VwGH 94/19/0183

VwGH94/19/018316.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1993, Zl. 4.325.562/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der ehemaligen UdSSR, hat am 29. August 1991 beantragt, ihr Asyl zu gewähren. Anläßlich ihrer Einvernahme vom selben Tag vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab sie im wesentlichen an, daß sich in der Ukraine, wo sie als Lektorin gearbeitet habe, an der Machtausübung gegenüber früher sehr wenig geändert habe. Ihr Chef am Institut für Hydrologie und Hydrogeologie habe sich aufgeführt "wie einstmals die Kommunisten". Die politische Situation sei sehr unstabil und die wirtschaftliche Lage sehr schlecht; man könne sich gerade den notwendigsten Lebensunterhalt leisten. Deshalb habe sich die Beschwerdeführerin entschlossen, ihrem Lebensgefährten nach Österreich zu folgen. Sie sei am 16. August 1991 nach Ungarn gefahren und von dort nach einem kurzen Aufenthalt in Budapest am 18. August 1991 illegal nach Österreich eingereist.

Mit Bescheid vom 30. August 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling sei. In ihrer Berufung dagegen führte die Beschwerdeführerin aus, ihr Vater sei KGB-Offizier, zuständig für kommunistische Propaganda und Inspektor an höheren Schulen gewesen. Er habe jedoch - in Wahrheit gegen das kommunistische Regime eingestellt - zu Hause geheim Propagandablätter gegen "die Russen" geschrieben und diese dann unter der Bevölkerung verteilt. Vor einer Kontrolle durch die Polizei sei er von einem Freund gewarnt worden, weshalb er nicht verhaftet worden sei. Er habe aber alles verloren, sogar seine Pension. Die Beschwerdeführerin selbst habe ihr Studium als Ingenieur mit Auszeichnung bestanden, ihr sei jedoch ein Studiumplatz für die Fortsetzung ihrer Studien in Kiew als Tochter eines "Volksfeindes" verweigert worden. Sie habe dann als Assistentin (am Institut) für Hydrologie und Hydrogeologie gearbeitet. Dort seien aber nach sechs Jahren ihre Arbeitsergebnisse nicht bestätigt und ihr der Doktortitel nicht verliehen worden. Mit Erreichung dieses Titels hätte sie "das Dreifache verdient und nur mehr Vorlesungen halten müssen".

Der Ort "Rovno" sei 1986 im Zuge des Unglücks von Tschernobyl, stark verseucht worden. Die Menschen hätten finanzielle Unterstützung verlangt, damit sie die Gegend verlassen könnten. Dieses Geld hätten sie jedoch nicht erhalten. Für die Beschwerdeführerin sei es unmöglich, in ihre Heimat zurückzukehren, da ihre Mutter Russin und ihr Vater Ukrainer sei. Sie habe nur Schwierigkeiten; die Menschen würden in ihrer Heimat nicht "offiziell umgebracht, sondern über Nacht".

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte sie unter anderem aus, daß dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Asylgründe im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht zu entnehmen seien.

In ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - erwogen:

Die Rüge der Beschwerdeführerin, der ihrer Vernehmung beigezogene Dolmetscher sei kein Amtsdolmetscher oder gerichtlich beeideter Dolmetscher im Sinne des § 39a AVG gewesen, ist nicht berechtigt, weil es gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 1991 genügt, daß ein GEEIGNETER Dolmetscher, der den gesamten Verlauf der Vernehmung in die Muttersprache der Beschwerdeführerin oder eine ihr ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hatte, beigezogen wurde und dies - wie bereits bei Anwendung des zur Zeit der Vernehmung geltenden § 11 AsylG - nicht bedeutet, daß sich die Behörde eines Amtsdolmetschers hätte bedienen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0256). Daß ihre damals gemachten Angaben unrichtig oder unvollständig in der Niederschrift wiedergegeben worden seien, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht.

Gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes somit die "begründete Furcht vor Verfolgung". Diese liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Dabei ist unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützendes Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr muß dem Heimatstaat zurechenbar sein.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich ein in dieser Hinsicht asylrechtlich relevanter Sachverhalt nicht entnehmen: Die allgemeine wirtschaftliche Lage wie auch etwaige Schwierigkeiten mit Vorgesetzten in der von der Beschwerdeführerin geschilderten Art sind nicht als in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannte Fluchtgründe anzuerkennen.

Benachteiligungen der Beschwerdeführerin aufgrund der politischen Einstellung ihres Vaters sowie ihrer Abstammung wiederum erreichen - selbst wenn sie dem Staate zurechenbar sein sollten - nach den von der Beschwerdeführerin gemachten erstinstanzlichen Angaben, die gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 dem Verfahren von der belangten Behörde zugrunde zu legen waren, nicht die erforderliche Intensität des Eingriffs, die Verfolgungsgefahr im dargelegten Sinne begründen könnten. So war es der Beschwerdeführerin immerhin möglich, einen Beruf auszuüben und ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei auf die weiteren Beschwerdeausführungen zur Frage der Anwendung des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht mehr einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.

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