VwGH Ra 2014/20/0121

VwGHRa 2014/20/012128.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des K M in W, vertreten durch Dr. Lukas Ludwiger, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Herrengasse 25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2014, Zl. I407 1411540-2/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG,

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §58 Abs10;
AsylG 2005 §58 Abs3;
AsylG 2005 §58 Abs4;
AsylG 2005 §8 Abs1;
AVG §59 Abs1;
BFA-VG 2014 §20 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §55;
EMRK Art8;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §61;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014200121.L00

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

1.1. Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A I., soweit dem Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 versagt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist, sowie die Beschwerde gemäß § 55 FPG abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

1.2. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Versagung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 richtet, als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

Der aus Algerien stammende und unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereiste Revisionswerber stellte am 11. Jänner 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Der Revisionswerber gab im Rahmen des Asylverfahrens zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe eine Beziehung mit einem Mädchen gehabt. Er habe sie im Rahmen eines Liebesaktes entjungfert. Als die Familie des Mädchens dies erfahren habe, hätten ihn ihre Brüder an seinem "Arbeitsplatz im Bus" aufgesucht und geschlagen. Am Abend desselben Tages habe ihn das Mädchen angerufen, und ihm gesagt, dass ihre Brüder ihn umbringen wollten. Die Brüder hätten ihn dann nochmals an einer anderen Busstation aufgesucht, wobei einer von ihnen ein Messer bei sich gehabt habe. Der Revisionswerber habe aber Glück gehabt, weil gerade eine Polizeistreife in der Nähe gewesen sei. Da es "noch jemanden" gegeben habe, der die Brüder gekannt und dem Revisionswerber mitgeteilt habe, dass die Brüder des Mädchens ihn suchen würden und töten wollten, und sogar der Cousin des Revisionswerbers nach seinem Wohnbezirk gefragt worden sei, habe er sich entschlossen, das Land zu verlassen. Bei der fraglichen Angelegenheit handle es sich um eine Ehrenangelegenheit; es gebe sonst keine Möglichkeit zu entkommen.

Mit Bescheid vom 28. Jänner 2010 wies das Bundesasylamt den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten (gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) ab. Unter einem wurde der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Asylgerichtshof.

Vom Asylgerichtshof wurde am 22. Februar 2010 die Durchführung einer Verhandlung für den 14. April 2010 anberaumt. Mit Verfahrensanordnung vom 3. März 2010 stellte dieses Gericht in weiterer Folge das Asylverfahren allerdings gemäß § 24 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 ein, weil sich der Revisionswerber dem Verfahren entzogen habe. Der Asylgerichtshof hielt im Verfahrensakt fest, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes sei die persönliche Mitwirkung des Revisionswerbers erforderlich. Er scheine zwar im Zentralen Melderegister (ZMR) als aufrecht gemeldet auf, halte sich aber an der im ZMR verzeichneten Unterkunft nicht mehr auf. Der Aufenthaltsort habe auch auf anderem Weg nicht ermittelt werden können.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 2013 teilte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt dem Bundesasylamt mit, dass sich der Revisionswerber am 11. Jänner 2013 an einer näher genannten Adresse in Winzendorf mit Hauptwohnsitz angemeldet habe. Über Anfrage der Bezirkshauptmannschaft, ob das Asylverfahren "wieder aufgenommen" werde oder die Verfahrenseinstellung rechtswirksam sei, gab das Bundesasylamt bekannt, dass das Asylverfahren am 3. März 2010 in zweiter Instanz eingestellt worden sei und nicht mehr fortgesetzt werde. Der Revisionswerber habe aber am 17. Jänner 2013 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sodass er wieder bis zum Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Bundesasylamt gab der Revisionswerber in der Folge an, es seien "immer noch dieselben Gründe", weshalb er um Asyl ansuche. Die im ersten Verfahren genannten Gründe seien "alle Gründe"; "andere oder weitere Gründe" habe er nicht.

Da das Verfahren vom Bundesasylamt nicht bis Ende des Jahres 2013 abgeschlossen werden konnte, wurde dieses ab 1. Jänner 2014 gemäß § 75 Abs. 17 AsylG 2005 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Ende geführt.

