VwGH 2008/23/1443

VwGH2008/23/144324.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Fasching, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des J K, geboren 1956, vertreten durch Dr. Karl Haas, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr.-Karl-Renner-Promenade 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Juni 2008, Zl. 318.731-1/5E-XVIII/58/08, betreffend § 3 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, beantragte am 30. Jänner 2008 die Gewährung von internationalem Schutz.

Vor dem Bundesasylamt gab er dazu im Wesentlichen an, er sei assyrischer Christ und im Dezember 2006 nach Österreich eingereist, um von hier aus zu seiner in den Vereinigten Staaten lebenden Familie weiterzureisen. Ihm sei nunmehr allerdings die Einreise dort nicht gestattet worden. Im Iran sei er als Angehöriger der christlichen Minderheit benachteiligt; als Christ könne man dort nicht frei leben. Im Falle einer Rückkehr in den Iran würde er noch mehr Probleme bekommen, er würde verhört und befragt, was er über den Iran im Ausland ausgesagt habe; vermutlich würde er getötet werden. Wenn er nach über einem Jahr im Ausland in den Iran zurückreisen würde, würden ihm die dortigen Behörden Probleme bereiten, da er in den USA und in Österreich um Asyl angesucht habe. Zudem sei sein Visum abgelaufen, was ihn für iranische Behörden verdächtig mache. Mit Behörden habe er (vor seiner Ausreise) im Iran allerdings keine Probleme gehabt.

Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 19. März 2008 gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und erkannte ihm den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Begründend traf das Bundesasylamt Feststellungen zur Lage im Iran und ging davon aus, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die Asylantragstellung seien glaubwürdig und nachvollziehbar. Beweiswürdigend wurde dazu unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe deshalb in Österreich um Asyl angesucht, weil sein Visum abgelaufen und sein Ansuchen um Einwanderung bzw. Asyl in den USA negativ beschieden worden sei und "diese Umstände Repressalien" für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran auslösten. Zudem sei der Beschwerdeführer als assyrischer Christ Schikanen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen, sei beschimpft worden und hätten Moslems versucht, ihn zu missionieren. Das glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdeführers bringe zum Ausdruck, dass sich eine Rückkehr in den Iran "als unzumutbar und gefährlich" darstelle.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesasylamt zur Gewährung von subsidiärem Schutz im Wesentlichen aus, für den Beschwerdeführer könne eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens nicht ausgeschlossen werden, da nach den getroffenen Länderfeststellungen Rückkehrer ein bis zwei Tage zur Einvernahme festgehalten, dann zwar freigelassen, aber weiterhin von iranischen Behörden überwacht würden; ein freies Leben sei nicht gewährleistet. Auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer um die Einreise in die Vereinigten Staaten bzw. dort um Asyl angesucht habe, und dies iranischen Behörden allenfalls bekannt sei oder bekannt werden könnte, sowie der Tatsache, dass der Beschwerdeführer als assyrischer Christ im Iran ohnehin bereits schlechter gestellt sei, könnten dem Beschwerdeführer eine längere Anhaltung sowie eingehendere staatliche Repressalien drohen. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass iranische Behörden den Beschwerdeführer wegen des Auslandsaufenthaltes in Österreich und wegen des geplanten dauernden Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten der Spionage bezichtigen und dies durch staatliche Repressalien sanktionieren würden.

