Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Moldau gagausischer Volksgruppenzugehörigkeit. Ihren am 15. Juni 2001 gestellten Asylantrag begründete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit, dass sie von einem Landsmann, weil sie das bei diesem für ihren Lebensgefährten geliehene Geld nicht habe zurückzahlen können, gefangen genommen und ins Ausland verschleppt worden sei, wo sie der Prostitution hätte zugeführt werden sollen.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 6. September 2001 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "nach Moldawien" zulässig sei. Begründet wurde dies vom Fluchtvorbringen ausgehend im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführerin lediglich Verfolgung durch eine Privatperson drohe, und damit keine unter einen Tatbestand der Genfer Flüchtlingskonvention subsumierbare Verfolgung. Überdies stehe ihr eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG ab; unter einem erklärte sie die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "nach Moldawien" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 für zulässig.
Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Grunde. Darüber hinaus traf sie die negative Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass im Herkunftsstaat "jedem Rückkehrer jedmögliche Lebensgrundlage" fehle, oder "jede Frau der Gefahr, Opfer von Menschenhändlern zu werden, ausgesetzt" sei. Rechtlich führte die belangte Behörde fallbezogen aus, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, glaubhaft darzustellen, dass ihr in ihrem Herkunftsland Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde ging - wie bereits das Bundesasylamt - vom Vorbringen der Beschwerdeführerin aus. Sie vermeinte jedoch, dass es sich dabei lediglich um eine Verfolgung durch eine Privatperson ohne Bezug zu einem Konventionsgrund handle. Die Beschwerde macht dagegen u.a. geltend, dass die Beschwerdeführerin einer sozialen Gruppe, nämlich der vom Menschenhandel bedrohten Frauen, zuzurechnen sei und die Republik Moldau als Herkunftsstaat den vom internationalen Frauenhandel betroffenen Personen keinen staatlichen Schutz gewähre.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.
Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonV) ist "Flüchtling", wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung (nur) dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der FlKonV genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteils aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat, oder ihm dieser Nachteil auf Grund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2009, Zl. 2006/01/0793, und vom 13. November 2008, Zl. 2006/01/0191, mwN).
Angesichts des Vorbringens der Beschwerdeführerin, die Verschleppung zwecks Zuführung zur Prostitution sei kein Einzelschicksal, sondern eine vielen Frauen ihres Herkunftsstaates drohende Gefahr, kann die Asylrelevanz des Fluchtvorbringens nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Dass in der Republik Moldau - wie die belangte Behörde ausführte - nicht "jede Frau" Gefahr laufe, Opfer von Menschenhändlern zu werden, greift zu kurz (vgl. auch das zu § 6 AsylG ergangene hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0497).
Da die belangte Behörde eine Auseinandersetzung mit der Frage der Schutzfähigkeit und -willigkeit des Herkunftsstaats der Beschwerdeführerin in Bezug auf eine Verfolgung mit dem Ziel der Zuführung zur Prostitution durch Frauenhändler unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit relevanten Begründungsmängeln.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2, wobei die darin angeordnete Pauschalierung den (gesonderten) Zuspruch von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand nicht vorsieht.
Wien, am 23. Februar 2011
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