BVwG W119 2012593-1

BVwGW119 2012593-19.5.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W119.2012593.1.00

 

Spruch:

W119 2012593-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 15. 9. 2014, Zl 821805304-1594944/BMI_BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. 1. 2016 und am 15. 3. 2016 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige Beschwerdeführer stellte am 10. 12. 2012 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

Bei der am 18. 12. 2012 durchgeführten Erstbefragung bei der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST, gab der Beschwerdeführer an, aus der Provinz XXXX zu stammen. Er habe dort von 2003 bis 2012 die Grundschule besucht. Dort würden noch seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester leben. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass er ein Mädchen kennengelernt habe, das er sehr liebe. Ihr Vater sei jedoch gegen diese Beziehung gewesen und habe ihn mit dem Umbringen bedroht. Aus diesem Grund habe er sein Heimatland verlassen müssen.

Der Beschwerdeführer legte einen mit XXXX datierten Arztbrief des Landesklinikums XXXX vor, aus dem hervorgeht, dass er an einer Hyperglykämie mit Diabetes mellitus 1 leide.

Der Beschwerdeführer wurde am 22. 1. 2013 beim Bundesasylamt einvernommen und gab vorerst an, dass er an Diabetes leide. Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, sich zuvor in Italien aufgehalten zu haben, weshalb ihm die Feststellungen zur Situation in Italien, was die Ausgestaltung des dortigen Asylverfahrens und die Versorgungslage sowie die medizinische Versorgung betreffe, übersetzt wurden. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme.

Am 25. 2. 2013 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt.

Mit Bescheid der Erstaufnahmestelle Ost, vom 26. 2. 2013, Zl 12 18.053 EAST-Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Artikel 16/1/c der Verordnung (EG) Nr 343/2003 des Rates Italien zuständig (Spruchpunkt I). Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen; demzufolge sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien gemäß § 10 Abs 4 AsylG zulässig (Spruchpunkt II).

Mit Verfahrensanordnung vom 26. 2. 2013 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. 3. 2013 Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 8. 7. 2013, Zl S15 433.321-1/2013/6E, wurde der Beschwerde gemäß § 41 Abs 3 zweiter Satz AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Am 29. 7. 2014 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und führte eingangs aus, dass er seit seiner Geburt an Diabetes leide. Zu seinen in Österreich vorhandenen familiären Beziehungen befragt, gab er an, dass ein Cousin seines Vaters seit etwa neun Jahren in Österreich lebe.

Zu seinem Herkunftsort befragt, gab der Beschwerdeführer an, aus dem Ort XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz XXXX zu stammen. Seine Familie lebe noch heute dort. Er sei schiitischer Hazara. Sein Vater habe schon immer im Iran gearbeitet. Er sei meistens zwei bis drei Jahre dort tätig gewesen und danach für ein Jahr nach Hause gekommen. Als er etwa zehn Jahre alt gewesen sei, seien sie einmal für längere Zeit im Iran gewesen. In Österreich telefoniere er etwa einmal im Monat mit seiner Familie. Der Hauptgrund für das Verlassen seines Heimatlandes sei in seiner Erkrankung gelegen. Aber der konkrete Anlass habe darin bestanden, dass man ihm und seinem Cousin unterstellt hätte, "etwas miteinander zu haben". Für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchte er, dass sich seine Krankheit verschlimmern würde. Als dem Beschwerdeführer vorgehalten wurde, anlässlich der Erstbefragung von einer Beziehung mit einem Mädchen gesprochen zu haben, gab er an, dass diese Geschichte vom Tisch sei und somit keinen Grund darstelle, warum er nicht mehr in Afghanistan leben könne.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. 9. 2014, Zl 821805304-1594944/BMI_BFA_STM_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft gewertet werde. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine individuelle Betroffenheit, die seine Situation in den Bereich asylrechtlicher Relevanz rücke, glaubhaft zu machen vermocht bzw auch nicht geltend gemacht.

Zu Spruchpunkt II wurde ausgeführt, dass das Bundesamt beim Beschwerdeführer von einer realen Gefahr ausgehe, da sich Afghanistan in einer schwierigen und unsicheren Umwälzungsphase befinde und wirtschaftlich darnieder liege. Insbesondere gestalte sich auch die Beschaffung der lebensnotwenigen Medikamente als problematisch. Daher komme das Bundesamt zur Ansicht, dass beim Beschwerdeführer die Kriterien für eine aussichtslose Situation vorliegen würden, sodass ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. 9. 2014 Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13. 1. 2016 und am 15. 3. 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Anlässlich dieser ergänzenden Befragung gab der Beschwerdeführer an, als kleines Kind gemeinsam mit seiner Familie in den Iran geflüchtet zu sein. Circa sieben oder acht Jahren später sei seine Großmutter gestorben und er sei mit seiner Familie aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt ausgesagt habe, im Alter von zehn Jahren mit anderen Personen für längere Zeit im Iran gewesen zu sein und dies mit seinen nunmehrigen Angaben im Widerspruch stehe, gab er an, dass sein Vater sehr lange Zeit im Iran gearbeitet habe. Das erste Mal habe der Beschwerdeführer mit seiner Familie (Mutter, Schwester und Großvater) Afghanistan verlassen. Nach dem Tod seiner Großmutter, circa sieben oder acht Jahre später, sei er mit seiner gesamten Familie nach Afghanistan zurückgekehrt. Da Diabetes in Afghanistan nicht behandelt habe werden können, sei er zum zweiten Mal mit fremden Personen in den Iran geflüchtet. Dort habe er sich jedoch wegen fehlender Papiere nicht aufhalten können und sei von den iranischen Behörden abgeschoben worden. Auf die Frage, warum er Afghanistan verlassen und nach Österreich geflüchtet sei, gab er an, dass der erste Grund in seiner Erkrankung bestanden habe, der zweite Fluchtgrund beziehe sich auf seine Volksgruppe und Glaubensrichtung. Er sei Hazara und Muslim. In der Vergangenheit habe es in Afghanistan immer wieder Entführungen und Tötungen von Angehörigen seiner Glaubensrichtung gegeben. Vor einigen Monaten seien einmal 31 Hazara, dann 10 Hazara und danach 7 Hazara, die aus XXXX stammten, von den Taliban entführt worden. Zu den in XXXX entführten Hazara sei festzuhalten, dass diese mehrere Monate von den Taliban festgehalten worden seien. Um ihre Freilassung zu erzwingen, seien an einem Ort namens Daimordad in XXXX einige Paschtunen entführt worden. Damals habe sich eine Delegation aus Kabul in dieser Angelegenheit eingeschaltet. Dabei sei beschlossen worden, dass die Hazara die Paschtunen zuerst freigelassen würden, die dann mit Hubschraubern in ihre Wohnrichtung gebracht worden seien. 2 Tage nach der Freilassung dieser Leute seien die 7 Hazara geköpft und nach XXXX gebracht worden. Vor allem die schiitischen Hazara seien immer schon einer Verfolgung ausgesetzt gewesen. Seine "Leute" hätten nicht die Möglichkeit sich in Pakistan aufzuhalten, weil sie dort ebenfalls verfolgt und getötet werden würden. Sie könnten sich auch nicht frei in Afghanistan bewegen, weil sie von Paschtunen, die mehrheitlich Taliban seien, angegriffen und getötet werden würden. In der Vergangenheit habe es zahlreiche Entführungen in den Provinzen Herat, Nimroz, Balkh und XXXX gegeben. In den Nachrichten werde nicht darüber berichtet, dass die Taliban Angehörige anderer Volksgruppen, wie z.B. Paschtunen, Tadschiken oder Usbeken entführt hätten. Es werde hauptsächlich den Hazara Schaden zugefügt.

Da bereits von der erkennenden Richterin an den länderkundigen Sachverständigen ein Gutachten zur Situation der Hazara in Afghanistan in Auftrag gegeben wurde, erfolgte am 15. 3. 2016 eine Erörterung des zuvor erwähnten Gutachtens, das in den Länderfeststellungen seinen Niederschlag findet.

Der Beschwerdeführer äußerte sich zu dem Gutachten dahingehend, dass die Aussage im Gutachten, wonach der Staat die Hazara unterstütze, nicht stimme. XXXX liegt ca. 1 1/2 Stunden von Kabul entfernt. Alle staatlichen Posten seien von den Taliban angegriffen und unter ihre Kontrolle gebracht worden. Erst nach 72 Stunden sei Unterstützung nach XXXX gesandt worden. Sie seien überhaupt nicht unterstützt worden, bis alle in ihren Posten getötet worden seien. Im Gutachten werde auch nicht der Vorfall von Nimroz erwähnt, bei dem aus Autobussen 31 Personen mitgenommen worden seien. In Laufe von 4 - 5 Monaten seien ca. 18 Personen befreit, die restlichen seien getötet worden. Kurz darauf sei ein anderer Vorfall geschehen, bei dem Personen aus dem Distrikt Day Mirdad entführt worden seien. Ca. 1 Monat lang seien Älteste und Stammesführer aus XXXX nach Nimroz gegangen, um diese Personen zu befreien. Diese Bemühungen seien jedoch erfolglos geblieben. Daraufhin seien 20 - 30 Personen aus diesem Gebiet entführt und nach XXXX gebracht worden. 2 Wochen später, habe bereits die Regierung interveniert, sodass diese Personen freigelassen worden seien. Kurz darauf seien ein 9-jähriges und ein 12-jähriges Kind sowie 2 Frauen und 3 Männer von den Entführern enthauptet und nach XXXX geschickt worden. Über XXXX sei kein einziges Mal diskutiert worden. XXXX sei nämlich von paschtunischen Gebieten umgeben. Bei jeder Kleinigkeit würden rundherum Minen gelegt werden. Autos, die dort fahren und eine Explosion auslösen würden, würden zerstört und Personen darin getötet werden.

