VwGH 2000/01/0322

VwGH2000/01/032222.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A in M, geboren 1970, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Mai 2000, Zl. 213.676/0- V/13/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia und seinen Behauptungen zufolge am 8. Juli 1999 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Diesen Asylantrag begründete er vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass er dem Stamm der Yiber angehöre und deswegen von der Mehrheit der Somalier "diskriminiert" worden sei; er sei Moslem, glaube zwischenzeitlich aber nicht mehr an den Islam, sondern hege den Gedanken, zu einer anderen Religion überzutreten; dies würde den Moslems in seiner Umgebung auffallen, weshalb er um sein Leben fürchte. Der Beschwerdeführer erklärte weiter, dass es keinen konkreten Anlass für seine Flucht gegeben habe; er könne jedoch nicht mehr in einer streng islamischen Gesellschaft leben, weshalb er bereits vor einigen Monaten den Entschluss zur Flucht gefasst habe.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Dabei ging das Bundesasylamt von den Behauptungen des Beschwerdeführers aus, gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass diesen Behauptungen keine relevante "Verfolgung" entnommen werden könne; allgemeine Benachteiligungen könnten nicht zur Gewährung von Asyl führen. Eine Bedrohungssituation im Sinn des § 57 FrG liege ausgehend von der allgemeinen Lage in Somalia nicht vor, der Beschwerdeführer habe selbst behauptet, dass es für seine Flucht keinen konkreten Anlass gegeben habe.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wies der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, dass er der Minderheit der Yiber angehöre, die ihre Rechte, Häuser, Frauen und Kinder nicht verteidigen könnten; wörtlich heißt es auszugsweise in dieser Berufung:

"... Alles, was wir gehabt hatten, wurde uns genommen. ...

Wir vom Yibro-Stamm leben in allen Teilen unseres Landes und haben allerorten Probleme mit den regierenden Stämmen, da diese die Menschenrechte nicht achten und wir uns nicht wehren können. Dies ist einer der Gründe, warum ich geflohen bin und auch nicht mehr zurückkehren kann.

...

Wir besaßen zwei Häuser in Mogadisho, beide wurden uns von der Armee des General Aydid weggenommen, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten. ..."

In der mündlichen Berufungsverhandlung führte der Beschwerdeführer weiter aus:

"...

Ich bin Yibro vom Yibro-Stamm und stellt der Stamm eine Minderheit in Somalia dar und in der Diktatur vor dem Bürgerkrieg waren wir zwar alle unterdrückt, aber gleichmäßig unterdrückt. Das heißt, dass auch Minderheitenangehörige gewisse Chancen im sozialen und beruflichen Leben hatten. Dann ist die Clanpolitik offen zu Tage getreten und gab es daher nur mehr die Clanpolitik. Die wichtigste Identität ist also die Clanidentität, das heißt, wenn man zu keinem Clan gehört, hat man keine Chance. Man kann z.B kein Parteimitglied sein und kein öffentliches Amt bekleiden. Man kann bestenfalls mit den Clans zusammenarbeiten.

...

Ich war als Mensch davon betroffen. Ich hatte keine Chance, in der Zukunft leben zu können. Ich habe kein Recht auf Erziehung, kein Recht auf politische Teilnahme. Man hat uns unser Haus weggenommen.

...

Ich selbst bin Moslem und es gibt jetzt die islamischen Sharia Gerichte und sind die Fundamentalisten im Vormarsch. Die alltäglichen Religionsangelegenheiten werden dadurch verschärft und wenn man sich daran nicht hält, wird man nicht mehr als Moslem angesehen. Die religiöse Situation hat sich durch die allgemeine politische Situation so entwickelt, und ist die nunmehrige Lage diesbezüglich noch schlechter als während des Bürgerkriegs bzw. würde ich das als terroristisches Regime bezeichnen und wird dieser Fundamentalismus von der saudiarabischen Regierung unterstützt.

...

Man hat mich psychologisch beeinträchtigt, da ich selbst gesehen habe, dass Leute in der Öffentlichkeit gesteinigt wurden. Ich persönlich war von diesen Ereignissen keinerweise betroffen.

...

Nein, direkt bin ich von all dem nicht betroffen gewesen. Nur habe ich mich immer ruhig verhalten und habe versucht, nirgendwo hineingezogen zu werden.

...

