VwGH 2000/21/0087

VwGH2000/21/008714.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des am 25. März 1980 geborenen G in Wien, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Jänner 2000, Zl. IV - 886.097/FrB/00, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Sierra Leone, wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 9. Dezember 1998 gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes 1997 ausgewiesen.

Am 4. August 1999 stellte der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Wien den (mit 2. August 1999 datierten) Antrag, ihm gemäß § 56 Abs. 2 FrG einen Abschiebungsaufschub im höchstmöglichen Rahmen von einem Jahr zu gewähren und begründete dies damit, dass er als Asylwerber in das Bundesgebiet eingereist sei und in seinem Heimatland Sierra Leone infolge der dort herrschenden Bürgerkriegssituation von Verfolgung bedroht sei.

Dieser Antrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. September 1999 gemäß § 56 Abs. 2 FrG abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers mit rechtskräftigem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Oktober 1998 abgewiesen worden sei. Zuletzt sei dem Beschwerdeführer ein bis zum 10. August 1998 gültiger Abschiebungsaufschub gewährt worden, weil seine Abschiebung nach Sierra Leone auf Grund des nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens nicht möglich gewesen wäre. Auf Grund des nunmehr rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahrens sei eine Abschiebung in das Heimatland des Beschwerdeführers möglich, weshalb sein Antrag abzuweisen gewesen sei.

Mit Antrag vom 10. Dezember 1999 begehrte der Beschwerdeführer neuerlich gemäß § 56 Abs. 2 FrG die Gewährung eines Abschiebungsaufschubes in der Dauer von einem Jahr. Dieser Antrag langte bei der Bundespolizeidirektion Wien am 13. Dezember 1999 ein. Er wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers unmöglich sei, weil er über kein gültiges Reisedokument verfüge.

Der am 13. Dezember 1999 eingebrachte Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Jänner 2000 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare Ausweisung bestehe und sein Asylantrag mit rechtskräftigem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Oktober 1998 abgewiesen worden sei. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland möglich, weshalb bereits sein Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes vom 2. August 1999 mit Bescheid vom 16. September 1999 abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe in seinem neuerlichen Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes keine neuen Tatsachen vorbringen können, die der Behörde nicht bereits beim letzten Antrag bekannt gewesen wären. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt habe sich nach Ansicht der Behörde gegenüber dem bereits existenten Bescheid gemäß § 56 Abs. 2 FrG nicht derart wesentlich geändert, dass die Entscheidung anders zu lauten hätte. Eine Abänderung des Bescheides, mit dem über den bereits früher gestellten Antrag des Beschwerdeführers rechtskräftig entschieden worden sei, komme nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde teilte mit, dass die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof bereits zur Beschwerdesache Zl. 99/21/0356 vorgelegt worden seien; von der Erstattung einer Gegenschrift sah sie ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist "die Abschiebung eines Fremden ... auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint".

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anträge von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 bis 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet und auch in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften keine Sonderregelung vorgesehen ist (§ 68 Abs. 6 leg. cit.), wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Dem ausdrücklichen Begehren um Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 leg. cit. in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne zwischenzeitige Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern soll. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird demgemäß durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem bereits formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. November 1980, Slg. Nr. 10 285/A, und vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0027, jeweils mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 4. August 1999 auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes im Bescheid vom 16. September 1999 ausschließlich damit begründet, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland auf Grund des rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahrens möglich sei. In dem mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesenen Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Dezember 1999 hatte der Beschwerdeführer jedoch erstmals ausgeführt, seine Abschiebung sei im Hinblick darauf unmöglich, dass er über kein gültiges Reisedokument verfüge. Mit der Frage, ob der Beschwerdeführer über ein Reisedokument verfüge und ob seine Abschiebung insbesondere im Hinblick auf ein fehlendes Heimreisezertifikat möglich sei, hat sich die belangte Behörde im Bescheid vom 16. September 1999 nicht befasst. Sohin ließ sie nun die Frage unbeantwortet, ob in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen im Sinn der angeführten Rechtsprechung eine Änderung eingetreten ist. Dies stellt einen relevanten Verfahrensmangel dar.

Ein Fremder kann die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG längstmöglich für den Zeitraum eines Jahres erreichen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass der Beginn dieser Frist stets mit dem Einlangen des Antrages bei der Behörde anzusetzen ist. Ist dieser Zeitraum bereits verstrichen, so kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch die Aufhebung eines Bescheides, mit dem ein Abschiebungsaufschub versagt wurde, an der Rechtsstellung des Fremden nichts ändern (vgl. die hg. Beschlüsse vom 9. September 1999, Zl. 98/21/0332, und vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0199).

Aus dieser Rechtsauffassung ist für den vorliegenden Fall der Schluss zu ziehen, dass sämtliche Rechtswirkungen des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. September 1999, mit dem der am 4. August 1999 eingebrachte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG abgewiesen worden war, jedenfalls am 4. August 2000 geendet haben. Dies muss auch für jene Rechtskraftwirkungen dieses Bescheides gelten, die gemäß § 68 Abs. 1 AVG die Erlassung eines neuerlichen Bescheides in derselben Sache hindern.

Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes für den Zeitraum vom 13. Dezember 1999 bis zum 13. Dezember 2000 zu beurteilen. Indem sie diesen Antrag zur Gänze unter Berufung auf die bereits erfolgte Abweisung des Antrages vom 4. August 1999 zurückwies, maß sie ihrem Vorbescheid eine - die meritorische Entscheidung hindernde - Wirkung über den 4. August 2000 hinaus bei. Sie verkannte dabei, dass dieser Vorbescheid vor dem Hintergrund der angeführten Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls für jenen Teil des Antrages, mit dem ein Abschiebungsaufschub für einen nach diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum begehrt wurde, keine solche Wirkung mehr entfalten konnte.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid - weil der Aufhebungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 jenem gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG vorgeht - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. September 2000

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