Normen
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §10 Abs2;
AsylG 2005 §10 Abs3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §56;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2;
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5;
AsylG 2005 §58 Abs10 idF 2012/I/087;
AsylG 2005 §58 Abs2 idF 2012/I/087;
AsylG 2005 §58 Abs2 idF 2015/I/070;
AsylG 2005 §58 Abs3 idF 2012/I/087;
AsylG 2005 §58 Abs5;
AsylG 2005 §58 Abs6;
AsylG 2005 §60 Abs1;
AsylG 2005 §60 Abs3 Z1;
AsylG 2005 §75 Abs23;
BFA-VG 2014 §20 Abs1;
BFA-VG 2014 §20 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs1;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
BFA-VG 2014 §9 Abs3;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1 idF 2012/I/087;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs3;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §55;
FrPolG 2005 §59 Abs5;
FrPolG 2005 §61 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §66 Abs1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3 idF 2009/I/029;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
NAG 2005 §44a idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
VwGG §41;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §10 Abs2;
AsylG 2005 §10 Abs3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §56;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2;
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5;
AsylG 2005 §58 Abs10 idF 2012/I/087;
AsylG 2005 §58 Abs2 idF 2012/I/087;
AsylG 2005 §58 Abs2 idF 2015/I/070;
AsylG 2005 §58 Abs3 idF 2012/I/087;
AsylG 2005 §58 Abs5;
AsylG 2005 §58 Abs6;
AsylG 2005 §60 Abs1;
AsylG 2005 §60 Abs3 Z1;
AsylG 2005 §75 Abs23;
BFA-VG 2014 §20 Abs1;
BFA-VG 2014 §20 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs1;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
BFA-VG 2014 §9 Abs3;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1 idF 2012/I/087;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs3;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §55;
FrPolG 2005 §59 Abs5;
FrPolG 2005 §61 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §66 Abs1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3 idF 2009/I/029;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
NAG 2005 §44a idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
VwGG §41;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit über die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im November 1956 geborene Revisionswerber, ein der bosnischen Volksgruppe angehörender und aus P stammender Staatsangehöriger der Republik Kosovo, stellte nach seiner Einreise in Österreich am 25. Dezember 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 13. Jänner 2011 wies das Bundesasylamt den genannten Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab; unter einem erging eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. Oktober 2011 zur Gänze als unbegründet ab. Anschließend gestellte Wiederaufnahme- und Wiedereinsetzungsanträge waren erfolglos.
Der Revisionswerber blieb in Österreich. Am 31. Oktober 2014 stellte er beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
Diesen Antrag wies das BFA nach Vernehmung des Revisionswerbers am 12. Jänner 2015 mit Bescheid vom 26. Jänner 2015 gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung. Weiters stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Republik Kosovo zulässig sei. Schließlich setzte es die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
In der dagegen erhobenen Beschwerde trat der Revisionswerber zunächst der Auffassung des BFA entgegen, das mehrere Jahre bestehende Zusammenleben mit seinem erwachsenen Sohn und dessen Familie in einem gemeinsamen Haushalt und die Beziehung zu seiner ebenfalls in Österreich mit ihren Angehörigen lebenden Tochter sei nicht als "Familienleben" zu qualifizieren. Mit näherer Begründung legte der Revisionswerber dar, dass er seiner Auffassung nach von den genannten Angehörigen abhängig sei und eine intensive Beziehung bestehe. Sie kämen für seinen Unterhalt und seine private Krankenversicherung auf und sie hätten tragfähige Haftungserklärungen abgegeben, sodass auch in der Zukunft eine Belastung der öffentlichen Hand auszuschließen sei. Außerdem hätte das BFA bei der Interessenabwägung auf das fortgeschrittene Alter des Revisionswerbers und seine näher beschriebenen Integrationsbemühungen Bedacht nehmen müssen. Insbesondere habe er das Sprachdiplom A 2 erworben, womit er auch das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfülle, und besuche aktuell den Deutschkurs B 1. Weiters erstattete der Revisionswerber noch unter Bezugnahme auf zahlreiche Quellen ein ausführliches Vorbringen zu der im Kosovo bestehenden Armut und zu den dort allgemein herrschenden schlechten Lebensbedingungen, die den Revisionswerber als Angehörigen der bosnischen Minderheit, die näher beschriebenen Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt sei, "doppelt hart" treffen würden. Deshalb könne nicht mehr von bestehenden Bindungen des