Mit Bescheid vom 1. April 2014 wies diese Behörde den Antrag des Revisionswerbers vom 17. Jänner 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Des Weiteren sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Spruchpunkt III.) aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 (ohne Gesetzesangabe, offenkundig gemeint: BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Schließlich erließ die Behörde gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - nach Wiedergabe des Ganges der bisherigen Asylverfahren und hier auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - aus, der Herkunftsstaat des Revisionswerbers sei Algerien. Seine Identität stehe aber nicht fest, weil keine Personaldokumente vorlägen. Er habe keine "systematische bzw. intensive" Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung "geltend bzw. glaubhaft" gemacht. Auch sei er "persönlich nicht glaubwürdig". Es könne nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsland vor seiner Ausreise einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber in seinem Heimatstaat von solchen Verhältnissen betroffen sei, dass er dort einem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen zu sein. Er verfüge über enge familiäre Beziehungen und soziale Kontakt im Herkunftsstaat, über eine "qualifizierte" Bildung und er sei gesund und arbeitsfähig.

Die "erforderlichen speziellen" Kriterien zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 erfülle der Revisionswerber nicht. Er habe insoweit auch keinen Antrag gestellt.

Auch erfülle er die "erforderlichen speziellen" Kriterien zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 55 AsylG 2005 - einen darauf gerichteten Antrag habe der Revisionswerber ebenfalls nicht gestellt - nicht. Er habe sich vor Stellen des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz bereits mehr als drei Monate unbefugt im Bundesgebiet aufgehalten. Er spreche Deutsch. Allerdings sei er in Österreich "nicht verfestigt oder verankert", habe hier keine familiären Beziehungen und gehe keiner Beschäftigung nach. Er lebe von finanziellen Zuwendungen. Bis zuletzt habe er im Asylverfahren auf seinen unwahren Angaben beharrt. Wegen der Verletzung des § 141 StGB seien gegen ihn kriminalpolizeiliche Ermittlungen geführt worden. Der Strafverfolgung habe er sich entzogen.

Es liege in seinem Fall eine "Qualifikation" vor, die dazu führe, dass gegen ihn auch ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen werden könne.

Im Rahmen der beweiswürdigenden Überlegungen legte die Verwaltungsbehörde des Näheren dar, warum sie den Angaben des Revisionswerbers zu seiner Identität, zu seinem Herkunftsort in Algerien und zu seinen Fluchtgründen keinen Glauben schenkte.

In seinen rechtlichen Überlegungen führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der geltend gemachte Fluchtgrund nicht habe glaubhaft gemacht werden können. Selbst bei "Wahrunterstellung" könnte eine Asylgewährung nicht erfolgen, weil keine Asylrelevanz vorliege. Es sei keine Verbindung zur politischen Zugehörigkeit, der religiösen, ethnischen oder nationalen Gesinnung oder Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe erkennbar. Außerdem könne der Revisionswerber den Schutz der nationalen Sicherheitskräfte, Behörden und Gerichte in Anspruch nehmen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Heimatstaat des Revisionswerbers Übergriffe der in Rede stehenden Art dulden würde oder nicht fähig oder nicht bereit wäre, effektiven Schutz zu gewähren.

Es sei - so die Behörde zur Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes unter erkennbarer Bezugnahme auf die Feststellungen zur Situation im Heimatland des Revisionswerbers - nicht so, dass in Algerien jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Es sei dem Revisionswerber zumutbar, durch eigene Arbeit das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige zu erlangen. Beim ihm handle es sich um einen 32-jährigen, körperlich gesunden Mann, der über Schulbildung, Ausbildung und berufliche Erfahrungen verfüge. Er könnte auch die Unterstützung von Familie und Freunden in Anspruch nehmen. Es möge zwar die wirtschaftliche Situation im Heimatland des Revisionswerbers schlechter als in Staaten Europas sein. Aus den Berichten zum Herkunftsstaat gehe aber keinesfalls hervor, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Der Aufenthalt des Revisionswerbers sei nicht im Sinn des § 46a FPG geduldet. Er sei auch nicht Opfer von Gewalt. Seine Anwesenheit im Bundesgebiet sei nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder Geltendmachung der Durchsetzung von Ansprüchen zwingend erforderlich. Ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 sei dem Revisionswerber daher nicht zu erteilen.

