VwGH 94/19/0256

VwGH94/19/025617.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1993, Zl. 4.305.033/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §39a;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §39a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist vom folgenden Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. April 1991 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 12. November 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, er habe keiner politischen Organisation angehört und habe sich auch politisch nie betätigt. Aus politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen habe er sich entschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Als er im Jahre 1988 einen Reisepaß beantragt habe, sei er immer wieder vertröstet worden. Vermutlich auf Grund einer Namensgleichheit mit einer anderen Person sei dies der Fall gewesen. Weiters habe er seinen Kindern eine gewisse Sicherheit bieten wollen. Im Zusammenhang mit der Ausstellung des Reisepasses habe er bezüglich seiner Nachbarschaft Auskünfte erteilen sollen; dieser Umstand habe ihn sehr verunsichert. Da er keinen Reisepaß erhalten habe, habe er sein Heimatland illegal verlassen müssen.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, daß er - wie er bereits im erstinstanzlichen Verfahren angegeben habe - Anhänger der größten oppositionellen Arbeiterbewegungsorganisation - Partei der Mudjahedin - gewesen sei. Seine parteiliche Tätigkeit habe er im Jahre 1980 in der Jugend- und Schulorganisation begonnen und dann auch Gelegenheit gehabt, mit vielen berühmten Politikern des Landes zu sprechen und zu arbeiten. Jedoch seien alle diese Personen verhaftet, gefoltert und hingerichtet worden. Durch diese Tätigkeit und die Auflehnung gegen das Regime habe seine und die Verfolgung seiner Familie begonnen. Auch seine Schwester habe bei den Befreiungskämpfen gegen das diktatorische Regime mitgemacht. Er habe zusehen müssen, wie Freunde festgenommen, gefoltert und hingerichtet worden seien. Auch seine Schwester sei "von der Schule herausgeholt und verhaftet" worden. Ohne Beweis sei seine Schwester fünf Jahre lang in Haft gehalten und mißhandelt worden. Das Elternhaus sei immer wieder von "tyrranischen Söldnern" überfallen worden, um vielleicht doch "Dokumente" des Beschwerdeführers und seiner Schwester zu finden. Da die "Söldner" keine Spuren gefunden hätten und die Eltern des Beschwerdeführers seinen Aufenthaltsort nicht verraten hätten, seien sie (gemeint offenbar die Eltern) beschimpft und geschlagen worden und hätten Tage im Polizeigefängnis verbringen müssen. Auch nach der Hochzeit des Beschwerdeführers sei die Wohnung weiterhin von "Söldnern" gestürmt worden; der Beschwerdeführer und seine Frau seien mißhandelt worden. Daraufhin habe er seinen Wohnort gewechselt und sogar zwei Jahre lang "geheim" gelebt. Schließlich habe er Mut gefaßt und sei am 17. Jänner 1986 zur Arbeit gegangen, wobei man ihn jedoch verhaftet habe. Er sei in ein Polizeigefängnis gebracht worden, wo er "vier furchtbare Tage" verbracht habe. Neben Folterungen und sonstigen Bedrohungen habe er nach Evin, in das größte politische Gefängnis Teherans, gebracht werden sollen; auf dem Weg dorthin sei ihm jedoch die Flucht gelungen. In der Folge sei er bei seinen Eltern und seiner Frau gesucht worden; diese hätten jedoch seinen Aufenthaltsort nicht verraten. Deshalb seien sie alle verhört, schwer geschlagen und mißhandelt worden. Der Beschwerdeführer habe nur mehr in Furcht vor Verfolgung gelebt und versucht, im Paßamt in Teheran Pässe zu bekommen, um in ein anderes Land zu ziehen. Da dies unmöglich gewesen sei, sei er schließlich gezwungen gewesen, mit gefälschten Pässen nach Österreich zu flüchten.

Im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung für die Zugehörigkeit zur "Autonomen Arbeiterbewegung des Iran" und zur "demokratischen iranischen Nationalfront", datiert mit 15. Jänner 1993, ausgestellt in Mainz in der Bundesrepublik Deutschland, nachgereicht. Eine weitere Bestätigung, die gleichfalls im Berufungsverfahren vorgelegt worden sei, bestätige die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers als Mitglied der Studentenabteilung der "National Demokratischen Front von Iran"; diese Urkunde sei mit 16. Jänner 1993 datiert und gleichfalls in Mainz ausgestellt worden.

