VwGH 93/08/0207

VwGH93/08/020730.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des LH von Tirol vom 24. Jänner 1992, Zl. Vd-3932/2, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Neuberechnung einer Pension in der bäuerlichen Pensionsversicherung (mP: E W in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §354;
ASVG §355;
ASVG §357;
ASVG §384 Abs1;
ASVG §385 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
ASVG §412;
ASVG §413 Abs1 Z1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BPVG 1971 §111;
BPVG 1971 §69;
VwRallg;
ASVG §354;
ASVG §355;
ASVG §357;
ASVG §384 Abs1;
ASVG §385 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
ASVG §412;
ASVG §413 Abs1 Z1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BPVG 1971 §111;
BPVG 1971 §69;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als darin der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufträge erteilt wurden; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die (am 14. April 1913 geborene) Mitbeteiligte stellte am 6. Dezember 1976 bei der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension. Darin und in weiteren Eingaben führte sie zum "Beschäftigungsverlauf" u.a. an, vom 14. April 1928 bis 18. April 1932 im landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern in Rumänien beschäftigt gewesen zu sein und vom 19. April 1932 bis 14. September 1944 mit ihrem Ehegatten einen "gemeinsamen landwirtschaftlichen Betrieb" in Rumänien geführt zu haben.

Über diesen Antrag entschied die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt mit Bescheid vom 20. Oktober 1977, dessen Spruch lautet:

"Dem Antrag vom 6.12.76 auf Gewährung einer Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit wird stattgegeben.

Gemäß § 69 Bauernpensionsversicherungsgesetz (B-PVG) wird eine Leistung zuerkannt.

Die Gewährung einer Teilleistung nach dem ASVG wird abgelehnt.

Gemäß § 85 bis § 89 Bauernpensionsversicherungsgesetz (B-PVG) gebührt keine Ausgleichszulage.

Der monatliche Leistungsanspruch beträgt ab 1.1.1977

Pension 612,10

Auszahlungsbetrag 612,10"

Begründet wurde der Bescheid damit, daß dem Antrag stattzugeben gewesen sei, weil der Versicherungsfall am 6. Dezember 1976 eingetreten sei und am Stichtag, das sei der 1. Jänner 1977, die Leistungsvoraussetzungen vorgelegen seien. Der Anfall der Pension gründe sich auf § 30 B-PVG. Bei der Pensionsberechnung seien 82 Versicherungsmonate berücksichtigt worden. Die Bemessungsgrundlage betrage gemäß § 61 B-PVG S 1.388,--. Gemäß § 68 Abs. 3 B-PVG gebühre die Erwerbsunfähigkeitspension als Alterspension.

Versicherungszeiten nach dem ASVG hätten nach der Feststellung des dafür zuständigen Versicherungsträgers nicht berücksichtigt werden können. Gemäß § 86 Abs. 4 B-PVG gebühre zu dieser Leistung keine Ausgleichszulage. Über den Anspruch auf Ausgleichszulage sei bei der Pension des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu entscheiden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte die zur Zl. 3 C n/78 protokollierte Klage an das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol "hinsichtlich der Nichteinrechnung von Behinderungszeiten und der Tätigkeit (der Mitbeteiligten) im elterlichen Betriebe"; im übrigen gelte der Bescheid als nicht angefochten. An Zeiten der selbständigen Erwerbstätigkeit vom 19. April 1932 bis 14. September 1944, das seien 12 Jahre und 5 Monate, seien lediglich 10 Monate angerechnet worden. Die Mitbeteiligte sei Geburtsjahrgang 1913, sodaß pro Beschäftigungsjahr 7 Monate anzurechnen seien. Daraus errechneten sich 91 anrechenbare Versicherungsmonate. Überdies sei ihre Zeit der Vertreibung aus Rumänien und ihre Tätigkeit in diesem Land nach Rückführung dorthin vom 14. September 1944 bis 1. Dezember 1957 voll anzurechnen. Sie begehre daher die Feststellung, daß ihr ergänzend zum Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 20. Oktober 1977 die Gewährung einer Teilleistung nach dem ASVG zuzuerkennen sei, daß ihr weiters zur Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit vom 19. April 1932 bis 14. September 1944 91 Versicherungsmonate anzurechnen seien, daß die Zeit der Vertreibung vom 14. September 1944 bis 1. Dezember 1957 voll anzurechnen sei und daß die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt schuldig sei, gemäß den vorstehend ergänzten Versicherungszeiten eine Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit in der gesetzlichen Höhe zu leisten.

Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt verkündete mit Schriftsatz vom 3. März 1978 der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Streit mit dem Ersuchen, in den Rechtsstreit als Nebenintervenientin einzutreten, und beantragte die Abweisung der Klage. Zum Begehren auf eine Teilleistung nach dem ASVG werde die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter Stellung zu nehmen haben. Zur Höhe der Erwerbsunfähigkeitspension werde vorgebracht, daß die Mitbeteiligte insgesamt 82 für die Leistung zählende Versicherungsmonate erworben habe. Sonstige Zeiten habe die Mitbeteiligte aus folgenden Gründen in der Pensionsversicherung der Bauern nicht erwerben können:

Zeiten, während der die Mitbeteiligte in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet habe, seien keine Ersatzzeiten im Sinne des § 56 Abs. 6 B-PVG, weil nur Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden könnten. Die Zeiten der selbständigen Erwerbstätigkeit vom 19. April 1932 (dem Tag der Eheschließung der Mitbeteiligten) bis zum 31. März 1943 könnten der Mitbeteiligten nicht als Ersatzzeiten zugeschrieben werden, weil sie in dieser Zeit einen landwirtschaftlichen Betrieb mit ihrem Gatten auf gemeinsame Rechnung und Gefahr geführt habe. In dieser Zeit wäre bei früherem Wirksamkeitsbeginn des B-PVG der Gatte der Mitbeteiligten nach dem B-PVG versicherungspflichtig gewesen, während die Mitbeteiligte von der Versicherungspflicht ausgenommen gewesen wäre. Da der Gatte der Mitbeteiligten ab 15. März 1943 einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, seien für die Mitbeteiligte die Zeiten der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ab 1. April 1943 bis zur Aufgabe des Betriebes am 14. September 1944 als Ersatzzeiten im Sinne des § 56 Abs. 6 B-PVG berücksichtigt worden.

Im Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. April 1978 vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol heißt es:

"Nach Erörterung des Sachverhaltes bleibt nur noch die Frage streitig, ob die Zeit vom 3. Oktober 1951 bis 30. November 1957 als Versicherungszeit nach dem ASVG im Zusammenhang mit dem ARÜG anzusehen ist...

Die (Mitbeteiligte) ändert das Klagebegehren auf Gewährung einer Pension unter Anrechnung der Zeit vom 3. Oktober 1951 bis 30. November 1957 als Versicherungszeit nach dem ASVG. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter erklärt, diesem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf seiten der (beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt) beizutreten".

Nach Abhaltung einer weiteren Tagsatzung und der Einbringung eines Schriftsatzes der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 3. Mai 1978 zog die Mitbeteiligte die Klage in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12. Juni 1978 zurück.

Mit Schriftsatz vom 31. Jänner 1991 erhob die Mitbeteiligte "an das Schiedsgericht der Sozialversicherung, Landesstelle

Tirol... Klage gegen die Bestimmungen der

Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Landesstelle Tirol" mit dem Begehren auf "Neuberechnung meiner Alterspension mit Stichtag 1.1.1977 mit der gleichzeitigen Berücksichtigung meiner Beschäftigungszeiten in der Landwirtschaft ab 14. April 1928 bis 14. September 1944", die von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt bei der Berechnung der Alterspension zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien. Die Klage wurde beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zu 47 Cgs n2/91 protokolliert.

Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt beantragte in ihrer Klagebeantwortung, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen: Die von der Mitbeteiligten in ihrer Klage aufgeworfene Frage sei bereits Gegenstand des obgenannten Schiedsgerichtsverfahrens gewesen, das mit der Zurückziehung der Klage durch die Mitbeteiligte geendet habe. Da in den letzten drei Monaten kein Leistungsbescheid aus der Pensionsversicherung ergangen sei, könne sich die Klage gegen keinen bekämpfbaren Bescheid wenden und sei daher der Rechtsweg unzulässig.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. April 1991 erklärte der Vertreter der Mitbeteiligten, daß ihr Schreiben vom 31. Jänner 1991 "in Wirklichkeit als Antrag auf Erlassung eines Bescheides aufzufassen" sei. Unter der Voraussetzung, daß das Schreiben als Antrag auf Bescheiderlassung an die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt weitergeleitet werde, werde die Klage zurückgezogen.