(Auf die Frage, was dem Beschwerdeführer konkret bei einer Rückkehr nach Somalia geschehen würde:) Ein Sharia Gericht würde mich mit dem Messer töten. Persönlich kennen die mich zwar nicht, aber meine kulturelle Zugehörigkeit zu meinem Stamm bringt mich in Gefahr bzw. müsste ich mich an die Vorschriften der Sharia Gerichte, was die tägliche Religionsausübung betrifft, halten, was aber mit meiner Geisteshaltung nicht vereinbar ist."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.); gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG sprach die belangte Behörde überdies aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die belangte Behörde führte aus, dass sie die "zentralen Angaben" des Beschwerdeführers als glaubwürdig einstufe und der Entscheidung zu Grunde lege. Weiter traf sie Feststellungen zur Situation in Somalia, die sich dahingehend zusammenfassen lassen, dass der frühere Staat Somalia de facto zweigeteilt sei, und zwar in eine weitgehend befriedete Nordhälfte (mit den im Aufbau begriffenen "staatsähnlichen" Gebilden Somaliland und Puntland) sowie in den sich noch im Chaos bzw. Bürgerkrieg befindlichen Südteil. Im gesamten Norden Somalias herrsche für alle Einwohner de facto Bewegungsfreiheit, nach Somaliland und Puntland sei eine Rückkehr daher grundsätzlich möglich.

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung - nicht nachvollziehbar darlegen können, dass er in seiner Heimat auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit mit konkreten massiven Verfolgungshandlungen zu rechnen gehabt hätte oder dass er bereits in der Vergangenheit von solchen Maßnahmen zumindest konkret bedroht oder gar betroffen gewesen wäre. Auch habe sich nicht ergeben, dass dem Beschwerdeführer jegliche Lebensgrundlage entzogen gewesen wäre; er habe vielmehr angegeben, sogar Arbeit gehabt bzw. über eine Unterkunft und Verpflegung verfügt zu haben. Die mit seiner Volkszugehörigkeit zusammenhängenden gesellschaftlichen Diskriminierungen wiesen nicht jene Intensität auf, dass dadurch die Flüchtlingseigenschaft indiziert wäre. Der Beschwerdeführer habe überdies nicht ins Treffen geführt, von diesen allgemeinen Diskriminierungsmaßnahmen intensiver betroffen gewesen zu sein als andere Minderheitenvolkszugehörige in seinem Heimatland. Insbesondere habe er nicht geltend gemacht, durch Diskriminierungen massiven Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt bzw. in seinem Leben bedroht gewesen zu sein. Dass eine "Gruppenverfolgung" aller Mitglieder seiner ethnischen Minderheit vorläge, habe er nicht behauptet. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die religiösen fundamentalistischen Strömungen in seinem Heimatland berufen habe, habe er gleichfalls nicht darzutun vermocht, dass er davon persönlich betroffen gewesen wäre bzw. pro futuro konkret zu befürchten hätte, in "großer Intensität" von diesen Tendenzen beeinträchtigt zu werden. Da der Beschwerdeführer somit insgesamt nicht darzulegen vermocht habe, aus Konventionsgründen mit gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen pro futuro rechnen zu müssen, habe seine Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt werden können. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Situation in Nordsomalia in einen befriedeten Landesteil, zumindest in die Provinz Somaliland, zurückkehren und dort unbehelligt Wohnsitz nehmen könne. Er habe die ihm vorgehaltene politische Entwicklung im Norden Somalias nicht bestritten und nicht ins Treffen geführt, auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit massive Verfolgungshandlungen befürchten zu müssen. Dass ihm bei Rückkehr in einen dieser Landstriche jegliche Lebensgrundlage entzogen wäre, habe er nicht darzulegen vermocht. Da die politische Entwicklung und die Entwicklung der menschenrechtlichen Situation in Nordsomalia bereits ein hohes Maß an Stabilität erreicht und zu einem hohen Maß an Rechtsstaatlichkeit geführt habe, habe der Beschwerdeführer jedenfalls dort, insbesondere in Somaliland, eine asylrelevante Verfolgung nicht (mehr) zu befürchten. Da der Beschwerdeführer keine Umstände aufgezeigt habe, welche die Annahme rechtfertigten könnten, dass er Gefahr liefe, für den Fall seiner Rückkehr im gesamten Gebiet seines Herkunftsstaates einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, sei überdies festzuhalten, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia zulässig sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass der Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattet hat, wonach er vor seiner Ausreise aus Somalia dort asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Einerseits ist es für die Asylgewährung aber keineswegs erforderlich, dass ein Fremder bereits Opfer von Verfolgung war; ausreichend ist vielmehr schon, dass bei Anlegung eines objektiven Beurteilungsmaßstabes die konkrete Gefahr einer Verfolgung gegeben ist (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0604, mwN.). Andererseits kann eine Verfolgungsgefahr nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden; sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370). In Anbetracht dieser Rechtslage hätte sich die belangte Behörde nicht mit einer Betrachtung des bisherigen Schicksals des Beschwerdeführers zufrieden geben dürfen. Sie wäre vielmehr - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - verhalten gewesen, ausgehend von der unbestrittenen Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Minderheit des Yiber-Stammes und angesichts der amtsbekannten clangeprägten Struktur der somalischen Gesellschaft die spezifische Situation von Mitgliedern dieses Stammes in den Blick zu nehmen, zumal der Beschwerdeführer gerade im Hinblick darauf seinen Asylantrag gestellt hat.

