VwGH 2008/18/0714

VwGH2008/18/071410.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des E F in W, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Oktober 2008, Zl. E1/359.063/2008, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2008180714.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. November 2007 verweigerte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gestützt auf § 14 Abs. 1 Z 3 lit. f Passgesetz 1992 (PassG) die von ihm am 17. April 2007 beantragte Ausstellung eines österreichischen Reisepasses.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Oktober 2008 wies die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes (AVG) den Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Mai 2008 auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses wegen entschiedener Sache zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei erst am 27. Oktober 2004 aus der Strafhaft entlassen worden, nachdem er persönlich in mehrfachen Angriffen "eine unbekannte bzw. eine besonders große Menge" an Suchtgift nach Belgien eingeführt habe und als Bandenmitglied tätig gewesen sei. Trotz des nunmehrigen Verstreichens von etwas mehr als zwölf Jahren seit der Tatbegehung bis zur Entscheidung der Erstbehörde über den Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses sei nach wie vor der gleiche Passversagungsgrund (§ 14 Abs. 1 Z 3 lit. f PassG) gegeben, zumal der "Beobachtungszeitraum" des Beschwerdeführers in Freiheit noch nicht einmal drei Jahre betrage. Familiäre und berufliche Umstände hätten bei der gegenständlichen Bewertung außer Betracht zu bleiben; abgesehen davon seien die Integration im Arbeitsmarkt und die erfolgte Resozialisierung des Beschwerdeführers bereits anlässlich des Antrages vom 17. April 2007 vorgebracht worden. Die erstinstanzliche Behörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass dem Begehren des Beschwerdeführers im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG das Hindernis der entschiedenen Sache entgegenstehe, da keine Änderung der Sach- oder Rechtslage vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der durch formell rechtskräftigen Bescheid bereits entschiedenen Verwaltungssache die Abänderung dieses Bescheides begehrt wird, nicht jedoch dann, wenn sich die die Verwaltungsrechtssache bestimmenden rechtlichen bzw. tatsächlichen Umstände verändert haben und daher nicht mehr dieselbe Sache wie die bereits entschiedene vorliegt. Die Sache verliert ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, d. h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 99/10/0071, mwH).

Die belangte Behörde bejahte das Vorliegen einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 AVG, weil weder in den tatsächlichen Umständen noch in Ansehung der Rechtslage seit der Erlassung der in Rede stehenden Bescheide eine Änderung eingetreten sei.

Die Beschwerde sieht demgegenüber im verstrichenen Zeitraum, in dem sich der Beschwerdeführer wohlverhalten und sozial integriert habe, eine Sachverhaltsänderung, mit der sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Die Annahme, er werde erneut straffällig werden, insbesondere gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen, sei angesichts des langen Zeitraums, der seit der Tatbegehung vergangen sei, sowie seines eingetretenen Sinneswandels nicht gerechtfertigt

Damit ist die Beschwerde im Recht.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführte, lag das für die Beurteilung maßgebliche strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bereits zwölf Jahre zurück; seit seiner Haftentlassung (am 27. Oktober 2004) waren zum relevanten Zeitpunkt über dreieinhalb Jahre vergangen, in denen sich der Beschwerdeführer wohlverhalten und erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert hat sowie als resozialisiert einzustufen ist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes liegt damit in Zusammenhalt mit der in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmenden Gefährdungsprognose eine Änderung des Sachverhaltes vor, die den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Demzufolge hatte der Beschwerdeführer einen Anspruch auf meritorische Erledigung seines Antrages durch die Behörde erster Instanz und durfte sein Antrag nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 98/18/0001).

Aus diesen Gründen erweist es sich als inhaltlich rechtswidrig, dass die belangte Behörde durch Abweisung der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG eine meritorische Erledigung des Antrages verweigert hat. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 10. Oktober 2012

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