VwGH Ra 2015/01/0256

VwGHRa 2015/01/025613.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der revisionswerbenden Partei S T in W, vertreten durch Dr. Gerhard Kienast, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Getreidemarkt 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. November 2015, Zl. L512 1418640-2/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;
AsylG 2005 §3;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 16. August 2013 einen "Folgeantrag" auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Begründung gab er eine wesentliche Sachverhaltsänderung dahingehend an, dass ihm ein Freund aus dem Iran im Frühjahr 2013 mitgeteilt habe, dass seine Familie bereits im Jahr 2008 von den Taliban getötet worden sei. Auch habe er einen Sohn in Wien, mit dem er zusammenleben möchte; weiters leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

2 Mit Bescheid vom 18. September 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 3. November 2015 wies dieses die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers "gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG 1991" als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG aus, es habe sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die den Revisionswerber betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person des Revisionswerbers gelegenen Umständen ergeben. Ebenso habe keine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation bzw. relevante Änderung der Rechtslage festgestellt werden können.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Erkenntnis hänge von der Rechtsfrage ab, ob dem Revisionswerber eine Aufenthaltsberechtigung aus den Gründen des Art. 8 EMRK zukomme. Dazu hätte das BFA den zur Lösung dieser Rechtsfrage maßgeblichen Sachverhalt festzustellen gehabt, habe diesbezüglich aber keinerlei Ermittlungen gepflogen, sodass der Sachverhalt mangelhaft geblieben sei. Nach § 21 Abs. 3 BFA-VG hätte das BVwG somit nicht entscheiden dürfen, sondern der Beschwerde stattzugeben gehabt. Keinesfalls hätte diese Rechtsfrage ohne Anhörung des Revisionswerbers und damit ohne der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantwortet werden dürfen, was im Anwendungsbereich der EMRK einen absoluten Verfahrensmangel darstelle. Dem Revisionswerber hätte außerdem nicht unterstellt werden dürfen, einen unzulässigen Antrag stellen zu wollen.

9 Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2016/01/0012, mwN).

10 Davon ausgehend erweist sich die vorliegende außerordentliche Revision als unzulässig:

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hängt die Revision nicht von der Frage ab, ob dem Revisionswerber eine Aufenthaltsberechtigung aus den Gründen des Art. 8 EMRK zukomme. Nach ständiger Rechtsprechung steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Juni 2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Im vorliegenden Fall hat das BVwG einzelfallbezogen vertretbar ausgeführt, dass der Revisionswerber im Hinblick auf die Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 10. Oktober 2012 keinen wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aufgezeigt hat. Davon ausgehend wird mit dem Revisionsvorbringen auch keine Verletzung der Verhandlungspflicht aufgezeigt.

11 Schließlich kann auch der Auffassung des Revisionswerbers, das BVwG hätte dessen Antrag nach dessen erkenn- und erschließbaren Ziel auszulegen (und damit inhaltlich als Wiederaufnahmeantrag behandeln müssen), nicht gefolgt werden. Das Gericht wies in seinem Erkenntnis zurecht darauf hin, dass nach dem bereits rechtkräftig entschiedenen Verfahren neu hervorgekommene Tatsachen ("nova reperta"), wie etwa das Vorbringen des Revisionswerbers, seine Familie sei (bereits) im Jahr 2008 ermordet worden (was er erst im Jahr 2013, also nach Abschluss des Asylverfahrens, erfahren habe), ein neues, rechtlich selbständiges Verfahren nicht rechtfertigen, sondern lediglich in den engen Grenzen einer Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG in das bereits abgeschlossene Verfahren einfließen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. November 2004, 2002/20/0391). Auf die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, 2006/07/0012), und eine Pflicht der Behörde dahingehend, einen ("Folge"-) Antrag auf internationalen Schutz in einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG umzudeuten, kann (auch) der vom Revisionswerber ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung nicht entnommen werden. Im vorliegenden Fall wären auch die weiteren Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorgelegen (insbesondere wäre die zweiwöchige Frist ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes zum Zeitpunkt der wiederholten Antragstellung im August 2013 (der Revisionswerber habe eigenen Angaben zufolge bereits im März oder April 2013 vom Tod seiner Familienangehörigen erfahren) bereits abgelaufen gewesen).

12 Ausgehend von den zur Zulässigkeit vorgebrachten Gründen werden in der Revision demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 13. September 2016

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