Demgegenüber wurde die Versagung von Asyl im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe den Iran legal verlassen, es habe (vor der Ausreise) keine staatlichen Verfolgungshandlungen gegeben. Die Zugehörigkeit zu den assyrischen Christen (als solche) löse im Iran keine Verfolgung aus, gesellschaftliche Diskriminierungen gingen nicht vom Staat aus und seien nicht von ausreichender Intensität. Den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beweggründen für seine Asylantragstellung in Österreich sei keine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Versagung von Asyl Berufung. In einer Berufungsergänzung vom 7. Mai 2008 machte er unter anderem geltend, das Bundesasylamt sei aufgrund seiner als glaubwürdig bewerteten Angaben selbst davon ausgegangen, dass ihm wegen seiner Zugehörigkeit zu den assyrischen Christen in Verbindung mit seinem Auslandsaufenthalt und insbesondere der Asylantragstellung in den Vereinigten Staaten bei einer Rückkehr eine reale Verfolgungsgefahr durch iranische Behörden drohe. Das Bundesasylamt irre, wenn es diesen Sachverhalt lediglich als zur Begründung von subsidiärem Schutz geeignet ansehe. Ihm wäre wegen der drohenden Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen Asyl zu gewähren gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, das Bundesasylamt habe ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides dessen Ergebnisse, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen an. Soweit in der Berufungsergänzung eine falsche rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Gewährung von bloß subsidiärem Schutz geltend gemacht werde, werde (nochmals) auf die nicht zu beanstandenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde hat sich den Ausführungen des Bundesasylamtes nicht nur im Hinblick auf die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung, sondern auch im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes angeschlossen. Dem Einwand des Beschwerdeführers in seiner Berufungsergänzung, diese rechtliche Beurteilung sei unrichtig, begegnete sie mit nochmaligem Verweis auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im erstinstanzlichen Bescheid. Ausführungen dazu, dass Teile dieser Begründung nicht übernommen würden, enthält der angefochtene Bescheid nicht. Es kann demnach kein Zweifel daran bestehen, dass die belangte Behörde sich insofern den gesamten Ausführungen des Bundesasylamtes in seiner rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes angeschlossen hat.

Davon ausgehend hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Vorgängerbestimmung des § 7 Asylgesetz 1997 ausgeführt, dass der Gesetzgeber trotz der dem Wortlaut nach auf den Begriff der "Verfolgung" beschränkten Verweisung - von gesondert normierten Ausnahmen abgesehen - an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffes der Flüchtlingskonvention anknüpfen wollte. Diese Verweisung ist daher auch auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zu beziehen (vgl. zum Ganzen ausführlich das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2001/01/0499). An dieser Rechtsprechung ist auch für die (insofern im Wortlaut nur geringfügig geänderte) Bestimmung des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 festzuhalten.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2001/20/0692). Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2004/20/0081, mwH).

Die Asylbehörden gehen davon aus, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran (für die Gewährung subsidiären Schutzes) ausreichend intensive Eingriffe in seine persönliche Sphäre (in Form von längerer Anhaltung und "eingehenderer staatlicher Repressalien") drohen. Der Grund dafür liege darin, dass der Beschwerdeführer um die Einreise in die Vereinigte Staaten bzw. dort um Asyl angesucht habe, er wegen des Auslandsaufenthaltes in Österreich und wegen des geplanten dauernden Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten der Spionage verdächtigt würde und er als assyrischer Christ im Iran von vornherein schlechter gestellt sei.

Davon ausgehend liegt aber entgegen der Auffassung der belangten Behörde ein Bezug zu einem der in der FlKonv genannten Gründe vor, zumal die drohende Verfolgung nach den Annahmen der belangten Behörde ihre Ursache einerseits (auch) in der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den assyrischen Christen hat und andererseits in ihrer Gesamtheit an einer seitens iranischer Behörden bei Rückkehr - wegen des Auslandsaufenthaltes bzw. der Auswanderungsbestrebungen in die Vereinigten Staaten - zumindest unterstellten staatsfeindlichen politischen Gesinnung anknüpft.

Für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ist nicht maßgeblich, ob der Asylwerber wegen einer von ihm tatsächlich vertretenen oppositionellen Gesinnung verfolgt wird. Es reicht aus, dass eine staatsfeindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung nicht zu erwarten ist, oder dass die Strafe für ein im Zusammenhang mit einem ethnischen oder politischen Konflikt stehendes Delikt so unverhältnismäßig hoch festgelegt wird, dass die Strafe nicht mehr als Maßnahme einzustufen wäre, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 2004, Zl. 2002/20/0156, mit Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom 17. September 2003, Zl. 2001/20/0303, und vom 19. Oktober 2000, Zl. 98/20/0417). Dass im Falle des Beschwerdeführers ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung zu erwarten wäre oder es sich bei den drohenden Repressalien um eine Maßnahme handelte, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Fallbezogen liegt Derartiges - dem Beschwerdeführer wurde subsidiärer Schutz zuerkannt - auch nicht nahe.

Nach dem Gesagten beruht die Entscheidung der belangten Behörde somit auf einer Verkennung der Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. März 2011

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