VwGH 2000/18/0257

VwGH2000/18/025727.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des I, geboren 1968, vertreten durch Mag. Martin Hengstschläger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Fadingerstraße 9/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. August 2000, Zl. St 172/00, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. August 2000 wurde der Beschwerdeführer, laut seinen Behauptungen ein sudanesischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 25. Mai 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle aus einem unbekannt gebliebenen Land in das Bundesgebiet gelangt und gebe sich als sudanesischer Staatsangehöriger aus. Seine Identität stehe, weil er bisher kein Dokument vorgewiesen habe, in keiner Weise fest. Es lägen Anzeichen vor, dass es sich bei ihm in Wirklichkeit um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelte.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Juni 1998 sei der vom Beschwerdeführer am 5. Juni 1998 eingebrachte Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Sudan gemäß § 8 Asylgesetz 1997 - AsylG als zulässig erklärt worden. Seine gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. September 1999 abgewiesen worden, weil sich seine Angaben als unglaubwürdig erwiesen hätten. Die Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei mit hg. Beschluss vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0454, abgelehnt worden.

Während des Asylverfahrens sei dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung schon allein deshalb nicht zugekommen, weil sein Antrag als offensichtlich unbegründet angesehen worden sei (§ 19 Abs. 2 zweiter Satz AsylG). Er halte sich derzeit ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid vom 19. Mai 2000 habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen angeführt, er könnte zur Zeit Österreich nicht verlassen und nicht in sein Heimatland zurückkehren, weil er über keine Reisedokumente verfügte und bisher keine Dokumente von den Behörden seines Heimatlandes ausgestellt bekommen hätte. Er wäre bemüht, seinen Aufenthaltsstatus in Österreich zu regeln, und hätte in letzter Zeit mehrfach versucht, einen Arbeitsplatz zu finden und eine arbeitsrechtliche Bewilligung zu erhalten. Durch die Ausweisung würde in sein Privat- und Familienleben eingegriffen, weil er beabsichtigte, seine österreichische Freundin demnächst zu heiraten. Er wäre überzeugt, dass ihm in seinem Heimatland Sudan Verfolgung drohte und eine Rückkehr derzeit nicht möglich wäre.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer nicht bestreite, am 25. Mai 1998 illegal in das Bundesgebiet gelangt zu sein. Eine Aufenthaltsberechtigung habe er seither nicht besessen, insbesondere auch nicht nach dem AsylG. Es könne nicht hingenommen werden, dass sich Fremde im Bundesgebiet aufhielten, die unter Umgehung der für die Einreise geltenden Bestimmungen in das Land gelangt seien, deren Asylantrag sich als offensichtlich unbegründet erwiesen habe und deren Identität nicht feststehe. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt sei, könne er seinen Aufenthalt anders als durch Ausreise nicht rechtmäßig gestalten (zwingender Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG).

Die Ausübung des der Behörde eingeräumten Ermessens zu seinem Nachteil sei daher nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar dringend geboten, und zwar auch aus dem Blickwinkel des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Selbst wenn durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen würde, sei es im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, näherhin eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten, Fremde, die unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist seien und von denen man nicht einmal wisse, wer sie tatsächlich seien, aus dem Bundesgebiet auszuweisen.

Für den Fall, dass es rechtlich oder faktisch nicht möglich sein sollte, den Beschwerdeführer in sein Heimatland abzuschieben, sehe das Gesetz die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes vor (§ 56 Abs. 1 FrG). Da mit der Ausweisung nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land er auszureisen hätte bzw. wohin er allenfalls abzuschieben wäre, komme seinem Einwand, er wäre im Sudan Verfolgungen ausgesetzt, keine Bedeutung zu. Abgesehen davon sei bereits im Asylverfahren festgestellt worden, dass ihm solche Verfolgungen im Sudan nicht drohten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes "und/oder" Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Von der Beschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass der vom Beschwerdeführer am 5. Juni 1998 eingebrachte Asylantrag mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (rechtskräftig) abgewiesen worden sei, die Behandlung der von ihm dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde mit dem oben zitierten hg. Beschluss abgelehnt worden sei und der Beschwerdeführer bei Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Im Hinblick darauf begegnet die (von der Beschwerde nicht bekämpfte) Beurteilung der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei, keinem Einwand.

2. Unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG und des der Behörde gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. eingeräumten Ermessens wendet sich die Beschwerde gegen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass die Berufung des Beschwerdeführers gegen den negativen Asylbescheid des Bundesasylamtes vom 12. Juni 1998 mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. September 1999 abgewiesen worden sei und ihm während des Asylverfahrens keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zugekommen sei. Sie bringt vor, dass der negative Asylbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates erst im zweiten Rechtsgang (nach Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 12. Juni 1998) ergangen sei und nicht auf § 6 AsylG, sondern "lediglich" auf § 7 leg. cit. gestützt worden sei. Ferner sei dem Beschwerdeführer im Asylverfahren eine bis 3. November 1999 befristete vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt worden, sodass die belangte Behörde insoweit den Sachverhalt unrichtig angenommen habe. Weiters hätte die belangte Behörde, wenn sie Zweifel an der Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers habe, diesem Gelegenheit geben müssen, die Zweifel auszuräumen, und ihre Annahme, es lägen Anzeichen dafür vor, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelte, begründen müssen. Der Beschwerdeführer habe bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid auf seine bevorstehende Heirat einer österreichischen Staatsbürgerin und den mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben hingewiesen, sodass die belangte Behörde dazu Feststellungen hätte treffen und diese Umstände hätte berücksichtigen müssen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass einem Fremden trotz Vorliegens eines zwingenden Sichtsvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 4 FrG eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden könne. Die belangte Behörde habe daher ihren Bescheid unrichtig bzw. mangelhaft begründet und insbesondere keinen nachvollziehbare Ermessensübung vorgenommen.

3.1. Die in der Beschwerde erhobene Feststellungsrüge ist zwar insoweit berechtigt, als - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - die vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid vom 12. Juni 1998 erhobene Berufung zur Aufhebung dieses Bescheides und Zurückverweisung der Asylsache an das Bundesasylamt geführt hatte und mit dessen weiterem Bescheid vom 15. September 1998, der vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Berufungsbescheid vom 16. September 1999 bestätigt wurde, der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen wurde. Damit ist für die Beschwerde jedoch nichts gewonnen. Auch wenn in diesem zweiten Rechtsgang des Asylverfahrens die Voraussetzungen für die Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 2 AsylG vorlagen und selbst wenn dem Beschwerdeführer, wie die Beschwerde vorbringt, eine Bescheinigung über diese Aufenthaltsberechtigung (bis 3. November 1999) ausgehändigt worden und sein Aufenthalt im Bundesgebiet ca. ein Jahr lang rechtmäßig gewesen sein sollte - ein Hinweis auf die Aushändigung der genannten Bescheinigung an den Beschwerdeführer ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen -, so ist die aus dem inländischen Aufenthalt ableitbare Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente dadurch erheblich gemindert, dass sein Aufenthalt jedenfalls seit rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages zur Gänze unrechtmäßig war und sein davor liegender auf einen Asylantrag zurückzuführen ist, der sich als unbegründet erwiesen hat.

Die Beschwerde behauptet keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich. Wenn sie vorbringt, dass der Beschwerdeführer, wie in der Berufung vorgebracht wurde, seine österreichische Freundin zu heiraten beabsichtige, so hat die belangte Behörde zu Recht diesem behaupteten Umstand kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Durch seinen (jedenfalls seit rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages) unrechtmäßigen Aufenthalt hat der Beschwerdeführer das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 9. Mai 2003, Zl. 2003/18/0104, mwN), wesentlich beeinträchtigt. Im Hinblick darauf erscheint die gegenständliche Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 ERMK genannten Ziele dringend geboten und kann die Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG dieser Maßnahme nicht entgegenstehe, im Ergebnis nicht als rechtswidrig beurteilt werden.

3.2. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein (materieller) Ermessensfehler unerlaufen sei, macht die Beschwerde doch nichts geltend, was gewichtig gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers spräche, und treten weder aus dem angefochtenen Bescheid noch dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten Aspekte hervor, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten. Hiebei ist der Beschwerdehinweis auf § 10 Abs. 4 FrG schon deshalb nicht zielführend, weil nicht ersichtlich ist, dass humanitäre Gründe im Sinn dieser Gesetzesbestimmung vorlägen. Auch kann es dahingestellt bleiben, ob - wie die Beschwerde vorbringt - der belangten Behörde in Bezug auf die Ermittlungen zur Identität des Beschwerdeführers ein Verfahrensmangel vorzuwerfen sei, weil selbst unter Zugrundelegung der Annahme, dass an der Identität des Beschwerdeführers keine Zweifel bestanden hätten, eine Fehlerhaftigkeit der Ermessensübung der belangten Behörde nicht zu erkennen wäre.

4. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. April 2004

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