Die belangte Behörde hat ihre Feststellungen zur Situation in Somalia auf einen Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Somalia vom 3. Februar 2000 und auf einen Bericht des (deutschen) Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom Juli 1999 ("Somalia Teil II") gestützt. Es mag zutreffen, dass diesen Unterlagen - wie vom zuständigen Organwalter der belangten Behörde am Ende der Berufungsverhandlung festgehalten - eine "besonders konkrete" Gefährdung von Angehörigen von Minderheitenvolksgruppen nicht entnommen werden kann. Schon der Titel des von der belangten Behörde herangezogenen Berichtes des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (arg.: "Teil II") zeigt jedoch, dass die belangte Behörde im konkreten Fall die insbesondere auch ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft hat. Unberücksichtigt geblieben ist vor allem der Bericht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom Juni 1999, der schon seinem Titel zufolge ("Somalia Teil I") zur Abrundung des Bildes hätte miteinbezogen werden müssen und der dem Verwaltungsgerichtshof im Übrigen schon aus anderen Beschwerdefällen, Asylverfahren somalischer Staatsangehöriger betreffend, bekannt ist. Darin (unter Punkt 4.3 "Minderheiten") finden sich sehr wohl Ausführungen zur Lage von Minderheitengruppen und insbesondere von Angehörigen des Stammes der Yiber. Im Einzelnen ist dort - auszugsweise - Folgendes wiedergegeben:

"...

Weitere Minderheiten stellen die 'Clanlosen' oder 'Berufsgruppen' der Tomal, Midgan (Gaboye) und Yiber dar, die in ihrer Gesamtheit (im Norden Somalias) auch Sab oder Bon genannt werden.

Die Bezeichnung als 'clanlos' rührt von ihrer fehlenden genealogischen Beziehung zu den somalischen Clans, obwohl sie Somali sprechen und sich auch von ihrem physischen Erscheinungsbild her nicht von anderen Somali unterscheiden. Diese betrachten sie als 'unrein'. Traditionell dürfen Clanlose nur untereinander heiraten. Sie leben in eigenen Ansiedlungen unter der nomadisierenden Bevölkerung der Landes und haben sich auf Handwerksberufe und Dienstleistungen für die herrschenden Clans ihres Gebietes spezialisiert. ...

Die gesellschaftliche Benachteiligung aller angesprochenen somalischen Minderheiten führt zwar nicht zwangsläufig zu Verfolgungsmaßnahmen. Eine Diskriminierung kleinerer Gruppen (auch ethnischer Somalis) durch mächtigere Clans entspricht somalischer Tradition. Generell müssen die Minderheiten in Somalia nach amnesty international jedoch als bedroht angesehen werden. Auch nach Erkenntnissen von UNHCR sind Angehörige der Minderheiten wie die Bantus, die Midgans, die Yiber und ... besonders gefährdet, Opfer von Verfolgungsmaßnahmen zu werden, da sie sich nicht auf den Rückhalt der an der Macht beteiligten Clans berufen können.

...

Nach Erkenntnissen des niederländischen Außenministeriums sind keinerlei Fälle einer Verfolgung von Personen lediglich auf Grund ihrer Herkunft oder ihrer gesellschaftlichen Stellung bekannt. Im allgemeinen waren die Minderheitengruppen in der Lage, sich aus Clandifferenzen herauszuhalten. Ihre wirtschaftliche Situation ist deshalb oftmals besser als die von clanangehörigen Somalis, da sie fähige Arbeitskräfte sind.

Nach amnesty international gehören neben den bereits angesprochenen Gruppen zu den Minderheiten, die als bedroht anzusehen sind, auch die ... sowie Personen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind."

Vor dem Hintergrund dieser Darstellung, auf die (freilich ohne Quellenangabe) offenkundig auch die Beschwerde Bezug nimmt, lässt sich zunächst einmal nicht sagen, dass das Berichtsmaterial zu Somalia keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung von Angehörigen von Minderheitenvolksgruppen enthalte. Ebenso wenig kann des Weiteren ohne ergänzende Ermittlungen nur auf Basis der Angaben des Beschwerdeführers die Ansicht vertreten werden, die Mitglieder des Yiber-Stammes würden bloß "gesellschaftlichen Diskriminierungen" ohne asylrelevante Intensität ausgesetzt sein. Davon ausgehend kommt dem zuvor aufgezeigten behördlichen Ermittlungsmangel zweifelsohne Relevanz zu.

