VwGH 92/01/0792

VwGH92/01/07925.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1992, Zl. 4.290.055/4-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste am 27. Dezember 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. Jänner 1990 einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung am 14. Jänner 1990 gab er an, sein ältester Bruder kämpfe an der Seite der christlichen Miliz im Libanon. Aus diesem Grund würden der Beschwerdeführer und dessen Vater dauernd von der Polizei verhört und schikaniert. Der Beschwerdeführer selbst sei vor sieben Monaten verhört worden. Vor einem Monat sei der Bruder des Beschwerdeführers bei einem Besuch in dessen Haus gesehen worden. Am nächsten Tag habe der Geheimdienst den Vater des Beschwerdeführers zum Verhör geholt. Dieser sei nach einer Woche zerschlagen (mit blauen Flecken am ganzen Körper) zurückgekommen. Er habe erzählt, daß der Beschwerdeführer wahrscheinlich auch zur Befragung geholt werde und es besser für ihn sei, aus dem Land zu gehen. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, der Beschwerdeführer habe angegeben, sein Vater und sein Bruder seien von der Geheimpolizei des öfteren verhört worden. Der Beschwerdeführer habe eine möglicherweise auch ihm selbst geltende Aktivität des Geheimdienstes (Befragung) vermeiden wollen und daher sein Land verlassen. Er habe somit keine Gründe für Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention auch nur behauptet. Er habe lediglich angeführt, daß sein Bruder und sein Vater vom Geheimdienst belästigt worden seien. Sein Vorbringen betreffe lediglich die Möglichkeit, als "Auskunftsperson für den Geheimdienst im Sinne einer Befragung" herangezogen zu werden. Die vom Beschwerdeführer nur als möglich in den Raum gestellte Befragung stelle keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Ermittlungstätigkeit des Staates dar und könne daher denkunmöglich eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in sich bergen, zumal dem Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entnommen werden könne, aus welchem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund der Beschwerdeführer verfolgt werden sollte.

Der Beschwerdeführer erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 22. Juni 1992, Zl. B 650/92, ab und trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht insoweit mit Recht geltend, daß die belangte Behörde weder seine (nicht als unglaubwürdig angesehenen) Sachverhaltsangaben hätte dahin deuten dürfen, daß sein Vater vom Geheimdienst (lediglich) "belästigt" worden sei, noch ohne weiteres hätte davon ausgehen dürfen, der Beschwerdeführer habe lediglich die Möglichkeit in den Raum gestellt, als "Auskunftsperson für den Geheimdienst im Sinne einer Befragung" herangezogen zu werden.

Ebenso ist der Beschwerdeführer im Recht, soweit er geltend macht, es käme im vorliegenden Zusammenhang nicht auf in der Vergangenheit liegende Verfolgungsmaßnahmen, sondern auf wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (und somit auf eine Verfolgungsprognose) an. Die belangte Behörde durfte daher ihre Auffassung, der Beschwerdeführer habe wohlbegründete Furcht, verfolgt zu werden, nicht glaubhaft gemacht, im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf stützen, daß der Beschwerdeführer vergangenheitsbezogen lediglich gegen Dritte, nicht aber gegen ihn selbst gerichtete Maßnahmen, die ihrer Intensität nach als Verfolgung in Betracht kommen, geltend gemacht hat. Die Darlegungen des Beschwerdeführers, im Zusammenhang mit einem Besuch seines Bruders sei sein Vater verhaftet und mißhandelt worden und habe geäußert, daß die Geheimpolizei auch den Beschwerdeführer "wahrscheinlich holen werde", erscheinen auch nicht von vornherein ungeeignet, wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen, die ihrer Art und Intensität nach als "Verfolgung" gewertet werden könnten, glaubhaft zu machen.

Daraus ist aber für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht (und von der Beschwerde unbekämpft) die Auffassung vertreten hat, der Beschwerdeführer habe einen Sachverhalt, wonach die von ihm befürchtete Verfolgung auf in der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) zurückzuführen sei, gar nicht geltend gemacht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Asylwerber verpflichtet, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0407); sein Asylbegehren kann somit nur erfolgreich sein, wenn er einen Sachverhalt vorträgt und glaubhaft macht, dem schlüssig die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft entnommen werden können. Dies ist den Beschwerdeführer betreffend selbst dann nicht der Fall, wenn man seine Behauptungen über seine wohlbegründete Furcht vor Maßnahmen staatlicher Stellen, die ihrer Art und Intensität nach als Verfolgung in Betracht kämen, als glaubhaft gemacht ansieht, weil seinem Sachverhaltsvorbringen ein Zusammenhang der behaupteten Verfolgung mit in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht hinreichend konkret entnommen werden kann.

Dafür, daß in der Person des Beschwerdeführers solche Gründe vorlägen, bietet der behauptete Sachverhalt überhaupt keinen Anhaltspunkt. Selbst wenn man davon ausginge, daß der Beschwerdeführer auf Grund einer Art "Sippenhaftung" im Hinblick auf Verhaltensweisen oder Eigenschaften seines Bruders die Intensität einer Verfolgung erreichende Maßnahmen zu befürchten hatte, könnte man ihm Verfolgung aus Konventionsgründen nur dann zubilligen, wenn solche Gründe (wenigstens) in der Person des Bruders des Beschwerdeführers vorlägen. Den Behauptungen des Beschwerdeführers kann hiefür aber kein hinreichend konkreter Hinweis entnommen werden, weil er keinen Sachverhalt vorgetragen hat, dem in der Person seines Bruders gelegene Konventionsgründe zu entnehmen gewesen wären.

Es läßt somit schon die Beschwerde (auch im Zusammenhalt mit dem Inhalt des dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsaktes) erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte