Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden im Umfang ihrer Anfechtung, nämlich hinsichtlich ihrer Spruchpunkte I. (Abweisung der Asylanträge der beschwerdeführenden Parteien), wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 3.319,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien; sie sind kirgisische Staatsangehörige, reisten am 28. Oktober 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragten am selben Tag Asyl.
In ihren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, Angst vor ihrem Ehemann zu haben. Die erste Zeit ihrer Ehe hätten sie normal zusammengelebt; dann hätte ihr Ehemann begonnen, sich kommerziell mit Drogenhandel zu beschäftigen. Etwa 1997 oder 1998 habe er begonnen, ihr gegenüber gewalttätig zu werden. 1998 sei sie bereits einmal nach Usbekistan gefahren, wo sie sich zwei bis drei Monate aufgehalten habe; dann sei ihr Ehemann gekommen, habe sie um Verzeihung gebeten und sie sei mit ihm zurückgekehrt. Im Jahr 2001 sei sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann mit ihren Kindern nach Bischkek geflohen. Dort sei sie auf die Zeugen Jehovas getroffen, welche ihr Arbeit am Markt und eine Wohnung vermittelt hätten. Drei bis vier Monate später habe sie ihr Ehemann am Markt gefunden und überredet, mit den Kindern wieder nach Hause zu kommen. Nach zwei bis drei Monaten sei es wieder los gegangen. Als ihr Ehemann erfahren habe, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Bibel lese, habe sich die Situation wieder verschlechtert. Ende 2002, nachdem sie ihr Ehemann geschlagen und am Kopf verletzt habe, habe sie ihn neuerlich verlassen und sei wieder nach Bischkek in die schon zuvor von ihr bewohnte Wohnung gezogen. Im Juni 2003 sei ihr Ehemann dort aufgetaucht und habe von ihr verlangt, zu ihm zurückzukommen; schließlich habe er ihr noch zwei Monate Zeit gegeben, damit sich die Erstbeschwerdeführerin wegen der erlittenen Kopfverletzung weiter in Bischkek behandeln lassen könne. Ende des Sommers 2003 sei ihr Ehemann wieder gekommen und habe sie vergewaltigt; die Erstbeschwerdeführerin sei in der Folge schwanger geworden. Als ihr Ehemann im Februar 2004 wieder zu ihr gekommen sei, habe er nicht geglaubt, dass die Erstbeschwerdeführerin von ihm schwanger sei und habe sie drei Tage lang derart geschlagen, dass das ungeborene Kind verstorben sei. Man habe das Kind erst einen Monat später entfernt, weil ihr Ehemann sie zunächst nicht zum Arzt habe gehen lassen. Als ihr Ehemann sie im Juni 2004 das letzte Mal aufgesucht habe, habe er ihr gedroht, ihr die Kinder wegzunehmen; er sei auch fähig, sie zu töten. An die Polizei oder eine Frauenorganisation habe sich die Erstbeschwerdeführerin nicht gewandt, weil ihr Ehemann alle Probleme mit Geld aus der Welt schaffe; mit Geldgeschenken hätte er sich alles erkaufen können. Die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien seien wegen ihres christlichen Glaubens von Nachbarn und Mitschülern verspottet bzw. der Zweitbeschwerdeführer von den Mitschülern auch geschlagen worden.
Mit Bescheiden jeweils vom 9. Juni 2005 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, stellte fest, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kirgisistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei, und wies sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus. Die Erstbehörde traf Feststellungen zur Religionsfreiheit in Kirgisistan und erachtete die Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin als glaubwürdig. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes begründete die Erstbehörde die Abweisung der Asylanträge damit, dass es sich bei den von der Erstbeschwerdeführerin geschilderten Vorfällen im Zusammenhang mit ihren Ehemann um Übergriffe durch Private handle, die die Anerkennung als Flüchtling keinesfalls rechtfertigen könnten; diese Übergriffe würden auch im Heimatstaat der Erstbeschwerdeführerin strafbare Handlungen darstellen, die von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden bei Kenntnis verfolgt und geahndet werden würden. Eine Billigung dieser Übergriffe durch die Behörden ihres Heimatstaates habe im Fall der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden können und habe sie auch nicht dargetan, dass diese Übergriffe geduldet worden wären, wenn sich die Erstbeschwerdeführerin an die Behörden gewandt hätte. Von einer staatlichen Verfolgung der Zeugen Jehovas oder von aus religiösen Gründen fehlendem staatlichen Schutz im Fall einer Anzeige der Taten ihres Ehemanns durch die Erstbeschwerdeführerin könne nicht ausgegangen werden.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass auch eine von Privaten ausgehende Verfolgung asylrelevant sein könne, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht bereit sei, sie hinanzuhalten, was in ihrem Fall so gewesen sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe ausdrücklich dargelegt, warum sie sich nicht an die Polizei gewandt habe, indem sie angegeben habe, dass ihr Ehemann alle Probleme mit Geld aus der Welt schaffen würde und er sich mit Geldgeschenken alles erkaufen könne. Die Erstbeschwerdeführerin verwies auf einen Länderbericht zu Kirgisistan, wonach die Korruption in Kirgisistan, insbesondere das Zahlen von Bestechungsgeldern zur Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung auf allen Ebenen der Exekutivorgane ein großes Problem sei. Die Erstbehörde habe zu dieser Frage keine Ermittlungen durchgeführt und keine Feststellungen getroffen. Angesichts ihres Wissens um die Korruption der kirgisischen Polizei und um die Geldmacht ihres Ehemanns sei es ihr nicht zumutbar gewesen, auch nur den Versuch zu wagen, sich an die Polizei zu wenden. Die Verfolgung, die sie durch ihren Ehemann erlitten habe, habe sie in ihrer Eigenschaft als Frau und somit als Angehörige einer sozialen Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) getroffen. Die Verfolgung sei von der Intensität und vom Grund her asylrelevant.