Daraufhin wies die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt mit Bescheid vom 29. April 1991 das "Ersuchen (der Mitbeteiligten) vom 31. Jänner 1991 auf

Neuberechnung ihrer Erwerbsunfähigkeitspension ... wegen

entschiedener Sache" zurück. Begründet wurde der Bescheid damit, daß das "Vorbringen" der Mitbeteiligten bereits Gegenstand des obgenannten Leistungsstreitverfahrens gewesen sei, das durch Zurückziehung der Klage am 12. Juni 1978 abgeschlossen worden sei. Der Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 20. Oktober 1977 sei daher in Rechtskraft erwachsen. Nach Erlassung dieses Bescheides habe sich der maßgebliche Sachverhalt in entscheidungswichtigen Punkten nicht geändert. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte die Mitbeteiligte ein, sie rüttle nicht an der Tatsache, daß der Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 20. Oktober 1977, der auch Gegenstand des obgenannten Schiedsgerichtsverfahrens gewesen sei, in Rechtskraft erwachsen sei. Dieser Bescheid habe jedoch positiv nur die Feststellung von Versicherungszeiten enthalten, jedoch nicht über die Abweisung von Versicherungszeiten abgesprochen. Aus ihm sei auch nicht im geringsten zu entnehmen, welche geltend gemachten Versicherungszeiten und aus welchen Gründen nicht berücksichtigt worden seien. Aus diesem Grund könne der genannten Bescheid nur als eine Art "Teilbescheid" angesehen werden. Nur wenn im Bescheid ausdrücklich angeführt worden wäre, aus welchen Gründen welche geltend gemachten Versicherungszeiten bei der Berechnung abgewiesen würden, käme dem Bescheid auch für die weiteren Versicherungszeiten Rechtskraftwirkung zu. Der Mitbeteiligten stünden aber noch weitere Versicherungszeiten zu, die sie auch in ihrem Antrag auf Alterspension bereits angeführt habe. Sie habe Zeiten für den Zeitraum der Betriebsführung in der Zeit von 19. April 1932 bis 14. September 1944 hinsichtlich bewirtschafteter Grundflächen geltend gemacht. Diese Beschäftigungszeiten seien im Bescheid vom 20. Oktober 1977 nicht berücksichtigt, ja nicht einmal erwähnt worden. Daher sei das seinerzeitige auf Grund des Antrages der Mitbeteiligten vom 7. (gemeint: 6.) Dezember 1976 eingeleitete Pensionsverfahren noch nicht vollständig erledigt und sei von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt ein ergänzender Abschlußbescheid zu erlassen, der auch über die Anwendung dieser Beschäftigungszeiten in der Sache selbst abzusprechen habe. Sie beantrage daher, dem Einspruch Folge zu geben, den bekämpften Bescheid aufzuheben und der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt die Fortsetzung des mit dem seinerzeitigen Pensionsantrag eingeleiteten Pensionsverfahrens durch Erlassung eines entsprechenden Abschlußbescheides aufzutragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge, behob den bekämpften Bescheid und beauftragte die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt, ihren Bescheid vom 20. Oktober 1977 dahingehend zu ergänzen, welche Monate aus welchem Grund als Versicherungsmonate für die Leistung zur Gänze, teilweise oder überhaupt nicht angerechnet worden seien. In der Bescheidbegründung wird nach zusammenfassender Darstellung des oben wiedergegebenen Verwaltungsgeschehens und nach Zitierung der §§ 59 und 60 AVG ausgeführt, der Spruch und die Begründung des Bescheides vom 20. Oktober 1977 lasse nicht erkennen, welche von der Mitbeteiligten angegebenen Zeiten aus welchem Grund als Versicherungszeiten oder als Ersatzzeiten in welchem Ausmaß anerkannt oder nicht anerkannt worden seien. Dadurch sei den Erfordernissen der §§ 59 und 60 AVG mit Sicherheit nicht entsprochen worden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die seinerzeitige Klage in der Verhandlung vom 12. Juni 1978 zurückgenommen worden sei, weil damit nur die Anerkennung von 82 nicht näher bezeichneten Versicherungsmonaten für die Pensionsberechnung in Rechtskraft habe erwachsen können. Es sei auch davon auszugehen, daß der Mitbeteiligten keine über die Bescheidbegründung hinausgehende Auflistung und Qualifizierung der von ihr im Pensionsantrag geltend gemachten Versicherungszeiten zugekommen sei. Damit ergebe sich aber die