Dazu führte der Sachverständige aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers, wonach es in Hazara-Gebieten auch Angriffe der Taliban geben und schwere Menschenrechtsverletzungen an Hazara begangen werden würden, richtig seien, soweit seine Argumentation die Hazara-Gebiete betreffe. In demselben Umfang - oder sogar mehr - Menschenrechtsverletzungen würden derzeit auch an Zivilisten in von Paschtunen bewohnten Gebieten, in den usbekischen Gesellschaften, von den Taliban und von der neuen entstandenen Gruppe Daish (IS) begangen werden. Derzeit sei der Krieg in Afghanistan nicht nur gegen eine Ethnie gerichtet, sondern gegen alle Menschen, die die Taliban und Daish entweder für Feinde halten oder deren Tötung oder Unterdrückung für ihren Krieg notwendig sei.

Dem entgegnete der Beschwerdeführer, dass die Taliban in den paschtunischen Gebieten herrschen würden, was darin begründet sei, dass die Paschtunen dies zulassen würden, denn wenn er nicht wolle, dass andere über ihn herrschten, würde er das nicht erlauben. XXXX gehöre zu den gefährlichen Gebieten des Landes. Bei den Aufnahmeprüfungen der Universität sei die Verbindungsstrecke zu XXXX gesperrt gewesen, sodass sein Bruder und seine Schwester, die in Kabul studierten, 4 Monate lang die Familie in XXXX nicht besuchen hätten können. Die Strecke von der Hauptstraße bis XXXX sei ca. 15 - 20 km lang und würde bei idealen Verhältnissen in 30 Minuten zurückgelegt werden können, aber sie sei 4 Monate lang gesperrt gewesen.

Dem entgegnete der Sachverständige, dass die Angaben des Beschwerdeführers, wonach der Weg zwischen XXXX und anderen Gebieten gesperrt gewesen wäre, nicht den tatsächlichen herrschenden Gegebenheiten entsprechen würde. Der Reiseverkehr zwischen allen Provinzen Afghanistans sei fließend vorhanden, aber es gebe Reiserouten, wie zwischen Kabul über Wardak, dann nach XXXX und Kandahar, nach Ghor, nach Uruzgan, zwischen Kabul nach Baghlan, Kunduz, die gefährlich seien und immer wieder von den Taliban kontrolliert, die Reisenden angehalten und aus deren Reihe, dutzende Personen von den Taliban mitgenommen und getötet werden würden. Dies betreffe jedoch nicht nur die Hazaras, sondern alle Ethnien Afghanistans.

Dem Beschwerdeführer wurde zu ergänzenden Ausführungen eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

Mit Schreiben vom 11. 4. 2016 übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen zur Situation der Hazara in Afghanistan.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz XXXX. Im Kleinkindalter lebte er mit seiner Familie im Iran und kehrte nach dem Tod seiner Großmutter, ungefähr sieben oder acht Jahre später, wieder nach Afghanistan zurück. Da der Beschwerdeführer bereits als Kind an Diabetes erkrankte und die Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan eingeschränkt waren, übersiedelte er wieder in den Iran. Nach weniger als einem Jahr wurde der Beschwerdeführer von den iranischen Behörden nach Afghanistan zurückgeschoben. Kurz darauf verließ er wegen seiner Erkrankung und seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara Afghanistan. Am 10. 12. 2012 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan keine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner religiösen Überzeugung.

Zur Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Die allgemeine Sicherheitslage hat sich seit der Verkündung der Wahlergebnisse ein wenig stabilisiert. Für afghanische Verhältnisse kann man sogar von einer Verbesserung sprechen. Solange sich die neue Regierung aber noch nicht formiert hat und die Ministerien noch nicht neu besetzt sind, kann davon ausgegangen werden, dass radikale Gruppierungen nach wie vor durch Anschläge, speziell gegen Regierung und ISAF (International Security Assistance Force), die Lage destabilisieren wollen, um die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis zu stellen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).

Die Motive der Gruppierungen in Afghanistan sind einerseits politisch/religiös, andererseits rein wirtschaftlich bedingt. Die Maßnahmen der neuen Regierung wurden von der Zivilbevölkerung positiv aufgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass Gruppierungen, die die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis stellen wollen, diesen Winter vermehrt Aktionen setzen werden. Mit nächstem Jahr wird auch ISAF in RSM (Resolut Support Mission) umfunktioniert und auf internationaler Seite eine massive Truppenreduktion eingeleitet. Auch das kann noch einmal zu einer Verschärfung der Lage führen. Sollte die Masse der Bevölkerung nicht ausreichend informiert werden, wird von radikalen Gruppen versucht werden, die planmäßige Reduktion der Truppen als Rückzug auf Grund des massiven Drucks gegen die IC (International Coalition) zu verkaufen. Trotzdem ist die Anzahl der Anschläge im Gesamten leicht rückgängig, ihre "Qualität" hat aber zugenommen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).

Im Zeitraum 1.6.-15.8.2014 registrierte die UNO landesweit 5.456 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Steigerung von 10,7% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres und von 18,7% zu 2012. Jedoch bedeuten diese Zahlen auch einen Rückgang von 12,6% im Vergleich zu 2011. Die erhöhte Zahl der Vorfälle ist auf Operationen unter Führung der ANSF zurückzuführen, die sich auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen konzentrierten, und auf die andauernde "Khaibar"-Offensive der Taliban, aber auch auf Versuche der Rebellen, den Wahlprozess zu stören. Während des Berichtszeitraumes machten bewaffnete Zusammenstöße 47,3% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle aus, während 29,1% auf IEDs zurückzuführen sind. Im gleichen Zeitraum wurden 36 Selbstmordattentate registriert, was, verglichen mit 32 Selbstmordattentaten im vorigen Berichtzeitraum, einen geringen Anstieg bedeutet. 2013 wurden im gleichen Zeitraum 33 Selbstmordattentate registriert. Insgesamt wurden von 1.6.-15.8.2014 211 Attentate und 30 Attentatsversuche registriert, was einen Anstieg von 7,1% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 bedeutet (UN GASC 9.9.2014).

Im Zeitraum 1.3.-31.5.2014 verzeichnete die UNO landesweit 5.864 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf die Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan, speziell jene Vorfälle, die eine Rolle in festgelegten Aktivitäten und Programmen spielen. Dies deutete eine Steigerung von 22% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2011 an. Bewaffnete Zusammenstöße machten 45% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die hohe Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ist hauptsächlich der Wahlzeit zuzuschreiben, was auf die Räumungsoperationen der afghanischen Sicherheitskräfte und Versuche der Taliban den Wahlprozess zu stören, zurückzuführen ist. Vorfälle im Süden, Südosten und Osten des Landes machten 3.917 aller Vorfälle während des Berichtszeitraumes aus. Nennenswert ist speziell der Anstieg im Osten, wo mehrere al-Qaida Zweige, wie z.B. Tehrik-e-Taliban Pakistan, Lashkar-e-Tayyiba, Lashkar-i-Jhangvi und Islamic Movement of Uzbekistan regelmäßig Angriffe auf die afghanischen Sicherheitskräfte durchgeführt haben, parallel zu den Bemühungen der Taliban und dem bewaffneten Flügel Hezb-e Islami (UN GASC 18.6.2014).

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiterhin volatil. Die Vereinten Nationen (UNO) registrierten 20.093 sicherheitsrelevante Vorfälle im Jahr 2013, es ist damit nach 2011 das gewaltreichste Jahr seit dem Fall der Taliban. 70% dieser Angriffe wurden im Osten, Südosten und speziell im Süden registriert. Bewaffnete Zusammenstöße und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung (IED) machten 75% aller Vorfälle aus. Bewaffnete Zusammenstöße sind im Vergleich zu 2012 um 51% gestiegen. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben bewiesen, dass sie fähig sind Gebiete gegen Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente zu verteidigen und Territorien zurückzuerobern, wenn auch unter signifikanten Opferzahlen (UN GASC 7.3.2014).

Zwischen 1.1. und 30.6.2014 registrierte die UNAMA 4.853 zivile Opfer (1.564 Tote und 3.289 Verletzte) - dies deutet einen Anstieg um 17% bei getöteten bzw. um 28% bei verletzten Zivilisten. Es wurde damit ein Anstieg von 24% im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2013 verzeichnet. Zum ersten Mal seit 2009 wurden mehr Zivilisten in Bodenkämpfen und Kreuzfeuer zwischen regierungsfeindlichen Elementen und den ANSF getötet oder verletzt, als durch andere Taktiken. In den vergangenen Jahren wurde die Mehrzahl der Zivilisten durch IEDs getötet oder verletzt (UNAMA 7.2014).

Konflikt-bedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2014 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. Die UNAMA verzeichnete 1.071 minderjährige Opfer (295 Kinder starben und 776 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 34% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2013. Es gab 440 weibliche Zivilopfer, davon wurden 148 Frauen getötet und 292 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 24% gegenüber 2013 (UNAMA 7.2014).

Laut UNAMA waren 74% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 9% regierungsfreundlichen Kräften (8% den ANSF, und 1% internationalen militärischen Kräften), 12% aufgrund von Bodenkämpfen zwischen regierungsfeindlichen Kräften und den ANSF. UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer explosiven Munitionsrückständen des Krieges zu und die übrigen 1% grenzübergreifenden Bombardements von Pakistan nach Afghanistan (UNAMA 7.2014).

Im Gegensatz zu den ersten sechs Monaten des Jahres 2009 (599), verdoppelte sich die Zahl der von regierungsfeindlichen Elementen getöteten Zivilisten auf 1.208 im Jahr 2014. Während sich die Zahl der von regierungsfreundlichen Kräften getöteten Zivilisten halbierte - von 302 auf 158. Dies ist auf die Luftoperationen der internationalen militärischen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 7.2014).

Die Intensivierung von Bodenkämpfen in bevölkerungsreichen Gegenden führte zu hohen Opfern bei Frauen und Kindern. Die Zahl der minderjährigen Opfer aufgrund von Bodenkämpfen verdoppelte sich auf 520 (112 Kinder starben und 408 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 110%. Bodenkämpfe führten zu 256 weiblichen Zivilopfer (64 Frauen starben und 192 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 61% (UNAMA 7.2014).

Wahlen 2014

Am 5. April, dem Wahltag, zählte die UNO landesweit 476 sicherheitsrelevante Vorfälle im Land. Von diesen standen mindestens 271 in direkter Verbindung zu den Wahlen. Im Vergleich dazu, wurden bei den Parlamentswahlen 2010 488 Vorfälle registriert und am Tag der Präsidentschaftswahlen 2009 310 Vorfälle. 30% der Vorfälle vom 5. April wurden im Osten registriert, während der Süden von einem noch nie dagewesenen niedrigen Gewaltniveau berichtete. Auch die Art der Vorfälle war anders, da es weniger Vorfälle indirekten Feuers und keine erfolgreichen Selbstmordattentate gab (UN GASC 18.6.2014).

Am 14. Juni, dem Tag der Stichwahl, registrierte die UNO landesweit 530 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Anstieg von 11,3% gegenüber dem ersten Wahlgang darstellte. Mindestens 237 Vorfälle standen direkt in Verbindung mit dem Wahlprozess (UN GASC 9.9.2014).

Im Zuge der Wahlvorbereitungen hat laut Innenministerium das afghanische Sicherheitspersonal hunderte neuer Checkpoints eröffnet. Zusätzlich hat die ANA vorrausschauend Operationen in einer Anzahl von Provinzen durchgeführt, um größere Rebellenbedrohungen, die den Wahlprozess stören könnten, zu eliminieren (Tolo 31.3.2014).

Der Sprecher des Unterhauses gab an, dass die sich zu dem Zeitpunkt verschlechternde Sicherheitslage, auch auf den Wahldisput zwischen Abdullah Abdullah und Ashraf Ghani zurückzuführen war. Er gab an, dass 30 Provinzen, inklusive Faryab, Badakhshan und Ghazni ernsthaften Bedrohungen durch regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische ausgesetzt waren (Khaama Press 7.9.2014). Auch der Verteidigungsminister hatte zuvor die turbulenten Präsidentschaftswahlen für die Verschlechterung der Sicherheitslage verantwortlich gemacht (Tolo 13.9.2014). Das Ergebnis des in die Länge gezogenen Prozesses der Präsidentschaftswahlen war, dass die wirtschaftlichen und sicherheitsrelevanten Herausforderungen sich multipliziert haben (Pajhwok 29.8.2014). Bei den Wahlen waren die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte alleine für die Sicherheit im Land verantwortlich (ISAF 12.4.2014).

In insgesamt 41 Distrikten, ungefähr 10% aller Distrikte in Afghanistan, gab es mindestens eine große Talibanoffensive. Die meisten dieser Offensiven wurden zurückgedrängt, oftmals mit hohen Opfern auf Seiten der Taliban. Fast jede größere Stadt, angefangen von Kabul über Jalalabad, Kandahar City, Mazar-e-Sharif und Sangin, hatte eine Offensive vor den eigenen Toren zu verzeichnen. Kunduz City ist weiterhin komplett von Talibankräften umzingelt. Gleichzeitig zeigen diese Daten nur Distrikte an, in welchen die Taliban die Regierungsautoritäten offen herausforderten. Nicht angezeigt werden Gegenden (z.B.: Wardak, Ghazni und Logar) wo bereits eine Talibandominanz besteht (WP 20.10.2014).

Die afghanischen Streitkräfte haben in den meisten Teilen des Landes die Sicherheitsverantwortung übernommen (Die Welt 5.10.2014). Das Innenministerium verlautbarte, dass von April bis September 1.523 Polizisten und 800 Soldaten der ANA im Zuge von Kämpfen mit Aufständischen getötet wurden (Tolo 17.9.2014; vgl. WP 20.10.2014). Auch die Taliban verzeichneten schwere Verluste (WP 20.10.2014). Die Vereinten Nationen melden, dass allein in der ersten Jahreshälfte 24% mehr Zivilisten umkamen als im gleichen Zeitraum 2013. Und zum ersten Mal seit Beginn der Statistik starben die meisten im Zuge von Kampfhandlungen, nicht aber durch Terror-Akte (Die Welt 5.10.2014). Als Waffe ihrer Wahl verwenden Rebellengruppen oft IEDs um afghanische und Koalitionssicherheitskräfte anzugreifen. Jedoch werden meist Zivilisten Ziel der Angriffe (Khaama Press 20.9.2014).

Die Taliban versuchten die Sicherheit in Teilen vor allem der östlichen, westlichen und nördlichen Provinzen zu stören. Offizielle Vertreter der Provinzen gaben an, dass sie auch weiterhin ihre Truppen für eine schnelle und effektive Reaktion mobilisierten (Tolo 13.8.2014).

Rebellengruppen

Rebellengruppen, internationale Terroristen und damit verbundene Netzwerke nutzten die die Wahlkrise aus, um landesweit große Angriffe durchzuführen. Speziell in der Provinz Helmand im Süden, den Provinzen Faryab und Ghor im Westen, der Provinz Logar im Zentralraum, den Provinzen Nangarhar und Nuristan im Osten und der Provinz Kunduz im Nordosten. Es gab Versuche ein Gebiet nicht nur einzunehmen, sondern auch zu halten, indem durch mehrere hundert sogenannter "Schwarmangriffe" administrative Bezirkszentren und Sicherheitscheckpoints überrannt wurden. Dies resultierte in einer beträchtlichen Opferzahl unter Zivilisten, Sicherheitspersonal und Rebellen. Das Ziel scheint zu sein, den Einfluss der Rebellen größer erscheinen zu lassen, als dies der Fall ist. Die afghanischen Sicherheitskräfte demonstrierten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit in der Bekämpfung des Großteils der Rebellenoffensiven und der Rückeroberung von Distriktzentren und Sicherheitsanlagen, selbst wenn ihnen die Ressourcen fehlen, um die Rebellenpräsenz einzudämmen und ihre Bewegungsfreiheit, speziell in abgelegenen ländlichen Distrikten, eingeschränkt ist. Diese Entwicklungen gingen unter großer öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit von statten, speziell in Bezug auf die negativen Auswirkungen der Wahlkrise auf die afghanische Sicherheit, das bevorstehende Ende der ISAF-Mission und die militärische Operation Pakistans in Nordwaziristans (UN GASC 9.9.2014).

Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai - Oktober) spricht man von der "Fighting Season", in der die meist koordinierten, gruppenstarken oder stärkeren Angriffe von Aufständischen auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte "harte Ziele" handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb dieser "Fighting Season" kommen alle Aufständischen, die weiterkämpfen wollen in die Städte, da hier die Gründe für die Unterbrechung nicht vorliegen (ungünstige Witterung) (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Taliban und Frühlingsoffensive

Die Talibanbewegung ist nach vor der Kern der Rebellenaktivitäten in Afghanistan. Berichten zufolge operieren sie noch immer von Pakistan aus, wahrscheinlich aus Gegenden in der Nähe der Grenze oder der Stadt Quetta. In den letzten Jahren verloren die Taliban hochrangigen Vertraute und Kommandanten aufgrund von Kämpfen oder Verhaftungen. Der Führungskreis Mullah Muhammad Umar (Talibanführer zwischen 1996 - 2001) ist weiterhin intakt, jedoch scheint es, dass er zunehmend bereitwillig gegenüber einer politischen Einigung ist (CRS 9.10.2014).