Dem Revisionswerber sei aber auch kein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen. Vielmehr sei der Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers durch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gerechtfertigt. Den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt Fremder regeln, komme nach der Rechtsprechung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Nach Wiedergabe von Rechtssätzen aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte führte die Verwaltungsbehörde bezogen auf die Umstände des gegenständlichen Falles (lediglich) aus, nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sei der Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers nicht größer als bei jedem anderem Fremden, der sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. In Kenntnis seiner unwahren Behauptungen zu den Gründen der Ausreise habe er zudem keine "realistischen Erwartungen anstellen" können, dass sich ein "Rückkehrentscheidungshindernis ergeben" könnte. Somit sei von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung auszugehen.

Im Weiteren legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch dar, weshalb einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und die Erlassung eines Einreiseverbotes mangels ausreichender Unterhaltsmittel gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der (ua.) die Durchführung einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) beantragt wurde.

In der Beschwerde wiederholt der Revisionswerber zunächst sein Vorbringen zu den Fluchtgründen und macht geltend, die Verwaltungsbehörde habe ihm die im Bescheid angeführten Widersprüche nicht vorgehalten und "auch keine Befragung der Familie" des Revisionswerbers durchgeführt. Argumente, um die von der Behörde gesehenen Widersprüche zu entkräften, enthält die Beschwerde ebenso wenig wie Angaben dazu, was Familienmitglieder im Rahmen einer Befragung konkret angeben könnten. Zwar verweist die Beschwerde noch pauschal darauf, dass auch eine Verfolgung durch Private zur Asylgewährung führen könne. Jene Feststellungen, auf die sich die Behörde bei ihrer Beurteilung stützt, wonach die Behörden und Gerichte des Heimatstaates die gebotene Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit aufwiesen, stellt der Revisionswerber allerdings überhaupt nicht in Frage. Zur Entscheidung nach § 8 Abs. 1 Asyl 2005 beschränkt sich die Beschwerde auf die (teilweise) Wiedergabe des diesbezüglichen Gesetzestextes.

Der von der Behörde vorgenommenen Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK tritt die Beschwerde hingegen mit substantiierten Ausführungen entgegen, indem geltend gemacht wird, der Revisionswerber spreche "bestens Deutsch", sei mehr als 4 Jahre durchgehend im Bundesgebiet aufhältig, habe gute soziale Kontakte, was durch zahlreiche der Beschwerde beigelegte Empfehlungsschreiben belegt werde. Er verbringe den Großteil seiner Freizeit mit österreichischen Freunden. Er verfüge über einen (ebenfalls mit der Beschwerde vorgelegten) Arbeitsvorvertrag und könne im Fall der Erteilung des Aufenthaltstitels "sofort" zu arbeiten beginnen. Sozialhilfeleistungen habe er nie in Anspruch genommen. Von der Strafverfolgung (gemeint: wegen des aktenkundigen Vorwurfs des versuchten Diebstahls) sei zurückgetreten worden. Bei der Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme seien eine Einzelfallprüfung und das Eingehen auf die individuelle Lebenssituation notwendig. Es dürfe keine bloß formelhafte Abwägung erfolgen. Auch wenn die integrationsbegründenden Umstände während eines unrechtmäßigen Aufenthalts erfolgt seien, habe dies nicht zur Folge, dass diesen Umständen nie eine Bedeutung zukommen könnte.

Im Übrigen enthält die Beschwerde noch Ausführungen, weshalb die Erlassung eines Einreiseverbotes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht gesetzmäßig seien.

Nachdem dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vorgelegt worden war, erkannte dieses Gericht zunächst der Beschwerde mit Beschluss vom 28. April 2014 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattete der Revisionswerber - zum Teil über Aufforderung dieses Gerichts, das ihm Gelegenheit zur Äußerung einräumte - mehrere Stellungnahmen, in denen er - unter Hinweis auf zum Nachweis seiner im Bundesgebiet erfolgten Aktivitäten beigelegte Urkunden - auf seine fortgeschrittene Integration verwies.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis - ohne die beantragte Verhandlung durchzuführen - die Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., und III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 55, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie § 52 und § 55 FPG als unbegründet ab (Spruchpunkt A I. des angefochtenen Erkenntnisses). Die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides behob das Verwaltungsgericht ersatzlos (Spruchpunkt A II. des angefochtenen Erkenntnisses). Die Erhebung einer Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit hier wesentlich - aus, es werde das Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Person, zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen in seinem Herkunftsstaat und in Österreich sowie zu seinen Fluchtgründen der Entscheidung zugrunde gelegt. Die Staatsanwaltschaft Wien sei von einer strafrechtlichen Verfolgung des Revisionswerbers wegen des Vergehens nach § 127 iVm § 15 StGB nach Ablauf der Probezeit endgültig zurückgetreten. Strafrechtliche Verurteilungen des Revisionswerbers lägen nicht vor. Die Aufnahme "weiterer Beweise" sei wegen Entscheidungsreife nicht erforderlich gewesen.