Richtigkeit des Vorbringens der Mitbeteiligten, daß mit dem genannten Bescheid lediglich über 82 nicht näher bestimmbare Versicherungsmonate nach dem B-PVG und über das Nichtvorliegen von Versicherungszeiten nach dem ASVG abgesprochen worden sei, wofür aber ebenfalls jede Begründung fehle. Angesichts dieses Bescheides könne daher trotz des langen Zeitraumes seit der Bescheiderlassung nicht von einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG gesprochen werden, sodaß dem Einspruch Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 14. Juni 1993, B 310/92, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In ihrer Verfassungsgerichtshofbeschwerde vertrat die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt die Auffassung, es habe sich die seinerzeitige Schiedsgerichtsklage gegen die Nichtberücksichtigung von Ersatzzeiten für den Zeitraum vom 19. April 1932 bis 14. September 1944 gerichtet. Der übrige Teil des Pensionsbescheides sei bis heute unangefochten geblieben. Unangefochten sei aber zufolge der seinerzeitigen Klagsrückziehung auch die Nichtberücksichtigung der in der Klage geltend gemachten Versicherungszeiten geblieben. Es liege somit ein in jeder Hinsicht unanfechtbarer und rechtskräftiger Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vor. In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit folgender zusätzlicher - im Widerspruch zu den Ausführungen in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde stehender - Begründung beantragt: Der von der belangten Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides erteilte Ergänzungsauftrag sei begrifflich nicht denkbar, weil ein ergänzungsbedürftiger Bescheid in jenem Umfang, auf den sich der vorliegende Auftrag beziehe, gar nicht mehr existiere. Durch die seinerzeitige Klagserhebung sei nämlich der Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt im angefochtenen Umfang außer Kraft getreten und auch nicht mehr wiederhergestellt worden. Überdies gehe der angefochtene Bescheid im Ergänzungsauftrag über die der belangten Behörde nach § 413 ASVG eingeräumte Möglichkeit hinaus. Im Sinne dieser Bestimmung könne die Einspruchsbehörde lediglich einen bekämpften Bescheid aufheben, nicht aber verfahrensrechtliche Aufträge erteilen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift. Die Mitbeteiligte vertritt in ihrer Gegenschrift die Auffassung, daß die Behauptung der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt, es existiere ein ergänzungsbedürftiger Bescheid gar nicht mehr, unrichtig sei. Durch die Zurücknahme der Klage habe nämlich der Bescheid vom 20. Oktober 1977 wiederum seine Wirksamkeit erhalten. Dennoch sei der angefochtene Bescheid zumindest hinsichtlich seines Spruchteiles, in dem dem Einspruch Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid behoben worden sei, richtig. Der Antrag der Mitbeteiligten vom 31. Jänner 1991 sei nämlich darauf gerichtet gewesen, die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt zum bescheidmäßigen Abspruch über den mit ihrem Bescheid vom 20. Oktober 1977 nicht erledigten Teil des seinerzeitigen Begehrens zu veranlassen. Deshalb sei der Ergänzungsauftrag der belangten Behörde problematisch: Es sei nicht der Bescheid vom 20. Oktober 1977 zu ergänzen, sondern ein neuer Bescheid zu erlassen, in dem das zu ergänzen sei, worüber bescheidmäßig am 20. Oktober 1977 gar nicht entschieden worden sei. Ob dies aber "als Bescheidergänzung auszuführen" sei oder ob darüber ein gesonderter Bescheid zu ergehen habe, sei von untergeordneter Bedeutung, weil in beiden Fällen der entsprechende Klagsweg offen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zunächst mit Recht davon aus, daß die Zurückweisung des oben wiedergegebenen Antrages der Mitbeteiligten vom 31. Jänner 1991 wegen entschiedener Sache eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG darstellt und daher der Einspruch nach den §§ 412 Abs. 1, 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG zulässig war (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 24. Oktober 1985, Zl. 85/08/0131, vom 20. April 1993, Zl. 91/08/0092, und vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0200).