Talibankämpfer sind eine erhebliche Kraft - deren Zahl der auf etwa 30.000 geschätzt wird. Es wird aber berichtet, dass die Unterstützung für die Taliban auch in Gegenden in welchen sie auf die Hilfe von Dorfbewohnern zählen konnten, schwindet und dass ihnen die Mittel fehlen um größere Städte zu erobern oder sich in frontale Kämpfe verwickeln zu lassen (Reuters 7.4.2014). Zum Beispiel war den Rebellen in Distrikten wie Marjah, Nawa, Garmser und Nad Ali - alle in der Provinz Helmand -ein Wiedererstarken nicht möglich. NATO und afghanische Kräfte hatten diese in intensiven Kämpfen 2010 und 2011 erobert und sie werden nun meist von den ANSF kontrolliert. Ein spezielleres Beispiel ist eine Gegend in Ghazni, in welcher einst der Aufstand begann. Anders als früher, ist es dort seit 2009 immer schwieriger neue Rekruten für den Aufstand zu finden (AAN 25.3.2014).

Die von den Taliban ausgehende Gewalt in Afghanistan hält an. Auf den Druck afghanischer Sicherheitskräfte in unruhigen Provinzen antworteten die Taliban mit Bomben und bewaffneten Angriffen (Xinhua 21.9.2014). Die Taliban sind zwar nicht besiegt, aber die afghanischen Kräfte übernehmen nun die volle Verantwortung (BBC 26.10.2014).

Am 8. Mai verkündeten die Taliban in einem Statement, dass ihre Frühlingsoffensive "Khaibar", hochrangige Regierungsvertreter, Parlamentsmitglieder, Sicherheitsoffiziere, Anwälte und Richter aber auch ausländische Kräfte, sowie deren diplomatische Zentren und Konvoys, zum Ziel hatte (UN GASC 18.6.2014). Am angekündigten Startdatum, dem 12.5.2014, wurde ein komplexer Angriff auf ein Justizgebäude in Jalalabad verübt, bei dem acht Menschen getötet wurden (UN GASC 9.9.2014; vgl. NYT 12.5.2014). Am 20.5. nahmen etwa 300 Rebellen das administrative Bezirkszentrum Yamgan der nordöstlichen Provinz Badakhshan ein. Der Regierung gelang es die Kontrolle am 23.5 wieder zurück zu erlangen (UN GASC 18.6.2014).

Al-Qaida

Die Zahl der al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan wird von amerikanischen Behörden mit 50 bis 100 beziffert. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Quaida angegliedert und in den Provinzen Faryab und Kunduz aktiv sind, wie zum Beispiel zum Islamic Movement of Uzbekistan (CRS 9.10.2014).

Haqqani-Netzwerk

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Die Gruppe ist mit der al-Qaida und den afghanischen Taliban verbündet, sowie anderen terroristischen Organisationen in der Gegend (Khaama Press 16.10.2014a). Es wird angenommen, dass das Netzwerk der al-Qaida näher ist als den Taliban (CRS 9.10.2014).

Das Haqqani-Netzwerk ist für unzählige Attacken gegen die afghanische Regierung und ihre westlichen Verbündeten verantwortlich. Zwei ihrer hochrangigen Führer wurden im Oktober 2014 festgenommen (NYT 17.10.2014). Das Netzwerk operiert von Pakistan aus, wo sich in manchen Gegenden dessen ursprüngliche Unterstützung durch die Bevölkerung in Feindseligkeit umgewandelt hat (NYT 5.11.2013). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

Der Aufstand des Haqqan-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden(DW 17.10.2014).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Die radikale islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt, ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. Berichten zufolge rief Hikmatyar im Jänner 2014 dazu auf, am 5. April wählen zu gehen. Dies wird als Versuch interpretiert die HIG für eine politische Rolle zu positionieren (CRS 9.10.2014).

Sicherheitslage in Kabul

Die Provinz Kabul ist die Hauptstadt von Afghanistan und deren Provinzhauptstadt ist Kabul Stadt. Sie grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan)Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die Ringstraße verbunden. Auch ist die Stadt mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z).

Die afghanischen Streitkräfte haben zwar in den meisten Teilen des Landes die Sicherheitsverantwortung übernommen. Aber im Sommer rückten die Kämpfe gefährlich nahe an Kabul heran (Die Welt 5.10.2014).

Zurzeit ist die Lage nach wie vor relativ ruhig für hiesige Verhältnisse. Selbst innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel die unterschiedliche Sicherheitslagen haben (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Die Hauptziele der Angriffe sind meist Regierungsgebäude, hochrangige Ziele und internationale Sicherheitskräfte (vgl. Die Zeit 16.9.2014; Al-Arabiya 2.10.2014; NYT 1.10.2014; Reuters 22.3.2014; Tolo 16.7.2014; UNAMA 7.2014).

Der Bereich um den Flugplatz des Kabul International Airport war in der Vergangenheit gelegentlich Ziel von Angriffen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vgl. Stars and Stripes 17.7.2014). Auch sind Ministerien bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen. Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen alledings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Kabul bleibt auch weiterhin eine Festung, die, abgesehen von einem totalen Kollaps der ANSF, sehr wahrscheinlich den Taliban standhält, denen es an finanziellen Mitteln fehlt, um die Hauptstadt einzunehmen (WP 20.10.2014). Die Angriffe werden unter anderem durch Raketenangriffe (Tolo 16.7.2014; vgl. Khaama Press 24.10.2014), Selbstmordattentate (Reuters 2.10.2014), Autobomben, VBIED (Khaama Press 9.10.2014) und unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen - IED durchgeführt (Khaama 20.9.2014; vgl. UNAMA 7.2014).

Laut dem Bericht der dänischen COI-Einheit, haben die afghanische Nationalarmee (ANA) und die afghanische Nationalpolizei (ANP) eine relativ gute Kontrolle über Kabul. Kabul hat sich verändert, speziell im letzten Jahr hat es einen ziemlich umfangreichen Sicherheitsapparat aufgebaut. Der Sicherheitsapparat kontrolliert einen Radius von 20 km um die Stadt herum. Kabul wird dominiert von einer Präsenz nationaler und internationaler Sicherheitskräfte (Landinfo 9.1.2014). Es gibt keine offiziellen Zahlen ziviler Opfer in der Stadt Kabul. Die einzigen Zahlen werden von UN OCHA generiert. Diese geben für den Zeitraum 9.2013 - 8.2014 an, dass in der Provinz Kabul 108 Zivilisten getötet und 275 verletzt wurden (UN OCHA 10.2014). Im Jahresvergleich 2011 und 2013 stieg die Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe um 12%. 2013 wurden 130 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014).

Herkömmliche Kriminalität ist noch immer relativ niedrig für eine Stadt dieser Größe und mit diesen wirtschaftlichen und sozialen Problemen, jedoch ist auch diese gestiegen (AAN 21.1.2014). So sind Entführungen für Lösegeld und Verschleppungen durch die Taliban in Afghanistan relativ üblich (The Guardian 15.4.2014; vgl. auch AAN 21.1.2014). Auch kriminelle Gangs zielen in der Hauptstadt auf reiche Afghanen ab, um Lösegeld zu fordern. Es ist unmöglich zu wissen, wie häufig diese Entführungen vorkommen, da die meisten nicht an die Polizei gemeldet werden (The Guardian 15.4.2014).

Grundversorgung/Wirtschaft

Die afghanische Regierung bemüht sich um eine wirtschaftliche Erholung des Landes und hat Erfolge vorzuweisen: Die Inflationsrate betrug im Jahr 2013 laut Weltbank 7,7%. Im Jahr zuvor waren es 4.4% gewesen (AA 8.2014; vgl. WB 8.4.2014). Die landwirtschaftliche Produktion erreichte 2013 aufgrund von günstigen Wetterbedingungen zum zweiten Mal infolge ein Rekordniveau mit 2.7-prozentigem Anstieg in der Getreideproduktion gegenüber der Rekordernte des Jahres 2012 (WB 8.4.2014). Dies beinhaltete auch die Opiumproduktion, die bereits 2012 - 2013 aufgrund guten Wetters ein historisches Hoch erreicht hatte. Die Drogenproduktion und der Schmuggel sind in Afghanistan makro-relevant. Die Produktion beinhaltet, Opium, Heroin, Morphine und Cannabis. Im Jahr 2013 wurde geschätzt, dass der marktfähige Wert der potentiellen Opiumproduktion, bei 4% des BIPs lag (IMF 5.2014).

Die Landwirtschaft macht 27.7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, welches laut IWF 2013 USD 20,7 Mrd. (2012: USD 20.3 Mrd) betrug. Den größten Anteil am BIP hat der Dienstleistungssektor mit 53,5% - er hat sich in den letzten Jahren zum Motor für das Wirtschaftswachstum entwickelt. Die Kommunikationsbranche wuchs um 65%, Transport und Logistik um 23%, das Banken- und Versicherungswesen um 14.3%. Diese Wachstumsdynamik im Dienstleistungsbereich war allerdings stark abhängig von der externen Nachfrage der Geber (AA 8.2014).

Das Wirtschaftswachstum - welches im letzten Jahrzehnt, durchschnittlich bei über 9% jährlich lag - war eines der höchsten weltweit. Jedoch war es im Jahresvergleich großen Fluktationen, die vom landwirtschaftichen Sektor und in geringerem Ausmaß den wechselnden Beihilfenniveaus ausgingen, ausgesetzt (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. AA 8.2014). Industrieproduktion ist kaum vorhanden, 80% der Bevölkerung sind im landwirtschaftlichen Bereich tätig (AA 8.2014).

Die verzerrte Wirtschaftsstruktur Afghanistans soll nicht von den in den letzten zwölf Jahren erreichten realen Entwicklungsfortschritten ablenken. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen stieg von schätzungsweise USD 186 im Jahr 2002 auf USD 688 im Jahr 2012 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Die afghanische Wirtschaft ist beträchtlichen Herausforderung während der andauernden Transition ausgesetzt (BFA Staatendokumentation 3.2014). Aufgrund der politischen Unsicherheit werden Investitionen derzeit weitgehend zurückgehalten, afghanische Unternehmer bringen ihr Kapital im Ausland in Sicherheit. Daher ist auch im Transitions- und Wahljahr 2014 nicht mit größeren Impulsen für die Wirtschaft zu rechnen (AA 31.3.2014).

Auch bei einer stabilen Entwicklung der afghanischen Wirtschaft bleibt die Schaffung von Arbeitsplätzen eine zentrale Herausforderung für das Land (AA 31.3.2014). 2011 - 2012 lag die Arbeitslosenrate bei 8.2% (Männer: 6,4%, Frauen: 16,5%). Die Arbeitslosenrate bei den Jugendlichen wurde mit 10.4% beziffert (Männer: 8.1%, Frauen: 18.8%). Die Jugendarbeitslosenrate betrug 39.1% der Gesamtarbeitslosigkeit (CSO 2.2.2014). Es wird erwartet, dass bei einem stabil hohen Bevölkerungswachstum und einer sehr jungen Gesamtbevölkerung, in den nächsten Jahren jährlich 400.000 Afghanen auf den Arbeitsmarkt strömen werden (WB 5.2014; vgl. AA 31.3.2014). Hoffnung liegt in den Sektoren Landwirtschaft und Bergbau. Für größere Impulse mangelt es bisher in beiden Bereichen an Infrastruktur und förderlichen wirtschafspolitischen Rahmenbedingungen. Es fehlt ferner an einer umfassenden politischen Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen (AA 31.3.2014). Laut Weltbank sind 47% der afghanischen Bevölkerung unter 14 Jahre alt, 51% zwischen 15 und 64 und 2% der Bevölkerung über 65 (WB 2014).

Rund 36% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (AA 31.3.2014; vgl. WB 15.3.2014). Die Landwirtschaft generiert mehr als 50% der Arbeitsplätze und 84% der Armen leben in ländlichen Gegenden (WB 5.2014).

Ein weiteres Problem ist laut ILO die hohe Anzahl derjenigen, die ohne Gehalt im Familienbetrieb aushelfen (sogenanntes "vulnerable employment"). Dies sind zu 95% Frauen, insgesamt etwa 6 Millionen Menschen und damit rund drei Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse (AA 31.3.2014).

Die inländischen Einnahmenerhebungen waren im Jahr 2012 und 2013 abgeschwächt. Der Rückgang der Einnahmenerhebung ist ein Ergebnis der Wirtschaftsabkühlung, aber auch Schwächen in der Durchsetzung, sowohl in der Steuer- als auch der Zolladministration. Das Finanzministerium hat im Jahr 2013 eine Reihe von Maßnahmen eingeführt um den Umsatz zu stabilisieren, Verluste zu reduzieren und die Administration zu verbessern (WB 1.4.2014).

Die lokale Wirtschaft basiert auf dem informellen Sektor, welcher etwa 80-90% der wirtschaftlichen Aktivität ausmacht. Der Arbeitsmarkt in Afghanistan wird dominiert von dem landwirtschaftlichen Sektor und dem Dienstleistungssektor. Der Landwirtschaftssektor kann nur schwach die Menschen mit Arbeit und Einkommen versorgen. Der Dienstleistungssektor ist Hauptträger des starken afghanischen Wachstums (ILO 31.5.2012).

Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser (AA 31.3.2014). Der Prozentsatz der Bevölkerung in Afghanistan, der Zugang zu Elektrizität hat, ist mit ca. 30% der niedrigste weltweit (WB 8.4.2014). 64% der Bevölkerung haben Zugang zu einer verbesserten Wasserversorgung (WB 15.3.2014). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Aktuell wächst die Bevölkerung mit rund 2.8% pro Jahr, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkommt. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich, zur Verfügung zu stellen, geraten dadurch zusätzlich unter Druck (AA 31.3.2014).

Seit 2002 sind laut UNHCR 4.7 Millionen afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt. Somit hat fast 1/6 der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund. Während Unterstützungsleistungen für die erste Zeit nach Rückkehr durch UNHCR geleistet werden, entsteht im Anschluss das Problem der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 31.3.2014).

Afghanistan ist ein Land, in welchem Menschen landesweit in die Hauptstadt Kabul migrieren um nach Jobs, Möglichkeiten und einem besseren Leben zu suchen. Kabul hatte 800.000 Menschen, jedoch, geben manche Schätzungen an, dass es mehr als 4 Millionen Einwohner hat, die landesweit aufgrund von Wirtschaft, Sicherheit und Politik migriert sind (Gutachterin Afghanistan 7.11.2014).

Eines der größten Entwicklungsprojekte ist Kabul New City (KNC), wo in den nächsten 30 Jahren Wohnungen für etwa drei Millionen Menschen entstehen sollen. Das in direkter Nachbarschaft zu Kabul und zwischen zwei großen Flughäfen (Kabul International Airport und Bagram Air Base) gelegene Gebiet gehört zu den sichersten Gegenden des Landes. Das Megaprojekt Kabul New City wurde als Reaktion auf den ständig wachsenden Bedarf an Wohnraum in Kabul initiiert. Wegen des Zuzugs aus anderen Städten, der Rückkehr von Exil-Afghanen und dem beispiellosen Bevölkerungswachstum kann der Wohnraumbedarf in Kabul derzeit nicht gedeckt werden. Das Projekt soll außerdem in großem Maßstab Arbeitsplätze schaffen und schließlich sicherstellen, dass ein umweltverträglicher, ökologisch orientierter städtischer Lebensraum entsteht und gleichzeitig die bestehenden Dörfer erhalten bleiben. Das Entwicklungsprojekt Kabul New City wird bis 2025 insgesamt 500.000 neue Arbeitsplätze schaffen, davon je 100.000 in der Landwirtschaft und Industrie und 300.000 in Dienstleistungs- und anderen Branchen. Bis 2025 werden 250.000 Wohneinheiten entstehen (EBN 26.8.2014; vgl. Khaama Press 1.4.2011 und Wezaret-e Umur-e Dakhela 24.8.2013).

Medizinische Versorgung

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 31.3.2014). Eine medizinische Grundversorgung ist in weiten Landesteilen nahezu nicht gegeben. Lediglich in größeren Städten kann man eine bessere medizinische Versorgung vorfinden (GIZ 6.2014).

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 31.3.2014).

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten (USDOS 27.2.2014)

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die PatientInnen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014).

Durch die gute ärztliche Versorgung im "French Medical Institute" und dem Deutschen Diagnostischen Zentrum in Kabul können auch kompliziertere Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften können sich unter bestimmten Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen (AA 31.3.2014).

Das Ministerium für öffentliche Gesundheit implementiert das notwendig Paket von Spitalsleistungen in 15 Provinzen, während Nichtregierungsorganisation die Arbeit in den restlichen 19 Provinzen durchführen (BMJ 17.6.2014)

Zwar findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 31.3.2014). Eine der wahrscheinlich wichtigsten Verbesserungen in der Gesundheitsvorsorge ist, dass ein Ort existiert, zu dem sie gehen können um Hilfe bei mentalen Gesundheitsproblemen zu bekommen. Die mentale Gesundheitseinrichtung im Regionalspital Herat zum Beispiel, gibt einen kleinen Einblick der Probleme der Bevölkerung und die Versorgung, die sie nun erhalten. Die Einheit, bestehend aus 25 Betten, wurde vor sechs Jahren etabliert. Im letzten Jahr wurden

5.161 PatientInnen aufgenommen, der Großteil von ihnen mit Störungen wie z.B. Depression, Anpassungsstörungen, aber auch mit Psychosen und bipolaren Störungen. Der Großteil von ihnen waren Frauen. Nachdem diese Frauen entlassen werden, werden sie durch regelmäßige Besuche von psychosozialen Arbeitern nachbehandelt (BMJ 17.6.2014). Zum Beispiel gibt es in Kabul eine psychiatrische Einrichtung mit 60 Betten, in Jalalabad und Herat gibt es jeweils nur 15 Betten für psychiatrische Fälle und in Mazar-e Sharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt (AA 31.3.2014).

