VwGH Ra 2016/21/0103

VwGHRa 2016/21/010330.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Februar 2016, Zl. W119 1308933- 2/5E, betreffend (insbesondere) die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: Z W in W, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs3;
AsylG 2005 §55;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs3;
EMRK Art8;
AsylG 2005 §10 Abs3;
AsylG 2005 §55;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs3;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, reiste am 17. September 2005 nach Österreich ein und stellte hier am 22. September 2005 einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24. November 2008 gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG 1997 rechtskräftig abgewiesen, unter einem wurde die Ausweisung des Mitbeteiligten aus dem österreichischen Bundesgebiet nach China verfügt.

2 Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. März 2007, bestätigt durch Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 19. April 2007, war gegen den Mitbeteiligten ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen worden, weil er von einem Organ der Abgabenbehörde bei einer Beschäftigung betreten worden war, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen.

3 Ungeachtet dessen verblieb der Mitbeteiligte in Österreich und stellte am 26. März 2014 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Darin gab er erstmals das Jahr seiner Geburt (1970) korrekt an. Auch legte er einen ihm von der Botschaft der Volksrepublik China in Warschau am 16. März 2012 ausgestellten Reisepass vor, dem seine Personaldaten entnommen werden konnten.

4 Über diesen Antrag entschied das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 14. April 2015 dahin, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gegen den Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung nach China für zulässig erklärt wurde. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

5 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Darin stellte er primär den Antrag, den begehrten Aufenthaltstitel zu erteilen.

6 Über diese Beschwerde sprach das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. Februar 2016 aus, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Mitbeteiligten gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig und dass ihm vom BFA eine "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 zu erteilen sei. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Begründend verwies das BVwG vor allem auf den seit 17. September 2005 ununterbrochenen Aufenthalt des Mitbeteiligten in Österreich, den dieser zum Erwerb grundlegender Deutschkenntnisse sowie zur beruflichen und sozialen Integration genutzt habe. Hieraus seien insgesamt hohe private, die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegende Interessen des Mitbeteiligten zu folgern.

Das BVwG kam daher bei der noch näher begründeten Interessenabwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG zu dem Ergebnis, eine Rückkehrentscheidung könne aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht mehr als dringend erforderlich erachtet werden. Das BFA habe dem Mitbeteiligten daher nunmehr eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 zu erteilen.

8 Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das BVwG mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Weder weiche seine Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer solchen Rechtsprechung. Ebenso wenig könne dessen Judikatur als uneinheitlich beurteilt werden.

9 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision zunächst geltend gemacht, das BVwG hätte, wenn es dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stattgeben wollte, diesen Titel selbst - in konstitutiver Weise - zu erteilen gehabt. Die Anordnung, ein Aufenthaltstitel werde zu erteilen sein, entspreche diesen Vorgaben nicht, sodass das BVwG insoweit von der (wie im Folgenden näher dargelegten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

12 Anders als in dem vom BFA in diesem Zusammenhang zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0116 (sowie daran anknüpfend die Erkenntnisse vom 28. Mai 2015, Ra 2015/22/0001, und Ra 2015/22/0020), in denen vom BVwG auch eine Behebung der dort angefochtenen Bescheide vorgenommen worden war, ist die vorliegend angefochtene Entscheidung aber insgesamt so zu verstehen, dass das BVwG selbst gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Form einer stattgebenden Entscheidung im Sinne von dessen konstitutiver Erteilung absprechen wollte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 25. Februar 2016, Ra 2016/21/0052). So räumt auch die Amtsrevision ausdrücklich ein, es "deute nichts darauf hin, dass das BVwG die Angelegenheit der Sache nach gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das BFA zurückverweisen wollte". Demgemäß ist davon auszugehen, das BVwG habe nur zum Ausdruck bringen wollen, dass als Folge der positiven Antragserledigung der Aufenthaltstitel (durch das BFA) gemäß § 3 AsylG-DV 2005 als Karte - gemäß § 54 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005: für die Dauer von zwölf Monaten - auszustellen sein werde.

13 Weiters erblickt die Amtsrevision im Umfang der vom BVwG gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG getroffenen Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, eine Überschreitung der Sache des vor dem BVwG geführten Beschwerdeverfahrens. Bei Bewilligung des nach § 55 AsylG 2005 gestellten Antrages sei nämlich "nicht über eine auf Dauer unzulässige Rückkehrentscheidung abzusprechen".

14 Richtig ist zwar, dass im Falle der Stattgebung eines Antrages nach § 55 AsylG 2005 ein Ausspruch, eine Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig, im Gesetz nicht vorgesehen ist. Die Amtsrevision lässt jedoch, wie vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101 (vgl. insbesondere Punkte 3.3., 3.4. und 4.1. der Entscheidungsgründe) näher dargelegt, den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 außer Acht. Sowohl die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung als auch die inhaltliche Berechtigung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 hängen nämlich jeweils vom Ergebnis der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG ab (vgl. in diesem Sinn auch den hg. Beschluss vom 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0006, mwN). Insoweit kommt dem Ausspruch, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, fallbezogen keine eigenständige Bedeutung zu. Von einer Überschreitung "der Sache des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens" kann daher nicht gesprochen werden.

15 In der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision werden somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

16 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Juni 2016

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