Gemäß dem im Verfahren über die nach § 412 ASVG erhobenen Einsprüche vom Landeshauptmann auf Grund des Art. II Abs. 2 lit. A Z. 1 EGVG anzuwendenden § 66 Abs. 4 AVG hat die Einspruchsbehörde, sofern sie - was im Beschwerdefall nicht zutrifft - nicht mit einer Rückverweisung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG oder einer Zurückweisung des Einspruchs wegen Unzulässigkeit oder Verspätung vorgeht, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist dabei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60 AVG) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Wendung "in der Sache" in § 66 Abs. 4 erster Satz AVG hat die Bedeutung einer Einschränkung, der der Berufungs(Einspruchs)behörde nach dem zweiten Satz des § 66 Abs. 4 leg. cit. eingeräumten weiten Entscheidungsbefugnis. "Sache" in diesem zuletzt genannten Sinn ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A). Bei Zurückweisung eines Antrages - wie im Beschwerdefall - ist "Sache" der Einspruchsentscheidung daher nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Die Einspruchsbehörde darf demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) den Einspruch abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, daß die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Einspruchsbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Einspruchsbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden; dies in einem Fall, in dem der Sachantrag auf die Entscheidung in einer Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG abzielt, nicht nur aus den angeführten verfahrensrechtlichen Gründen, sondern auch deshalb, weil die Einspruchsbehörde zur Entscheidung in Leistungssachen nicht berufen ist (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 20. April 1993, Zl. 91/08/0092, vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0074, und vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0200).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid jedenfalls dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, daß sie der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt die obgenannten Aufträge erteilte. Dadurch wurde die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt (auch bei Rechtmäßigkeit der davon trennbaren ersatzlosen Behebung ihres Bescheides mangels Vorliegens einer entschiedenen Sache) im Recht verletzt, über den Antrag der Mitbeteiligten vom 31. Jänner 1991 (zwar in Bindung an die Rechtsansicht, es liege keine entschiedene Sache vor, aber) ohne Bindung an die genannten Aufträge zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid war daher insofern, als die belangte Behörde der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt die genannten Aufträge erteilte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Hingegen ist die von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt ebenfalls, wenn auch ohne nähere Begründung bekämpfte, von den genannten Aufträgen im Sinne des § 59 AVG trennbare ersatzlose Behebung ihres Bescheides, mit dem sie den Antrag der Mitbeteiligten vom 31. Jänner 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, im Ergebnis nicht rechtsirrig:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG (der trotz Nichtanführung im § 357 ASVG auch von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt anzuwenden ist: vgl. die Erkenntnisse vom 19. März 1987, Zl. 86/08/0239, und vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0166) sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 bis 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet und auch in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften keine Sonderregelung vorgesehen ist (§ 68 Abs. 6 leg. cit.) - mit einem verfahrensrechtlichen Bescheid (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 5. Dezember 1980, Zl. 620/78) - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 leg. cit. in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern soll.

Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird demgemäß durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formellen rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 92/08/0191, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte verneinen eine "entschiedene Sache" deshalb, weil im Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 20. Oktober 1977 über die schon im seinerzeitigen Pensionsantrag und nunmehr im Antrag vom 31. Jänner 1991 neuerlich geltend gemachten Versicherungszeiten nicht entschieden worden sei und es sich daher bei diesem Bescheid nur um einen "Teilbescheid" im Sinne des § 59 AVG gehandelt habe.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

"Sache" (Gegenstand) einer rechtskräftigen Entscheidung ist der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit (§ 59 Abs. 1 AVG), die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei dem Bescheid gestützt hat. Die Begründung des Bescheides spielt für die Festlegung seiner objektiven Grenzen lediglich insoweit eine Rolle, als sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung) des Spruches heranzuziehen ist; d.h. insoweit, als sich aus ihn der von der Behörde angenommene maßgebende (das ist der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende) Sachverhalt ergibt. Die getroffenen (allenfalls mangelhaften) Tatsachenfeststellungen und deren (allenfalls unrichtige) rechtliche Qualifikation sind für sich allein ebensowenig relevant wie die in der Begründung beantworteten Vorfragen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 9. September 1976, Slg. Nr. 9112/A, vom 21. Jänner 1992, Zl. 90/08/0032, vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0166, und vom 28. Juni 1994, Zl. 94/08/0021, mit weiteren Judikaturhinweisen).

"Sache" des Bescheides der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 20. Oktober 1977 war (neben den davon trennbaren negativen Absprüchen über eine Teilleistung nach dem ASVG und eine Ausgleichszulage) die Gewährung einer Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit gemäß § 69 B-PVG ab 1. Jänner 1977 in der monatlichen Höhe von S 612,10. Bestimmend für die Höhe war nach der Bescheidbegründung u.a. die Annahme des Vorliegens von 82 Versicherungsmonaten. Ein bescheidmäßiger Abspruch über die Zahl der anrechenbaren oder nicht anrechenbaren Versicherungsmonate erfolgte aber dadurch nicht. Es handelte sich dabei vielmehr nur um ein Tatbestandsmoment in der Begründung des genannten Ausspruches. Die fehlende Begründung dafür, warum nur 82 Versicherungsmonate bei der Bemessung der Höhe der monatlichen Leistung Berücksichtigung gefunden haben, rechtfertigt nicht die Annahme, es handle sich bei den genannten Aussprüchen nur um Teilaussprüche im Sinne des § 59 Abs. 1 zweiter Satz AVG.

Dennoch stand einer Entscheidung über den Antrag der Mitbeteiligten vom 31. Jänner 1991 aus folgenden Gründen nicht das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache entgegen:

Durch die rechtzeitige Einbringung der Klage gegen den Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 20. Oktober 1977 trat dieser Bescheid nach der gemäß § 111 B-PVG anzuwendenden Bestimmung des § 384 Abs. 1 ASVG in der damaligen Fassung "im Umfang des Klagebegehrens" außer Kraft. Unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung und Lehre zu dieser Wortfolge, nach der insbesondere dann, wenn eine Klage auf eine höhere als die im Bescheid zuerkannte Leistung erhoben werde, der Bescheid des Sozialversicherungsträgers zur Gänze außer Kraft trete (vgl. dazu u.a.: OLG Wien, SVSlg. 22.325, 26.238, 26.239 = ZAS 1984, 33, mit im Ergebnis zustimmenden Kommentar von Jabloner, SVSlg. 28.087 bis 28.089, SSV 25/164; OGH SSV-NF 1/1, 1/18, 1/60), hatte die Einbringung der Klage u.a. mit dem Begehren, der Mitbeteiligten unter Anrechnung von 91 Versicherungsmonaten eine Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit in der gesetzlichen Höhe zu leisten, jedenfalls die Außerkrafttretung des gesamten Ausspruches über die Höhe der Erwerbsunfähigkeitspension zur Folge. Dieser Abspruch trat aber durch die als teilweise Klagsrücknahme zu wertende Klagseinschränkung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. April 1978 (vgl. dazu OLG Wien, SSV 7/87, Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, S. 389, 391) entsprechend der ständigen Rechtsprechung und Lehre zu § 385 ASVG (vgl. u.a. OLG Wien, SSV 6/22, 13/20, OGH, SSV-NF 1/18, VfSlg. 9.439, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1984, Zl. 83/08/0124) nicht wieder in Kraft. Da die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt nach der Aktenlage im Anschluß an die Klagsrücknahme keinen neuen Bescheid über die Pensionshöhe, sei es im Sinne der dazu verpflichtenden Norm des § 385 Abs. 1 zweiter Satz ASVG (vgl. dazu OLG Wien, SVSlg. 22.326, SSV 6/22, 13/20, 15/3, 20/110, Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, S. 392), sei es, auf Grund einer neuen Sach- oder Rechtslage, einen Bescheid anderen Inhaltes, erlassen hat, war daher die Zurückweisung des Antrages der Mitbeteiligten vom 31. Jänner 1991 wegen entschiedener Sache rechtsirrig. Soweit sich die Beschwerde daher gegen diesen Auspruch des angefochtenen Bescheides wendet, war sie (ungeachtet der diesbezüglich unzutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides) gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren auf Ersatz der vom Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand errechneten Umsatzsteuer war abzuweisen, weil an Schriftsatzaufwand nur der in der genannten Verordnung festgesetzte Pauschalbetrag gebührt.

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