VwGH Ra 2015/09/0076

VwGHRa 2015/09/007614.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision der P L in G, vertreten durch Dr. Astrid Priessner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 19/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2015, Zl. W208 2000218- 2/3E, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Disziplinarangelegenheit nach dem BDG 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Die im Jahr 1967 geborene Revisionswerberin stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund als Exekutivbeamtin bei einem Landeskriminalamt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Oktober 2014 war die Revisionswerberin (in diesbezüglicher Bestätigung des Disziplinarerkenntnisses der belangten Behörde vom 29. Oktober 2013) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - schuldig erkannt worden, sie habe in näher angeführten Zeiträumen

1. ca. 14 Briefe an öffentliche Institutionen und Medien versendet, in denen sie X, die Leiterin des Kindergarten L, beschimpft und sie wahrheitswidrig der Begehung strafbarer bzw. moralisch verwerflicher Handlungen, insbesondere der Misshandlung von Kindern beschuldigt habe;

2. in der zentralen Datenanwendung des Bundesministeriums für Inneres - ohne dienstliche Gründe - a) 2 EKIS, 1 KZN und b) über 1000 ZMR Anfragen (darunter auch solche von Personen aus ihrem Umfeld bzw. demjenigen von X und deren Lebensgefährten M), gestellt und für private Zwecke verwendet;

3. in ihrer Funktion als Tatortbeamtin beim SPK bzw. dem LKA Aktenteile zu 23 Geschäftsfällen wie Tatortspuren im Original an sich genommen und zu Hause verwahrt sowie es unterlassen, näher bezeichnete, sichergestellte Tatortspuren ordnungsgemäß zu erledigen oder zu bearbeiten, an die vorgesehenen Spurensammlungen zu übermitteln bzw. auszuwerten und entsprechende Berichte vorzulegen.

Die Revisionswerberin habe dadurch - unbeschadet der dazu mit dem Urteil des Landesgerichtes Y vom 16. Mai 2013 erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen wegen der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 StGB und des wiederholten Verbrechens des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB - auch ihre Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 sowie (zum Teil in Verbindung mit LPK-Befehlen) nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verletzt.

Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über die Revisionswerberin gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

In der Begründung dieser Entscheidung wurde ausdrücklich festgehalten, dass bereits die (vom Faktenkomplex zu Punkt 3 umfassten) - als schwerstes Delikt gewerteten - mehrfachen Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nichtdokumentation, Nichtbearbeitung und Nichtweiterleitung von Tatortspuren und damit Beweismitteln über einen mehrjährigen Zeitraum durch die Revisionswerberin als Tatortbeamtin allein ausreichen würden, die Höchststrafe der Entlassung zu verhängen; erschwerend würden die ohne dienstlichen Grund exzessiv getätigten ZMR-Abfragen dazukommen.

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der Revisionswerberin wurde mit hg. Beschluss vom 21. April 2015, Ra 2014/09/0040, zurückgewiesen.

Dem zum Strafverfahren gemäß § 353 Z 2 StPO gestellten Wiederaufnahmeantrag der Revisionswerberin vom 17. Oktober 2014 gab das Landesgericht Y mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 16. Jänner 2015 insoweit statt, als das Urteil vom 16. Mai 2013 hinsichtlich der Schuldsprüche zum Vorwurf der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB und im Umfang der Abfrage personenbezogener Daten zu X (Anm.: das entspricht den oben unter Punkt 1 und 2 - hiezu soweit X betreffend - angeführten Vorwürfen in der Disziplinarentscheidung vom 10. Oktober 2014) sowie der gesamte Strafausspruch gemäß § 358 StPO aufgehoben wurde; im Weiteren wurde der Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich des Vorwurfes der Verletzung von § 302 Abs. 1 StGB in Bezug auf die übrigen Vorwürfe (Anm.: das entspricht den in der genannten Disziplinarentscheidung oben unter Punkt 3 angeführten Vorwürfen) abgewiesen.

Im Übrigen wird zur weiteren Vorgeschichte auf die Begründung des hg. Beschlusses vom 21. April 2015 gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen.

Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht - im Spruchpunkt A - dem zum Disziplinarverfahren gestellten Wiederaufnahmeantrag der Revisionswerberin vom 16. Februar 2015 gemäß § 32 VwGVG im Umfang der Schuldsprüche zu den Punkten 1 und 2 sowie zur Strafbemessung im oben genannten Disziplinarerkenntnis statt, wohingegen der Antrag hinsichtlich der weiteren, dazu unter Punkt 3 zusammengefassten Schuldsprüche abgewiesen wurde.