Revisionswerbers zu seinem Herkunftsstaat ausgegangen werden, auch wenn sich dort noch seine kranke Ehefrau aufhalte, die im Familienverband ihres Bruders lebe. Außerdem werde bei einer Abschiebung in den Kosovo die beim Revisionswerber im Jahr 2011 diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung mit Sicherheit wieder aufbrechen, es also zu einer Retraumatisierung kommen. Schließlich führte der Revisionswerber noch ins Treffen, während seines Aufenthalts in Österreich immer aufrecht gemeldet gewesen zu sein und sich dem Zugriff der Behörden, die von sich aus keine Aktivitäten zur Beendigung des Aufenthalts gesetzt hätten, nicht entzogen zu haben. Das Gewicht seines unrechtmäßigen Aufenthalts sei daher aufgrund der Gewährung einer "de-fakto-Duldung" relativiert. Unter Bedachtnahme auf all diese Umstände hätte das BFA dem Antrag des besonders schutzwürdigen Revisionswerbers auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 stattgeben müssen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erweise sich als unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben, der zur Wahrung öffentlicher Interessen nicht "zwingend" erforderlich sei. Demzufolge beantragte der Revisionswerber in der Beschwerde, das BVwG möge den angefochtenen Bescheid dahin abändern, dass dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stattgegeben und die Rückkehrentscheidung ersatzlos behoben werde.
Unter Bezugnahme auf dieses Vorbringen, insbesondere auf die Ausführungen zur Lage von Angehörigen ethnischer Minderheiten, vertrat der Revisionswerber in der Beschwerde dann noch mit näherer weiterer Begründung die Auffassung, im Falle einer Abschiebung in den Kosovo würde er in eine "ausweglose Lebenssituation" geraten, "die den Schutz des Art. 3 EMRK auslöst". Es wurde daher auch beantragt, den Bescheid des BFA dahin abzuändern, dass festgestellt werde, die Abschiebung des Revisionswerbers in die Republik Kosovo sei nicht zulässig.
Neben dem Eventualantrag auf Behebung des Bescheides des BFA und Zurückverweisung der "Antragssache nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005" an die Verwaltungsbehörde zur neuerlichen Entscheidung wurde in der Beschwerde schließlich auch noch ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gestellt.
Diese Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Abhaltung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Juni 2015 gemäß "§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und § 55 FPG sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005" als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:
Die Revision ist (wie sich aus dem Weiteren ergibt) entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig; sie ist im Ergebnis auch berechtigt.
1.1. Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 31. Oktober 2014 begehrte der Revisionswerber die Erteilung eines in § 55 AsylG 2005 (in der seit 1. Jänner 2014 geltenden Fassung des FNG) determinierten Aufenthaltstitels "aus Gründen des Art. 8 EMRK". Einschließlich der Überschrift bestimmt die genannte Norm:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine 'Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine 'Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
1.2. Diesbezüglich enthält § 58 AsylG 2005 nähere verfahrensrechtliche Bestimmungen. § 58 AsylG 2005 lautete (in der hier maßgeblichen, in der Zeit vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 19. Juli 2015 geltenden Fassung des FNG, die durch das am 20. Juli 2015 in Kraft getretene FrÄG 2015 nur im Abs. 2 Änderungen erfahren hat, auf die unten im Punkt 3.4.2. noch näher eingegangen wird) wie folgt, wobei zum Verständnis der Ausführungen im Punkt 2.3. jene Teile, die sich auf die amtswegige Prüfung der Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 beziehen, auch wiedergegeben werden:
"Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
- 1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet
- 2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem
7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."
2.1. Das BFA gründete die in seinem Bescheid vorgenommene Verbindung der Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung auf die Bestimmungen des § 10 Abs. 3 (erster Satz) AsylG 2005 und des § 52 Abs. 3 FPG, während sich das BVwG im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses in diesem Zusammenhang auf § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG stützte. Die genannten Paragraphen des AsylG 2005 und des FPG (jeweils in der hier maßgeblichen, seit 1. Jänner 2014 geltenden Fassung des FNG-Anpassungsgesetzes) lauten auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
...
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
"Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
- 1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
- 2. ...
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
...
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
...
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
..."