Unsichere Lage, große Entfernungen und Transportkosten sind die Haupteinschränkungen für die Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsleistungen. Die Disparität zwischen sicheren urbanen Gegenden und unsicheren ländlichen oder abgelegenen Gegenden, steigt weiterhin. Diese Beschränkungen spielen eine besondere Rolle für Frauen und Kinder. (WHO 2.2013; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

Folgende nationale und internationale Organisationen sind im afghanischen Gesundheitsbereich tätig:

* United States Agency for International Development (USAID)

* Das afghanische Gesundheitsministerium - Afghan Ministry of Public Health (MoPH) (USAID 1.2013)

* Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)

* Afghan Red Cross Society

* Afghan Health and Development Services

* Aga Khan Health Services

* Medical Emergency Relief International

* Care of Afghan Families

* Urgence Aide Médicale Internationale (WHO 2.2013)

* United Nations International Children's Emergency Fund (UNICEF) (UNICEF 8.2013)

Die Anzahl nicht funktionierender Gesundheitseinrichtungen im Jahr 2012 ist im Gegensatz zu 2011 um 40 Prozent gestiegen - 540 geplante Einrichtungen können ihre Arbeit nicht aufnehmen bzw. sind gezwungen sie wieder einzustellen, weil es keine Finanzierung gibt und aufgrund von Unsicherheit. In den südlichen Provinzen haben aufgrund des andauernden Konfliktes, 50-60% der Bevölkerung Schwierigkeiten beim bzw. haben gar keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung (WHO 2.2013). Es können aber auch namhafte Fortschritte der letzten neun Jahre verzeichnet werden. Rund 85% der Bevölkerung leben in Bezirken in denen grundlegende Gesundheitsleistungen angeboten werden (WB 2013). Der Großteil der Gesundheitsversorgung wird von Nichtregierungsorganisationen bewerkstelligt, welche vom Gesundheitsministerium (MoPH) beaufsichtigt werden. Das Gesundheitsministerium ist zusätzlich für das Monitoring, die Evaluierung und die Koordination von Basispaketen der Gesundheitsvorsorge zuständig (UKBA 15.2.2013).

Die afghanische Regierung veröffentlichte im Dezember 2007 eine Liste jener Medikamente, die - unter ihrem vergebenen Internationalen Freinamen (INN) - nach Afghanistan importiert und dort verkauft werden können. Die Medikamente kommen aus Ländern wie Iran, China, Pakistan und. Die Regulierung ist schwach, die Landesgrenzen sind durchlässig und manche Importfirmen nicht lizensiert. Das begünstigt den Import gefälschter und minderwertiger Medikamente nach Afghanistan (UKBA 15.2.2013).

Behandlung nach Rückkehr

Während des Untersuchungsjahres, kehrten mehr als 30.000 afghanische Flüchtlinge freiwillig, mit Hilfe von UNHCR, nach Afghanistan zurück. Die durchschnittliche Zahl der Rückkehrer pro Tag deutet einen Rückgang von 40% im Vergleich zum Jahr 2012 an. Die Kapazitäten der afghanischen Regierung Rückkehrer aufzunehmen hielt sich in Grenzen. Obwohl UNHCR berichtet, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten und eine schlechte Sicherheitslage in Pakistan und Iran zu einem Anstieg bei Rückkehrern nach Afghanistan im Jahr 2012 führten, sank die Zahl der Rückkehrer im Untersuchungsjahr aufgrund von Ungewissheit in Bezug auf die Sicherheit und der Transitionsperiode. Zusätzlich gaben Rückkehrer an, dass lokale Verbesserungen der Sicherheitslage in manchen Teilen Afghanistan der primäre Grund für die Rückkehr waren (USDOS 27.2.2014).

Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sogenannte Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Abkommen mit Großbritannien und Finnland werden derzeit verhandelt. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche (AA 31.3.2014).

Provinz Ghazni

Die Provinz Ghazni bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im ersten Quartal des Jahres 2013 wurden 192 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozent erhöht. Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.

(ANSO [Afghanistan NGO Safety Office]: Quarterly Data Report Q.1 2013, vom April 2013; New York Times: "Taliban Breach an International Base, Killing at Least" vom 28. August 2013).

Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten. Ghazni ist ein bekannter Knotenpunkt für Taliban und al-Qaida. Es ist bekannt, dass hochrangige Taliban, al-Qaida und IMU Kommanders in der Provinz operieren.

(BBC: "Afghanistan's Nuristan province at mercy of the Taliban" vom 20. März 2013; The Long War Journal: "Taliban launch suicide assault on ISAF PRT in Ghazni" vom 28. August 2013)

Die Taliban töten Zivilisten und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(EASO: "Country of origin information report- Afghanistan Insurgent strategies - intimidation and targeted violence against Afghans" vom 2. Dezember 2012)

Im Berichtzeitraum gab es Widerstand gegen die Infiltrierung durch die Taliban. Dies wird als Zeichen gesehen, dass die Bevölkerung die Taliban ablehnt.

(Congressional Research Service: "Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy" vom 23. Oktober 2013).

Die Angriffe auf Frauen nehmen zu: Anfang August wurde eine Senatorin, Roh Gul Khairzad, von bewaffneten Angreifern in den Hinterhalt geführt. Bei dem Angriff wurden ihre Tochter und ihr Fahrer getötet (Security Council Report, 29. August 2013). Mitte August 2013 wurde eine Parlamentariern, Fariba Ahmadi Kakar, im Bezirk Ghazni von den Taliban entführt und einen Monat später durch die Vermittlung von Dorfältesten und Geistlichen im Austausch gegen fünf Taliban freigelassen.

(United Nations Security Council Report: "September 2013 Monthly Forecast" vom 29. August 2013; BBC News "Afghan MP Fariba Ahmadi Kakar freed by the Taliban" vom 8. September 2013)

Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013)

Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Ethnische Minderheiten:

Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38 Prozent, Tadschiken ca. 25 Prozent, Hazara ca. 19 Prozent, Usbeken ca. 6 Prozent sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri.

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder soziale Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da ihre Mitglieder aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminieren-den Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind. Es kann auch dazu kommen, dass Angehörige dieser Nomadenstämme auf Grund der bürokratischen Hindernisse dem Risiko der (faktischen) Staatenlosigkeit ausgesetzt sind. Die Verfassung sieht allerdings vor, dass der Staat Maßnahmen für die Verbesserung der Lebensgrundlagen von Nomaden ergreift.

Zu der am stärksten marginalisierten Gruppe gehört die ethnische Minderheit der Jat, die die Gemeinschaften der Jogi, Chori Frosh und Gorbat umfasst. Es gibt Berichte, dass Jogi keine Taskeras (Ausweisdokument) erhalten und damit nur beschränkten Zugang zu staatlichen Einrichtungen haben.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 10f)

Schiiten

Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, der größten religiösen Minderheit des Landes, hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert. Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen sowie einer Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert. Die schiitischen Muslime konnten im Berichtzeitraum (31. Jänner 2012 bis 30. Jänner 2013) ihr traditionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern. Nichtsdestotrotz gab es sporadische Attacken gegen die schiitischen Hazara. Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt. Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten an-gewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind. Im Jahr 2009 wurde ein Gesetzestext durchgesetzt, der viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erb-schafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt. Der Gesetzestext wurde im Parlament durchgesetzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt.

(U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013; US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; BBC: "Shia mosque attacked in Kabul by men in police uniforms" vom 5. September 2013; USAID, Shiite personal status law, vom April 2009; Freedom House, Freedom in the world 2013, vom Jänner 2013; Herizons, Afghan Women Stand Strong Against Shia law, vom September 2009)

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Zum Schiitischen Aschura-Fest am 06.12.2011 fand eine der schwersten Anschlagsserien der letzten Jahre statt. In Kabul, Masar-e-Scharif und Kandahar starben bei Angriffen auf schiitische religiöse Stätten etwa 60 Menschen, ca. 200 wurden verletzt. Zur Urheberschaft bekannte sich eine radikalislamische Gruppe aus Pakistan. Eine Auswirkung auf das nicht ganz spannungsfreie, aber insgesamt doch verträgliche Zusammenleben der Ethnien und Religionen konnte dennoch nicht beobachtet werden. Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 11)

Der Sachverständige erstattete am 17. 2. 2016 ein schriftliches Gutachten zum Vorbringen einer drohenden Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers durch Taliban und zur Gefahr einer Gruppenverfolgung für Angehörige der Hazara in Afghanistan, und insbesondere in der Provinz Ghazni, folgendes Gutachten, das in den wesentlichen Passagen wiedergegeben wird:

Kurzer Rückblick zu den Hazara bis zum Sturz des Taliban-Regime im Jahre 2001:

Die Hazara wurden bis zum kommunistischen Putsch im Jahre 1978 aus ethnisch-religiösen Gründen stark diskriminiert. Sie durften im afghanischen Staat keine höheren staatlichen Positionen erlangen und waren in der Gesellschaft wegen ihres schiitischen Glaubens und wegen ihrer Ethnie oft Benachteiligungen und Verspottung ausgesetzt. Sie waren als Trägervolk und Dienervolk bekannt und gehörten zur ärmsten Bevölkerungsschicht Afghanistans. Ihre ursprünglichen Heimatregionen in Zentralafghanistan: Bamiyan, Teile der Provinzen Ghazni, Daykundi und Maidan Wardak gehören Großteils zu den schwer zugänglichen und kargen Regionen des Landes. Diese Bedingungen in den Abstammungsregionen der Hazara haben dazu geführt, dass sie im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts aufgrund der Arbeitssuche in Städte wie in Kabul, Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Kunduz usw. zuwanderten und sich dort niederließen. Im 19. Jahrhundert wurden Hazara vom damaligen afghanischen Emir, Abdurrahman Khan, im Zuge dessen Zentralisierungspolitik, schwer verfolgt. Tausende Hazara wurden damals getötet und eine hohe Anzahl von ihnen war gezwungen, ihre Heimatregionen zu verlassen und sich in anderen Regionen Afghanistans niederzulassen, oder ins Ausland zu flüchten, allen voran nach Quetta/Pakistan. Im 20. Jahrhundert wurden sie zwar nicht mehr verfolgt, aber sie wurden weiterhin diskriminiert und ihre Wohngebiete gehörten weiterhin zu den unterentwickeltsten Regionen des Landes. Mehrheitlich arbeiteten sie in den Städten als Träger und Diener und konnten damit ihr Überleben sichern. Viele von Ihnen wurden vor 1965, dem Beginn der Demokratisierungsphase, von den Behörden auch zur Zwangsarbeit herangezogen. Die Hazara durften im Sicherheitsapparat, im Verteidigungs- und Innenministerium, sowie im Außenministerium keine Karriere machen.