Im Rahmen der am 3. Oktober 2006 von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung wiederholte die Erstbeschwerdeführerin ihr Fluchtvorbringen und gab an, es habe ihren Ehemann sehr gestört, dass sie zum Christentum gewechselt habe, weil er fanatischer Moslem sei. Nachdem sie das erste Mal von Bischkek zu ihrem Ehemann zurückgekehrt sei, habe sie gedacht, er werde verstehen, was es heiße, "ein Leben nach Gottes Willen zu leben", aber er habe nach einer Zeit begonnen, sie noch schlechter zu behandeln. Er habe Vorwände dafür erfunden, sie zu misshandeln und hätte begonnen, sie zu vergewaltigen. Sein Drogengeschäft sei gefährlich für die Kinder gewesen. Sie hätten oft Besuch von hochrangigen Vertretern der Miliz gehabt, die Kunden ihres Ehemanns gewesen seien. Ihr Ehemann habe viel Geld und mit der Mafia zu tun gehabt. Außerdem hätte er Beziehungen zu den Behörden und der Polizei gehabt. Als im Jahr 2004 ihr ungeborenes Kind infolge der Schläge ihres Ehemanns gestorben sei, habe sie nicht zur Polizei gehen können, weil ihr Ehemann überall seine Beziehungen gehabt habe; sie habe sich daher privat in Behandlung begeben. Als ihre Vermieterin in Bischkek davon erfahren habe, dass die Erstbeschwerdeführerin zu den Zeugen Jehovas gehöre, habe sie sie beschuldigt, die Miete nicht bezahlt zu haben und sie angezeigt; die Polizei sei mit Hunden angerückt. Dafür sei nach Ansicht der Erstbeschwerdeführerin ihr Ehemann verantwortlich gewesen; sie glaube, dass er alle bezahlt habe, damit sie auf die Straße gesetzt würden. Im Fall ihrer Rückkehr befürchte sie, dass es mit ihrem Ehemann noch schlimmer werden würde; er könne "mich ins Gefängnis stecken, zum Krüppel machen oder mich umbringen". Der Zweitbeschwerdeführer sei in der Schule wegen seiner usbekischen Abstammung beschimpft und geschlagen worden; die Usbeken würden in Kirgisistan diskriminiert werden.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.); gleichzeitig stellte sie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG fest, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kirgisistan nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
In der Begründung des erstangefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde u.a. fest, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin 1997/1998 begonnen habe, diese zu misshandeln. 2001 habe sich die Erstbeschwerdeführerin aus diesem Grund für drei Monate in Bischkek aufgehalten, bevor sie ihr Ehemann überredete, wieder nach Hause zurückzukehren. Dort habe er sie nach kurzer Zeit wieder misshandelt und vergewaltigt, weshalb die Erstbeschwerdeführerin Ende 2002/Anfang 2003 mit ihren Kindern wieder nach Bischkek geflüchtet sei. Ende Sommer 2003 sei sie wieder von ihrem Ehemann geschlagen und vergewaltigt worden und im Anschluss daran schwanger geworden. Im Februar 2004 sei sie neuerlich von ihrem Ehemann aufgesucht und so heftig geschlagen worden, dass sie das Baby verloren habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich an keine staatlichen Behörden oder Organisationen in ihrer Heimat gewandt. Als sich die Erstbeschwerdeführerin in Bischkek aufgehalten habe, habe sie die Zeugen Jehovas kennen gelernt und sich dieser Glaubensgemeinschaft angeschlossen. Weiters traf die belangte Behörde Feststellungen zur Lage in Kirgisistan.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde dazu aus, die Erstbeschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck vermittelt und ihre Angaben im Verfahren seien konsistent gewesen, weshalb es schlüssig sei, dass sie die von ihr geschilderten Übergriffe ihres Ehemannes tatsächlich erlebt habe. Die vorgebrachten Beziehungen ihres Ehemannes zur Mafia würden lediglich auf Behauptungen der Erstbeschwerdeführerin beruhen und seien mit keinerlei Beweismittel belegt worden. Die Korruption der Polizei sei zwar eines der größten Probleme in Kirgisistan, den Länderberichten lasse sich jedoch entnehmen, dass die Regierung Kirgisistans diesbezüglich schon notwendige Schritte gesetzt habe, um diesem Problem Herr zu werden. Überdies existierten lokale "NGO's", die Dienstleistungen für Opfer von häuslicher Gewalt anbieten würden. Auf Grund der getroffenen Feststellungen könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Polizei in Kirgisistan grundsätzlich nicht schutzfähig und schutzwillig sei.
In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zu dem Schluss, dass die Übergriffe des Ehemannes nicht auf Grund der Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin erfolgt seien, da sie Misshandlungen geschildert habe, "die schon vor ihrer Konvertierung geschahen, sondern rein im Zuge von häuslicher Gewalt, geschehen" seien. Sie sei somit von ihrem Ehemann nicht aus den in der FlKonv genannten Gründen verfolgt worden, weshalb es für die Frage der Asylrelevanz auch nicht von Bedeutung sei, ob die Polizei gegenüber der Erstbeschwerdeführerin tatsächlich schutzwillig sei. Dass sie die Polizei auf Grund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit nicht schützen würden, habe die Erstbeschwerdeführerin nicht vorgebracht und gehe dies aus den getroffenen Länderfeststellungen auch nicht hervor. Von einer Schutzunfähigkeit des Staates in Fällen häuslicher Gewalt könne nicht ausgegangen werden, da nach den Länderberichten solche Fälle registriert bzw. bei Gericht zur Anzeige gebracht und auch abgeurteilt werden würden. Da die Erstbeschwerdeführerin nicht einmal versucht habe, sich unter den Schutz des Staates zu stellen und dies lediglich mit der apodiktischen Behauptung, ihr Ehegatte hätte Verbindungen zur Mafia belegt werden sollte, was "jedoch ob der Unsubstantiiertheit nicht festgestellt werden konnte", sei davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführerin eine Anzeigenerstattung bei den staatlichen Behörden zumutbar gewesen sei.
In den zweit- und drittangefochtenen Bescheiden führte die belangte Behörde zur Abweisung der Asylanträge begründend aus, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der FlKonv genannten Grund nicht gegeben sei.
Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide richten sich die vorliegenden - wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerden beziehen sich auf die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, wonach die kirgisische Regierung Schritte in Richtung Eindämmung der Korruption bei der Polizei gesetzt habe, indem die Besoldung der Polizei erhöht worden sei, und bemängelt, dass keinerlei Beweisergebnisse dazu vorlägen, ob diese Erhöhung durchgeführt worden sei und sie auch tatsächlich die gewünschten Ziele erreicht habe. Auf Grund der Feststellungen sei davon auszugehen, dass diese Situation der Beeinflussbarkeit der Behörden durch Zahlung von Bestechungsgeldern und somit der Willkür der Strafverfolgungsorgane gegenüber den rechtsunterworfenen Bürgern seit vielen Jahren tief verankert sei und dieses Problem allein durch die Erhöhung der Gehälter der Polizisten nicht beseitigt werden könne. Die Behörden hätten keinerlei Sanktionen zu befürchten und keine Motivation, die von ihnen jahrelang kassierten Bestechungsgelder nicht auch anzunehmen, wenn sie höhere Gehälter erhielten. Feststellungen über darüber hinausgehende Maßnahmen oder Sanktionen nicht vorlägen. Damit sei es aber als erwiesen anzunehmen, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin massiven Einfluss auf die Behörden nehmen könne, da dieser über ausreichende Geldmittel verfüge und ständig mit Vertretern der Miliz und Behörden verkehre. Der Ehemann habe damit die Macht, sich von all diesen Vorwürfen gleichsam freizukaufen und jedenfalls gegenüber seiner Familie ein sanktionsloses Regime der Gewalt zu führen.
In den Beschwerden wird weiters auf das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin verwiesen, wonach die Situation in Bezug auf ihren Ehemann unerträglicher wurde, als dieser erfahren habe, dass sie zum Christentum konvertiert und sich den Zeugen Jehovas angeschlossen habe. Ihr Ehemann habe ihr die Ausübung ihrer neuen Religion und deren Übertragung auf die Kinder verboten, und sie sogar mit dem Tod bedroht. Die Gewalttätigkeiten und Misshandlungen hätten somit zu einem Großteil auch auf der neuen Religion der Erstbeschwerdeführerin basiert und die bis dahin vorgelegene Situation noch verschlimmert.
Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerden im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides auf:
Die belangte Behörde vermeinte, sich mit der Frage der Schutzfähigkeit und -willigkeit der kirgisischen Behörden deshalb nicht näher auseinander setzen zu müssen, weil die von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemachte Verfolgung durch ihren Ehemann nicht auf einem in der FlKonv genannten Grund beruhe.
Gemäß dem nach § 7 AsylG für die Asylgewährung maßgeblichen Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist "Flüchtling", wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Fälle wie der vorliegende stehen im Spannungsfeld zwischen einer Verfolgung wegen der Religion, des Geschlechts oder der Zugehörigkeit zur Familie des Verfolgers (die beiden zuletzt genannten jeweils unter dem Gesichtspunkt des Konventionsgrundes der Zugehörigkeit zu einer "sozialen Gruppe") einerseits und rein kriminellen, keinem Konventionsgrund zuordenbaren Bedrohungen andererseits. Dass sowohl die Verfolgung wegen des Geschlechts als auch wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "Familie" von Asylrelevanz sein kann, wurde im Übrigen in der hg. Rechtsprechung schon wiederholt klargestellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. August 2009, Zlen. 2008/19/1027, 0128, und ihm folgend die hg. Erkenntnisse vom 11. November 2009, Zl. 2008/23/0366, und vom 9. September 2010, Zlen. 2007/20/0121, 0122 und 2007/20/1091, 1092, 1310).
Legt man das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zugrunde, so liegt der Grund ihrer Verfolgung durch ihren Ehemann darin, dass dieser weder die Trennung (unter Mitnahme der gemeinsamen Kinder) von ihm noch ihren Wechsel zu den Zeugen Jehovas und ihre damit in Zusammenhang stehende Auseinandersetzung mit der Bibel hinnehmen wollte und die Erstbeschwerdeführerin deshalb unter Einsatz brutaler Gewalt (bis hin zur Vergewaltigung als einem der massivsten Mittel geschlechtlicher Nötigung) zu einem ihm genehmen Verhalten zwingen wollte und will. Der Ehemann betrachtete die Erstbeschwerdeführerin dabei als Teil seiner Familie, hinsichtlich dessen er sich das Recht anmaßt, durch Anwendung von (auch geschlechtsspezifischer) Gewalt seinen Willen durchzusetzen. Bei dieser Sachlage ist der Grund für die Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin insbesondere in ihrer Zugehörigkeit zur Familie des Verfolgers zu sehen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, dass sie der Ehemann (zumindest auch) deshalb verfolgt hat, weil sie sich nunmehr zu den Zeugen Jehovas bekannte. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht angenommen, die Verfolgung durch den Ehemann würde nicht auf einem Konventionsgrund beruhen.
Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, die Verfolgung durch den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin beruhe nicht auf einem Konventionsgrund, erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig. Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zukommt, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2006/01/0793).
Die belangte Behörde hat sich nicht mit der Behauptung der Erstbeschwerdeführerin auseinandergesetzt, wonach ihr unter Hinweis auf die in Kirgisistan bei der Polizei bzw. "auf allen Ebenen der Exekutivorgane" herrschende Korruption bei einer Rückkehr deshalb kein staatlicher Schutz zu Teil werden würde, weil ihr Ehemann über sehr viel Geld sowie über ausreichend Kontakte zu Behörden und Polizei verfüge. Die von ihr in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen erweisen sich als unzureichend, weil sich diesen - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - nicht entnehmen lässt, ob die von der Regierung gesetzten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung schon soweit gegriffen haben, dass der Erstbeschwerdeführerin bei einer Anzeigeerstattung und einem Bestechungsversuch des Ehemannes effektiver Schutz gewährt worden wäre oder gewährt würde. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher auf Grundlage entsprechender Ermittlungsergebnisse die Frage zu behandeln haben, ob der der Erstbeschwerdeführerin gegen die von der belangten Behörde festgestellte Bedrohung durch ihren Ehemann von staatlicher Seite zuteil werdende Schutz ausreichend ist, um im konkreten Fall den Eintritt eines asylrelevante Intensität erreichenden Nachteils nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erwarten zu lassen (vgl. zur ausreichenden staatlichen Schutzgewährung das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009 sowie jenes vom 26. Februar 2002, Zl. 99/20/0509, mwN).
Der erstangefochtene Bescheid war daher im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Dieser Umstand schlägt gemäß § 10 Abs. 5 AsylG auch auf das Verfahren der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien durch (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. April 2006, Zlen. 2005/01/0556 bis 0560). Die sie betreffenden Bescheide der belangten Behörde waren daher ebenfalls im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 19. November 2010
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