Normen
AVG §59 Abs1;
FrPolG 2005 §88 Abs2a;
FrPolG 2005 §90 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
AVG §59 Abs1;
FrPolG 2005 §88 Abs2a;
FrPolG 2005 §90 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 9. Dezember 2014 wurde dem Mitbeteiligten, einem 1965 in Usbekistan geborenen russischen Staatsangehörigen, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt. Nach den Feststellungen in dem genannten Erkenntnis erlitt der Mitbeteiligte in Österreich im April 2013 einen Gehirnschlag. Er kann seitdem nicht mehr gehen und ist zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen; er ist in seiner Sprachfähigkeit eingeschränkt. Weiters leidet der Mitbeteiligte an einem akuten Nierenversagen und muss sich daher dreimal pro Woche einer Dialysebehandlung unterziehen.
2 Am 18. Mai 2015 beantragte der Mitbeteiligte die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG.
3 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 ab.
4 Der dagegen erhobenen Beschwerde hat das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis stattgegeben und ausgesprochen "F. B. (Mitbeteiligter) ist gemäß § 88 Abs. 2a FPG idgF ein Fremdenpass auszustellen". Weiters sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
7 Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision zunächst in formeller Hinsicht geltend gemacht, der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses sei nicht hinreichend bestimmt, weil sich daraus die Gültigkeitsdauer des auszustellenden Fremdenpasses nicht ergebe.
8 In diesem Zusammenhang ist vorweg klarzustellen, dass der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses in Verbindung mit seiner Begründung eindeutig dahin zu verstehen ist, dass damit in Abänderung des in Beschwerde gezogenen Bescheides des BFA vom 12. Oktober 2015 dem Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG stattgegeben wird und dass dem entsprechend dieses Reisedokument vom BFA auszustellen ist. Anders als in dem die Erteilung eines Aufenthaltstitels betreffenden, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0116, (vgl. daran anschließend auch die Erkenntnisse vom 28. Mai 2015, Ra 2015/22/0001, und Ra 2015/22/0020) zugrundeliegenden Fall, in dem das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge gegeben und weiters festgehalten hatte, es werde "der angefochtene Bescheid behoben und wird der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen sein", bestehen in der vorliegenden Konstellation keine Zweifel, dass das BVwG mit der angefochtenen Beschwerdeentscheidung selbst über den zugrunde liegenden Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Form einer stattgebenden Entscheidung in der Sache iSd § 28 Abs. 2 VwGVG abgesprochen hat. Das wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt.
9 Zu der dort vorgetragenen Kritik am Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ist aber auf § 90 Abs. 1 FPG zu verweisen. Danach "können" Fremdenpässe mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren ausgestellt werden, es sei denn, dass eine kürzere Gültigkeitsdauer beantragt wird (Z 1) oder dass im Hinblick auf die für die Ausstellung des Fremdenpasses maßgeblichen Voraussetzungen eine kürzere Gültigkeitsdauer ausreichend ist (Z 2). Das Vorliegen der genannten Ausnahmefälle wird weder in der Amtsrevision behauptet noch gibt es dafür in der vorliegenden Konstellation ausreichend konkrete Anhaltspunkte, sodass hier kein Zweifel bestehen kann, dass der dem Mitbeteiligten bewilligte Fremdenpass mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren auszustellen ist. Dass dies vom BVwG in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich festgestellt wurde, macht dessen Spruch somit nicht unbestimmt. Für ein dem BFA eingeräumtes Ermessen, auch eine kürzere Gültigkeitsdauer bei der Ausstellung des Fremdenpasses vorzusehen, wie die Amtsrevision meint, besteht - ungeachtet der Verwendung des Wortes "können" in § 90 Abs. 1 FPG - kein Anhaltspunkt, zumal der genannten Bestimmung diesbezüglich auch keine Ermessenskriterien zu entnehmen sind. Außer bei Vorliegen der in der Z 1 und Z 2 angeführten Ausnahmen ist daher ein Fremdenpass gemäß § 90 Abs. 1 FPG (immer) für die Gültigkeitsdauer von fünf Jahren auszustellen. Da somit insoweit kein Spielraum besteht, genügt der Spruch des BVwG im vorliegenden Fall dem Bestimmtheitserfordernis des § 17 VwGVG iVm § 59 Abs. 1 AVG. Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem hg. Erkenntnis vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0010 bis 0014, weil es dort um den nicht ohne weiteres vergleichbaren Fall des Fehlens einer ausdrücklichen Festlegung der Gültigkeitsdauer eines erteilten Aufenthaltstitels ging. Im Übrigen enthält auch die Revision keine nähere Begründung für ihre Auffassung, diese Judikatur sei - trotz des in dem genannten Erkenntnis als wesentlich erachteten Umstandes, dass Aufenthaltstitel (anders als Fremdenpässe) auch für unbestimmte Zeit erteilt werden können - auf die Ausstellung von Fremdenpässen "grundsätzlich übertragbar".
10 In der Sache wird zur Zulässigkeit der Amtsrevision geltend gemacht, zu dem Tatbestandserfordernis nach § 88 Abs. 2a FPG, dass die einen Fremdenpass beantragenden subsidiär Schutzberechtigten "nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen", bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die "aktuelle Rechtsprechung" (Hinweis auf das Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0124) sehe diese Frage als Erfolgsvoraussetzung, beschäftige sich jedoch nicht näher damit.
11 Das BVwG ist im angefochtenen Erkenntnis mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gekommen, die erwähnte Tatbestandsvoraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt.
12 In der (weiteren) Begründung der Revision wurde diesbezüglich geltend gemacht, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Mitbeteiligten vorliege, weil er "offensichtlich" nicht einmal versucht habe, mit der Vertretungsbehörde Kontakt aufzunehmen. "Dementsprechend" sei das BFA zu Recht davon ausgegangen, dass es dem Mitbeteiligten nicht unmöglich sei, sich einen eigenen Reisepass bei seiner Vertretungsbehörde in Wien zu beschaffen.
Das BVwG habe außerdem verkannt, dass der Mitbeteiligte in der Lage gewesen sei, persönlich beim BFA einen Fremdenpass zu beantragen und die Wartezeit in Kauf zu nehmen; worin der Unterschied bei der Erreichbarkeit und den Wartezeiten zwischen dem BFA und der russischen Vertretungsbehörde liege, begründe das BVwG nicht. Weiters habe das BVwG Ermittlungen unterlassen, "ob etwa" eine telefonische Terminvereinbarung mit der russischen Botschaft zwecks Passbeantragung und Passausstellung möglich wäre.
13 Mit diesen Ausführungen wird allerdings keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan. Bei der Klärung der Frage, ob der Mitbeteiligte nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, handelt es sich nämlich um eine einzelfallbezogene Beurteilung. Die dabei vom BVwG "unter Würdigung aller besonderen
Aspekte ... im speziellen Einzelfall", vorgenommene Wertung -
aufgrund der schweren gesundheitlichen Einschränkungen des Mitbeteiligten in Verbindung mit einer infolge Fehlens der notwendigen Dokumente angenommenen geringen Wahrscheinlichkeit der Ausstellung eines Reisepasses durch die russische Vertretungsbehörde seien dem Mitbeteiligten auch angesichts der schon vor seiner Ausreise in ähnlichen Angelegenheiten erfahrenen Schikanen durch die Behörden seines Heimatstaates die erforderlichen Schritte zur Erlangung eines Reisepasses nicht zumutbar - ist nicht als unvertretbar anzusehen. Jedenfalls kann diesbezüglich - auch wenn das BVwG im Sinne der Argumentation in der Amtsrevision ebenso ein anderes Ergebnis in Betracht hätte ziehen können - nicht von einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden krassen Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf, die Rede sein (vgl. idS etwa den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Ra 2015/08/0008).
14 Angesichts dessen ist entgegen dem Standpunkt des amtsrevisionsführenden BFA im gegenständlichen Fall keine relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beantworten, sodass sich die Revision als unzulässig erweist. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 25. Februar 2016
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