Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs4;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAGDV 2005 §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs4;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAGDV 2005 §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1. Mit Bescheid vom 14. März 2013 wies die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag der Mitbeteiligten vom 23. Jänner 2013 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Die belangte Behörde verwies auf die mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom Juli 2011 erfolgte rechtskräftige Ausweisung der Mitbeteiligten und gelangte zum Ergebnis, dass eine Neubeurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht zu ihren Gunsten ausfallen könne.
2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der dagegen erhobenen - als Beschwerde zu wertenden - Berufung der Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge und hielt weiters fest, es werde "der angefochtene Bescheid behoben und wird der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen sein" (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die ordentliche Revision für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
Das Verwaltungsgericht stellte den - im Wege der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergänzend festgestellten - Sachverhalt dar und bescheinigte der Mitbeteiligten einen sehr hohen Integrationsgrad in sozialer, ausbildungsmäßiger und persönlicher Hinsicht, weshalb "die beantragte Niederlassungsbewilligung" zu erteilen sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Bundesministerin für Inneres.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
"Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts
durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
..."
§ 41a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 lautet auszugsweise:
"Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus'
§ 41a. ...
(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist
ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn
sie
1. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine
'Aufenthaltsberechtigung plus' gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1
AsylG 2005,
2. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine
'Aufenthaltsberechtigung' gemäß §§ 55 Abs. 2 oder 56 Abs. 2 AsylG 2005 oder
3. über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt
haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
..."
§ 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 201/2011, lautet auszugsweise:
"Form und Inhalt der Aufenthaltstitel
§ 1. Aufenthaltstitel (§ 8 Abs. 1 NAG) werden als Karte entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2002 S. 1 in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 , ABl. Nr. L 115 vom 29.4.2008 S. 1, erteilt und sind nach dem Muster der Anlage A auszustellen."
4.2. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es sei aus dem wiedergegebenen Spruchpunkt nicht klar ersichtlich, ob das Verwaltungsgericht den Titel durch das angefochtene Erkenntnis selbst erteilen wolle oder ob der Titel durch den Landeshauptmann zu erteilen sein werde. Darüber hinaus mangle es dem angefochtenen Erkenntnis an der erforderlichen Bestimmtheit, weil nicht konkretisiert werde, für welche Dauer der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werden solle. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad eines Spruches, mit dem ein Verwaltungsgericht einen Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt, existiere noch nicht. Dieser Rechtsfrage komme aus rechtssystematischen Gründen und auch für eine einheitliche Rechtsanwendung Bedeutung zu.
Die Revision erweist sich im Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig und auch berechtigt.
4.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2014/22/0103 bis 0105, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, Ausführungen zu den Voraussetzungen erstattet, bei deren Vorliegen das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden hat. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses festgehalten, dass der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird. Zwar hat das Verwaltungsgericht - wie sich der Begründung des Erkenntnisses entnehmen lässt - die für die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erforderliche Interessenabwägung selbst - zugunsten der Mitbeteiligten - vorgenommen. Das Verwaltungsgericht bringt auch nicht zum Ausdruck, dass noch Feststellungen oder Ermittlungen fehlen. Somit deutet nichts darauf hin, dass es die Angelegenheit (der Sache nach) gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG an die belangte Behörde zurückverweisen wollte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht am Maßstab der oben zitierten hg. Rechtsprechung zu einer solchen Zurückverweisung berechtigt gewesen wäre.
Dessen ungeachtet ergibt sich aus dem zitierten Spruchpunkt nicht, dass das Verwaltungsgericht damit selbst über den zugrunde liegenden Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgesprochen hat. Eine Entscheidung in der Sache selbst bedingt nämlich in einem Fall wie dem vorliegenden, dass das Verwaltungsgericht, wenn es wie hier dem Antrag stattgeben will, den beantragten Aufenthaltstitel selbst - in konstitutiver Weise - erteilt. Die nicht näher ausgeführte Anordnung, dass ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird, entspricht diesen Vorgaben nicht. Die Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes, in der Sache selbst zu entscheiden, kann in einem Fall wie dem vorliegenden - ungeachtet dessen, dass bei einer positiven Erledigung eines Antrags auf Titelerteilung durch die Verwaltungsbehörde der Aufenthaltstitel gemäß § 1 NAG-DV als Karte ausgestellt wird (vgl. zur Ausfolgung des Aufenthaltstitels als Karte durch die (früher: erstinstanzliche) Verwaltungsbehörde das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, 2012/22/0206) - nur dahin verstanden werden, dass das Verwaltungsgericht, sieht es die positive Erledigung des Antrags als geboten an, die Rechtssache durch Erkenntnis, mit dem der beantragte Aufenthaltstitel erteilt wird, erledigt.
4.4. Darüber hinaus ist noch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0010 bis 0014, auf dessen Entscheidungsgründe ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, dass bei Erteilung eines Aufenthaltstitels auch die Gültigkeitsdauer des erteilten Aufenthaltstitels festgelegt werden muss und dass die fehlende Bestimmtheit des Zeitraumes, für den der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werden soll, die Titelerteilung mit Rechtswidrigkeit belastet. Auch dieser Vorgabe entspricht das angefochtene Erkenntnis nicht, weil die Gültigkeitsdauer, für die der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werden soll, nicht festgelegt worden ist.
5. Aus den dargestellten Gründen war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 26. Februar 2015
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)