VwGH Ra 2015/21/0174

VwGHRa 2015/21/017415.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision der ZS in L, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. September 2015, Zl. W196 1437226-2/16E, betreffend Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 und gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie die damit verbundenen Aussprüche nach § 52 Abs. 9 und nach § 55 FPG wendet, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §13 Abs1;
AsylG 2005 §51;
AsylG 2005 §55;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §52 Abs2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §55;
FrPolG 2005 §60 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 2005 §13 Abs1;
AsylG 2005 §51;
AsylG 2005 §55;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §52 Abs2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §55;
FrPolG 2005 §60 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis, soweit damit über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Revisionswerberin ist russische Staatsangehörige und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Nach ihrer Einreise nach Österreich im Juli 2012 stellte sie hier einen Antrag auf internationalen Schutz, der seitens des Bundesasylamtes vollinhaltlich abgewiesen wurde; außerdem wurde die Revisionswerberin in die Russische Föderation ausgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 12. Mai 2014, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, keine Folge; hinsichtlich der verhängten Ausweisung wurde das Verfahren jedoch gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen. Dieses sprach dann mit Bescheid vom 11. Juni 2014 aus, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei; die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 23. September 2015 gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 75 Abs. 20 iVm §§ 55 und 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet ab. Außerdem sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 erhob die Revisionswerberin gegen dieses Erkenntnis Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:

1. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Ausführungen in diese Richtung lässt die gegenständliche Revision indes in Bezug auf die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nach § 57 AsylG 2005 zur Gänze vermissen, weshalb sie zunächst insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

2. Bereits in der Revision brachte die Revisionswerberin vor, dass sie einen "Asylfolgeantrag" gestellt habe. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof teilte das BFA dazu mit, dass das Verfahren über diesen "Asylfolgeantrag" schon am 19. Oktober 2015 durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte zugelassen wurde. Dem hat die zur Stellungnahme aufgeforderte Revisionswerberin nicht widersprochen.

Die Revisionswerberin erlangte somit - dokumentiert durch die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte nach § 51 AsylG 2005 - den Status einer Asylwerberin, die gemäß § 13 Abs. 1 AsylG 2005 zum (vorläufigen) Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts (vgl. auch § 31 Abs. 1 Z 4 FPG) bewirkte aber - über die Fälle des § 60 Abs. 3 FPG hinaus - die Gegenstandslosigkeit der hier bekämpften Rückkehrentscheidung sowie der damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Der Eintritt der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht nämlich der Aufrechterhaltung einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen. Insoweit stellt (auch) die Gewährung eines vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsrechts gewissermaßen den "contrarius actus" zu einer Rückkehrentscheidung dar. Sie kann nicht mehr vollzogen werden; sollte der Aufenthalt der Revisionswerberin zu einem späteren Zeitpunkt (neuerlich) unrechtmäßig werden, so könnte er nicht in Vollziehung der ursprünglichen Rückkehrentscheidung beendet werden (siehe dazu etwa den eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem FrÄG 2011 betreffenden hg. Beschluss vom 20. Dezember 2012, Zl. 2011/23/0331, dessen Aussagen auf den Fall einer Rückkehrentscheidung übertragbar sind).

Nach dem Gesagten konnte die Revisionswerberin in Bezug auf die gegenständliche Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Aussprüche nach § 52 Abs. 9 sowie nach § 55 FPG schon bei Einbringung der gegenständlichen Revision im Dezember 2015 nicht mehr in Rechten verletzt werden. Gegenteiliges zeigt sie auch in ihrer Stellungnahme nicht auf, weil die darin angesprochene potentielle zukünftige Zurückweisung ihres "Asylfolgeantrages" wegen entschiedener Sache zwar das vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsrecht beenden, nicht jedoch zum Wiederaufleben der hier gegenständlichen Rückkehrentscheidung führen würde. Vielmehr hätte gegebenenfalls eine neue Rückkehrentscheidung zu ergehen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0082). Im eben dargestellten Umfang steht der Revision somit der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen (siehe dazu allgemein etwa den hg. Beschluss vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0088), weshalb sie auch insofern gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

3. Soweit sich die Revision überdies gegen den vom BVwG bestätigten Ausspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 richtet, ist sie allerdings zulässig, weil dieser - anders als die Rückkehrentscheidung nicht gegenstandslos werdende - Ausspruch im Sinn der Äußerung der Revisionswerberin Rechtskraftwirkungen entfalten kann und weil insofern auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz nämlich keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen (siehe dazu näher Punkt 3.4.2. der Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses, worauf gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). In Bezug auf die Entscheidung nach § 55 AsylG 2005 war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. März 2016

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