2.2. Die vom BVwG herangezogenen Rechtsgrundlagen für die "unter einem" vorzunehmende Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung, nämlich § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, knüpfen an die gänzliche Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz an. Dabei wurde außer Acht gelassen, dass das BFA nicht über einen Antrag auf internationalen Schutz entschieden, sondern mit dem beim BVwG in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 26. Jänner 2015 den das gegenständliche Verfahren einleitenden Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen hatte. Für diesen Fall ergibt sich die "unter einem" vorzunehmende Erlassung einer Rückkehrentscheidung aus den vom BFA zu Recht herangezogenen Bestimmungen des § 10 Abs. 3 erster Satz AsylG 2005 und des § 52 Abs. 3 FPG.
2.3. Das BFA hat auch zutreffend nicht von Amts wegen geprüft, ob dem Revisionswerber eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist. Anders als in dem vom BVwG unterstellten Fall, dass ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, für den § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 anordnet, ist das für den Fall der Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 AsylG 2005 nicht vorgesehen. Dafür bietet in der vorliegenden Konstellation - anders als die Revision unterstellt - auch § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, wonach das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen hat, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, keine Rechtsgrundlage, weil sich diese Bestimmung erkennbar nur auf den Fall des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG bezieht. (Vgl. die diesbezüglichen ErläutRV zum FNG, 1803 BlgNR 24. GP 37 und 48, die einerseits ausdrücklich zwischen den beiden in Abs. 2 und Abs. 3 des § 10 AsylG 2005 geregelten Fällen unterscheiden und andererseits festhalten, dass die Z 5 des § 58 Abs. 1 AsylG 2005 eine Verbindung zum FPG herstelle und daher das BFA, wenn ihm von der Landespolizeidirektion der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden mitgeteilt wurde, auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 zu prüfen habe.) Es besteht aber auch gar keine Notwendigkeit für eine amtswegige Prüfung der Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005, wenn sich der Fremde - wie im vorliegenden Fall - entschieden hat, ausdrücklich einen Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels zu stellen und damit erkennbar (nur) dessen Voraussetzungen für gegeben erachtet (vgl. die oben im Punkt 1.2. wiedergegebenen Abs. 5 und 6 des § 58 AsylG 2005, wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 persönlich beim BFA zu stellen und dabei der angestrebte Aufenthaltstitel genau zu bezeichnen ist, das BFA allerdings ohnehin über den Umstand zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt).
2.4. Die dargestellte Rechtslage hat das BVwG zwar verkannt, doch ist der Revisionswerber durch die Heranziehung unrichtiger Rechtsgrundlagen für die nach anderen Bestimmungen ebenfalls gebotene Verbindung der Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung nicht in Rechten verletzt.
In Bezug auf die vom BVwG vorgenommene Verneinung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 war jedoch die Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes - im Hinblick auf die auch in diesem Punkt gegebene Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG:
auch von Amts wegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2015, Ra 2014/11/0065) - wahrzunehmen und deshalb insoweit mit einer Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG vorzugehen.
3.1. Maßgebliche Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach dem eingangs im Punkt 1.1. zitierten § 55 AsylG 2005 ist, dass im Sinne des Abs. 1 Z 1 "dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist". Erfüllt der Fremde überdies die Voraussetzung des Abs. 1 Z 2 erhält er eine "Aufenthaltsberechtigung plus".
Die Abs. 1 bis 3 des angesprochenen § 9 BFA-VG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2015, mit dem nur der Entfall der Wortfolge "und 48" im Abs. 3 und Änderungen im Abs. 4 vorgenommen wurden) lauteten:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
- 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
- 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
- 4. der Grad der Integration,
- 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
- 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
- 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
3.2. Die Vorgängerbestimmungen des zitierten § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG waren § 61 Abs. 1 bis 3 FPG in der Fassung des am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen FrÄG 2011 und davor § 66 Abs. 1 bis 3 FPG in der am 1. April 2009 in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 (die nachfolgenden Änderungen im Abs. 3 durch das FrÄG 2009 waren nur marginal); alle genannten Normen sind im Wesentlichen inhaltsgleich (zum Verhältnis der letztgenannten Bestimmung zu § 66 Abs. 1 und 2 FPG in der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Stammfassung siehe des Näheren Punkt 2.3. des hg. Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348). Daher hat die zu den erwähnten Vorgängerregelungen ergangene Judikatur weiterhin ihre Gültigkeit. Nach wie vor ist somit unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der (nunmehr) im § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich (nunmehr) aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. etwa das zu § 61 FPG ergangene hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2012, Zl. 2011/21/0277, Punkt 2., mwN; siehe zur geltenden Rechtslage auch das hg. Erkenntnis vom 28. April 2015, Ra 2014/18/0146 bis 0152, Punkt III.4.3.).
