Abs1;
62012CJ0199 VORAB;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z12;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
EURallg;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §29;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 31. Juli 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und führte dazu im Wesentlichen aus, er habe als Kind seinen rechten Arm durch einen Bombenangriff verloren. Er habe in einem von ihm in Afghanistan geführten Geschäft auch Bibeln zum Kauf angeboten und sei deshalb von einer moslemischen Gruppe angegriffen und schließlich von der Polizei festgenommen worden. Nach Bezahlung einer Sicherheitsleistung sei er frei gekommen und aus Afghanistan geflüchtet. Bei einer Rückkehr drohe ihm eine erneute Verhaftung durch die Polizei sowie auch Verfolgung durch die Familie seiner Ehegattin, weil er seine Frau gegen den Willen ihrer Familie geheiratet habe.

2 Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig erkannte es dem Mitbeteiligten den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.). Das Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten erachtete das BFA als nicht glaubhaft. Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz gründete es darauf, dass der Mitbeteiligte sich - insbesondere aufgrund seiner körperlichen Behinderung - in Afghanistan nicht selbst versorgen könne.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA gerichteten Beschwerde Folge und erkannte dem Mitbeteiligten den Status eines Asylberechtigten zu. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Mitbeteiligte habe im Kindesalter seinen rechten Arm verloren. Aufgrund dieser "Beeinträchtigung" sei er in Afghanistan "Diskriminierung durch Dritte ausgesetzt", gegen die "entsprechender staatlicher Schutz" nicht bestehe. Zum Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten werde ausdrücklich keine Feststellung getroffen. Zur Lage in Afghanistan gab das Bundesverwaltungsgericht umfangreiche Länderberichte wieder und zitierte in diesem Zusammenhang auch eine Richtlinie des UNHCR zur Frage, welche Personengruppen aus Afghanistan abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalls "internationalen Schutz" benötigen könnten (Risikoprofile), wobei unter anderem "Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Behinderungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden", genannt wurden.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, die körperliche Behinderung des Mitbeteiligten sei "nach afghanischen Verhältnissen" als schwer anzusehen. Aus dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen folge, dass der Mitbeteiligte aufgrund dieser "Beeinträchtigung" im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan "in hohem Ausmaß gefährdet" sei, Opfer von "Übergriffen" zu werden, wogegen kein "ausreichender" staatlicher oder familiärer Schutz "zur Verfügung stehe". Zudem könne er "wegen seiner Behinderung" nicht "sein grundlegendes Auslangen" finden, weil er in Afghanistan über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge.

Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht, der Mitbeteiligte halte sich "aus wohlbegründeter Furcht vor Eingriffen wegen seines gesundheitlichen Status" außerhalb seines Herkunftsstaates auf. Die Intensität der festgestellten "Diskriminierungen", gegen die staatlicher Schutz nicht bestehe, sei ausreichend um eine "asylrelevante Bedrohung" der sozialen Gruppe der "körperlich schwer beeinträchtigten Personen" darzustellen. Der Mitbeteiligte werde daher aufgrund eines Konventionsgrundes verfolgt. Eine "inländische Schutzalternative" bestehe nicht, weil die Gefahr der Verfolgung in ganz Afghanistan gegeben sei.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision des BFA nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und Einleitung des Vorverfahrens sowie Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen:

6 Das BFA macht in seiner Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person sei als Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anzusehen, sondern nur eine solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte des Betroffenen führe. Es sei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht konkret zu entnehmen, durch welche Maßnahmen dem Mitbeteiligen eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte drohe. Eine nachprüfende Kontrolle der Richtigkeit der Entscheidung sei auf dieser Grundlage nicht möglich. Die Begründung des Erkenntnisses entspreche nicht den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Anforderungen, weil nicht erkennbar sei, von welchen Erwägungen das Bundesverwaltungsgericht ausgegangen sei. Die Beweiswürdigung beruhe auf einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehlbeurteilung. Das Bundesverwaltungsgericht stütze sich dazu ausschließlich auf das mündlich in der Verhandlung erstattete Gutachten eines Sachverständigen für Länderkunde, das sich in der Abgabe eines Urteiles erschöpfe und nicht offenlege, worauf sich diese Beurteilung gründe. Das Gutachten könne daher nicht auf seine Schlüssigkeit überprüft werden und weiche von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Anforderungen an Sachverständigengutachten ab. Zur Frage, ob bei der Prüfung der Kriterien für das Vorliegen einer sozialen Gruppe im Sinn des Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) entsprechende Länderinformationen den Feststellungen zu Grunde gelegt werden müssten, aus welchen hervorgehe, dass bestimmte Personen von anderen Personen im jeweiligen Herkunftsland eindeutig als eine soziale Gruppe wahrgenommen würden, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

7 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

8 Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die er in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt hat. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben.

Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2015, Ra 2014/19/0145, vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0097, und vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076).

9 Das angefochtene Erkenntnis genügt diesen Anforderungen schon deshalb nicht, weil - selbst bei Berücksichtigung auch der Ausführungen zur Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung - unklar bleibt, welchen Sachverhalt das Bundesverwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt hat, sodass sich die Richtigkeit der Entscheidung einer nachprüfenden Kontrolle entzieht.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung das - vorliegend allerdings ohnehin auch weitgehend unbestimmte - in der mündlichen Verhandlung erstattete Gutachten des Sachverständigen für Länderkunde, das nur ein Beweismittel darstellt, wiedergibt, kann dies die Feststellung des für die Entscheidung relevanten Sachverhalts nicht ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Jänner 2017, Ra 2016/02/0182, mwN).

10 Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

11 Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

12 Unter "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der hg. Rechtsprechung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083). Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2014/18/0118).

13 Wie das BFA in seiner Revision zutreffend aufzeigt, lassen die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen, dem Mitbeteiligten drohe, im Fall der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner körperlichen Behinderung, "Diskriminierungen" bzw. "Übergriffen" ausgesetzt zu werden, eine Beurteilung, ob ihm eine "Verfolgung" im dargestellten Sinn droht, nicht zu, weil aufgrund dieser unbestimmten Begriffe nicht erkennbar wird, mit welchen Eingriffen in seine persönliche Sphäre der Mitbeteiligte bei einer Rückkehr nach Afghanistan konkret zu rechnen hätte.

14 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. zu diesem Erfordernis näher etwa das hg. Erkenntnis 23. Februar 2016, Ra 2015/20/0113). Im angefochtenen Erkenntnisses wurde darauf nur insoweit Bezug genommen, als zur rechtlichen Beurteilung ausgeführt wurde, dem Mitbeteiligten drohe Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur "sozialen Gruppe" der "körperlich schwer beeinträchtigten Personen".

15 § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG 2005 umschreibt den Begriff des "Verfolgungsgrundes" als einen in Art. 10 der Statusrichtlinie genannten Grund. Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie liegt eine bestimmte soziale Gruppe insbesondere vor, wenn

"- die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder

einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und

- die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich

abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird."

16 Nach dieser Definition gilt eine Gruppe somit insbesondere als eine "bestimmte soziale Gruppe", wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. das Urteil des EuGH vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C- 201/12 ). Bei der sozialen Gruppe handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Eine soziale Gruppe kann aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. den hg. Beschluss vom 29. Juni 2015, Ra 2015/01/0067, und das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479, mwN).

17 Um das Vorliegen einer Verfolgung aus dem Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beurteilen zu können, bedarf es daher sowohl Feststellungen zu den Merkmalen bzw. zur abgegrenzten Identität dieser Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung. Die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis sind vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zu tragen.

18 Die Revision zeigt auch zutreffend auf, dass die in der mündlichen Verhandlung erstatte Äußerung des Sachverständigen für Länderkunde den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Anforderungen an Sachverständigengutachten nicht entspricht.

19 Ein Sachverständigengutachten, das von der Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, muss ausreichend begründet sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2015, 2012/06/0063, mwN). Der Sachverständige muss in seinem Gutachten darlegen, auf welchem Weg er zu seiner Schlussfolgerung gekommen ist, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2012, 2012/12/0036). Das Gutachten muss einen Befund und ein Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine Sachverständigenäußerung, die sich in der Abgabe des Urteiles erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich das Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, (nachvollziehbar) erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar. Die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2016, Ra 2015/19/0257, mwN).

20 Im vorliegenden Fall lassen die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht erkennen, worauf er seine Schlussfolgerungen stützt. Der Sachverständige hat sich dazu in der Verhandlung nur insoweit geäußert, als er erklärt hat, Beilagen zum Akt zu geben. Dabei handelt es sich erkennbar um drei im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes befindliche Unterlagen; nämlich ein Erkenntnis des Asylgerichtshofes aus dem Jahr 2012 sowie zwei Artikel aus den Internetauftritten einer Hilfsorganisation und eines Nachrichtenunternehmens. Es bleibt allerdings im Dunkeln, welche Tatsachenfeststellungen (welcher Befund) vom Sachverständigen aus diesen Unterlagen gewonnen wurden, zumal in diesen auf die vom Sachverständigen behandelte Fragestellung auch nur in sehr allgemeiner Form eingegangen wird.

21 Aufgrund der vorliegenden Begründungsmängel war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Wien, am 22. März 2017

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