VwGH 2011/01/0187

VwGH2011/01/018719.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der L in S, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Mag. Werner Diebald und Mag. Kuno Krommer, Rechtsanwälte in Köflach, Rathausplatz 1-4, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Februar 2011, Zl. FA7C-2.0-M1.23-266/2011-4, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs1;
StbG 1985;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs1;
StbG 1985;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 2011 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Kamerun, vom 3. Jänner 2011 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. September 2009 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei mit (seit 25. Jänner 2010) rechtskräftigem Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. Jänner 2010 abgewiesen worden, weil die Beschwerdeführerin mit ihrem österreichischen Ehegatten erst seit 2. April 2008 im gemeinsamen Haushalt lebe. Die Beschwerdeführerin habe die Voraussetzungen des § 11a Abs. 1 StbG nicht erfüllt, weil "die Ehe nicht fünf Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt wird". Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin "kein außerordentliches Rechtsmittel" erhoben. Zu dem "vorliegenden Sachverhalt" (gemeint: dem Vorbescheid und dem nunmehr gestellten Verleihungsantrag vom 3. Jänner 2011) sei der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Diese Stellungnahme (mit Schriftsatz vom 14. Februar 2011) gehe "ins Leere", weil sich weder der Sachverhalt (betreffend näher dargestellte Meldedaten bzw. hauptwohnsitzliche Meldedaten mit dem österreichischen Ehegatten) noch diesbezüglich die Rechtslage geändert habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten der beiden Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der durch formell rechtskräftigen Bescheid bereits entschiedenen Verwaltungssache die Abänderung dieses Bescheides begehrt wird, nicht jedoch, wenn sich die die Verwaltungsrechtssache bestimmenden rechtlichen bzw. tatsächlichen Umstände verändert haben und daher nicht mehr dieselbe Sache wie die bereits entschiedene vorliegt. Die Sache verliert ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2012, Zlen. 2008/18/0422 und 0425; vom 6. Juni 2012, Zl. 2009/08/0226; und vom 10. Oktober 2012, Zl. 2008/18/0714, jeweils mwN).

Bei Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2002, Zl. 2000/07/0235 mwN; sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 68, RZ 25). Sache der rechtskräftigen Entscheidung ist der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie dem in der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat. Die Begründung des Bescheides spielt für die Festlegung seiner objektiven Grenzen insoweit eine Rolle, als sie zur Auslegung des Spruchs heranzuziehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2000/12/0055 mwN).

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, der Verleihungsantrag vom 1. September 2009 sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 21. Jänner 2010 abgewiesen worden, weil die Beschwerdeführerin die Verleihungsvoraussetzungen gemäß § 11a Abs. 1 StbG wegen eines erst seit April 2008 bestehenden, (noch) nicht fünf Jahre andauernden Haushalts mit dem österreichischen Ehegatten nicht erfüllte. Sachverhalt und Rechtslage hätten sich (seither) nicht geändert.

Im Verleihungsverfahren ist die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides gegebene Sach- und Rechtslage maßgeblich. Die Bescheidwirkungen des rechtskräftigen Vorbescheides bezogen sich auf diesen Zeitpunkt; das war vorliegend der 25. Jänner 2010.

Der im Vorbescheid als Versagungsgrund herangezogene § 11a Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, idF BGBl. I Nr. 122/2009, lautete:

"§ 11a. (1) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt;

2. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und

3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist.

…"

Die belangte Behörde hat im rechtskräftigen Vorbescheid die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin habe die Voraussetzung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, weil die Ehe nicht fünf Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt worden sei.

Diese Auffassung besteht aus folgenden Erwägungen zu Recht:

Die Voraussetzung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG wurde mit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, eingeführt.

In den Materialien zu dieser Bestimmung (RV 1189 BlgNR 22. GP, 7) heisst es dazu, dass die Staatsbürgerschaft abweichend von § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG einem Fremden bereits nach sechs Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts zu verleihen ist, "wenn … die Ehe bereits fünf Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt wird". Dieser Wille des Gesetzgebers ist auch mit dem Wortlaut dieser Bestimmung vereinbar, wonach die Voraussetzung des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG nur gegeben ist, wenn der Fremde "bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt".

Ausgehend vom rechtskräftigen Vorbescheid - wonach sie (erst) seit April 2008 mit dem österreichischen Staatsbürger (Ehegatten) im gemeinsamen Haushalt lebe - erfüllte die Beschwerdeführerin aber im Jahr 2011 (ihr neuerlicher Antrag wurde am 3. Jänner 2011 gestellt, der angefochtene Zurückweisungsbescheid wurde am 21. Februar 2011 erlassen) die Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts in der Dauer von 5 Jahren unverändert (noch) nicht. Der Sachverhalt hat sich daher seit Erlassung des rechtskräftigen Vorbescheides (in zeitlicher Hinsicht) nicht wesentlich geändert. Die Beschwerdeführerin hat demnach keinen Anspruch auf eine meritorische Erledigung ihres Ansuchens. Daran vermag ihr Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe die Bestimmung des § 11a StbG "zu eng ausgelegt", nichts zu ändern, weil hinsichtlich der von der belangten Behörde zugrunde gelegten Ansicht, der gemeinsame Haushalt (von 5 Jahren) sei durch (zwei) Aufenthalte im Frauenhaus unterbrochen worden, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen und dieser diesbezüglich nicht zu überprüfen war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2013

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