Die Abweisung der Berufung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen damit begründet, daß das Berufungsvorbringen im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz unglaubwürdig sei. Im Hinblick auf die bei der Ersteinvernahme unter Hinzuziehung eines Dolmetsch gemachten Angaben sei auch die Echtheit bzw. Richtigkeit der im Berufungsverfahren nachgereichten Bestätigungen in Frage zu stellen.

Darüber hinaus sei die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung allein noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Auch der allenfalls dem Heimatstaat zuzurechnende Versuch, den Beschwerdeführer für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit anzuwerben, könne nicht als Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Konventionen gewertet werden.

Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, seine Einvernahme vor der Erstbehörde sei ohne Zuziehung eines tauglichen Dolmetschers vorgenommen worden. So stünden die Darlegungen im Protokoll, wonach der Beschwerdeführer keiner politischen Organisation angehört habe und sich auch nicht politisch betätigt habe, im Widerspruch zu den weiteren Angaben, daß der Beschwerdeführer aus "politischen", wirtschaftlichen und sozialen Gründen das Land verlassen habe. Unter einem "geeigneten Dolmetscher", könne nur ein Dolmetscher verstanden werden, der hinsichtlich der Qualifikationen jenen Anforderungen entspreche, die auch im Verfahren nach dem AVG an einen Dolmetscher gestellt würden; es sei somit die Beiziehung eines Amtssachverständigen oder aber eines gerichtlich beeideten Sachverständigen (Dolmetschers) erforderlich.

Die belangte Behörde hätte überdies wegen der sie gemäß § 16 Asylgesetz in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Asylgesetz treffenden Verpflichtung im Hinblick auf die mit der Berufung vorgelegten Urkunden die Feststellung der ersten Instanz zu ergänzen gehabt.

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit führt der Beschwerdeführer aus, daß es zwar richtig sei, daß die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung allein noch keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling bilde; wenn aber diese Mitgliedschaft mit Repressionshandlungen, wie Folterungen, Mißhandlungen und Inhaftierungen geahndet würden, so liege ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling vor.

Die Rüge des Beschwerdeführers, der seiner Vernehmung beigezogene Dolmetscher sei kein Amtsdolmetscher im Sinne des § 39a AVG gewesen, ist nicht berechtigt, weil es gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 genügt, daß ein GEEIGNETER Dolmetscher, der den gesamten Verlauf der Vernehmung in die Muttersprache des Beschwerdeführers oder eine ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hatte, beigezogen wurde und dies - wie bereits bei Anwendung (des zur Zeit der Vernehmung geltenden) § 11 Asylgesetz - nicht bedeutet, daß sich die Behörde eines Amtsdolmetschers hätte bedienen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0777). Daß seine damals gemachten Angaben - mit Ausnahme des nunmehr vorgebrachten Punktes - unrichtig oder unvollständig in der Niederschrift wiedergegeben worden seien, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz hatte die belangte Behörde ihrer Entscheidung über eine zulässige Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit dieses Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 seine Ergänzung oder Wiederholung erforderlich gemacht hätte, war daher für die belangte Behörde auf Grund der Aktenlage auch unter Berücksichtigung des Inhaltes der Berufung insoweit nicht erkennbar.

§ 20 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 bestimmt weiters, daß der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen hat, wenn der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde - im Hinblick auf die Ergebnisse des Verfahrens erster Instanz - die zur Stützung des Berufungsvorbringens vorgelegten Urkunden als zweifelhaft bezüglich ihrer Echtheit bzw. Richtigkeit angesehen hat, hat der Beschwerdeführer in keiner Weise ausgeführt, warum ihm die Einholung dieser Bestätigungen im erstinstanzlichen Asylverfahren oder doch zumindest der mit dem Vorbringen verbundene Hinweis auf die noch einzuholenden als Bescheinigungsmittel dienenden Urkunden unmöglich gewesen wäre. Es ist somit nicht erkennbar, warum die im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren.

Auch aus § 16 Asylgesetz 1991 kann keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768). Da im Beschwerdefall hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers bei der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde nicht verhalten, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.

Hatte aber die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 von den Ergebnissen des Verfahrens in erster Instanz auszugehen, kann auch die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegen, hat doch der Beschwerdeführer eine allfällige Verfolgung als Mitglied einer politischen Gruppierung im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet.

Der Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei kein Asyl zu gewähren, kann sohin mangels Vorliegen eines im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Verfolgungsgrundes nicht mit Erfolg entgegengetreten werde.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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