Erst mit der Demokratisierungsphase im Jahre 1964/5 durften die Hazara allmählich am politisch-gesellschaftlichen Prozess teilnehmen und auch Abgeordnete in das demokratische Parlament entsenden und waren im Kabinett mit einem Minister vom Gnaden des Königs vertreten. Die Hazara durften zwar in den Städten Schulen besuchen und auch studieren, aber aufgrund ihrer schlechten Wirtschaftslage war die Zahl der Analphabeten unter ihnen viel höher als bei anderen Ethnien. In den Städten konnte ein kleiner Teil der Hazara Schulen und Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen besuchen. Sie durften hauptsächlich im Bildungs- und Gesundheitsbereich, als Ärzte und Lehrer arbeiten. Bis zum kommunistischen Putsch im Jahre 1978 waren nicht mehr als 7 Prozent der Gesamtbevölkerung Afghanistans alphabetisiert bzw. gebildet.

Die Stellung der Hazara nach dem Putsch der Kommunisten im Jahre 1978:

Die Stellung der Hazara im afghanischen Staat und in der Gesellschaft hat sich nach der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1978 grundlegend geändert. Unter den Kommunisten wurden sie zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans an der politisch-militärischen Macht beteiligt. Sie stellten im kommunistischen Staat das Amt des Ministerpräsidenten und hatten einige Ministerämter inne. Sie waren im Sicherheitsapparat vertreten und die Entwicklungspläne der Kommunisten für das Land umfassten auch die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara, Hazarajat.

Der Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan im Dezember 1979 und die damit verbundene Entstehung der Mujaheddin-Gruppen war ein weiteres Ereignis, das zur Emanzipation der Hazara in Afghanistan maßgebend beigetragen hat. Im Jahre 1980 wurden 7 sunnitische Widerstandsgruppen mit der Unterstützung der Saudi-Arabiens, Pakistans und des Westens, allen voran der USA, in Pakistan gegründet.

Daraufhin wurden im Iran 8 Hazara bzw. schiitische Mujaheddin-Gruppen mit Unterstützung der iranischen Machthaber gegründet. Sie wurden vom iranischen Staat bewaffnet und bekamen auch politische Rückendeckung vom Iran, welche sie befähigte, sich auch am Widerstand gegen die sowjetische Armee zu beteiligen, ohne von den Sunniten zurückgedrängt zu werden. Die Beteiligung der Hazara im kommunistischen Staat und ihre Teilnahme am "Heiligen Krieg" gegen die Sowjets hatten ihnen geholfen, sich zu bewaffnen und allmählich gegen ihre Diskriminierung und Benachteiligungen zur Wehr zu setzen. Im Zuge des "Heiligen Krieges" von 1980 bis 1992 gegen die Kommunisten und die sowjetische Armee und im Zuge des Bürgerkrieges von 1992 bis 1998 haben die Hazara ihre Hauptsiedlungsgebiete in Zentralafghanistan, in Nordwest-Afghanistan und in einigen Bezirken von Kabul vollständig unter ihre Kontrolle gebracht und die Verwaltung dieser Regionen übernommen.

Bürgerkrieg in Afghanistan von 1992 bis 1996 bzw. bis 1998 und die Hazara:

Die Hazara waren am Bürgerkrieg in Kabul, in Mazar-e Sharif, in Ghazni, Bamiyan, Baghlan, in Uurzgan und in Teilen West-Afghanistan bewaffnet beteiligt. Während des Bürgerkrieges konnte die Hezb-e Wahdat, die Partei der Hazara, diese Minderheit militärisch und politisch soweit mobilisieren, dass Hunderttausende Hazara für die Hezb-e Wahdat gegen andere Gruppen, wie Jamiat-e islami, Hezb-e islami und die Taliban kämpften. Als die Taliban im Jahre 1995 Ghazni, ausgenommen Hazara-Gebiete, 1996 in Kabul, 1998 in Mazar-e Sharif und Hazarajat eroberten, unterdrückten sie die Hazara schwer, töteten tausende von ihnen und vertrieben tausende aus den Städten. Die Hazara zogen sich in ihre Hauptsiedlungsgebiete in Hazarajat zurück, als die Taliban im Jahre 1996 Kabul eingenommen hatten und verteidigten ihre Siedlungsgebiete bis zum Jahre 1998. Die Taliban führten einen brutalen Krieg gegen die Hazara und töteten in wenigen Tagen in Mazar-e Sharif im Jahre 1998 mehr als 8000 Hazara.

Im Jahre 1998 haben die Taliban alle Siedlungsgebiete der Hazara erobert. Die Gruppenkonflikte innerhalb der Hazara hatten dazu geführt, dass einige Hazara-Kommandanten mit den Taliban kooperierten und die Taliban bei der Einnahme ihrer eigenen Siedlungsgebiete unterstützten. Zwischen 1995 bis 2001 flüchteten hunderttausende Hazara in die Nachbarländer Iran und Pakistan. Tausende junge Hazara schlossen sich dem Widerstand gegen die Taliban an, der in den Bergen des Hazarajat von der Hezb-e Wahdat weitergeführt wurde.

Die Lage der Hazara seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.

Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, vor allem Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.

Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag, Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.

Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 15 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban gegen die Hazara richten nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tajiken. Bei jeder dieser Aktion erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan - Mazar-e Sharif - Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tajiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind Großteils Tajiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tajiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte, wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert.

Die Taliban sind Anhänger der arabischen Fundamentalisten, allen voran Saudis, die gegen den Iran und damit gegen die Schiiten eingestellt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Taliban ihre Opfer, wenn sie Schiiten sind, zur Schau stellen. Aber sie bringen mehr Paschtunen und Usbeken um, deren Gebiete sie leicht unter ihre Kontrolle bringen können. In diesen Gebieten kommt es häufig vor, dass die Taliban willkürlich Menschen verfolgen, töten und die Jugendlichen, wenn sie benötigt werden, rekrutieren. Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen.

Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Uzbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. Allerding können diese Jugendlichen nicht mehr in ihre Heimatregion zurückkehren, wenn die Taliban weiterhin dort vorherrschend sind. Zwangsrekrutierung ist nicht weit verbreitet, weil viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen. Auch gibt es Regionen deren Bevölkerung aus Gründen der Paschtunwali - dem Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen - es in "Krisenzeiten" für notwendig erachtet, den Taliban freiwillig Soldaten bereit zu stellen. Die meisten Opfer der Taliban sind von 2013 bis Februar 2016 in den von Paschtunen bewohnten Provinzen, Kandahar, Nangarhar, Kunar, Helmand, Logar, Wardak und in den Provinzen Kunduz, Faryab, Baghlan und Badakhshan zu verzeichnen, wo hauptsächlich Usbeken, Tajiken und Paschtunen wohnen. Die Taliban haben im Oktober 2015 die Stadt Kunduz eingenommen und haben in wenigen Tagen den UNO-Berichten zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Die getöteten Zivilisten waren Tajiken und Usbeken. Derzeit werden die meisten Distrikte von Nangarhar von den Taliban kontrolliert und von ihnen werden immer wieder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. Hierzu möchte ich auf folgende Internetquellen hinweisen, die diesem Gutachten beigelegt werden.

Beilage 1: Betreffend das Vorgehen der Taliban in Kunduz.

Beilage 2: betreffend den Angriff der Taliban auf den Distrikt Burka in Baghlan.

Beilage 3: Selbstmordanschlag der Taliban in Paktia, Siedlungsgebiet der Paschtunen, während eines Handballspiels der Schüler, bei dem mehr als 50 Schüler sterben.

Beilage 4: Taliban töten gezielt paschtunische Stammesälteste in Helmand.

Beilage 5: Eine Abspaltung von den Taliban tötet mehr als 30 Menschen in Jalalabad in Nangarhar. Jalalabad wird von Paschtunen, Tajiken und Paschais bewohnt.

Beilage 6: Ein weiteres Beispiel der Brutalität der Taliban bzw. des IS in Nangarhar, im Siedlungsgebiet der Paschtunen.