Eine Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) angeführten Grund liege nicht vor. Die Angst des Revisionswerbers vor den Brüdern seiner Ex-Freundin resultiere aus einer privaten Verfolgungshandlung. In Fällen von nichtstaatlicher Verfolgung sei entscheidend, ob der betreffenden Person die Möglichkeit offen steht, angesichts der drohenden Verfolgung Schutz im Herkunftsstaat in Anspruch zu nehmen. In Algerien bestehe ein funktionierendes Rechtssystem; dem Revisionswerber sei auch zumutbar, dieses in Anspruch zu nehmen. Dem Revisionswerber sei somit nicht Asyl zu gewähren.

Unter Hinweis auf die Feststellungen zur Situation in Algerien und darauf, dass der Revisionswerber, der gesund und arbeitsfähig sei, aufgrund seiner Ausbildung und seines bisherigen beruflichen Werdeganges im Heimatland seinen Lebensunterhalt erwirtschaften könne, gelangte das Bundesverwaltungsgericht des Weiteren zum Ergebnis, dem Revisionswerber sei auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen.

Zur Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führte das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Revisionswerbers aus, er habe bereits im Jänner 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sich aber bald dem Verfahren über diesen Antrag entzogen, weshalb dieses Verfahren im März 2010 eingestellt worden sei. "Nachdem sein Folgeantrag vom 08.10.2013" datiere, betrage "sein Aufenthalt in Österreich rund ein Jahr, was als sehr kurz anzusehen" sei. Auch werde der Aufenthalt dadurch relativiert, dass er bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber zulässig gewesen sei. Der Revisionswerber gehe keiner "regelmäßigen" Beschäftigung nach. Er habe "einen Deutschkurs im Niveau A2" absolviert. Es seien mehrere Unterstützungs- und Bekundungsschreiben "eingereicht" worden. Der Revisionswerber habe den Großteil seines Lebens in seinem Herkunftsstaat verbracht. Dort lebe seine Familie, mit der er nach wie vor Kontakt habe. Er beherrsche auch die Sprache dieses Staates. Es sei insgesamt davon auszugehen, dass die Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten. Gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen hätten seine privaten Interessen aber aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung in den Hintergrund zu treten. Es seien daher auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Umstände, wonach es geboten gewesen wäre, dem Revisionswerber einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen, lägen nicht vor.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers sei gegeben. Schon die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz habe ergeben, dass keine Gründe vorlägen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinn des § 50 FPG ergeben könnte.

Im Anschluss legte das Bundesverwaltungsgericht noch dar, weshalb die für die Erlassung eines Einreiseverbotes maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im vorliegenden Fall nicht gegeben sei.

Die Revision sei nicht zulässig, weil sich die Entscheidung auf die darin zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stütze. Soweit diese Rechtsprechung zu früher geltenden Bestimmungen ergangen sei, sei sie auf die nunmehrige Rechtslage übertragbar. Darüber hinaus ergäben sich die fehlenden Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 aus der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung. Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 sei die Rechtslage klar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

I. Zur Zulässigkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei angesichts des Beschwerdeinhaltes und der Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Durchführung der beantragten Verhandlung abgewichen.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch zum Teil begründet.