Im Fall des Beschwerdeführers ist ergänzend zu bedenken, dass er sich gemäß seinen für wahr erachteten Angaben nicht mehr im Stande sieht, den religiösen Vorschriften des Islam nachzukommen. Ein Sharia-Gericht würde ihn deshalb - so der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung wörtlich - "mit dem Messer töten". Insofern hat der Beschwerdeführer nicht nur allgemein religiösfundamentalistische Strömungen angesprochen, sondern eine konkrete Auswirkung derselben auf seine Person geltend gemacht. Das hat er überdies mit seiner Stammeszugehörigkeit verbunden, weshalb sich unter diesem Blickwinkel ein besonderer Ermittlungsbedarf (kombinatorische Betrachtung der Zugehörigkeit zum Yiber-Stamm und der Weigerung, den religiösen Pflichten des Islam Rechnung zu tragen) als geboten erwiesen hätte.

Der oben zitierte Abschnitt aus dem Bericht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Somalia Teil I, lässt keine geographischen Differenzierungen erkennen. Ungeachtet dessen ist die den angefochtenen Bescheid ergänzend tragende Ansicht, der Beschwerdeführer könne in befriedeten Landesteilen im Norden Somalias, insbesondere in Somaliland, unbehelligt Wohnsitz nehmen, schon deshalb nicht schlüssig, weil auch in dem von der belangten Behörde verwerteten Bericht des Auswärtigen Amtes vom 3. Februar 2000 zum Thema "Rückkehrfragen" (Punkt IV.) ua. ausgeführt wird, dass der zwangsweisen Rückführung von Somalis in ihre Heimat nach wie vor erhebliche praktische Probleme entgegenstünden; nach Somaliland und Nordostsomalia sei eine Rückkehr grundsätzlich möglich; es werde allerdings erwartet, dass die Rückkehrer eine individuelle Wiedereingliederungshilfe in Form eines Geldbetrages mitbringen; wegen der allgemein schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage seien jedoch die Überlebensmöglichkeiten von Personen in Frage gestellt, die nicht über familiäre Bindungen verfügten und in diesem Rahmen unterstützt werden könnten. Im von der belangten Behörde herangezogenen Bericht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Somalia Teil II, heißt es zum Punkt "Rückkehrfragen" (1.8.) betreffend Nordsomalia weiter:

"...

UNHCR ist der Auffassung, dass abgelehnte Asylwerber nur in Regionen und Gegenden abgeschoben werden sollten, in denen keine bewaffneten Auseinandersetzungen stattfinden, und in denen der Clan oder Subclan der betreffenden Person beheimatet ist. Voraussetzung sei allerdings, dass Gebiete, die von anderen Clans kontrolliert werden, nicht durchquert werden müssen. Zudem sollte vor Abschiebung das Einverständnis der lokalen Behörden für eine Rückkehr abgelehnter Asylsuchender eingeholt werden, um sicherzustellen, dass der Betroffene einem aus dieser Gegend stammenden Clan angehört und nicht in Gebiete ab- bzw. weitergeschoben wird, in denen ihm Verfolgung droht.

Eine Rückkehr oder Abschiebung in die nordwestlichen und nordöstlichen Regionen Somalias sei in Sicherheit nur für Personen möglich, die zu den in diesen Regionen beheimateten Clans gehörten. Hierzu zählten für den Nordwesten neben den Issaq die Gadabursi sowie die Minderheit der Midgan; für den Nordosten die Darod, Dulbahante und Warsangeli, die zu dem Harti/Kombe Clan der Darod gehörten.

Weitergehend als UNHCR stellt Prof. Dr. Maho Aves in seinem Gutachten an das VG Frankfurt am Main hinsichtlich Nordostsomalias fest, dass eine Rückkehr im allgemeinen äußerst gefährlich sei. Rückkehrer liefen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der herrschenden sozialen Spannungen Gefahr, von Privatmilizen bzw. freiwilligen Sicherheitskräften oder aber von auf eigene Rechnung agierenden bewaffneten Gruppen beraubt und ausgeplündert, vergewaltigt oder gar ermordet zu werden.

Zumindest für Personen, die Clan- oder Familienverbindungen nach Nordostsomalia besitzen, wird dieses Gutachten jedoch von anderen Quellen nicht bestätigt. ..."

Das Bestehen einer "internen Schutzalternative" für den Beschwerdeführer in Nordsomalia könnte am Boden dieser Berichtslage nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen werden. Auch die in diese Richtung gehenden Überlegungen der belangten Behörde erweisen sich damit als nicht stichhaltig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 22. Oktober 2002

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