3.3. Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere der hier in Rede stehenden Rückkehrentscheidung, setzt somit nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (zur Auslegung der Wendung "dringend geboten" siehe Punkt 2.3.1. im schon genannten Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348). Ergibt die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG somit, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht dringend geboten ist, sondern unverhältnismäßig wäre, dann ist sie - in der Regel: auf Dauer (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2012, Zl. 2012/21/0030, Punkt 3.4.) - unzulässig, sodass ein entsprechender Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG vorzunehmen und ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre. Stellt eine aufenthaltsbeendende Maßnahme jedoch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar, dann folgt daraus nicht nur deren Zulässigkeit im Grunde des § 9 BFA-VG, sondern auch, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privatund/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten ist (vgl. in diesem Sinn schon zur früheren Rechtslage Punkt 4.3.3. des hg. Erkenntnisses vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; siehe dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2010/21/0142, wonach mit einer bereits rechtskräftig erlassenen Ausweisung feststehe, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig ist, was es ausschließe, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten wäre).
3.4.1. Dieser inhaltliche Gleichklang der Beurteilung des Eingriffs in ein Familien- und/oder Privatleben wurde auch vom Gesetzgeber berücksichtigt. So wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 am 1. April 2009 erstmals § 44a NAG eingeführt. Diese Bestimmung normierte (in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vor dem FNG), die Behörde habe einen Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen, wenn eine asylrechtliche oder fremdenpolizeiliche Ausweisung oder eine Rückkehrentscheidung wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Die ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 12 merkten dazu an, dass § 44a NAG in den Fällen einer auf Dauer unzulässigen Ausweisungsentscheidung die gleichsam "automatische" Erteilung eines Aufenthaltstitels vorsehe und damit dem Bedürfnis Rechnung getragen werde, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren (vgl. auch dazu das schon oben zitierte Erkenntnis vom 25. Oktober 2012, Zl. 2012/21/0030).
3.4.2. In diesem Sinn normiert nunmehr auch § 58 Abs. 2 AsylG 2005 (in der seit 20. Juli 2015 geltenden Fassung des FrÄG 2015), die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sei von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Trotz der gegenüber § 44a NAG und § 58 Abs. 2 AsylG 2005 in der oben im Punkt 1.2. wiedergegebenen Fassung des FNG durch das FrÄG 2015 adaptierten
Formulierung ("ist ... zu prüfen"), ist damit inhaltlich keine
Änderung eingetreten. Ist eine Rückkehrentscheidung im Grunde des § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig, dann ist auch weiterhin - zwingend - von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen, woran auch die in § 60 Abs. 1 und 3 Z 1 AsylG 2005 normierten "allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen" nichts ändern können. Den ErläutRV (582 BlgNR 25. GP 14 f) zufolge sollte mit der durch das FrÄG 2015 im Abs. 2 des § 58 AsylG 2005 vorgenommenen "Anpassung und Klarstellung" in erster Linie auch nur dem Umstand Rechnung getragen werden, dass dieselbe Behörde (das BFA) unter einem die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung auszusprechen und über die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abzusprechen hat, sodass es des bisherigen Verweises auf eine rechtskräftige Entscheidung nicht mehr bedürfe. Zusätzlich sollte damit klargestellt werden, dass auch das BVwG - in jeder Verfahrenskonstellation - über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 absprechen dürfe, weil die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels "diesfalls" vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst sei.
In diesem Zusammenhang ist aber noch darauf hinzuweisen, dass eine amtswegige Prüfung, ob dem Fremden ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre, über deren "Ergebnis" gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen ist, nur für den Fall vorgesehen ist, dass eine Rückkehrentscheidung im Grunde des § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Jedenfalls nach der Neufassung des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 durch das FrÄG 2015 bietet dessen Abs. 3 keine Rechtsgrundlage (mehr), in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung erlassen oder nur für vorübergehend unzulässig erklärt wird, darüber hinaus auch noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen, mag der Fremde dadurch auch nicht in Rechten verletzt sein, wenn der im dargestellten Sinn erfolgte Abspruch über die Rückkehrentscheidung zu Recht ergangen war.
3.5.1. Umgekehrt bestimmt - als Nachfolgeregelung des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG - nunmehr § 58 Abs. 10 AsylG 2005, dass Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht (siehe zu diesen Voraussetzungen das zu § 44b Abs. 1 NAG ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, Zl. 2011/22/0127, und daran anschließend u.a. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2015, Ra 2014/22/0115). Nach dieser Judikatur liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig.
3.5.2. Gegen den Revisionswerber besteht zwar eine im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz erlassene rechtskräftige Ausweisung, die gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 23 AsylG 2005 als aufrechte Rückkehrentscheidung gilt. Ungeachtet dessen hat das BFA eine Antragszurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 nicht in Betracht gezogen und ist somit (implizit) - schon wegen der zusätzlichen Aufenthaltsdauer von etwa dreieinhalb Jahren und wegen der in dieser Zeit erlangten integrationsbegründenden Umstände: am Maßstab der im Punkt 3.5.1. zitierten Rechtsprechung im Ergebnis zu Recht (vgl. etwa auch das zu § 44b NAG ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2013, Zl. 2011/22/0188) - im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von eine neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machenden Sachverhaltsänderungen ausgegangen. Überdies hat der Revisionswerber in der Beschwerde das diesbezügliche Vorbringen noch konkretisiert und ergänzt, wobei anzumerken ist, dass gemäß § 20 Abs. 3 BFA-VG dessen Abs. 1, der ein beschränktes Neuerungsverbot für Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA normiert (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 29. Juli 2015, Ra 2015/18/0036, mwN), bei Beschwerden gegen Entscheidungen auf Grund eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 - dort befindet sich § 55 - nicht anzuwenden ist.
4.1. Zur Prüfung der inhaltlichen Berechtigung des Antrags des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 war - ebenso wie bei der vom BVwG unter Außerachtlassung dieses Antrags diesbezüglich vorgenommenen amtswegigen Prüfung - eine Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG (siehe dazu oben Punkt 3.2.) vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass bei einer solchen Interessenabwägung auch ein Vorbringen zu berücksichtigen ist, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2005, Zl. 2002/21/0132, und darauf Bezug nehmend das hg. Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl. 2004/21/0191; siehe in diesem Sinn auch zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen das hg. Erkenntnis vom 21. April 2011, Zl. 2011/01/0093). Es ist weiters Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei dieser Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2013, Zl. 2012/23/0006).
4.2. Ungeachtet dessen hat sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis überhaupt nicht mit dem ausführlichen Beschwerdevorbringen zu den Lebensverhältnissen im Kosovo und dem daraus abgeleiteten Fehlen einer Existenzgrundlage für den Revisionswerber als Angehörigen der bosnischen Minderheit bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat und zur befürchteten Retraumatisierung bei einer Abschiebung dorthin auseinandergesetzt. Demzufolge hat es auch nicht erkannt, dass es schon wegen dieses Vorbringens am Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa nur das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2015, Ra 2014/22/0181, Punkt 3.2., mit dem Hinweis u. a. auf das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018) der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte, weil jedenfalls diesbezüglich nicht von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG, mit dem das BVwG die Unterlassung einer Verhandlung begründete, ausgegangen hätte werden dürfen. Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt (vgl. nur das zuletzt zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0181, Punkt 3.4., mwN) darauf hingewiesen, dass die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden kann und dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt.
4.3. All das hat das BVwG - wie auch die Revision zu Recht geltend macht - verkannt und daher seine Entscheidung, soweit sie die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des begehrten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 betrifft, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes iSd § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG belastet; sie war daher insoweit aufzuheben. Schon deshalb kann auch die damit verbundene Rückkehrentscheidung keinen Bestand haben, wobei in diesem Verfahrensstadium nicht weiter darauf einzugehen war, ob deren Erlassung § 59 Abs. 5 FPG entgegenstand. Die in der Revision überdies noch bekämpfte, gemäß § 52 Abs. 9 FPG vorgenommene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in die Republik Kosovo baut auf der Erlassung der Rückkehrentscheidung rechtlich auf und ist daher schon wegen deren Aufhebung ebenfalls wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben (vgl. etwa Punkt 6. iVm Punkt 3. des hg. Erkenntnisses vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/20/0121).
5. Der vorgenommene Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. November 2015
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