Im Spruchpunkt B wurde zunächst der Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 29. Oktober 2013 insoweit stattgegeben, als sie von den obigen Vorwürfen zu Punkt 1 und 2 - hiezu nur hinsichtlich der in b) genannten ZMR-Abfragen im Umfeld von X und deren Lebensgefährten M - gemäß §§ 118 Abs. 1 Z 1, 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen, währenddessen im Übrigen die Beschwerde gegen Schuldspruch und Strafe abgewiesen wurde.

Im Weiteren erkannte das Bundesverwaltungsgericht (in diesbezüglicher Bestätigung des genannten Disziplinarerkenntnisses der belangten Behörde) die Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wie folgt schuldig:

"2b.) Sie hat im Zeitraum zwischen 31. 08. 2010 und 16. 03. 2011 in der zentralen Datenanwendung des Bundesministeriums für Inneres mehr als 100 ZMR Anfragen, darunter die Ballettlehrerin ihrer Tochter, ihren ehemaligen Lebensgefährten und weitere Personen die an deren Adressen wohnhaft oder namensgleich waren, ohne dass dienstliche Gründe vorgelegen wären, getätigt.

"3.) Sie hat im Zeitraum vom 01. 09. 2005 bis 11. 07. 2011 in ihrer Funktion als Tatortbeamtin beim SPK bzw. dem LKA

a) Aktenteile zu 23 Geschäftsfällen wie Tatortspuren im Original an sich genommen und zu Hause verwahrt

b) und es (zu näher bezeichneten Aktenzahlen) unterlassen sichergestellte Tatortspuren (darunter 10 DNA-Spuren, 10 Fingerabdruckspuren, 15 Schuhabdruckspuren, 3 Werkzeugspuren und eine Faserspur) ordnungsgemäß zu erledigen/ zu bearbeiten, an die vorgesehenen Spurensammlungen zu übermitteln bzw. auszuwerten und entsprechende Berichte vorzulegen."

Die Revisionswerberin habe dadurch - unbeschadet ihrer zu Punkt 3 erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung wegen des wiederholten Verbrechens des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB - auch ihre Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 sowie zum Teil in Verbindung mit LPK-Befehlen, nämlich die Weisungen ihrer Vorgesetzten zu beachten, nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verletzt. Gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 wurde über sie die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass - entgegen der Behauptung der Revisionswerberin - nach den unmissverständlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. P in seinem Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Diskretionsfähigkeit und Dispositionsfähigkeit aufgrund einer psychosewertigen psychischen Erkrankung der Revisionswerberin nur hinsichtlich der im Zusammenhang mit dem Wahnthema, nämlich dem paranoiden Wahn gegenüber X, stehenden Tathandlungen zu bejahen sei, jedoch nicht in Bezug auf die übrigen Dienstpflichtverletzungen.

Als neuem Beweismittel bzw. neuer Tatsache (im Sinne von § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG) sei dem seit 10. Februar 2015 rechtskräftigen "Freispruch" des Strafgerichtes Y hinsichtlich der Schuldsprüche zu den Punkten 1 und 2 (hier zum Teil zu b) im Disziplinarverfahren aufgrund der Bindungswirkung des § 95 Abs. 2 BDG jetzt auch Rechnung zu tragen (und die Schuldfähigkeit der Revisionswerberin zu verneinen).

Zum Spruchpunkt 2b ("diverse Abfragen") wurde ergänzt, dass die Revisionswerberin hinsichtlich der Ballettlehrerin ihrer Tochter und einer Internetbekanntschaft W, der später eine Zeitlang ihr Lebensgefährte gewesen sei, geständig sei. Bezüglich weiterer Abfragen sei in ca. 170 Fällen ein Nachweis möglich, dass diese Abfragen nicht mit dem Wahnthema in Verbindung stünden, weil diese teilweise eingestanden worden seien bzw. nachweislich dieselben Adressen oder Namensgleichheiten betroffen haben, weshalb (abändernd) im Spruch von "über 100 Fällen" ausgegangen worden sei.