Beilage 7: Taliban töten 30 Hazara-Polizisten, die in Jalrez in Maidan Wardak Dienst versahen.

Beilage 8: Taliban haben 30 Hazara-Zivilisten auf der Reise in die Provinz Zabul entführt und sieben von ihnen geköpft. In diesem Beitrag ist zu lesen, wie die Hazara in Kabul unter der Beteiligung von mehreren hunderttausend Menschen gegen die Brutalität der Taliban demonstrieren.

Beilage 9: durch eine Bombe der Taliban werden dutzenden Menschen in Kapisa, einem Siedlungsgebiet der Tajiken und Paschtunen, getötet.

Beilage 10: Acht Zivilisten werden durch die Explosion einer Bombe in Nangarhar getötet.

Beilage 11: Dutzende Menschen werden 2014 bei einem Selbstmordanschlag der Taliban in Faryab, einer von Usbeken besiedelten Provinz, getötet.

Beilage 12: Bei einem Selbstmordanschlag der Taliban im Juli 2015 werden in Faryab 15 Menschen getötet und 38 verletzt.

Zur Zwangsrekrutierung der Hazara durch die Taliban:

Zur Zwangsrekrutierung von Hazara durch Taliban in Afghanistan möchte ich ausführen, dass die Hazara weitgehend ihre Siedlungsgebiete selbst kontrollieren. Es ist mir nicht bekannt, dass die Taliban in die Siedlungsgebiete der Hazara oder anderer Ethnien eindrängen, um Jugendliche mit Zwang zu rekrutieren. Wenn aber die Taliban ein Gebiet einnehmen und für einige Zeit dort herrschen, dann kommt es vor, dass sie junge Menschen, sogar Minderjährige, zwangsrekrutieren. Dabei können auch jugendliche Hazara rekrutiert werden, wenn die Taliban gerade Soldaten brauchen. In Gebieten, wo die Hezb-e Wahdat herrscht, können die Jugendlichen nicht rekrutiert werden. Die Taliban haben Hazara, die sie auf den Hauptstraßen entführt haben, teils enthauptet und teils mit ihren Gefangenen ausgetauscht. Es ist nicht bekannt geworden, dass die Taliban ihre Hazara-Geiseln bewaffnet und in den Krieg gestellt hätten. Die Kämpfer der Taliban stammen mehrheitlich aus den Reihen der Paschtunen in Pakistan und in Afghanistan. Neuerdings auch aus den Reihen der Usbeken, deren Dörfer von den Taliban eingenommen worden sind. Auch aus den Reihen der ausländischen Terroristen, z.B. aus Saudi-Arabien, den Arabischen Emiraten, aus Tschetschenien, Tajikistan und Usbekistan. Da die Taliban derzeit einen Partisanenkrieg führen, können sie Soldaten, denen sie nicht vertrauen und die Schiiten sind, nicht mitnehmen. Diese sind ein Risiko-Faktor. Während ihrer Herrschaft bis 2001 haben sie auch Jugendliche aus den Reihen der Nicht-Paschtunen unter Zwang zum Kriegsdienst mitgenommen und als Kanonenfutter an der vordersten Reihe eingesetzt.

Nach einer neuen Information, die ich in Afghanistan erhalten habe, sind verschiedene Militäreinheiten von der Regierung beauftragt worden, die Routen zwischen Kabul bis Zabul, die auch von Hazara-Reisenden benutzt werden, und die Straßenverbindungen zwischen verschiedenen Hazara-Distrikten in Ghazni zu kontrollieren. Diese Einheiten werden Großteils von Hazara-Offizieren und Kommandanten befehligt. (Siehe Landkarte, Beilage 13)

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen auf den Einvernahmen des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt bzw beim Bundesamt und der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht, den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen sowie dem schriftlichen Gutachten und den Ausführungen des länderkundigen Sachverständigen anlässlich der mündlichen Verhandlung. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität der Aussagen zu den Länderfeststellungen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

Der Sachverständige ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen, er hat in Kabul das Gymnasium absolviert, in Wien Politikwissenschaft studiert und war in den neunziger Jahren an mehreren Aktivitäten der Vereinten Nationen zur Befriedung Afghanistans beteiligt. Er hat Werke über die politische Lage in Afghanistan verfasst und verfügt dort über zahlreiche Kontakte, ist mit den dortigen Gegebenheiten vertraut und recherchiert dort selbst - auch für den unabhängigen Bundesasylsenat, den Asylgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht - immer wieder (zuletzt im April 2016). Auf Grund seiner Sachkenntnis wurde er bereits in vielen Verfahren als Gutachter herangezogen; er hat im Auftrag vieler Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zahlreiche nachvollziehbare und schlüssige Gutachten zur aktuellen Lage in Afghanistan erstattet.

Nach Ansicht der erkennenden Richterin ist es dem Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens nicht gelungen, eine konkrete, ihm in Afghanistan drohende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Hinsichtlich der Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara ist zunächst auf die eben dargestellten Ausführungen zum bisherigen Erfolg der Hazara, ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen die Taliban zu behaupten, zu verweisen. Darüber hinaus ist es notorisches Wissen und wird auch im Gutachten dargestellt, dass die Hazara nach dem Sturz der Taliban, zu dem sie im Rahmen der Hezb-e Wahdat als Teil der Nordallianz einen nicht unbedeutenden militärischen Beitrag leisteten, im politischen Machtgefüge und im Militär zu den tragenden Säulen des afghanischen Staates zählen. So haben die Hazara im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits-Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Angehöriger der Hazara, welcher weitgehende Befehlsbefugnisse hat und derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban befehligt. Auch sind ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten Hazara bzw. Schiiten. Hazara stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in XXXX und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in XXXX werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Angesichts dieser umfangreichen Verankerung der Hazara in den politischen und militärischen Machtstrukturen des Staates und der Effektivität der Hazara ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen regierungsfeindliche Gruppierungen zu behaupten, kann eine Gruppenverfolgung, die sich gegen die Hazara richten würde, jedenfalls in Siedlungsgebieten der Hazara, trotz woanders noch bestehender gesellschaftlicher Diskriminierung, nicht angenommen werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 15. 3. 2016 machte der Beschwerdeführer von seinem Fragerecht an den länderkundigen Sachverständigen Gebrauch. Demnach würde nach Ansicht des Beschwerdeführers der afghanische Staat Hazara keinesfalls unterstützen, dies sei bereits darin zu erblicken, dass immer wieder Hazara Opfer von Entführungen werden würden und es auch Angriffe der Taliban auf Hazaragebiete gebe. Überdies sei die Verbindungsstraße zwischen XXXX und Kabul gesperrt gewesen. Dazu führte der Sachverständige basierend auf den Ausführungen in seinem Gutachten aus, dass diese Argumentation, sofern es in Hazara-Gebieten auch Angriffe der Taliban gibt und schwere Menschenrechtsverletzungen an Hazara begangen werden, richtig ist, soweit es Hazara-Gebiete betrifft. In demselben Umfang - oder sogar mehr - Menschenrechtsverletzungen werden von den Taliban und von der neuen entstandenen Gruppe Daish (IS) derzeit auch an Zivilisten in von Paschtunen bewohnten Gebieten und in den usbekischen Gesellschaften begangen. Das bedeutet, dass sich der Krieg in Afghanistan aber nicht nur gegen die Ethnie der Hazara richtet, sondern gegen alle, die von den Taliban oder Daish (IS) als Feinde betrachtet werden. Weiters führte der Sachverständige aus, dass der Reiseverkehr zwischen allen Provinzen reibungslos vor sich geht. Es gibt aber Routen, wie jene zwischen Kabul über Wardak nach XXXX, die gefährlich sind und immer wieder von den Taliban kontrolliert werden. Dabei werden Reisende angehalten und aus einer Gruppe Personen von den Taliban mitgenommen und getötet. Diese Gefahr betrifft aber alle Ethnien und ist nicht nur gegen die Hazara gerichtet.

Die vom Beschwerdeführer nachträglich übermittelten Länderberichte zur Situation der Hazara vermögen an obiger Beurteilung nichts zu ändern, da - wie bereits ausführlich dargelegt - nicht nur die Ethnie der Hazara gefährdet ist, Opfer von Repressalien zu werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idF ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (Art. 2 FNG) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 (in der Folge: BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

Gemäß § 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 (in der Folge: VwGVG), idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Dementsprechend sind im Verfahren über die vorliegende Beschwerde Vorschriften des AsylG 2005 und des BFA-VG anzuwenden. (So enthalten zB § 16 Abs. 1 zweiter Satz und § 21 Abs. 7 BFA-VG ausdrücklich Sonderbestimmungen gegenüber dem VwGVG.)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Im vorliegenden Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, objektiv begründete Furcht vor aktueller und landesweiter Verfolgung in gewisser Intensität glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor.

In der Beweiswürdigung wurde ausführlich begründet, weshalb der Beschwerdeführer einzig aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara nicht einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen; die Entscheidung beruht auf einem Gutachten zur Faktenlage hinsichtlich einer Gefahr der Gruppenverfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara. Dieses Gutachten hat, basierend auf der Faktenlage, die Fragen nach den erwähnten Gefahren verneinend beantwortet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte