VwGH Ra 2015/22/0052

VwGHRa 2015/22/005219.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des S A B in Wien, vertreten durch Mag.a Beatrix Pusch, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. Februar 2015, VGW- 151/023/34895/2014-11, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 13. November 2014 wies der Landeshauptmann von Wien (im Folgenden: Behörde) den am 26. Jänner 2012 eingebrachten Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 "iVm § 44b Abs. 1 Z 1" Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) "ab".

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Maßgabe, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

3 Das Verwaltungsgericht hielt - nach Darstellung der im Verfahren ergangenen Stellungnahmen sowie der Ausführungen des Revisionswerbers im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 26. Jänner 2015 - fest, dass der Revisionswerber am 10. Dezember 2005 in das Bundesgebiet eingereist sei und in der Folge einen Asylantrag gestellt habe, der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 9. Jänner 2012 - in Verbindung mit einer Ausweisung - rechtskräftig abgewiesen worden sei. Zwischen Mai 2008 und Mai 2014 sei er (nicht durchgehend, aber immer wieder für mehrere Monate) für verschiedene Arbeitgeber unselbständig erwerbstätig gewesen, wobei zu keinem Zeitpunkt eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung vorgelegen sei. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien sei über ihn wegen Übertretung des § 70 in Verbindung mit § 120 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500,-

verhängt worden. Der Revisionswerber habe einen am 20. Jänner 2015 abgeschlossenen arbeitsrechtlichen Vorvertrag (betreffend eine unbefristete Beschäftigung als Koch) und ein Diplom über den Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 vom 28. Juli 2014 vorgelegt. In Österreich lebten sein Onkel mit seiner Gattin und zwei Kindern, zu denen der Revisionswerber regelmäßigen Kontakt pflege. Er verfüge über einen Freundeskreis, sei in einem Cricket-Club engagiert, Mitglied beim Roten Kreuz und arbeite ehrenamtlich für eine Hilfseinrichtung der Caritas.

4 In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht - nach Darstellung der für die Antragszurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG maßgeblichen Bestimmungen sowie der dazu ergangenen hg. Rechtsprechung - zunächst fest, der Begründung des bekämpften Bescheides und der dort zitierten Rechtsgrundlage sei eindeutig zu entnehmen, dass die Behörde den Antrag irrtümlich abgewiesen anstatt zurückgewiesen habe. Die Behörde habe sich lediglich im Ausdruck vergriffen, weshalb der Spruch abzuändern und richtig zu stellen sei. Es seien daher nur Umstände zu berücksichtigen, die nach der asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung eingetreten seien. Nur wenn auf Grund der vorgebrachten Sachverhaltsänderungen eine andere Interessenabwägung denkbar gewesen sei, hätte die Niederlassungsbehörde in der Sache entscheiden müssen.

Zum vorgelegten Sprachdiplom wies das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach "der bloße Erwerb von Sprachkenntnissen für sich genommen keine wesentliche Sachverhaltsänderung" darstelle. Dies gelte auch für die Verbesserung des Sprachniveaus von A2 auf B1. Der vorgelegte arbeitsrechtliche Vorvertrag könne als ein in die Zukunft gerichteter Aspekt eine geringe berufliche und soziale Integration nicht im Sinn einer entscheidungswesentlichen Aufenthaltsverfestigung aufwiegen. Zudem sei seine Gültigkeit vom Vorliegen bestimmter Aufenthaltstitel abhängig gemacht worden, der Revisionswerber habe aber keinen der darin genannten Titel beantragt, weshalb kein Rechtsanspruch auf Effektuierung dieses Vorvertrages bestehe.