Nicht betroffen von den "Freisprüchen" des Landesgerichtes seien die disziplinarrechtlichen Vorwürfe zu Punkt 3 und es seien diesbezüglich auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG für eine Wiederaufnahme nicht erfüllt. Der diesbezügliche Versuch der Revisionswerberin, die Sachverständigengutachten zur Schuldfrage als neues Beweismittel darzustellen, gehe schon deshalb ins Leere, weil diese Gutachten ausführlich in der Verhandlung erläutert und gewürdigt worden seien und daher keine "neuen Beweismittel oder Tatsachen" darstellen würden und im Übrigen - aufgrund der Bindungswirkung des § 95 Abs. 2 BDG - hinsichtlich der Schuldfrage auch zu keinem anderen Spruch hinsichtlich der Schuldfrage im Punkt 3 führen könnten.

Zur Strafbemessung führte das Bundesverwaltungsgericht nach Bejahung des disziplinären Überhanges hinsichtlich der verbleibenden Vorwürfe zusammengefasst aus, dass die mittlerweile erfolgten Freisprüche nicht ausschlaggebend ins Gewicht fielen, weil zum Spruchpunkt 2b immer noch über 100 pflichtwidrige Abfragen übrigbleiben würden und wie bereits im (Vor)Erkenntnis vom 10. Oktober 2014 der Faktenkomplex zu Punkt 3 als schwerste Dienstpflichtverletzung und als allein ausreichend gesehen werde, die disziplinarrechtliche Höchststrafe zu verhängen. Die als Milderungsgründe gewerteten teilgeständige Verantwortung, sonst gute Dienstverrichtung, Unbescholtenheit und familiäre Situation würden gegenüber den Erschwerungsgründen (mehrjähriger Tatzeitraum, weiterhin mehr als 100 ZMR-Abfragen) sowohl quantitativ als auch qualitativ (Kernpflicht Datenverwendung im Polizeibereich nur zu dienstlichen Zwecken) in den Hintergrund treten. Eine Wahrscheinlichkeit, dass sich die Revisionswerberin vor dem Hintergrund der Anzahl und der Art der begangenen Dienstpflichtverletzung zukünftig wohl verhalten werde, könne auch angesichts des Eindrucks, den sie in der Verhandlung hinterlassen habe (Rechtfertigung mit Unzulänglichkeiten von Kollegen, keine Einsicht eigener Fehler) nicht getroffen werden. Zugänge zu personenbezogen Daten seien im Polizeibereich für nahezu alle Aufgaben erforderlich bzw. unvermeidlich, sodass sich ein Vertrauensverlust in diesem Bereich besonders gravierend auswirke. Die Entlassung der Revisionswerberin erweise sich daher in Anbetracht der Anzahl und der Schwere der Dienstpflichtverletzungen sowie der negativen Zukunftsprognose sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Gründen für erforderlich.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Allein das Vorbringen der Revisionswerberin in der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ist maßgeblich für die Zulassung. Dem Erfordernis, dass die Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, wird nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung nach § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG Genüge getan (vgl. den hg. Beschluss vom 25. März 2014, Ra 2014/04/0001). Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Im Zulassungsvorbringen ist daher konkret darzutun, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juli 2014, Ro 2014/04/0055).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und (Z 2) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten oder (Z 3) das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Nach Absatz 2 dieser Bestimmung ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG setzt voraus, dass Tatsachen (Beweismittel) hervorkommen, die schon vor Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind. Es ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus. Die neu hervorgekommenen Tatsachen (Beweismittel) müssen entscheidungsrelevante Umstände derart betreffen, dass sie, wären sie seinerzeit berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung geführt hätten. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst im wieder aufgenommenen Verfahren zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, 2000/08/0105; siehe weiters Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, § 69 AVG, Anm. 12 bis 14 sowie insbesondere E Nr. 124f und 132).

Tatsachen und Beweismittel können daher nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit b AVG darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("nova reperta"), nicht aber wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt ("nova causa superveniens"; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. November 1991, 91/18/0101).

Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, "es stelle sich aus Gründen der Rechtssicherheit die Frage, ob ein Senat des Bundesverwaltungsgerichtes ohne Beiziehung eines Sachverständigengutachten bzw. in Negierung einer diesbezüglich Sachverständigenmeinung (Anm.: damit gemeint ist das von der Staatsanwaltschaft im - in Bezug auf die aufgehobenen Teile des Strafurteils - fortgesetzten Strafverfahren beim Landesgericht Y in Auftrag gegebene und am 7. Juli 2015 (sic!) erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. W) eine eigene divergierende Gefährlichkeitsprognose treffen dürfe und in diesem Zusammenhang eine aufzugreifende Unvertretbarkeit der getroffenen Ermessensausübung vorliegt".

Im Weiteren wird im Wesentlichen moniert, das Bundesverwaltungsgericht hätte den Strafakt beischaffen und das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen W als Grundlage für das (wiederaufgenommene) Disziplinarverfahren heranziehen müssen.

Dabei übersieht die Revisionswerberin, dass mit der Entscheidung des Landesgerichtes Y vom 16. Jänner 2015 im (strafrechtlichen) Wiederaufnahmeverfahren das seinerzeitige Strafurteil vom 16. Mai 2013 gemäß § 358 Abs. 1 StPO nur in den Teilen aufgehoben wurde, welche (auch) die Vorwürfe im Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit X betrifft, der gegenüber der paranoide Wahn der Revisionswerberin zum Tragen kam und nach dem Gutachten von Dr. P die Annahme der diesbezüglichen Schuldunfähigkeit rechtfertigt. Wenngleich aus der Aktenlage nicht ersichtlich ist, dass das Strafverfahren hinsichtlich dieser Vorwürfe nicht nur in den Stand des Ermittlungsverfahrens versetzt wurde (und deshalb von der Staatsanwaltschaft das nunmehr von der Revisionswerberin ins Treffen geführte weitere Gutachten eingeholt wurde) sondern zum Zeitpunkt der hier angefochtenen Entscheidung bereits auch "Freisprüche" vorgelegen seien, hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass im Umfang der Aufhebung des seinerzeitigen Strafurteils auch die "seinerzeitige" Bindungswirkung nach § 95 Abs. 2 BDG 1979 weggefallen ist und aufgrund der Annahme der Schuldunfähigkeit der Revisionswerberin nunmehr hinsichtlich der Vorwürfe zu den Punkten 1 und 2 (hier mit den gezeigten Einschränkungen) im Disziplinarverfahren mit Freispruch vorzugehen war.

Nichtsdestotrotz ergibt sich aus dem Strafurteil vom 16. Jänner 2015 unmissverständlich, dass hinsichtlich der übrigen Teile, also der - die angefochtene Entlassung tragenden - Vorwürfe zum Faktenkomplex 3 (der unzulässigen Beweismittelbehandlung) wie auch zum (eingeschränkten) Punkt 2, infolge der diesbezüglichen Abweisung des Wiederaufnahmeantrages die Schuldsprüche und die Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren aufrecht geblieben sind.

Auch aufgrund des ebenso eindeutigen Gutachten des Dr. P zur diesbezüglichen Bejahung der Schuldfähigkeit gab es bei dieser Sachlage für das Bundesverwaltungsgericht keine erkennbare Notwendigkeit in seinem Wiederaufnahmeverfahren weitere Beweismittel einzuholen.

Die Revisionswerberin hat auch in ihrem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dargelegt, welche neuen Tatsachen und Beweismittel, deren Geltendmachung im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht möglich war, hervorgekommen seien, die zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. Wenn die Revisionswerberin in der Revision auf das Gutachten vom 7. Juli 2015 verweist, so ist ihr entgegenzuhalten, dass dieses Gutachten im Zeitpunkt des Antrages auf Wiederaufnahme weder bestand noch im Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung (24. Juni 2015) erstattet worden war. Soweit im Wiederaufnahmeantrag die Richtigkeit der damaligen Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen werden, ohne den Gutachten auf fachlich gleicher Ebene entgegenzutreten, obwohl sie sowohl im Verfahren wie auch im Zuge der Wiederaufnahme Gelegenheit hierzu gehabt hätte, reicht das nicht hin, die vom Gericht herangezogenen Gutachten zu entkräften und das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes darzulegen.

Ebensowenig wird von der Revision eine aufzugreifende Unvertretbarkeit der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Ermessungsübung zur Begründung der Entlassung der Revisionswerberin dargetan.

Im Übrigen ist zu bemerken, dass der von der Revisionswerberin angekündigte und unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. W beim Landesgericht Y hinsichtlich der - als Ergebnis des oben genannten Beschlusses vom 16. Jänner 2015 - verbleibenden strafrechtlichen Verurteilung (welche den im Disziplinarverfahren relevanten Faktenkomplex 3 betrifft) eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 11. August 2015 mit unbekämpft gebliebenem Beschluss des Landesgerichtes Y vom 20. August 2015 abgewiesen wurde.

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 14. Dezember 2015

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