II. Zur teilweisen Zurückweisung der Revision:

1. Nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses brachte der Revisionswerber - innerhalb der Revisionsfrist des § 26 Abs. 1 VwGG - einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ein. Nach dem Inhalt dieses Antrages erblickte der Revisionswerber die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses (allein) darin, dass ihm die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 verweigert und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach dem FPG erlassen wurde. Vor diesem Hintergrund ist ohne Zweifel davon auszugehen, dass der Verfahrenshilfeantrag nur die entsprechenden Aussprüche der nunmehr angefochtenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betraf. Demgemäß erstreckte sich auch die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch den Verwaltungsgerichtshof nach dem Inhalt des Beschlusses vom 2. Oktober 2014 lediglich auf die "Verweigerung eines Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach dem FPG".

2. Mit der nunmehr eingebrachten Revision wird "das angefochtene Erkenntnis seinem Inhalt und Umfang nach im Spruchpunkt A) I. angefochten". Nach den geltend gemachten Revisionspunkten erachtet sich der Revisionswerber ua. auch im Recht "auf Gewährung des internationalen Schutzes durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien" verletzt.

3. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei den hier gegenständlichen Aussprüchen, mit denen

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

  1. 1. ...
  2. 3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

    4. ...

    und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."

    § 55 AsylG 2005:

    "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine 'Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine 'Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

§ 58 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005:

"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) ...

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) ..."

§ 52 Abs. 2 und Abs. 9 FPG:

"Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

  1. 1. ...
  2. 2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

    3. ...

(3) ...

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) ..."

§ 9 Abs. 1 bis Abs. 3 BFA-VG:

"Allgemeine Verfahrensbestimmungen

Schutz des Privat- und Familienlebens

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
  3. 4. der Grad der Integration,
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

    9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) ..."

3.1. Den folgenden Ausführungen ist voranzustellen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, ausführlich mit den Kriterien für die Abstandnahme der Durchführung einer Verhandlung nach dem - hier allein in Betracht kommenden - § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG (vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Bestimmung und der dazu ergangenen Rechtsprechung auch für dem BFA-VG unterliegende aufenthaltsbeendende Verfahren das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039) auseinander gesetzt hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird diesbezüglich auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 28. Mai 2014 verwiesen.

3.2. Demnach geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

4. Es ist des Weiteren festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht - im Ergebnis und insoweit zu Recht - davon ausgegangen ist, der Revisionswerber könne eine Verletzung in Rechten auch in jenem Fall im Rechtsweg geltend machen, in dem das Bestehen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels infolge dessen, dass dem Antrag auf internationalen Schutz der Erfolg versagt wurde, von der Behörde von Amts wegen zu prüfen ist.

Zwar räumen § 55 und § 57 AsylG 2005 auch ein Antragsrecht ein. Jedoch legt das Gesetz fest, dass über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung, ob nach diesen Bestimmungen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen ist (§ 58 Abs. 3 AsylG 2005).

An die derart von Amts wegen vorgenommene Entscheidung können sich - in Abhängigkeit der getroffenen Entscheidung - die rechtlichen Interessen von Rechtsunterworfenen beeinträchtigende oder belastende Rechtsfolgen knüpfen.

Wenn der im verfahrensabschließenden Bescheid erfolgte Ausspruch über die Erteilung des amtswegig erteilten Aufenthaltstitels in Rechtskraft erwachsen ist, ist der Aufenthaltstitel vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auszufolgen (§ 58 Abs. 4 AsylG 2005). Andererseits sind Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem AsylG 2005 unter den in § 58 Abs. 10 AsylG 2005 näher genannten Voraussetzungen, die (ua. auch) auf eben bereits zu diesem Gegenstand ergangene Entscheidungen, seien sie auch von Amts wegen getroffen worden - abstellen, als unzulässig zurückzuweisen. Somit kann der Fall eintreten, dass ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 infolge einer vorangegangenen auf amtswegiger Prüfung beruhenden Entscheidung nicht mehr inhaltlich behandelt wird.

Daraus ist abzuleiten, dass ungeachtet dessen, dass die Erteilung der hier fraglichen Aufenthaltstitel auch beantragt werden kann, davon auszugehen ist, dass auch in jenem Verfahren, in dem von Amts wegen geprüft wird, ob die Voraussetzungen für die Erteilung gegeben sind, ein subjektives Recht auf die Erteilung des betreffenden Aufenthaltstitels geltend gemacht und dessen Zuerkennung im Rechtsweg durchgesetzt werden kann (vgl. dazu auch Fouchs/Schweda, Die Neuregelung der humanitären Aufenthaltstitel im Asylrecht, migralex 2014, 58 ff, Pkt. II.A.; sowie zum Erfordernis der Einräumung von im Rechtsweg durchsetzbarem Rechtsschutz, wenn die behördliche Tätigkeit "auch dem Schutz der Interessen spezifischer Einzelpersonen" dient, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 2014, G 160 - 162/2014).

5.1. Die unter IV.3.2. genannten Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung lagen im gegenständlichen Fall hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung der Rückkehrentscheidung und der Frage, ob nach § 55 Asyl 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, schon deswegen nicht vor, weil der Revisionswerber mit Blick auf die dabei vorzunehmende Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK (vgl. § 9 BFA-VG, § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht - unter dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 BFA-VG in zulässiger Weise - ein Vorbringen zu neuen für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen, aus denen sich ergebe, dass seine Integration zwischenzeitig weiter fortgeschritten sei, erstattet hat. Der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt wies dann aber auch gegenüber jenem, von dem die Verwaltungsbehörde ausging, nicht (mehr) die vom Gesetz geforderte Aktualität und Vollständigkeit auf.

5.2. Auch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, es habe bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Revisionswerbers zugrunde gelegt, vermögen das angefochtene Erkenntnis in den hier fraglichen Punkten nicht zu tragen. Dies trifft nämlich schon deshalb nicht zu, weil dieses Gericht ausdrücklich festhielt, der Revisionswerber befinde sich im Entscheidungszeitpunkt ausgehend vom Datum der letzten Antragstellung erst seit einem Jahr im Bundesgebiet. Demgegenüber hat der Revisionswerber in der Beschwerde auf seinen mehr als 4 Jahre durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet verwiesen. Die offenkundig vom Bundesverwaltungsgericht zu diesem Thema vertretene Ansicht, der Revisionswerber habe nach Einstellung des ersten Asylverfahrens Österreich verlassen und halte sich erst wieder seit der neuerlichen Antragstellung hier auf, lässt sich auch schwer mit dem Akteninhalt in Einklang bringen. In den vorgelegten Verfahrensakten findet sich eine Meldung der Landespolizeidirektion Wien, wonach der Revisionswerber am 11. Februar 2011 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in 1100 Wien angetroffen und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterworfen worden sei.

Des Weiteren hat sich das Bundesverwaltungsgericht in keiner Weise mit jenem Verhalten des Revisionswerbers, das ihm in den vorgelegten Unterstützungserklärungen bescheinigt wird, und den dort konkret genannten Umständen, die seine fortgeschrittene Integration erweisen sollen, näher befasst. Auch dem Vorbringen, der Revisionswerber habe nie Sozialleistungen bezogen und er könnte infolge eines bestehenden Arbeitsvorvertrages im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels "sofort" einer Erwerbstätigkeit nachgehen, hat das Verwaltungsgericht keine Beachtung geschenkt.

Entgegen der der Sache nach vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansicht, liegt somit zu den hier fraglichen Verfahrensgegenständen auch keine "Wahrunterstellung" im Sinn des hg. Erkenntnisses vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0069 (gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird zu diesem Thema auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen), die es erlaubt hätte, von der Durchführung der (beantragten) Verhandlung abzusehen, vor.

5.3. Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung betont hat, dass jene Gesichtspunkte, die die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich betreffen, nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 2013, 2012/18/0230, und vom 22. Jänner 2014, 2013/21/0135, jeweils mwN), und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt (vgl. etwa aus jüngerer Zeit das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039, mH auf die hg. Erkenntnisse vom 14. Juni 2012, Zl 2011/21/0278, und vom 22. Jänner 2014, Zl. 2013/21/0198).

6. Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis, soweit eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein Aufenthaltstitel nach § 55 Asyl 2005 nicht erteilt wurde samt dem auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung rechtlichen aufbauenden Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Dies gilt auch für den auf § 55 FPG Bezug nehmenden (rechtlich auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung aufbauenden) Spruchteil, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, dass im Tenor des Spruches weder vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinem Bescheid - offenbar weil es gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt hat - noch vom Bundesverwaltungsgericht, das insoweit lediglich die Beschwerde gemäß § 55 FPG abgewiesen hat, eine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt wurde.

V. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. Jänner 2015

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