Weiters wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der Revisionswerber über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren bei verschiedenen Arbeitgebern unselbständig erwerbstätig gewesen sei, ohne dass eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erteilt worden sei. Bereits während des Asylverfahrens habe er über vier Jahre hinweg eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, die er trotz ergangener Ausweisung fortgesetzt habe. Einer derart ausgeübten Beschäftigung könne keine wesentliche Bedeutung zukommen. Unter Bezugnahme auf die dazu ergangenen Aussagen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass dem Revisionswerber die Illegalität dieses Verhaltens bewusst gewesen sei.

Der Freundeskreis, die Vereinsmitgliedschaften und die ehrenamtliche Tätigkeit seien zwar Indizien für ein gewisses Maß an sozialer Integration, würden aber auch in Zusammenschau mit den anderen Tatsachen nicht dazu führen, dass eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK möglich wäre. Mit seinen Angehörigen lebe der Revisionswerber nicht im gemeinsamen Haushalt und es hätten sich auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Abhängigkeit ergeben, weshalb keine berücksichtigungswürdigen familiären Bindungen in Österreich bestünden. Demgegenüber verfüge der Revisionswerber nach wie vor über starke familiäre Bindungen zu seiner Heimat, wo seine Mutter und seine Schwester lebten.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden komme in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem Verfahrensgegenstand die Rechtmäßigkeit der erfolgten Zurückweisung des Antrags mangels ausreichender Sachverhaltsänderung sei, nicht zur Anwendung. Zudem sei der Revisionswerber noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig. Im Zusammenhang mit seinem Verbleib in Österreich nach Erlassung der Ausweisung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Revisionswerber nicht glaubhaft habe darlegen können, sich um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht zu haben.

Im Ergebnis hielt das Verwaltungsgericht fest, das in Österreich entfaltete Privat- und Familienleben des Revisionswerbers weise noch keine solche Intensität auf, dass das persönliche Interesse an einem Verbleib in Österreich stärker zu gewichten wäre als das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften. Die behördliche Ansicht, es sei keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten, die "zu einer Unzulässigkeit (...) der Versagung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK führen" könne, sei nicht zu beanstanden. Daran könnten auch der in der mündlichen Verhandlung hinterlassene gute Eindruck des Revisionswerbers und seine guten Deutschkenntnisse nichts ändern. Die Integrationsschritte des Revisionswerbers seien nicht ausreichend, um einen wesentlich geänderten Sachverhalt im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG zu begründen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Revisionsbeantwortung wurde keine erstattet.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Der Revisionswerber bringt vor, das Verwaltungsgericht sei, indem es seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" als unzulässig zurückgewiesen habe, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Verweis insbesondere auf die hg. Erkenntnisse vom 30. Juli 2014, 2013/22/0226, und vom 10. Dezember 2013, 2013/22/0259). Das Verwaltungsgericht habe keine Gesamtschau aller vorgebrachten Sachverhaltsänderungen vorgenommen und sei zu Unrecht zum Ergebnis gelangt, dass eine andere Beurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK als von vornherein ausgeschlossen gelten könne.

8 Im Hinblick darauf erweist sich die Revision als zulässig und aus den nachstehenden Gründen auch als berechtigt.

9 Da das zugrunde liegende Verfahren nach § 41a Abs. 9 NAG vor dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde anhängig geworden ist, hatte (auch) das Verwaltungsgericht die Bestimmungen des NAG in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, Ro 2014/22/0045).

10 Die maßgeblichen Bestimmungen des NAG in dieser Fassung lauteten auszugsweise:

"Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. ...

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

...

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

..."

11 Vorauszuschicken ist, dass das angefochtene Erkenntnis an einigen Stellen Formulierungen enthält, die bei einer unter Einbeziehung aller Aspekte erfolgenden Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK Verwendung finden. Insbesondere im Zusammenhang mit der unerlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit stellt das Verwaltungsgericht nicht nur auf die Fortsetzung dieser Tätigkeit nach ergangener Ausweisung ab, sondern betont auch die knapp vierjährige Erwerbstätigkeit während der Dauer des Asylverfahrens (und somit vor der Ausweisung). Dennoch lässt sich die angefochtene Entscheidung nicht als Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" deuten. Dem stehen zum einen der Spruch, wonach "der Antrag vom 25. Jänner 2012 als unzulässig zurückgewiesen" werde, und die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes entgegen, wonach bereits die Behörde den Antrag richtigerweise spruchmäßig hätte zurückweisen müssen. Zum anderen stellt die Begründung des Verwaltungsgerichtes in ihren überwiegenden Teilen darauf ab, ob die zu berücksichtigenden Sachverhaltsänderungen eine Neubeurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK ermöglichen würden. Die angefochtene Entscheidung war daher allein dahingehend zu prüfen, ob fallbezogen eine Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG erfolgen durfte.

12 Soweit das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden für den (hier vorliegenden) Fall einer Antragszurückweisung nach § 44b Abs. 1 NAG als nicht maßgeblich erachtete, ist Folgendes anzumerken.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass es für die Frage des Vorliegens eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes im Sinn des § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG auch zu berücksichtigen ist, wenn sich der Fremde zwar nicht zum Zeitpunkt der Ausweisung, aber zum Zeitpunkt der (erstinstanzlichen) Zurückweisung mehr als zehn Jahre in Österreich aufgehalten habe (siehe die hg. Erkenntnisse vom 16. September 2015, Ra 2015/22/0075, vom 11. Juni 2014, Ro 2014/22/0017, und vom 9. September 2013, 2013/22/0161). Allerdings hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Revisionswerber noch keine zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig war.

13 Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhalts als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann maßgebliche Sachverhaltsänderungen im Sinn des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG vorliegen, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein. In dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind hier die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Blick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0108 bis 0111, mwN).

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in verschiedenen Konstellationen festgehalten, dass eine zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und der Erlassung der Zurückweisung verstrichene Zeitspanne von drei bzw. zweieinhalb Jahren - in Verbindung mit jeweils unterschiedlichen Aspekten einer vertieften Integration - entsprechend zu berücksichtigen ist (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Juli 2014, 2013/22/0226, vom 10. Dezember 2013, 2013/22/0259, vom 29. Mai 2013, 2011/22/0102, und vom 23. Februar 2012, 2011/22/0279 bis 0281). Im vorliegenden Fall sind seit der Rechtskraft der Ausweisung bis zu der (vom Verwaltungsgericht der Sache nach als Zurückweisung gedeuteten) Entscheidung der Behörde knapp drei Jahre vergangen.

15 Der Revisionswerber hat im Zusammenhang mit seinem Titelantrag unter anderem auf die verbesserten Deutschkenntnisse durch Absolvierung der Prüfung auf dem Niveau B1, seine Mitgliedschaft beim Roten Kreuz und bei einem Cricket-Verein, seine ehrenamtliche Tätigkeit bei einer Hilfseinrichtung und seinen Freundeskreis bzw. die diesbezüglich vorgelegten Empfehlungsschreiben verwiesen. Damit hat er aber aufgezeigt, dass er Schritte gesetzt hat, um seine Integration zu verbessern. Das Vorliegen dieser Umstände wurde vom Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Dass der Verwaltungsgerichtshof - wie vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführt - in verschiedenen Konstellationen einzelne der hier maßgeblichen Aspekte für sich genommen als nicht hinreichend erachtet hat, um eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu bewirken, führt nicht dazu, dass bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände insbesondere in Verbindung mit der im Vergleich zur Ausweisung längeren Aufenthaltsdauer von knapp drei Jahren eine abweichende Beurteilung nach Art. 8 EMRK jedenfalls ausgeschlossen werden kann.

16 Vor diesem Hintergrund kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung (auch unter Einbeziehung seines sehr langen Inlandsaufenthaltes) eine zu Gunsten des Revisionswerbers vorzunehmende Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten, weshalb sich die Zurückweisung des Antrags nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG als unzulässig erweist.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 19. April 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte