BVwG W138 2131821-1

BVwGW138 2131821-115.2.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W138.2131821.1.00

 

Spruch:

W138 2131821-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch das Land Steiermark als Kinder- und Jugendhilfeträger, dieses vertreten durch die Caritas der Diözese Graz-Seckau, Mariengasse 24, 8020 Graz gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2016, Zl. 1048841307/140310510, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.12.2017 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islam zugehörig, reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.12.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Am 23.12.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab an aus " XXXX " in der Priovinz Daikundi zu stammen. Neben seinem Vater und seiner Mutter habe er zudem noch zwei Schwestern und einen Bruder, die alle nach wie vor im Herkunftsland des Beschwerdeführers lebten. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban ihn zwangsrekrutieren wollten und sein Vater aus diesem Grund zwei Mal von ihnen bedroht worden sei. Da der Beschwerdeführer nicht für die Taliban kämpfen habe wollen, sei er gezwungen gewesen das Land zu verlassen. Andere Gründe für seine Flucht habe es nicht gegeben.

 

3. Am 18.02.2016 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari, die der Beschwerdeführer als seine Muttersprache angegeben hatte, im Beisein seiner gesetzlichen Vertretung die niederschriftliche Ersteinvernahme des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt. Der Beschwerdeführer bestätigte der Volksgruppe der Hazara anzugehören und schiitischer Moslem zu sein. Er stamme aus dem Dorf " XXXX " wo er gemeinsam mit seinen Eltern, seinen beiden Schwestern und seinem Bruder, (damals) alle minderjährig, gelebt habe. Der Vater des Beschwerdeführers habe eine kleine Landwirtschaft gehabt und damit für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt. Der Beschwerdeführer sei nicht zur Schule gegangen sondern sei zu Hause von seiner Mutter unterrichtet worden. Zudem habe er seinem Vater bei der Bewirtschaftung ihres Grundstücks geholfen. Zu seinen Fluchtgründen befragt bestätigte der Beschwerdeführer, dass die Taliban seinen Vater zwei Mal aufgesucht und verlangt hätten, dass der Beschwerdeführer sich ihnen anschließe. Da sein Leben in Gefahr gewesen sei, habe der Vater schließlich entschieden, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen müsse und seine Flucht organisiert. Eine Bedrohung der Familie durch die Taliban habe es nicht gegeben. Bei einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer von den Taliban mitgenommen bzw. im Falle der Weigerung sich ihnen anzuschließen von ihnen getötet zu werden. Sonstige Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer auch auf Nachfrage nicht vor.

 

Dem Beschwerdeführer wurden die Länderfeststellungen des BFA zur aktuellen Lage in Afghanistan ausgefolgt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt.

 

4. Mit Eingabe vom 24.02.2016 nahm der Beschwerdeführer ergänzend zu den ihm ausgefolgten Länderfeststellungen das BFA Stellung. Unter Bezugnahme auf die von ihm dazu zitierten Berichte internationaler staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen sowie die Judikatur der (Höchst‑)Gerichte verwies der Beschwerdeführer auf die angespannte Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz sowie die prekäre Situation der schiitischen Hazara in Afghanistan. Angesichts der aktuellen humanitären Lage und der bestehenden wirtschaftlichen Einschränkungen sowie infolge fehlender sozialer und familiärer Anknüpfungspunkte stehe ihm auch in Kabul keine innerstaatliche zur Verfügung. Auf Grund der dem Beschwerdeführer drohenden Zwangsrekrutierung und seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Männer und Burschen im wehrfähigen Alter gehöre er per se einer Risikogruppe im Sinne der Richtlinien des UNHCR an. Da der Beschwerdeführer sich nicht den Taliban angeschlossen habe, habe er sich gegen deren religiöse sowie politische Wertvorstellungen gestellt und würde daher im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, von Verfolgungshandlungen durch die Taliban aus Konventionsgründen betroffen zu sein. Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan weder eine Lebensgrundlage noch einen "adäquaten Familienanschluss", weshalb ihm eine Rückkehr in sein Heimatland nicht zumutbar sei.

 

5. Mit Anfragenbeantwortung vom 02.06.2016 nahm die Staatendokumentation zur Anfrage des BFA betreffend die Zwangsrekrutierung durch die Taliban in der Provinz Daikundi sowie deren Erreichbarkeit Stellung. Dazu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen durch die Taliban möglich seien, dies von ihnen jedoch teilweise bestritten werde. Auch Zwangsrekrutierungen von Hazara seien nicht ausgeschlossen. Hinsichtlich der angefragten Erreichbarkeit der Provinz Daikundi wurde festgehalten, dass den dazu erhobenen Quellen zu entnehmen sei, dass Daikundi von Kabul aus auf dem Landweg erreichbar sei. Übergriffe durch aufständische Gruppen seien möglich.

 

6. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs mit Schreiben der belangten Behörde vom 14.06.2016 zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt.

 

7. Mit Äußerung vom 29.06.2016 nahm der Beschwerdeführer zu der Recherche der Staatendokumentation Stellung und verwies auf die dazu zitierten Medienberichte und daraus folgend die behauptungsgemäß äußerst gefährliche Erreichbarkeit der Provinz Daikundi sowie die insbesondere für Hazara bestehende Risikolage Opfer von Übergriffen und Entführungen zu werden. Wie die aktuellen Berichte zeigten, sei die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers nach wie vor prekär. Unter auszugsweiser Zitierung der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts verwies der Beschwerdeführer nochmals darauf, dass er als Angehöriger der Minderheit der Hazara besonders signifikant von der Gefahr betroffen sei, Opfer von Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu werden.

 

8. Mit dem angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 "idgF" (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 "idgF" gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Begründend führte das BFA als folgend belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens insgesamt zu versagen sei, da er in seiner Einvernahme nicht in der Lage gewesen sei, die Rahmenumstände und die Fluchtgründe detailliert zu schildern, sondern die Angaben vage und abstrakt geblieben seien. Zudem hätten gemäß den Aussagen des Beschwerdeführers die Taliban nur mit seinem Vater gesprochen und er selbst sie nie gesehen. Hinsichtlich des grundsätzlichen Problems der Zwangsrekrutierung in der Provinz Daikundi sei der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation zu entnehmen, dass darüber keine Informationen gefunden werden konnten. Angesichts der bestehenden Berichtslage sei daher nicht davon auszugehen, dass vor allem in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers junge Männer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Zwangsrekrutierung betroffen seien. Auch sei nicht plausibel, dass der Vater des Beschwerdeführers die Landwirtschaft der Familie, die behauptungsgemäß deren Lebensgrundlage gewesen sei, verkauft habe um die Flucht des Beschwerdeführers zu finanzieren. Auf Grund des persönlichen Eindrucks in der Einvernahme vor der belangten Behörde sei davon auszugehen gewesen, dass die Angaben des Beschwerdeführers im Hinblick auf die behaupteten Verfolgungshandlungen nicht der Wahrheit entsprechen könnten. Vielmehr sei abzunehmen, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland auf Grund der allgemein schlechten Sicherheitslage und der angespannten wirtschaftlichen Situation verlassen habe.

 

Eine sonstige Gefährdung der Person des Beschwerdeführers bestehe nicht. Wie den herkunftslandbezogenen Berichten zu entnehmen sei, gehöre Daikudi zu den sichersten Provinzen in Afghanistan. Zudem lebe die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor dort und habe in ihrem Heimatdorf ein eigenes Haus und eine kleine Landwirtschaft, sodass ihm im Falle der Rückkehr Wohnraum und eine soziale und wirtschaftliche Versorgung durch die Familie zur Verfügung stünden. In Gesamtschau der Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr gegenüber der übrigen Bevölkerung einer signifikant stärkeren Gefährdung ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Verwandten oder eine ihm sonst nahestehende Person, sodass keine objektiven Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstünden. Ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen werde dem Beschwerdeführer nicht erteilt.

 

9. Mit Verfahrensanordnung vom 11.07.2016 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtberater für eine allfällige Beschwerdeerhebung zu Seite gestellt.

 

10. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die vorliegende Beschwerde in vollem Umfang wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit seines Inhalts. Demnach sei die belangte Behörde ihrer amtswegig obliegenden Ermittlungspflicht nicht bzw. nur unzureichend nachgekommen, sodass das Verfahren insgesamt mit Mangelhaftigkeit belastet sei. Dem Vorwurf der mangelnden Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sei entgegen zu halten, dass sämtliche fluchtrelevanten Angaben vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren durchgängig gleichbleibend dargestellt worden seien. Angesichts der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers könne auch nicht "ohne weiteres" davon ausgegangen werden, dass dessen Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche. Dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, welches weitere Vorbringen die belangte Behörde in diesem Zusammenhang für erforderlich erachtet habe bzw. wäre es an ihr gewesen, den maßgebenden Sachverhalt vollständig zu ermitteln, zumal ihr in Verfahren betreffend minderjährige Asylwerber besondere Manuduktions- bzw. Sorgfaltspflichten oblägen. Der angefochtene Bescheid lasse insgesamt eine Würdigung des jungen Alters des Beschwerdeführers vermissen, zumal die belangte Behörde bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit besondere Maßstäbe anzuwenden gehabt hätte. Konkrete Widersprüche des Fluchtvorbringens habe auch die belangte Behörde letztlich nicht aufzeigen können. Die Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation bestätige die Gefahr von Zwangsrekrutierung von Kindern und Minderjährigen durch die Taliban und andere extremistische Gruppen in Afghanistan. Die Annahme der belangten Behörde, wonach dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz zumutbar sei, stehe in Widerspruch zu der unter einem dazu angeführten Judikatur der (Höchst‑)Gerichte sowie den in das Verfahren eingebrachten herkunftslandbezogenen Länderberichten. Angesichts der schlechten finanziellen Situation der Familie des Beschwerdeführers, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese ein adäquates Netzwerk darstelle in das der Beschwerdeführer zurückkehren könne. Eine realistische Perspektive für eine ökonomische und soziale Wiedereingliederung habe der Beschwerdeführer damit nicht. Auch die Erreichbarkeit Daikundis sei entgegen der Annahme der belangten Behörde, wie den dazu zitierten Medienberichten zu entnehmen sei, nicht gegeben.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde daher zu dem Schluss kommen müssen, dass der Beschwerdeführer, der sich geweigert habe den Taliban anzuschließen und sich damit gegen ihre religiösen und politischen Wertvorstellungen gestellt habe, im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würde einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein. Eine Wiederansiedelung des Beschwerdeführers sei unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation, der aufgezeigten schlechten Sicherheitslage und der höchstgerichtlichen Judiaktur sowie mangels Erreichbarkeit ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang seien die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers und die sich daraus ergebende Vulnerabilität besonders zu würdigen.

 

11. Mit Beschwerdevorlage vom 03.08.2016 wurde die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

 

12. Mit Verfügung vom 10.11.2017 wurden dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs das Länderinformationsblatt des BFA vom 02.03.2017 (Stand 25.09.2017), das Gutachten des zertifizierten sowie gerichtlich beeideten landeskundlichen Sachverständigen Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 einschließlich Aktualisierung vom 15.05.2017 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme in der unter einem anberaumten mündlichen Verhandlung eingeräumt.

 

13. Am 14.12.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertreter sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde war der Verhandlung entschuldigt fern geblieben. Soweit entscheidungswesentlich stellte sich der Gang der Verhandlung wie folgt dar:

 

"[...]

 

I. Zum aktuellen Zustand des BF:

 

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

 

BF: Ich bin absolut gesund und nehme keine Medikamente ein.

 

II. Zum Verfahren vor dem BFA bzw. den Organen des öffentlichen

Sicherheitsdienstes:

 

R: Sie wurden bereits beim BFA bzw. vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei) niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

 

BF: Ich habe die Wahrheit angegeben und halte alles aufrecht.

 

R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das BFA im Zuge Ihrer Einvernahme mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?

 

BF: Ja.

 

III. Zur persönlichen Situation des BF:

 

a) in Österreich:

 

R: Leben Sie in Österreich alleine oder leben Sie mit jemandem zusammen? Wie ist Ihre aktuelle Wohnsituation? Leben Sie in einer Flüchtlingspension?

 

BF: Ich wohne in einem Haus der Organisation "AIS". Ich wohne alleine in dieser Wohnung. Die Wohnung habe ich von AIS zur Verfügung gestellt bekommen und wird auch von AIS betreut.

 

R: Sprechen Sie auch schon ein bisschen Deutsch? Welches Sprachniveau haben Sie? Besuchen Sie Sprachkurse oder sonstige Kurse, Schule, Vereine oder Universität?

 

BF: Ich habe Deutschkurse besucht und werde diesbezüglich Teilnahmebestätigungen vorlegen. Außerdem bin ich in die NMS gegangen und derzeit besuche ich die HTL. Ich habe regelmäßig mit einer Fußballmannschaft trainiert. Ich weiß aber nicht, welcher Verein das gewesen ist. BF legt eine Bestätigung von AIS vom 13.12.2017 und eine Schulbesuchsbestätigung der HTL vom 08.11.2017 vor. Diese werden als Kopie zum Akt genommen.

 

R: Welches Niveau haben Sie in Deutschkursen gemacht und können Sie dazu Abschlüsse vorlegen?

 

BF: Ich habe noch keine Prüfung gemacht. Ich besuche einen A2-Kurs von AIS.

 

R( Frage auf Deutsch gestellt): Was machen Sie unter Tags so? Wie stellt sich ein typischer Tagesablauf dar?

 

BF(auf Deutsch): Ich gehe jeden Tag Schule und ich gehe auch Fußball spielen und bisschen Deutsch lernen und ja. (R: BF hat die auf Deutsch gestellte Frage verstanden und in gebrochenen Deutsch beantwortet)

 

BF( Auf Dari): Ich gehe täglich in der Früh zur Schule. Mittwochs habe ich bis 17:00 Uhr, Donnerstags und Freitags bis 12:00 Uhr Unterricht. Nach dem Mittagessen mache ich meine Hausaufgaben und wenn noch Zeit bleibt, gehe ich Fußball spielen. Ansonsten gehe ich zeitig ins Bett.

 

R: Befinden sich in Österreich Familienangehörige von Ihnen ?

 

BF: Nein.

 

R: Wie sieht Ihr Kontakt zu Ihren Familienangehörigen aus?

 

BF: Ich habe derzeit keinen Kontakt mit meiner Familie. Seit meiner Ausreise aus Afghanistan stehe ich mit meiner Familie nicht in Kontakt.

 

R: Haben Sie ein Handy?

 

BF: Ja.

 

R: Haben Sie das mit?

 

BF: Ja.

 

R: Können Sie das aktivieren und der D die Anrufliste bzw. das Telefonbuch zeigen?

 

BF: Ja.

 

R: Haben Sie einen E-Mail Account?

 

BF: Ich müsste nachsehen, ob ich eine E-Mail Adresse am Handy aktiviert habe.

 

R: Dürfen wir bei WhatsApp und Viber auch noch nachsehen?

 

BF: Ja.

 

R: Es können am Handy keinerlei Kontakte nach Afghanistan festgestellt werden.

 

R: Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

 

BF: Nein, ich besuche die Schule und darf außerdem mit der weißen Aufenthaltsberechtigungskarte nicht arbeiten.

 

R: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit der Polizei oder Staatsanwaltschaft gehabt?

 

BF: Ja, einmal.

 

R: Was ist da vorgefallen?

 

BF: Die Polizei hat Drogentests bei mehreren jugendlichen durchgeführt. Später wurde ich auf die Polizeistation geladen. Sie machten lediglich ein Foto von mir.

 

R: Sonst noch irgendetwas?

 

BF: Ein weiteres Mal hatte ich wieder Probleme wegen Besitz von Marihuana. Ich war bei der Staatsanwaltschaft. Man hat mir gesagt, dass sie mir diesmal keine Strafe geben werden, aber ich soll in Zukunft vorsichtig sein. Sie sagten, dass es ausreichend sei, wenn ich 60 Stunden ohne Bezahlung arbeite.

 

R: Waren Sie nicht kurzfristig inhaftiert?

 

BF: Nein.

 

R: Sind Sie in Österreich bisher strafrechtlich verurteilt worden?

 

BF: Nein.

 

R: Das Gericht kann sich auf Grund Ihrer Angaben nunmehr ein Bild über ihre privaten sowie familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. ihrer Integration äußern?

 

BF: Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich meine Fehler, die ich begangen habe, eingesehen habe und versichere, dass ich sie nicht wiederholen werde. Ich möchte gerne in Österreich bleiben, die Schule abschließen und ein ruhiges Leben führen.

 

b) im Herkunftsstaat:

 

R: Im angefochtenen Bescheid des BFA wurde u.a. bereits festgestellt, dass Sie aus Afghanistan stammen. Geben Sie bitte nochmals an, welcher Volksgruppe und Religionsgemeinschaft Sie angehören? Welche Sprachen sprechen Sie?

 

BF: Ich stamme aus der Provinz Daikundi, ich bin Hazara und Schiit und spreche Dari.

 

R: Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Leben in Afghanistan: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

 

BF: Ich bin in der Provinz Daikundi, Distrikt Bandar, Dorf XXXX geboren und dort aufgewachsen. Ich habe dort mit meinen Eltern, meinen zwei Schwestern und meinem Bruder zusammengelebt. Mein Vater war Landwirt. Er hat Weizen angebaut und ich habe ihm in der Landwirtschaft geholfen. Ich schätze, dass es in meinem Heimatdorf ca. 20 bis 25 Häuser gibt.

 

R: Wie weit ist das Heimatdorf mit dem Auto von der Hauptstadt Daikundis entfernt?

 

BF: Die Fahrt von der Provinzhauptstadt bis zu meinem Dorf dauert normalerweise eineinhalb bis zwei Stunden mit dem Auto. Wenn das Auto im Schlamm stecken bleibt, oder es andere Hindernisse gibt, dann dauert die Fahrt dementsprechend länger. Es fahren Linienfahrzeuge, jedoch keine kleinen PKWS sondern nur Geländewagen, weil die Straßen nicht asphaltiert sind und es bei Regenfall viel Schlamm gibt.

 

R: Wohnen in Irrem Heimatdorf ausschließlich Hazara oder auch andere Volksgruppenangehörige?

 

BF: Dort leben nur Hazara.

 

R: Haben Sie in Ihrem Heimatland die Schule besucht, wenn ja, wie lange? Welche weitere Ausbildung haben Sie? Wo, wie lange?

 

BF: Ich bin in Afghanistan überhaupt nicht zur Schule gegangen, aber meine Mutter hat mich manchmal, wenn es ihr gut ging und sie wenig zu tun hatte, zu Hause unterrichtet. Ich kann in Dari ein bisschen lesen und schreiben. In Österreich habe ich in Deutsch lesen und schreiben gelernt.

 

R: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt und wo war das und wie lange?

 

BF: Ich hatte in Afghanistan keinen bestimmten Beruf. Ich habe lediglich meinem Vater bei der Ernte der Weizen geholfen. Ich habe mit 11 oder 12 Jahren begonnen, meinen Vater zu unterstützen. Grundsätzlich kenne ich mich in der Landwirtschaft aus, aber seit ich in Österreich bin, habe ich nicht mehr in der Landwirtschaft gearbeitet und habe dementsprechend manche Sachen vergessen.

 

R: Wer hat in Afghanistan für Ihren Lebensunterhalt gesorgt?

 

BF: Mein Vater und meine Mutter haben den Lebensunterhalt für uns bestritten.

 

R: Welche Verwandten haben Sie und wo leben diese?

 

BF: Von meinen Eltern und Geschwistern weiß ich nicht, wo sie sind. Sonst gibt es keine Verwandten. Mein Bruder ist jetzt 18 Jahre alt, meine große Schwester ist 19 und meine kleine Schwester ca. 11 Jahre alt. Mein Vater ist jetzt 68 Jahre alt und meine Mutter ist 58.

 

R: Gibt es irgendwelche Hinweise, dass die Familie sich nicht mehr im Heimatdorf aufhält?

 

BF: Mein Heimatdorf ist von hohen Bergen umgeben. Wenn man von dort aus telefonieren möchte, muss man auf einen Hügel steigen, damit man besseren Empfang hat. Ich habe keinen Kontakt ins Heimatdorf, deswegen kann ich nicht sagen, ob meine Familie dort ist oder nicht.

 

R: Gibt es irgendeinen Grund, warum die Familie nicht mehr im Heimatdorf sein sollte?

 

BF: Sie müssten doch wissen, dass in Afghanistan Krieg herrscht. Es ist ganz normal, dass Menschen ihre Regionen verlassen und vor dem Krieg flüchten. Außerdem sind wir Hazara, es sollte auch allgemein bekannt sein, dass Hazara und Schiiten bedroht und geköpft werden. Sie könnten wegen des Krieges das Heimatdorf verlassen haben. Das kann ich jedoch nur vermuten.

 

R: Hatte Ihre Familie Freunde im Heimatdorf oder in der Region?

 

BF: Ja, meine Familie kannte einige Leute im Heimatdorf. Ich kenne die Leute auch. Ich kann drei oder vier von ihnen namentlich nennen.

 

R: Hatten Sie selbst auch gleichaltrige Freunde im Heimatdorf?

 

BF: Ja, es gab gleichaltrige Burschen. Sie waren meine Freunde. Wir haben manchmal zusammen Fußball gespielt.

 

R: Hat ihre Familie Besitztümer in Afghanistan?

 

BF: Mein Vater hatte ein Grundstück, auf dem er Weizen angebaut hat. Dieses hat er jedoch verkauft. Ich weiß nicht, wovon meine Familie jetzt lebt. Es gibt noch unser Haus, aber ich weiß nicht, ob meine Familie darin wohnt oder nicht.

 

R: Was war die Einnahmequelle Ihrer Familie?

 

BF: Mein Vater hat Weizen angebaut und hat die Ernten verkauft und so den Lebensunterhalt bestritten. Der Weizen stammte von unserem einzigen Feld.

 

R: Heißt das, dass die Erträge aus der Landwirtschaft die einzige Einnahmequelle der Familie waren?

 

BF: Ja, das war das einzige, wodurch mein Vater Geld eingenommen hat.

 

R: Wie ist die finanzielle Situation Ihrer Familie?

 

BF: Unsere wirtschaftliche Lage war nicht so gut. Wir konnten uns gerade einmal etwas zu Essen leisten.

 

R: Was hat Ihre Flucht gekostet und wer hat die Flucht finanziert?

 

BF: Meine Flucht hat 7000 USD gekostet. Mein Vater hat sie finanziert, indem er sein Grundstück für 7000 USD verkauft hat. Der Verkaufspreis war genauso hoch wie die Fluchtkosten.

 

R: Woher wissen Sie das?

 

BF: Mein Vater hat es mir dann gesagt. Mit dann meine ich: Die Taliban sind ja gekommen und haben von uns dies und das verlangt. Daraufhin hat mein Vater das Grundstück verkauft und mich von dort weggeschickt. Nach dem Verkauf hat er mir den Preis für das Grundstück genannt.

 

R: Was meint Sie mit "dies und das"?

 

BF: Die Taliban behaupteten, dass die Afghanische Regierung sowie die Amerikaner alle ungläubigen seien. Sie sprachen mit meinem Vater und forderten ihn auf, mich mit den Taliban mitzuschicken, damit ich bei den Taliban eine Ausbildung bekommen kann. Sie wollten mir beibringen, wie man ein Selbstmordattentat verübt.

 

R: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?

 

BF: Nein.

 

R: Hatten Sie persönlich jemals Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?

 

BF: Nein.

 

R: Gab es in Afghanistan persönliche Bedrohungen?

 

BF: Nein.

 

R: Wurden Sie in Ihrem Heimatland wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Ihrer Religion verfolgt?

 

BF: Ich bin eigentlich wegen meiner Probleme mit den Taliban geflohen. Ich glaube, dass wenn ich mein Heimatdorf verlassen hätte, hätte ich von den Taliban getötet bzw. geköpft werden können.

 

R: Haben Sie sich in Afghanistan, jemals außerhalb Ihrer Heimatprovinz, zum Beispiel in Kabul-Stadt, Herat oder in Mazar-e Sharif gewohnt oder sich aufgehalten?

 

BF: Nein, ich bin nie in anderen Städten gewesen. Ich war ausschließlich in meinem Heimatdorf aufhältig.

 

R: Wann genau sind Sie aus Ihrem Herkunftsstaat Afghanistan ausgereist?

 

BF: Ich war ca. dreizehn Jahre und sieben oder acht Monate alt, als ich mein Heimatland verlassen habe. Ich schätze, dass ich Ende 2014 in Österreich angekommen bin. Es war jedenfalls vor dem Jahreswechsel zu 2015.

 

R: Auf welcher Route und durch welche Provinzen sind Sie aus Ihrem Heimatland ausgereist?

 

BF: Mein Vater hatte einen Schlepper organisiert. Er kam in der Nacht und holte mich ab. Die Schleppung erfolgte immer nachts und man hat mir auch nicht gesagt, durch welche Provinzen wir fahren. Das Fahrzeug hielt nur manchmal an, damit ich die Notdurft erledigen konnte.

 

R: Gab es irgendwelche Vorfälle bei dieser Fahrt?

 

BF: Nein, es gab keine Vorfälle. Ich befand mich die ganze Zeit im Fahrzeug und wurde transportiert. Den einzigen Vorfall auf der gesamten Fluchtroute bis nach Österreich gab es in Griechenland in einem Park. Dort wurde ich von griechischen Faschisten angegriffen. Ich erlitt einen Bruch am Schädel.

 

IV. Fluchtgründe des BF:

 

R: Erzählen Sie mir bitte Ihre Fluchtgründe.

 

BF: Die Taliban kamen in mein Dorf zu meinem Vater und verlangten von ihm, mich den Taliban zu überlassen. Sie versprachen meinem Vater, dass sie mich ausbilden würden und behaupteten, dass die afghanische Regierung samt den Amerikanern im Land alle ungläubig wären. Das mit der Ausbildung war eine Lüge, sie wollten mich eigentlich für ein Selbstmordattentat vorbereiten. Ich habe gehört, dass die Taliban Buben aus anderen Dörfern mitgenommen haben. Aus Angst, dass die Taliban mich auch zwanghaft mitnehmen, verkaufte mein Vater sein Grundstück und schickte mich von dort weg. Das ist mein Fluchtgrund.

 

R: Wie oft waren die Taliban bei ihrem Vater und wie viel Zeit vor Ihrer Flucht war das?

 

BF: Sie waren insgesamt zwei Mal bei meinem Vater. Sie kamen einmal, und sagten, dass sie nach einer Woche wiederkommen werden und nach ihrem zweiten Besuch schickte mich mein Vater sofort weg, nachdem er die Grundstücke verkauft hatte.

 

R: Wie lange vor Ihrer Flucht war dieser erste Besuch bei Ihrem Vater?

 

BF: Ca. eine Woche und vier oder fünf Tage vor meiner Ausreise waren die Taliban das erste Mal bei meinem Vater.

 

R: Was haben die Taliban konkret zu Ihrem Vater gesagt?

 

BF: Sie sprachen beide male mit meinem Vater. Während des Gespräches zwischen meinem Vater und den Taliban war ich nicht anwesend, deshalb kann ich nicht genau angeben, was die Taliban zu meinem Vater gesagt haben.

 

R: Haben Sie bei Ihrem Vater nachgefragt, was die Taliban wollten?

 

BF: Mein Vater hat nur gesagt: " Du musst von hier weggehen, dein Leben ist in Gefahr."

 

R: haben Sie Ihren Vater konkret gefragt, was der Grund dafür wäre, dass Sie mitgehen müssten?

 

BF: Ja, mein Vater sagte, dass mein Leben in Gefahr wäre, weil die Taliban gekommen wären und mich zu einer Ausbildung mitnehmen wollen würden.

 

R: Wo waren Sie als die Taliban zu Ihrem Vater kamen?

 

BF: Ich bin bei beiden Besuchen der Taliban zu Hause gewesen. Die Taliban haben beim Tor mit meinem Vater gesprochen.

 

R: Wussten die Taliban, dass Sie zu Hause sind?

 

BF: Ja, sie wussten, dass ich in diesem Haus bin.

 

R: Woher wissen Sie, dass es die Taliban sind und wissen Sie, woher sie waren?

 

BF: Sie kamen aus Kandahar und es ist allgemein bekannt, dass die Taliban aus Kandahar in meine Heimatprovinz gehen und aus verschiedenen Dörfern junge Buben mitnehmen. In den anderen Dörfern ist es auch zu solchen Vorfällen gekommen. Dort verbreiten sich solche Informationen sehr schnell.

 

R: Warum haben Sie die Taliban nicht mit Zwang mitgenommen und sind mehrmals gekommen?

 

BF: Das erste Mal sagten die Taliban: "Ihr Sohn muss mit uns mitgehen!". Mein Vater sagte: " Gut, ich werde ihn nächste Woche zu Ihnen schicken." Beim zweiten Besuch sagten sie wieder zu meinem Vater, dass er mich zu ihnen schicken soll und mein Vater versprach wieder, dass er dies tun würde. Daraufhin verkaufte er das Grundstück und schickte mich weg, weil mein Vater mich vor den Taliban nicht schützen konnte.

 

R: Jetzt kommen die Taliban das erste Mal und sagen, sie wollen Sie und Ihr Vater soll Sie zu ihnen schicken. Es passiert nichts. Sie kommen ein zweites Mal. Was ist bei diesem zweiten Mal passiert?

 

BF: Beim zweiten Mal kamen die Taliban und forderten wieder, dass mein Vater mich zu ihnen schicken soll, dann bin ich geflohen.

 

R: Wollten die Taliban auch, dass sich Ihr Vater oder Ihr Bruder ihnen anschließt?

 

BF: Das weiß ich nicht. Ich bin beim Gespräch nicht dabei gewesen.

 

R: Ist Ihr Bruder der ältere oder sind Sie der ältere?

 

BF: Mein Bruder.

 

R: Ihr Vater hat aber nur Sie weggeschickt?

 

BF: Ja, er hat gesagt, dass mein Leben in Gefahr war und ich von dort weggehen muss.

 

R:Weshalb sollten die Taliban gerade an Ihnen ein solch gesteigertes Interesse haben?

 

BF: Ich hatte gehört, dass die Taliban ganz junge Burschen bevorzugen und auch auf der Suche nach ganz jungen Burschen sind.

 

R: Wie groß ist der Altersunterschied zwischen Ihnen und Ihrem Bruder?

 

BF: Ein Jahr.

 

R: Die Bewohner in Ihrem Heimatdorf und Heimatdistrikt, welcher Volksgruppe gehören diese an?

 

BF: Sowohl mein Heimatdorf als auch mein Heimatdistrikt werden zur Gänze von Hazara bewohnt.

 

R: Gab es Ihnen gegenüber einen konkreten Vorfall mit den Taliban?

 

BF: Nein.

 

R: Wo haben Sie sich während der Zeit nach dem ersten Besuch der Taliban bei Ihrem Vater bis zu Ihrer Flucht aufgehalten?

 

BF: Ich habe mich immer zu Hause aufgehalten, bis mein Vater meine Flucht mithilfe eines Schleppers organisiert hat. Ich habe während dieser Zeit meinem Vater auf den Feldern geholfen.

 

R: Was hat Ihr Vater oder Ihre Mutter mit Ihnen während der Zeit des ersten Besuches der Taliban und Ihrer Flucht bezüglich der Bedrohungslage gesprochen?

 

BF: Nach dem ersten Besuch der Taliban haben mir meine Eltern gar nichts gesagt. Erst nach dem zweiten Besuch hat mein Vater gesagt, dass ich in Afghanistan nicht mehr sicher wäre und das Land verlassen müsste.

 

R: Hat Ihr Vater sein Grundstück vor dem zweiten Besuch oder erst nach dem zweiten Besuch verkauft?

 

BF: Nach dem zweiten Besuch hat mein Vater sein Grundstück verkauft und mich mit dem Erlös weggeschickt.

 

R: Haben Sie während der zwei Besuche mitbekommen, wie Ihre Eltern Ihre Flucht finanzieren wollten?

 

BF: Nein, er hat mir diesbezüglich nichts gesagt. Erst nach dem zweiten Besuch hat er das Grundstück verkauft. Das Haus hat mein Vater nicht verkauft, nur das Grundstück.

 

R: Wovon sollte Ihre ganze Familie nach Ihrer Flucht leben, wenn die Einnahmequelle verkauft wurde?

 

BF: Ich weiß es nicht, vielleicht arbeitet mein Vater für irgendwen oder vielleicht macht er Hilfsarbeiten. Ich weiß es nicht.

 

R: Wurde Ihre Familie von den Taliban bedroht oder angegriffen?

 

BF: Nein. Die Taliban wollten nur mich.

 

R: Gab es irgendwelche Bedrohungen der Taliban gegenüber Ihrer Familie?

 

BF: Ich weiß es nicht. Ich war ja bei den Gesprächen nicht dabei. Mein Vater hat nur gesagt, dass mein Leben in Gefahr wäre und ich gehen sollte.

 

R: Gab es auch andere junge Männer, die sich den Taliban anschließen sollten? Was ist mit denen geschehen? Woher wissen Sie das?

 

BF: Das weiß ich nicht. Ich habe damals gehört, dass auch aus den anderen Dörfern junge Burschen von den Taliban mitgenommen worden sind, um sie auszubilden und auf Selbstmordattentate vorzubereiten.

 

R: Gab es solche Vorfälle auch konkret in Ihrem Heimatdorf?

 

BF: Sie sind auch bei uns im Dorf gewesen. Ich bin das beste Beispiel.

 

R: Kennen Sie jemanden, der sich den Taliban im Heimatdorf angeschlossen hat bzw. jemanden, der sich geweigert hat, sich den Taliban anzuschließen?

 

BF: Nein, in meinem Heimatdorf bin ich als einziger betroffen gewesen, aber in den Nachbardörfern gab es auch andere Betroffene.

 

R: Gibt es noch weitere Fluchtgründe?

 

BF: Nein, ich hatte nur diese Probleme, die der Grund für meine Flucht waren.

 

R: Welche konkrete Bedrohung gegen Ihre Person würden Sie jetzt befürchten, wenn Sie nach Afghanistan insb. nach Kabul zurückkehren müssten?

 

BF: Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre mein Leben weiterhin in Gefahr. Auch in Kabul wäre ich nicht sicher. Außerdem kenne ich in Kabul niemanden und habe auch nie dort gelebt. Ich möchte gerne in Österreich bleiben und hier mein Leben und meine Ausbildung fortsetzen.

 

R: Gibt es konkrete Anhaltspunkte für Ihre Befürchtungen, oder nehmen Sie das nur an?

 

BF: Es wird Anhaltspunkte gegeben haben, weshalb mein Vater mich weggeschickt hat. Immerhin waren meinetwegen Leute bei meinem Vater. Nach Kabul kann ich auch nicht zurück, weil ich dort niemanden kenne. Ich weiß nicht, ob meine Familie überhaupt noch in Afghanistan lebt, oder nicht. Ich stehe mit ihnen nicht in Kontakt.

 

R: Ich habe zu ihrem Verfahren keine weiteren Fragen. Wollen Sie noch etwas angeben?

 

BF: Ich habe alles vorgebracht. Ich möchte darauf hinweisen, dass, als die Straßen in meinem Heimatdistrikt ausgebaut werden sollten, den Taliban Schutzgeld gezahlt werden musste. Hätte man nicht bezahlt, wären die Straßen zerstört worden.

 

R gibt RV die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

 

RV: Was würde passieren, wenn du dich weigerst, mit den Taliban zusammenzuarbeiten?

 

BF: Normalerweise nehmen sie dann die Leute zwanghaft mit oder sie töten die Leute, die sich weigern. Für die Taliban ist es gleichgültig, wenn sie jemanden töten müssen, sie haben auch ein sieben- oder achtjähriges Mädchen geköpft.

 

RV: Keine weiteren Fragen.

 

R. Wollen Sie zum Thema Zwangsrekrutierung in Hazara-Gebieten durch die Taliban eine Stellungnahme abgeben?

 

Der RV werden die gutachterlichen Stellungnahmen: " Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Sarajuddin RASULY im Verfahren des BVwG W107 2162283-1 und W119 2012211-1" und Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Afghanistan, Transportwege, Verkehrsmittel, Straßenzustand" vom 26.04.2017 zur Wahrung des Parteiengehörs ausgefolgt. Der RV wird zur Abgabe einer Stellungnahme eine Frist bis 04.01.2018 einlangend eingeräumt.

 

R fragt BF, ob er die D gut verstanden habe.

 

BF: Ja.

 

[...]."

 

1. Mit Stellungnahme vom 27.12.2017 verwies der Beschwerdeführer in Wiederholung seines bisherigen Vorbringens unter Bezugnahme auf die ihm in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausgefolgten herkunftslandbezogenen Berichte sowie das Gutachten des näher bezeichneten landeskundlichen Sachverständigen nochmals auf die ihm in seiner Herkunftsprovinz drohende Zwangsrekrutierung sowie die potenzierte Gefahr der ihm drohenden Verfolgung auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara. Eine Rückkehr nach Afghanistan bzw. in seine Heimatregion sei ihm angesichts der in seiner Person verwirklichten exzeptionellen Umstände und der allgemein prekären Lage sowie der erheblichen Sicherheitsrisiken in Daikundi weder möglich noch zumutbar. Auf Grund des fehlenden sozialen und familiären Netzwerks sowie der unzureichenden Grundversorgung und dem Mangel an Arbeitsmöglichkeiten sowie der allgemein infolge der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bestehenden Gefährdungslage stehe ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung. Zu den ihm ausgefolgten gutachterlichen Ausführungen des näher bezeichneten landeskundlichen Sachverständigen führte der Beschwerdeführer die der Äußerung unter einem beigeschlossenen Stellungnahmen in den genannten Fachpublikationen, die sich im Einzelnen mit der sozio-ökonomischen Lage in Afghanistan und insbesondere in Kabul auseinandersetzten, ins Treffen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der am 08.11.2000 geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt Bandar der Provinz Daikundi, wo er geboren und aufgewachsen ist. Bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan hat der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie in seinem Heimatdorf in deren Haus gelebt.

 

Neben seinen Eltern hat der Beschwerdeführer einen mittlerweile volljährigen Bruder sowie zwei Schwestern, von denen eine ebenfalls bereits volljährig ist.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in ihrem Heimatdorf lebt.

 

Die Familie des Beschwerdeführers hat eine kleine Landwirtschaft und bestreitet daraus ihren Lebensunterhalt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers den Grundbesitz der Familie verkauft hat.

 

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer oder ein Mitglied seiner Familie jemals einer Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt waren oder der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine solche zu befürchten hätte.

 

Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Taliban jemals den Vater des Beschwerdeführers aufgesucht oder bedroht haben oder der Beschwerdeführer jemals von versuchter Zwangsrekrutierung durch die Taliban betroffen war.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr auf Grund einer ihm unterstellten politischen oder religiösen Gesinnung einer Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer hatte zu keinem Zeitpunkt Probleme mit den staatlichen Behörden seines Herkunftsstaates oder war jemals in Afghanistan einer individuellen Bedrohung oder Verfolgung auf Grund seines schiitischen Glaubens oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt.

 

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer (ihm unterstellten) westlichen Orientierung in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer als Rückkehrer aus Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

 

Ferner kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals einer individuell gegen ihn gerichteten aktuellen Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

 

Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers ist aus infrastruktureller Sicht vom internationalen Flughafen in Kabul über das Straßennetz in Afghanistan erreichbar. Eine über die allgemeine Sicherheitslage hinausgehende besondere Gefährdung konnte nicht festgestellt werden.

 

Dem Beschwerdeführer steht eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

 

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist gesund, nimmt keine Medikamente, ist arbeitsfähig und im Stande einer Beschäftigung nachzugehen. Er ist in der Lage in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat seit etwa seinem 11. Lebensjahr in der Landwirtschaft seiner Familie gearbeitet und besitzt fundierte Kenntnisse im Ackerbau. Er spricht eine der Landessprachen (Dari) und kann etwas lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan nicht zur Schule gegangen, sondern wurde zeitweise zu Hause von seiner Mutter unterrichtet. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut.

 

Im Falle seiner Rückkehr kann der Beschwerdeführer an die bisher von ihm ausgeübte Tätigkeit im landwirtschaftlichen Bereich anknüpfen oder eine Anstellung in einem ähnlichen Berufsfeld finden. Zudem hat er die Möglichkeit als Hilfsarbeiter zu arbeiten und sich so seine wirtschaftliche Existenz zu sichern.

 

Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist und hat am 21.12.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er geht keiner geregelten Beschäftigung nach und verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage. Er lebt in einer Betreuungseinrichtung von AIS und wird im Rahmen der Grundversorgung betreut. Aktuell besucht der Beschwerdeführer die Höhere Technische Bundes Lehr- und Versuchsanstalt in XXXX . Er besitzt Grundkenntnisse in Deutsch auf der Niveaustufe A 1.2 und versucht zusätzlich selbständig Deutsch zu lernen. Eine Sprachprüfung hat der Beschwerdeführer bisher nicht abgelegt. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer regelmäßig Fußball.

 

Der Beschwerdeführer hat keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Seine sozialen Kontakte beschränkten sich auf seine Mitschüler sowie die Kollegen seiner Fußballmannschaft. Näherer Verbindungen zu in Österreich lebenden Personen hat der Beschwerdeführer nicht.

 

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Sein Aufenthalt in Österreich ist nicht nur geduldet.

 

Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK oder für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz liegen beim Beschwerdeführer nicht vor. Ein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich besteht nicht.

 

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (Stand 25.09.2017)

 

Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan (KI vom 25.09.2017)

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

 

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

 

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

 

Zivilist/innen

 

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

 

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

 

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

 

High-profile Angriffe

 

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

 

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

 

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.- 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

 

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

 

"Green Zone" in Kabul

 

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

 

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

 

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

 

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

 

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

 

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

 

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen

 

Taliban

 

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.

 

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

 

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

 

Sicherheitslage in Afghanistan - KI vom 22.6.2017

 

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

 

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

 

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

 

Hauptstadt Kabul

 

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017). Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

 

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

 

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

 

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

 

Zur allgemeinen Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al- Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US- Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

 

Distrikt Kabul

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Daikundi/ Dai Kundi/ Daykundi

 

Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom (UNDP 5.2.2017); davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan (Pajhwok. O.D.ac).

 

Daikundi ist mehr als 400 km von Kabul entfernt, liegt in Zentralafghanistan und grenzt an die Provinzen Ghor, Ghazni, Uruzgan und Helmand (Tolonews 15.11.2016). Administrative Einheiten sind:

die Provinzhauptstadt Nieli, Ashtarly, Khijran, Khedir, Kitti, Miramor, Sang Takh Shahristan und Gizab (Pajhwok o.D.ac). Die Provinz Daikundi ist die zweitgrößte Region, in der Hazara leben; in der Provinz sind dies 86% der Bevölkerung (UNDP 5.2.2017; vgl. auch:

Die Zeit 5.1.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

468.178 geschätzt (CSO 2016).

 

Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit schwacher Infrastruktur ohne asphaltierte Straßen (Pajhwok 25.3.2015; vgl. auch: Tolonews 15.11.2016). Die abgelegene Provinz Daikundi in Afghanistan, hat derzeit die einzige amtierende Gouverneurin des Landes (France Soir 1.8.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2015 wurden in der Provinz Daikundi 48 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Daikundi ist als relativ friedliche Provinz anzusehen, einzig der Distrikt Kijran gilt als relativ unsicher. Dennoch gilt die Provinz für Anrainer/innen als unterentwickelt - viele Gegenden haben wenig oder gar keinen Zugang zu Elektrizität; Gesundheitsleistungen und anderen elementaren Leistungen (Tolonews 15.11.2016; vgl. auch:

Xinhua 1.10.2016).

 

Nur in einer Handvoll der 34 Provinzen Afghanistans (wie Balkh, Bamyan, Ghor, Daikundi, Jawzjan und Samangan) stellen die Taliban keine große Bedrohung dar. Die fehlende Mehrheit der Paschtunen erklärt die relative Stabilität dieser Provinzen (Lobe Log Foreign Policy 14.9.2016).

 

Erreichbarkeit

 

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen wurden inzwischen mehr als

 

24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen 3.600 km regionaler Autobahnen, die "Ring Road", Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf zusätzliche Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

 

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016; vgl. auch:

Kabul Times 17.2.2017); ebenso sind schlecht asphaltierte Straßen Grund für Unfälle (Kabul Times 17.2.2017).

 

Ring Road

 

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014).

 

Autobahnabschnitt Kabul - Kandahar

 

Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015; vgl. auch: Al- Jazeera 14.10.2015). Der Kandahar - Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni (ISW o.D.). Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von Ghazni (Global Security o.D.a.) Ein Fahrer der Kabul-Kandahar Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von Kandahar bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pajhwok 18.3.2015).

 

Autobahnabschnitt Herat - Kabul

 

Es gibt eine große kreisförmige Autobahn, die Herat mit Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul verbindet (Herat City o.D.; vgl. auch: PRI 18.10.2013).

 

Straßennetz

 

Salang Tunnel/Salang Korridor

 

Der Salang Tunnel ist dringend renovierungsbedürftig. Er gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges, welches im Jahr 1964 durch die Sowjets eröffnet wurde (WSJ 2.10.2014). Im September 2016 wurde ein Zuschuss in der Höhe von mehr als US$ 31 Millionen gewährt, um den Salang Korridor zu renovieren (Khaama 24.9.2016).

 

Der Tunnel selbst ist 2,6 km lang, mit 21 Lawinengalerien und weiteren 83 km enger, kurviger und zweispuriger Straße durch den Hindu Kush Pass (USAID 14.12.2015). Mehr als 6.000 Fahrzeuge fahren täglich durch den Salang Tunnel, eine Straße, die ursprünglich für 1.000 Fahrzeuge konzipiert war (WSJ 2.10.2014). Im Rahmen von USAID sollen diverse Projekte zur Instandhaltung der Straßenverbesserungen fortgeführt werden (USAID 14.12.2015).

 

Die Wichtigkeit des Salang Tunnels wird auch durch den Aspekt unterstrichen, dass fast 100% der Waren aus dem Norden durch diesen Tunnel nach Kabul gelangen. Ebenso wird der Tunnel von den Afghanen als physische Verbindungen zwischen dem Norden und Süden gesehen, aber auch als Symbol der Einheit zwischen den Stämmen, die im Norden angesiedelt sind und den paschtunischen im Süden (USAID 5.2014).

 

Bamyan Verbindung

 

Im Norden von Kabul hat eine Straße durch den Ghorband Distrikt ihren Ausgangspunkt. An vielen Orten ist die Straße in einem schlechten Zustand mit Schlaglöchern. In der Vergangenheit gab es einige Talibanangriffe, aber auch Überfälle durch Diebe und Kidnapper (Der Spiegel 30.9.2014).

 

Eine weitere Möglichkeit um nach Bamyan zu gelangen ist die Straße, die in Maidan Shahr, 30 km südwestlich von Kabul, beginnt. Mit Stand September 2014 ist das neue Projekt noch in Bearbeitung. Ziel des Projektes ist es eine Schnellstraße zu errichten. Sobald diese

 

Straße fertig gestellt ist, soll die Strecke Kabul-Bamyan in drei Stunden Autofahrt absolviert werden können (Der Spiegel 30.9.2014).

 

Autobahnabschnitt Gardez - Khost (NH08)

 

Die Gardez-Khost Autobahn ist eine 101,2 km lange Straße (USAID 7.11.2016; vgl. auch: Pajhwok 15.12.2015), die neun Meter breit ist. Diese verbindet die Provinzhauptstadt der Provinz Paktia, Gardez, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (Pajhwok 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit der Ghulam Khan Autobahn in Pakistan, die auch als G-K Highway bezeichnet wird (USAID 30.4.2015; vgl. auch: Pajhwok 15.12.2015). Die sogenannte G-K Straße geht durch Afghanistans schwierigste, entfernteste und von Gewalt geprägte Gegenden Afghanistans. Im Rahmen von USAID wurden einige Projekte initiiert: Das Hauptziel dieser Projekte ist, wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Vorteile für die Bevölkerung der Provinzen Paktia und Khost sicherzustellen. Sobald die Arbeiten an der Straße fertiggestellt sind, soll es bis zu 7.000 Fahrzeugen täglich möglich sein, diese Straße zu befahren (USAID 7.11.2016).

 

Mitte Dezember 2015 wurde die sanierte Gardez-Khost Autobahn eröffnet. Unterschiedliche Firmen waren an dieser Sanierung beteiligt, unter anderem auch ein afghanisches Unternehmen. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (Pajhwok 15.12.2015; vgl. auch: USAID 7.11.2016).

 

Verkehrswesen

 

Das Verkehrswesen in Afghanistan ist eigentlich recht gut. Es gibt einige angemessene Busverbindungen in die wichtigsten Großstädte. Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit. Busverbindungen existieren auf der Kabul/Herat Straße nach Kandahar; Ausländern ist es nicht erlaubt, in den Bus einzusteigen. Es gibt aber Ausnahmen - in der Verbindung Mazar-e Sharif nach Kabul, war es erlaubt, ohne dass Fragen gestellt wurden (Uncharted Backpacker 3.2016).

 

In den Provinzen Balkh, Samangan und Panjshir konnte ein Taxi gemietet werden. Die Taximietung ist eine gute Option, da man sein Fahrziel frei wählen kann und die Fahrer wissen, wie man es sicher erreichen kann. Gleichzeitig ist es auch relativ kostengünstig (Uncharted Backpacker 3.2016).

 

Beispiele für Taxiverbindungen

 

Kabul

 

In Kabul gibt es mehr als 40.000 Taxis. Der Fahrpreis wird noch vor dem Einsteigen mit dem Fahrer ausverhandelt (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.). Bis zu 80% der Taxis in Kabul sind Toyota Corolla (Khaama Press 29.11.2013). In Mazar-e Sharif und Herat stehen private Taxis so wie in der Hauptstadt Kabul ebenso zur Verfügung, aber zu höheren Preisen (BAMF 10.2014).

 

Flugverbindungen

 

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die nicht über asphaltierte Landebahnen verfügen (The World Factbook 25.2.2016).

 

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9 .2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9 .2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet - (AI 24.2.2016).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Schiiten

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9 .2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

 

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

 

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9 .2016).

 

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

 

Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Kinder

 

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban- Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen (AA 9 .2016). Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen (USAID 19.12.2016). Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 9 .2016).

 

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9 .2016).

 

Kinderarbeit

 

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Ebenso dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Unter 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert - dazu zählen:

Arbeit in Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen, sowie großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC (Children's Situation Summary Report vom 14. Dezember 2014) 51,8% der Kinder auf die ein oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Millionen Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt (AA 9 .2016). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 13.4.2016).

 

Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem. Das Arbeitsministerium verweigerte Schätzungen zu den Zahlen der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründete dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkte, die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge, wurden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. In einem Bericht der AIHRC, gaben 22% der Befragten an, arbeitende Kinder zu haben. Kinder sind bei der Arbeit einer Anzahl von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt; Berichte existieren wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt waren (USDOS 13.4.2016).

 

Das Gesetz besagt, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzest mögliche Zeit vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kinder in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquatem Essen, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Verhafteten Kindern wurden oftmals Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw., sowie das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen ermöglichten bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. In manchen Fälle nahmen die Behörden die Opfer, als zu bestrafende wahr, da sie Schande über die Familie gebracht haben, indem sie Missbrauch anzeigten. In manchen Fällen wurden misshandelte Kinder von den Behörden verhaftet, wenn sie nicht zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten und keine anderen Zufluchtsstätten existierten. Auch gab es Vorwürfe wonach die Behörden Kinder oft stellvertretend für verwandte Täter verhafteten (USDOS 13.4.2016).

 

Bildungssystem in Afghanistan

 

In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen 3 Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler/innen die Wahl entweder für 3 weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Aus- und Weiterbildung: Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das Kabul Polytechnic Institute. Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden.

Kinderbetreuung: Es gibt einige staatlich finanzierte und verwaltete Kindergärten. Diese gewähren Kindern von Mitarbeiter/innen kostenfreien Zugang (IOM 2016).

 

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9 .2016).

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).

 

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

 

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

 

2017

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).

 

Flüchtlinge in Afghanistan

 

Laut UNHCR sind derzeit in Afghanistan rund 55.000 registrierte Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und ca. 300 Asylwerber. Der Großteil der Menschen aus Pakistan ist im Juni 2014 vor Auseinandersetzungen aus der Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan geflüchtet (AA 9 .2016).

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen

 

Iran

 

Seit 1. Jänner 2016 sind insgesamt 461.112 nicht-registrierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. In der zweiten Jännerwoche 2017 sind insgesamt 9.378 nicht registrierte Afghan/innennach Afghanistan durch Herat oder Nimroz zurückgekehrt; von diesen sind 3.531 freiwillig und 5.847 im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt - 2% der nicht registrierten Afghan/innen, die in den Transitzentren in Herat oder Nimroz ankamen, wurden von IOM unterstützt. Dazu zählten 101 UMF (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge), denen IOM eine besondere Unterstützung zukommen ließ, inklusive medizinischer Behandlung, sichere Unterkünfte und die Suche nach Familienangehörigen (IOM 15.1.2017).

 

Ein UNHCR-Vertreter berichtete, dass afghanische Flüchtlinge in Gegenden zurückkehrten, in denen der Friede wieder hergestellt wurde. Dennoch sei es schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge eines Jahres zu verteilen, da der Iran afghanische Migrant/innen zurückschickt und Afghanistan eine Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Pakistan Observer 2.1.2017). Die IOM-Transitzentren in Grenznähe bieten elementare Unterkünfte, Schutz für unbegleitete Minderjährige, Haushaltsgegenstände (Töpfe und Pfannen), sowie Transportmöglichkeiten für Familien, um sich in ihren Wunschgebieten ansiedeln zu können (DAWN 12.1.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

 

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

 

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

 

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

 

Ausbildungen für Rückkehr/innen in Afghanistan

 

In Afghanistan bieten staatliche Schulen, unter Leitung des Ministeriums für Bildung, und private Berufsschulen, Trainings/Ausbildungen an. Die Einschreibung an Bildungseinrichtungen können Rückkehrer/innen beim Ministerium für Rückkehr beantragen. Diese verweisen Rückkehrer/innen an die Bildungsabteilung in Kabul (Marif Shahr); danach werden die Rückkehrer/innen in jenen Bildungseinrichtung eingeschrieben, deren nachgewiesenem Bildungsniveau sie entsprechen. Um ausländische Abschlüsse anzuerkennen, sollten relevante Unterlagen (Zeugnisse, Diploma oder Abschlüsse) an das Ministerium für ausländische Angelegenheiten geschickt werden. Unter der Bedingung, dass diese Unterlagen zuvor vom Ministerium für ausländische Angelegenheiten im Gastland geprüft wurden, wird das Ministerium die Unterlagen akzeptieren. Danach werden die Unterlagen an das Ministerium für höhere Bildung weitergeleitet. Im Anschluss werden die vom Ministerium anerkannten Kopien der Unterlagen an den Inhaber zurückversandt (IOM 2016).

 

Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen

 

Laut UNHCR handelt es sich bei afghanischen UMF allgemein um männliche unbegleitete Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die so eine Reise auf sich nehmen - motiviert werden sie aus unterschiedlichen Gründen. Diese zusammenhängenden Faktoren inkludieren Armut, Unsicherheit, inadäquate Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, sowie Erwartungshaltung von Familie und Peergruppe. Sowohl aus Gegenden mit einer geringen Zahl an entsandten Kindern, als auch aus Gegenden mit einer hohen Zahl entsandter Kinder, waren europäische Länder typischerweise das gewünschte Ziel. Der Iran wurde teilweise als Zwischenstation ausgewählt, da dort lebende Familienmitglieder und Verwandte helfen konnten Arbeit zu finden. Die Hauptabreiseorte waren Herat, Islam Qala [Anm.: im Westen von Herat] und Nimroz. Es ist allgemein bekannt, dass Schmuggelnetzwerke für diese Reise verwendet werden (UNHCR 12.2014).

 

Auszug aus der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation vom 26.04.2017 zu Afghanistan: Transportwege, Verkehrsmitte, Straßenzustand:

 

1. Welche verkehrstechnischen Möglichkeiten stehen dem Beschwerdeführer offen, um in seine Herkunftsprovinz Daikundi/Distrikt Bandar/Dorf Sia Chub zu gelangen? Bei Beantwortung der Frage wird - vorzugsweise unter Beilage von markierten Plänen - ersucht, genau anzuführen, durch welche Gebiete in Afghanistan auf welchen Verkehrswegen unter Zuhilfenahme welcher Verkehrsmittel eine Heimreise möglich sein soll.

 

2. Verlaufen diese - aufgrund von Punkt 1 - aufgezeigten Wege durch stark umstrittene bzw. unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Truppen stehende.

 

[..]

 

Nachfolgend zitierter Quelle ist zu entnehmen, dass die Provinz Daikundi mit dem Fahrzeug von Kabul aus auf drei verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Daikundi, dessen Provinzhauptstadt Nilli ist und das an die Provinzen Uruzgan, Helmand, Ghor und Ghazni angrenzt, liegt gemäß den nachfolgend zitierten Quellen im Zentralland und ist mehr als 400km von Kabul entfernt. Nachfolgend zitierter Quelle ist zu entnehmen, dass Daikundi relativ sicher ist; von den acht Distrikten [Daikundis] gilt nur einer, der Distrikt Kijran, als relativ unsicher.

 

Nachfolgend zitierten Quellen ist ebenso zu entnehmen, dass eine Reihe von Projekten zur Verbesserung der Transportwege seit 2003 in der Provinz Daikundi stattfinden. Nachfolgend zitierten Quellen sind dir Preise den Transport von Daikundi nach Kabul, die für einen Passagier verlangt werden, entnehmen. Nachfolgend zitierten Quellen ist ebenso zu entnehmen, dass aufgrund von schlechtem Wetter zu manchen Jahreszeiten Straßen gesperrt werden. Nachfolgend zitierter Quelle ist zu entnehmen, dass die Firma DaiCab täglich zwischen Kabul und Daikundi verkehrt; und dass als Transportmittel ein Bus oder ein privates Auto verwendet werden kann; Preise variieren je nach Transportmittel.

 

[..]

 

Die Firma Shining Star bietet täglich Fahrten von Kabul nach Daikundi, Kabul nach Herat, Kabul nach Mazar-e Sharif, Ghazni nach Daikundi an.

 

[...]

 

Die Weltbank berichtet, dass das NSP (Nationales Solidaritätsprogramm) dessen Arbeit in Daikundi im Jahr 2003 begonnen hat, und allmählich alle acht Distrikte abgedeckt sind und so 750 Gemeinschaftsräte für Entwicklung innerhalb der Provinz etabliert hat. Das Programm hat fast 1.600 Projekte in den Bereichen Transport, Bildung und Trinkwasser vervollständigt.

 

[...]

 

Die Weltbank berichtet, dass das staatliche Vorzeigeprojekt im Bereich ländlicher Entwicklung eine nachhaltige Wirkung auf das Leben der Bewohner in einem Dorf in Zentralafghanistan hat. Das Nationale Solidaritätsprogramm hat sauberes Wasser, geteerte Straßen und Geschlechtergleichstellung durch Entscheidungen im lokalen Gemeinschaftsrat für Entwicklung gebracht.

 

[...]

 

Die Weltbank berichtet, dass im Rahmen des ARAP (Afghanistan Rural Access Project), das in Daikundi im Jahr 2003 begonnen hat, fast 100 Kilometer Straße und 60 Meter Brücken gebaut wurden; auch werden 130 Kilometer Straße erhalten.

 

[...]

 

Die Landwirtschaft ist der größte Einkommensgenerator für den Großteil der 450.000 Daikundi-Einwohner. Die neu geteerten Straßen verbinden die Bauern mit lokalen und nationalen Märkten; was ihnen ermöglicht, die Waren in einem guten Zustand anzuliefern.

 

Die Straßeninstandhaltungsprojekte erlauben vielen Dorfbewohnern den Zugang zu essentiellen Leistungen während der Wintermonate, wenn Schlechtwetter ein Hindernis darstellt.

 

Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme des landeskundlichen Sachverständigen Dr. Sarajuddin RASULY vom 17.02.2016 in dem vor dem Bundesverwaltungsgericht zu GZ: W119 2012211-1 geführten Verfahren:

 

[...]

 

Gutachten:

 

[...]

 

Die Lage der Hazaras seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde, Ende 2001, in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich die Hazaras an der staatlichen Macht beteiligen werden müssen. So haben die Hazaras und andere Schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen Stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen Stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der Stellvertreter Armee-Chef ist derzeit kommt aus der Reihe der Hazaras namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgenende Befehlsbefugnisse und er befehligt derzeit die Kriege gegen die Taliban in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan, Helmand. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazaras als Teil der staatlichen Macht.

 

[...]

 

Die Hazaras sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Die Hazaras besitzen mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Lande. Die Hazaras stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes; weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitige Möglich besser zu ihren Gunsten wahrnehmen. Die Hazaras und andere Schiiten haben in Großstädten wie in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungsstädte für schiitische Islam-Lehre. Die Bildungsstädte werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazaras als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in voller Umfang schiitischen Rituale, wie das wichtigste Feiertag, Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozession auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur ihren Moscheen unter sich gefeiert.

 

Ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazaras bzw. Schiiten und sie sind wie die sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazaras in der Staatsgewalt bzw. Staatsmacht maßgebend beteiligt.

 

[...]

 

Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazaras wohnen, werden von den Hazaras kontrolliert und sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten.

 

[...]

 

Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen. Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Uzbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädten oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. [...]

 

Zwangsrekrutierung ist nicht weitverbreitet, weil viele Jugendlichen aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen.

 

[...]

 

Zur Zwangsrekrutierung der Hazaras durch die Taliban:

 

Betreffend die Zwangsrekrutierung aus den Reihen der Hazaras durch Taliban in Afghanistan möchte ich ausführen, dass die Hazaras weitgehend ihre Siedlungsgebiete selber kontrollieren und es ist mir nicht bekannt, dass die Taliban in den Siedlungsgebieten der Hazaras oder anderen Ethnien eindrängen, um Jugendlichen zu zwangsrekrutieren. Wenn aber die Taliban ein Gebiet einnehmen und für einige Zeit dort herrschen, dann kommt es vor, dass sie Junge Menschen, sogar Minderjährigen, zwangsrekrutieren, dabei können auch Hazara-Jungendlichen auch rekrutiert werden, wenn die Taliban gerade Soldaten brauchen. In Gebieten, wo die Hezb-e Wahdat herrscht können die Jungendlichen nicht rekrutiert werden. Die Taliban haben Hazaras, die sie auf den Hauptstraßen entführt haben, Teils enthauptet und Teils mit ihren Gefangenen ausgetauscht. Es ist nicht bekannt geworden, dass die Taliban ihre Hazara-Geiseln bewaffnet und zum Krieg mitgenommen hätten.

 

Die Kämpfer der Taliban stammen mehrheitlich aus der Reihe der Paschtunen in Pakistan und in Afghanistan, neuerlich auch aus der Reihe der Usbekischen, deren Dörfer von den Taliban eingenommen worden sind, aus der Reihe der ausländischen Terroristen, z.B. aus Saudi-Arabien, Arabischen Emirate, aus Chechenien, Tajikistan und Usbekistan. Da die Taliban derzeit einen Partisanen Krieg führen, können Soldaten, denen sie nicht vertrauen und Schiiten sind, nicht mitschleppen und sie sind Risiko-Faktor. Während ihrer Herrschaft bis 2001 haben sie aus der Reihe der Nicht-paschtunischen auch Jugendlichen unter Zwang zum Kriegsdienst mitgenommen und als Kanonenfutter an der vordersten Reihe eingesetzt.

 

Nach einer neuerlichen Information, die ich in Afghanistan erhalten habe, sind verschiedene Militäreinheiten von der Regierung erstellt beauftragt worden, die Routen zwischen Kabul bis Zabul, die auch von Hazara-Reisenden benutzt werden und die Straßenverbindungen zwischen verschiedenen Hazara-Distrikten in Ghazni zu kontrollieren. Diese Einheiten werden Großteils von den Hazara-Offizieren und Kommandanten befehligt.

 

[..]"

 

Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme des landeskundlichen Sachverständigen Dr. Sarajuddin RASULY vom 26.09.2017 in der mündlichen Verhandlung des zu GZ: W107 2162283-1 vor dem Bundesverwaltungsgericht geführten Verfahrens:

 

Die Hazaras waren in der Vergangenheit eine diskriminierte Minderheit. Aber seit dem Sturz des Taliban-Regimes sind sie überproportional an der staatlichen Macht beteiligt und sie kontrollieren, auch als Behörde, alle Distrikte und Provinzen, wo mehrheitlich Hazaras wohnen. Auch Behsud in Wardak wird von den Hazaras kontrolliert. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass, wenn die Taliban Linientaxis auf den Hauptstraßen anhalten, zuerst die Hazaras kontrollieren und bestimmte Personen aus der Mitte dieser Hazaras mitnehmen.

 

Betreffend dieses Phänomen möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Taliban auch die Angehörigen anderer Ethnien bei ihren Kotrollen auf den Hauptstraßen mitnehmen. Die Hazaras, wenn sie in einer Region wohnen, wo sie in Minderheit sind und die Behörde nicht von diesen gestellt wird, sind von Angriffen besonders der IS betroffen. Diese Angriffe sind nicht unbedingt wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern wegen ihrer schiitischen Herkunft. Aber, nachdem die IS und Taliban in Afghanistan von Saudi-Arabien und Pakistan unterstützt werden, sind gelegentlich solche Angriffe, nichts anderes als Austragung des Konfliktes zwischen der schiitischen Großmacht Iran und dem sunnitischen Großmacht Saudi-Arabien auf dem Rücken der Schiiten in Afghanistan.

 

Zwangsrekrutierung:

 

In von Hazara- bewohnten Regionen, die von Hazara selber kontrolliert und regiert werden, können die Taliban keine Zwangsrekrutierung vornehmen. Ein solcher Vorgang der Taliban wird den Widerstand der Hazaras in den betroffenen Regionen zur Folge haben. Außerdem sind die sunnitischen Jugendlichen von Zwangsrekrutierung der Taliban nur betroffen, wenn die Taliban ihre Regionen beherrschen. Die Hazaras sind selten von Zwangsrekrutierung betroffen. Wenn sie zwangsrekrutiert werden, müssen ihre Regionen von Hazara Rebellen kontrolliert werden, die wegen Unzufriedenheit mit der Regierung mit Taliban kooperieren.

 

Auszug Gutachten von Mag. Karl MAHRINGER vom 05.03.2017:

 

[...]

 

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

 

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

Die afghanische Verfassung sieht ein Grundrecht auf kostenfreie Ausbildung inklusive Internate und Verpflegung vor (Grundschule) bis zum BA vor, aber es gibt keine Berufsschule; es gibt jedoch Berufsgymnasien vergleichbar unseren berufsbildenden Höheren Schulen. Es ist aber davon auszugehen, dass dieser Verfassungsgrundsatz zurzeit nur in den Städten wirksam ist. In allen Gesprächen konnte kein Unterschied hinsichtlich der Schul- und oder Berufsausbildung in Fragen der Arbeitsmarktchancen festgestellt werden, unabhängig ob Schul- und oder Berufsausbildung, es hängt vom Einsatz des Arbeitssuchenden oder seiner Kontakte ab ob er Arbeit findet.

 

In vielen Handwerksberufen herrscht noch eine zunftähnliche Struktur vor. In allen Bereichen fehlt es an qualifizietren Bewerbern. Die berufliche Ausbildung in Handwerksbetrieben erfolgt in diesen Zünften.

 

Afghanistan hat auch ein Gesetz für einen Mindestlohn. Dieser beträgt zurzeit Afghani 5000 (entspricht am 2/20/2017 ca. 75$) monatlich und gilt nur für Arbeiter im öffentlichen Sektor, der private Sektor hat keinen Mindestlohn, wobei aber im Arbeitsrecht vorgesehen, ist das der Lohn für Arbeiter im privaten Sektor nicht kleiner sein soll als für Arbeiter im öffentlichen Sektor.

 

Viele Organisationen bieten bereits Arbeitsplätze über das Internet an. Fast alle Arbeitsplätze, der internationalen Gemeinschaft, für Afghanen werden öffentlich übers Internet angeboten.

 

Die Unterscheidung der Verdienstmöglichkeiten erfolgt in der Regel nicht über die berufliche oder schulische Ausbildung sondern über die Arbeitgeber. In den Städten Kabul (besonders bemerkbar), Herat und Mazar-e Sharif gibt es einen Drang der Arbeitssuchenden zu den internationalen Organisationen, internationalen Firmen und ausländischen NGO¿s da diese sehr oft ein Mehrfaches des vergleichbaren Lohnes im afghanischen, privaten Sektor bezahlen (Anzahl der NGO¿s Anlage 5).

 

d) Fragestellung a) bis c), wenn bereits Arbeitserfahrung (in oder außerhalb Afghanistans) gesammelt wurde (etwa: Landwirtschaft, handwerkliche Tätigkeit, Fabrikarbeit, Verkaufstätigkeit, Gelegenheitsarbeit)?

 

Arbeitserfahrungen sind auch in Afghanistan ein Vorteil bei der Arbeitssuche wobei, viele Unternehmen die Erfahrung machen, das Rückkehrer zu hohe Erwartungen hinsichtlich des Einkommens und ihrer Kenntnisse haben. Mehrere Gesprächspartner aus der Wirtschaft berichteten von Erfahrungen mit Rückkehrern. Deren Erfahrung ist, dass Rückkehrer ihre Unterstützung im Ausland ohne Arbeit, vergleichen mit den afghanischen Lohn und damit argumentieren warum sie für einen so geringen Lohn (afghanischer Standard) arbeiten sollten, wenn sie im Ausland ein mehrfaches ohne Arbeit bekommen.

 

e) Besteht die Möglichkeit der Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit auch für jene Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen?

 

Es gibt auch die Möglichkeit für Rückkehrer ohne Ausbildung, die staatlichen Behörden stellen viele Mitarbeiter mit geringer oder keiner Qualifikation zum Mindestlohn an. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten im privaten Sektor. Arbeitsmöglichkeiten für minderqualifizierte Rückkehrer bedarf besonderer Anstrengungen der Arbeitsuchenden.

 

[...]

 

b) ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit (differenziert nach den Gruppen II.a) bis c)) realistisch?

 

Bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers ist dies ohne Einschränkungen möglich. Die Arbeitssuche ist in den Städten einfacher als auf dem Land. Eine Unterstützung öffentlicher Institutionen (Vergleichbar mit dem AMS in Österreich) gibt es nicht. Eine Differenzierung nach Gruppen ist nicht notwendig und für alle Gruppen sind Möglichkeiten der Existenzsicherung gegeben.

 

[...]

 

d) Erscheint es realistisch, auch von Verwandten Unterstützung zu bekommen, zu denen seit langem oder bisher noch gar kein Kontakt bestand?

 

Grundsätzlich möglich, allerdings im Bereich der Sachleistungen wie Unterkunft, Essen und nur für eine beschränkten Zeitraum. Festgestellt konnte in diesen Zusammenhang in Gesprächen werden, das der Kontakt zwischen Familienmitgliedern und Verwanden nie abreißt. Mit großer Überzeugung konnten in Afghanistan verbleibente Familien immer erklären wo deren Verwandte und Familienmitglieder in Ausland gerade sind, welchen Status im Asylverfahren diese gerade haben etc. Viele Afghanen sind mit ihren sich im Ausland aufhaltenden Familienmitgliedern und Verwandten im permanenten Kontakt.

 

VI. a) Inwiefern unterscheidet sich die Lebenssituation aus dem Ausland zurückkehrender Afghanen von der in Kabul ansässigen Bevölkerung?

 

Es kann kein Unterschied der Lebensumstände festgestellt werden. In Gesprächen mit freiwilligen, allein reisenden, männlichen Rückkehrern konnte allerdings entnommen werden, dass je länger die Abwesenheit von Afghanistan dauerte, desto schwieriger war die Rückintegration. Die Gesprächspartner erwähnten wiederholt wie schwierig es war nach der Rückkehr nach Afghanistan sich an die unterschiedlichen Standards der Infrastruktur zu gewöhnen. Rückkehrer in Herat und Mazar e Sharif sahen ihre Rückkehr einfacher als in Kabul. Alle Gesprächspartner bemängelten das Fehlen von Informationen über Ansprechpartner in den Zielstädten. Für alle war die Einreise am Flughafen problemlos.

 

b) Verunmöglicht die Unkenntnis der örtlichen/infrastrukturellen Gegebenheiten (etwa Rückkehrer, die sich noch nie zuvor in afghanischen Großstädten aufgehalten haben; lange Abwesenheit aus Afghanistan) eine Existenzsicherung?

 

Auch wenn die Rückkehrer noch nie zuvor in einer afghanischen Großstadt länger gelebt hatten ergab sich aus der Rückkehr in eine afghanische Großstadt kein Problem. Die Tatsache noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt zu haben hatte keinen Einfluss auf die Existenzsicherung.

 

Aus den Gesprächen mit Rückkehrer konnte festgestellt werden, dass die Arbeitssuche in der Großstadt einfacher war als in ländlichen Gebieten, die soziale Integration in den ländlichen Gebieten einfacher war. Die Aneignung von Kenntnissen der örtlichen Gegebenheiten und der vorhandenen Infrastruktur erfolgte innerhalb kürzester Zeit. Für die Rückkehrer war die Ankunft in einer afghanischen Großstadt, auch wenn diese ursprünglich aus ländlichen Gebieten kamen, keine besondere Erschwernis. In diesem Zusammenhang sei auf die afghanische Binnenmigration verwiesen. Binnenmigration, ländliche Gebiete nach nächster größerer Stadt gefolgt von Distriktstadt und über Provinzhauptstadt nach Kabul.

 

VII. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Rückkehrsituation je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen (Paschtunen/Hazara/Tadschiken/Usbeken/Aimaken/ Turkmenen/Belutschen) variiert bzw. die Existenzsicherung für Angehörige einer bestimmten Volksgruppe ungleich schwieriger ist?

 

Übereinstimmend haben die Gesprächspartner diese Frage verneint. Obwohl sich die die verbindliche Akzeptanz des Paschtu Wali in der Auflösung befindet und nur noch in den ländlichen Gebieten seine volle Wirkung entfaltet kann, wirkt der Familienzusammenhalt bei den Pashtunen noch immer. Bei den Hazara kann man ein verstärktes "Wir" Gefühl feststellen. Obwohl sich die Hazara als Einheit sehen und der Unterschied zwischen Zwölfer und Siebener Schia in Afghanistan nicht wahrnehmbar ist, so muss festgestellt werden, das die Siebener Schia - Ismailiten des Agha Khan, auf allen Eben bestens organisiert und vernetzt sind. Es ist allgemeines Verständnis, sich zuerst innerhalb der eigenen Ethnie zu helfen.

 

Gemäß der afghanischen Verfassung sind alle Afghanen gleich und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie ist kein Grund zur Benachteiligung. In der Praxis allerdings ist der Zusammenhalt zuerst zwischen den Ethnien gegeben. Am Beispiel der Ministerien soll dies veranschaulicht werden. Der Minister des MoRR ist Hazara, folglich sind die meisten Mitarbeiter im MoRR Hazara. Dies ist aber nicht gleichbedeutend dass, das Ministerium nicht nur Hazara Rückkehrer betreuen würde. Pashtunische Minister haben hauptsächlich pashthunische Mitarbeiter etc. (Ein System vergleichbar mit dem ehemaligen Proporzsystem der verstaatlichen Industrie in Österreich).Die afghanischen Gesprächspartner sahen dies nicht als generelle Benachteiligung.

 

[... ]

 

Gutachten

 

[... ]

 

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

 

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

 

Eine differenzierte Beantwortung von a) bis c) ist nicht möglich und hat keine Auswirkung auf die Möglichkeiten. Die Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind ohne Einschränkung in den Punkten a) bis c) gegeben.

 

Auszug aus der Aktualisierung des Gutachten von Mag. Karl MAHRINGER vom 15.05.2017:

 

[...]

 

Die Ergebnisse der ersten Befragungen von freiwilligen afghanischen Rückkehrern aus Österreich lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

 

 

 

 

 

 

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass das Rückkehrprogram bisher als Erfolg zu bewerten ist und die Feststellungen des Gutachtens vollinhaltlich bestätigt werden.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

Die Feststellungen zur Identität, Religion, Volksgruppenzugehörigkeit, Geburtsdatum sowie den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers stützen sich auf dessen insoweit im Asylverfahren gleichbleibenden und glaubhaften Angaben. Die Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren.

 

Die Länderfeststellungen gründen sich auf dem Länderinformationsblatt des BFA, Stand 25.09.2017, dem Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mag. Karl Mahringer (im Folgenden: "Mahringer" oder der "Sachverständige" genannt) vom 05.03.2017 (im Folgenden: "GA Mahringer" genannt) einschließlich Aktualisierung vom 15.05.2017, den gutachterlichen Stellungnahmen des Ländersachverständigen Dr. Sarajuddin Rasuly in den Verfahren des BVwG zu W107 2162283-1 und W119 2012211-1 und den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Afghanistan kommt den Aussagen von Mag. Mahringer besondere Glaubwürdigkeit zu.

 

Den vom Beschwerdeführer mit Äußerung vom 27.12.2017 in das Verfahren eingebrachten Stellungnahmen des Afghanistan-Analysten Thomas Ruttig sowie von Friederike Stahlmann kommt nicht das insoweit notwendige fachbezogene Gewicht zu, um das GA Mahringer fundiert hinterfragen zu können, zumal sie diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen treten. Die Ausführungen waren daher insgesamt nicht geeignet die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der gutachterlichen Stellungnahme in Zweifel zu ziehen.

 

Im Übrigen handelt es sich bei beiden Autoren nicht um gerichtlich beeidete Sachverständige in Österreich. Dem Kommentar von Ruttig bzw. dem Artikel von Stahlmann kommt daher insbesondere im Fall von Widersprüchen zu dem GA Mahringer ein geringerer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass die Aussagen von Stahlmann vor dem Hintergrund des deutschen Asylrechts zu sehen sind, welches mit dem österreichischen Asylrecht nicht ident ist.

 

Wie bereits der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dazu ausgesprochen hat, kann die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens nur durch Vorbringen einer Partei auf gleicher fachlicher Ebene in Zweifel gezogen werden. Die Behauptung, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der hier zu Grunde zu legenden methodologischen Grundsätzen in Widerspruch wird sachlich nicht durch eine gutachterliche Stellungnahme eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt (vgl. VwGH 16.10.1986, 85/16/0102). Auch die übrigen Ausführungen in der Kommentierung vermögen die Beweiskraft des GA Mahringer im Hinblick auf die darin getroffenen Aussagen nicht zu entkräften (vgl. VwGH 18.11.1986, 86/07/0004; VwGH 20.02.1992, 91/09/0154; VwSlg 14.731 A/1997; Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 65f).

 

Vor diesem Hintergrund konnte daher den Ausführungen des Sachverständigen im Hinblick auf die hier entscheidungserheblichen Umstände vollinhaltlich gefolgt werden, zumal in Zusammenschau mit den übrigen im Verfahren erhobenen Beweise und der angeführten Länderberichte keine Anhaltspunkte dafür hervor gekommen sind, die gutachterliche Stellungnahme des landeskundlichen Sachverständigen Mag. Mahringer und die hier notwendige Sachkenntnis in Zweifel zu ziehen (VwSlg 7615 A/1969; VwGH 16.10.1986, 85/16/0102; 26.09.1991, 89/09/0030).

 

Hinsichtlich des Aufenthaltes der Familie gab der Beschwerdeführer an, dass er aktuell zu seiner Familie keinen Kontakt habe. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in deren Heimatdorf lebt. Dies ist zum einen aus dem Umstand zu folgern, dass diese - abgesehen der angeblich versuchten Rekrutierung des Beschwerdeführers durch die Taliban, die wie untenstehend ausführlich dargelegt, nicht als glaubhaft zu erachten ist - gemäß den Angaben des Beschwerdeführers niemals sonst einer Bedrohung oder Verfolgung in deren Heimatprovinz durch diese oder eine andere extremistische Gruppe oder aus sonstigen Gründen ausgesetzt war, sodass keine Veranlassung zu erkennen ist, warum sie ihr Heimatdorf verlassen sollte. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht verwies der Beschwerdeführer dazu lediglich pauschal auf die Sicherheitslage in seinem Heimatland sowie die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit seiner Familie. Diese allgemeinen Aussagen waren jedoch nicht geeignet, um tatsächlich davon ausgehen zu müssen, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers ihr Dorf verlassen haben. Letztlich verwies der Beschwerdeführer selbst in seiner Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung darauf, dass er nur vermuten könne, dass seine Familie nicht mehr in deren Heimatregion lebt (vgl. PS 7). In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde hat er dazu keinerlei derartige Annahmen geäußert, sondern nur angegeben, dass seine SIM-Karte kaputt sei, sodass davon ausgegangen werden kann, dass dies der Grund dafür ist, dass er aktuell keinen Kontakt zu seiner Familie habe.

 

Auch der Behauptung des Beschwerdeführers, wonach sein Vater die Landwirtschaft der Familie verkauft habe, um seine Flucht zu finanzieren, musste die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, zumal es nicht lebensnah erscheint, dass der Vater der gesamten Familie deren einzige Existenzgrundlage entzieht, um dem Beschwerdeführer die Flucht aus Afghanistan zu ermöglichen. Eine plausible Erklärung bleibt der Beschwerdeführer hier schuldig, sondern beruft sich lediglich darauf, dass sein Vater ihm erzählt habe, dass er die Landwirtschaft, im Übrigen exakt zu jenem Preis der Fluchtkosten, verkauft habe. Mangels Nachvollziehbarkeit konnte diesen Angaben nicht gefolgt werden. Gemäß der Aussage des Beschwerdeführers hat der Vater das Haus der Familie nicht verkauft, sodass entsprechend festzustellen war, dass die Familie nach wie vor dort lebt (vgl. PS 8; 12).

 

Als zentral fluchtauslösendes Ereignis und einzigen Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er einer drohenden (Zwangs‑)Rekrutierung durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei und sein Vater ihn aus diesem Grund aus Afghanistan fort geschickt habe. Demnach hätten diese seinen Vater zwei Mal aufgesucht und von ihm verlangt, dass er den Beschwerdeführer zu ihnen schicke. Er hätte behauptungsgemäß lernen sollen wie Anschläge verübt werden und wäre zu einem Selbstmordattentat gezwungen worden. Angesichts der - wie untenstehend näher dargelegt - fehlenden Nachvollziehbarkeit des fluchtbezogenen Vorbringens des Beschwerdeführers, das weder als plausibel noch lebensnah angesehen werden konnte und der teilweise nur allgemeinen Schilderungen, ohne tatsächlich individualisierten Bezug sowie der mitunter groben Widersprüche zu den herkunftslandbezogenen Quellen konnte diesem jedoch nicht gefolgt werden. Dem Beschwerdeführer ist es letztlich im gesamten Verfahren nicht gelungen das fluchtbezogene Vorbringen schlüssig darzulegen, sodass ihm, selbst unter Berücksichtigung eines infolge seiner Minderjährigkeit bestehenden reduzierten Beweismaßes, die Glaubwürdigkeit seiner Angaben abgesprochen werden musste.

 

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung von ihm nicht bewiesen worden ist, sodass die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts insoweit auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und dessen persönliche Glaubwürdigkeit abzustellen hat. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Beschwerdeführer, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände zu seiner Flucht einigermaßen genau und nachvollziehbar zu schildern. Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Schließlich muss der Beschwerdeführer auch persönlich glaubwürdig sein.

 

Hinsichtlich der vorgebrachten versuchten Zwangsrekrutierung durch die Taliban ist vorab darauf hinzuweisen, dass sämtliche Aussagen des Beschwerdeführers sich nicht auf dessen unmittelbare Wahrnehmungen stützen, sondern ausschließlich auf Angaben des Vaters beruhen. Der Beschwerdeführer selbst ist den Taliban nie begegnet. Auch eine Ausübung von Zwang hat es weder gegenüber dem Beschwerdeführer noch gegenüber seiner Familie je gegeben, sodass bereits an der Intensität der Bedrohungslage - wollte man dem Vorbringen überhaupt folgen - gezweifelt werden muss.

 

Auch erscheint es kaum nachvollziehbar, dass die Taliban den Vater des Beschwerdeführers zwei Mal aufsuchen und sich von diesem beide Male hinsichtlich der Erfüllung ihrer Forderungen bezogen auf die Rekrutierung des Beschwerdeführers vertrösten lassen, ohne den Beschwerdeführer, von dem sie gemäß seinen Angaben wussten, dass er sich im Haus aufhalte, mitzunehmen. Auch der zweite Besuch blieb behauptungsgemäß ohne jede Konsequenz und die Taliban hätten sich unverrichteter Dinge mit der nochmaligen Zusicherung des Vaters, ihnen den Beschwerdeführer zu schicken, zufrieden gegeben (vgl. AS 79f). Diese Behauptung steht bereits mit den herkunftslandbezogenen Feststellungen zu dieser Gruppierung sowie den notorisch bekannten Methoden der Taliban, die nur selten in der Bereitschaft des wiederholten Zuwartens vor Durchsetzung der eigenen Forderungen bestehen, in grobem Widerspruch. Es ist nicht glaubwürdig, dass die Taliban, die ein solch gesteigertes Interesse am Beschwerdeführer gehabt haben sollen, seine Familie aber zwischen den Besuchen völlig unbehelligt lassen und der Vater - laut Aussage des Beschwerdeführers - seine Landwirtschaft ohne jedes Aufsehen verkaufen kann, um die Flucht des Beschwerdeführers zu finanzieren.

 

Die mangelnde Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die angebliche Bedrohungssituation durch die Taliban folgt zudem aus dem Umstand, dass es gemäß dessen Angaben in seinem Heimatdorf offensichtlich zu keinem weiteren Rekrutierungsversuch gekommen ist. Zudem nicht nachvollziehbar erscheint es, dass die Taliban weder an seinem Bruder noch an seinem Vater, sondern nur am Beschwerdeführer selbst interessiert gewesen sein sollen. Der Versuch dies damit zu erklären, dass sie nur junge Burschen im Fokus hatten, scheitert bereits an der Tatsache, dass der Bruder des Beschwerdeführers lediglich ein Jahr älter ist und daher ebenfalls unter die behauptete Zielgruppe fallen würde. Eine gegen den Vater gerichtete Bedrohung substantiierte der Beschwerdeführer nicht. Mangels sonstiger Hinweise im Verfahren konnte daher nicht festgestellt werden, dass ein Mitglied der Familie des Beschwerdeführers je einer Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei, sodass entsprechende Negativfeststellungen zu treffen waren.

 

Soweit der Beschwerdeführer seine ungenaue Angaben über Vorhalt damit zu begründen versucht, dass er nicht bei den Gesprächen dabei gewesen sei und daher nichts Näheres dazu sagen könne, vermag er nicht zu überzeugen, zumal es selbst unter Berücksichtigung des damaligen Alters des Beschwerdeführers kaum glaubhaft erscheint, dass der Vater diesbezüglich nie mit ihm gesprochen habe und ihm ohne jede nähere Begründung nur gesagt habe, dass er weggehen müsse, da sein Leben in Gefahr sei (vgl. PS 10). Über Vorhalt konnte der Beschwerdeführer letztlich auch nicht substantiiert untermauern, warum er überhaupt gewusst habe, dass es die Taliban gewesen seien, die seinen Vater aufgesucht haben. Auch hier bleiben die Angaben des Beschwerdeführers nur pauschal (vgl. PS 11; "BF: Sie kamen aus Kandahar und es ist allgemein bekannt, dass die Taliban aus Kandahar in meine Heimatprovinz gehen und aus verschiedenen Dörfern junge Buben mitnehmen").

 

Der Beschwerdeführer konnte im gesamten Verfahren letztlich nicht erklären, warum gerade er in den besonderen Fokus der Taliban gerückt sei und auch im Falle seiner Rückkehr sein Leben deshalb in Gefahr wäre. Der Beschwerdeführer zog sich dazu nur auf allgemeine Ausflüchte zurück, wonach es wohl Anhaltspunkte gegeben habe, weshalb sein Vater ihn weggeschickt habe (vgl. PS 13). Im Verfahren haben sich jedoch keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass diese Bedrohungslage tatsächlich bestand und auch im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

 

Entsprechendes gilt für die abstrakt gehaltene Behauptung der möglichen unterstellten politischen oder religiösen Gesinnung durch die Rekrutierenden im Falle der Rückkehr. Auch hier fehlt es an einer Begründung, warum hier eine Individualisierung des Beschwerdeführers, die auch nach Jahren noch besteht, gegeben ist.

 

Mangels Glaubwürdigkeit der versuchten Zwangsrekrutierung war daher auf die möglichen Folgen der Weigerung sich den Taliban anzuschließen, insbesondere im Hinblick auf eine auch nur unterstellte politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung - wie vom Beschwerdeführer behauptet - nicht weiter einzugehen. Auch ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr auf Grund einer ihm unterstellten Gesinnung durch die Taliban von Verfolgung oder sonstigen Übergriffen bedroht sein könnte, sodass eine solche auch nicht festgestellt werden konnte.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht das junge Alter des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Flucht und legt keineswegs das (in der Natur der besonderen Situation des Beschwerdeführers begründete) geringe Substrat des Parteivorbringens im Hinblick auf das fluchtbezogene Vorbringen "gegen" den noch minderjährigen Beschwerdeführer aus.

 

Es ist jedoch zu beachten, dass das Parteivorbringen im vorliegenden Fall praktisch als einziges Beweismittel zur Verfügung steht. Dieses Vorbringen reicht hier jedoch - ohne, dass dies dem Beschwerdeführer zuzurechnen wäre - mangels anderer objektiver Beweise (oder Indizien für sich genommen nicht aus, um es einer Schlüssigkeits- und Plausibilitätskontrolle im Hinblick auf das tatsächliche Vorliegen eines individuellen asylrelevanten Gefährdungspotentials des Beschwerdeführers zu unterziehen.

 

Selbst unter Berücksichtigung des Bildungsstandes des Beschwerdeführers sowie der Annahme einer persönlichen Belastung infolge der Fluchtsituation muss im Hinblick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens sowie vor dem Hintergrund des mittlerweile vom Beschwerdeführer erreichten Alters dennoch die Anforderung gestellt werden, dass das Vorbringen wenigstens im Ansatz plausibilisiert und näher begründet werden kann. Dies war hier jedoch nicht der Fall.

 

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beschränkt sich auch bei konkreten Fragen auf allgemeine Aussagen und lässt eine nachvollziehbare Darstellung der angeblich drohenden Rekrutierung vermissen. Der Beschwerdeführer hat auch nicht vorgebracht, dass konkret Zwang, um ihn als Kämpfer für die Taliban zu rekrutieren ausgeübt worden sei oder zumindest konkret zu erwarten gewesen wäre. Auch hier bleiben die diesbezüglichen Angaben zum Vorgehen der Rekrutierenden im Falle der Weigerung sich ihnen anzuschließen nur allgemein (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069 mwN).

 

Unter Berücksichtigung der herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen sowie insbesondere den gutachterlichen Stellungnahmen des landeskundlichen Sachverständigen Dr. Sarajuddin Rasuly sind auch im Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. der schiitischen Religionsgemeinschaft in signifikanter Weise einer erhöhten Gefahr von Zwangsrekrutierung ausgesetzt sei oder im Falle seiner Rückkehr aus diesem Grund mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe fürchten müsste, dies insbesondere unter Einbeziehung der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers.

 

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer - unabhängig von individuellen Aspekten - allein auf Grund der Tatsache, dass es sich bei ihm um einen jungen Mann handelt, in Afghanistan der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt wäre.

 

Aus dem unter Punkt 1.2.2. angeführten Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme des Ländersachverständigen geht zwar hervor, dass Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen seitens der Taliban in von ihnen beherrschten Gebieten möglich sind, daraus sowie aus den sonstigen Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes ist jedoch nicht ersichtlich, dass jeder Jugendliche bzw. junge Erwachsene automatisch einer Verfolgung auf Grund von drohender Zwangsrekrutierung in Afghanistan ausgesetzt wäre, weshalb den dahingehenden Ausführungen des Beschwerdeführers nicht weiter zu folgen war.

 

Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung durch die Taliban ist daher nicht anzunehmen und handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer geschilderten Befürchtungen lediglich um Vermutungen. Insgesamt ist daher festzustellen, dass eine asylrelevante Verfolgung der Familie des Beschwerdeführers und des Beschwerdeführers selbst, durch die Taliban nicht gegeben ist.

 

Betreffend seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie seines schiitischen Glaubens konnte der Beschwerdeführer - trotz ausdrücklicher Nachfrage sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren - zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung oder Repressionen in seinem Herkunftsland bestätigen, sodass es auch hier an einer aktuellen, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichteten Gefahrenlage der entsprechende Intensität zukommt und die im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchtet werden muss, fehlt. Die dazu in der Beschwerdeergänzung angeführten Berichte weisen nicht den notwendigen Bezug zur konkreten Situation des Beschwerdeführers auf, sondern führen lediglich mögliche Gefährdungsrisiken ins Treffen, ohne konkret zu begründen, warum der Beschwerdeführer besonders Gefahr läuft von diesen betroffen zu sein. Eine Gruppenverfolgung von schiitischen Hazara in Afghanistan kann - wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführlich dargelegt - nach wie vor nicht angenommen werden.

 

Mangels näherer Substantiierung konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer (wie erstmals in der Stellungnahme vom 27.12.2017 vorgebracht) auf Grund seines Aufenthalts in Europa konkret gegen ihn gerichtete Übergriffe oder sonstige, gegen seine physische und/oder psychische Integrität gerichtete Gewalt droht bzw. er eine solche im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hätte. Der Beschwerdeführer begründet nicht, warum gerade er sich gegenüber den anderen hunderttausenden Rückkehrern in einer derart exponierten Lage befindet, dass er in der entsprechenden Intensität von asylrelevanter Verfolgung betroffen sei. Die bloße Möglichkeit einer Gefährdung reicht nicht, um hier eine rechtliche Relevanz zu begründen. Auch aus den in das Verfahren eingebrachten herkunftslandbezogenen Berichten sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer aus Europa im wehrfähigen Alter in besonderer Form von Gewalt und Verfolgung betroffen wären. Der pauschale Hinweis des Beschwerdeführers zur allgemein schwierigen Lage in seinem Heimatstaat und die potentiell möglichen Risiken, zeigen keine konkret auf seine Situation bezogene Bedrohung von entsprechend individualisiertem Ausmaß auf, die der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle seiner Rückkehr zu erwarten hätte.

 

Der Vollständigkeit halber ist dazu festzuhalten, dass allein seit Jänner 2016 über eine halbe Million Afghanen unterschiedlichster ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit, darunter eine Vielzahl aus Europa, nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Dies wäre undenkbar, wenn es nur halbwegs schlüssige Hinweise auf eine generelle Verfolgung dieser Personengruppe gäbe.

 

Aus der erstmals in der Stellungnahme vom 27.12.2017 vorgebrachten Behauptung, wonach es sich beim Beschwerdeführer um eine westlich orientierten Jugendlichen handle, kommt mangels weiterer Begründung verfahrensgegenständlich keine Beachtlichkeit zu. Der Vollständigkeit halber sei dazu angemerkt, dass bereits auf Grund der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers sowie des von ihm in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks keine Anhaltspunkte dafür hervor gekommen sind, dass er mittlerweile ein von seinem Heimatland abweichendes Werteverständnis in derart maßgeblicher Intensität adaptiert hat, dass diesem eine rechtliche Relevanz zuerkannt werden müsste, sodass vorliegend darauf nicht weiter einzugehen war.

 

Im Hinblick auf die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Stadt Kabul und das behauptungsgemäß dort bestehende erhöhte Gefährdungsrisiko konnte der Beschwerdeführer, vor dem Hintergrund des - wie die vorliegenden Länderfeststellungen aufzeigen - in seinem Herkunftsstaat vorherrschenden Konflikts ebenfalls keine asylrechtlich relevante Verfolgung, der er in exponierter Weise ausgesetzt wäre, aufzeigen. Auch sind unter Berücksichtigung sämtlicher zur Verfügung stehender Erkenntnisquellen und erhobenen Beweise im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass insoweit eine individuelle Bedrohungssituation, der entsprechende rechtliche Relevanz zukommt, angenommen werden müsste.

 

Eine mögliche Bedrohungssituation durch die Taliban, der der Beschwerdeführer auch in Kabul ausgesetzt sein könnte, ist schon angesichts der Tatsache, dass die behaupteten Vorfälle - wollte man diese als glaubhaft erachten - bereits mehrere Jahre zurück liegen und es daher bereits an der Voraussetzung der Aktualität einer Verfolgung im Falle der Rückkehr fehlt nicht anzunehmen. Hinzu kommt, dass - wie dargestellt - im gesamten Verfahren kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen ist, warum der Beschwerdeführer im besonderen Fokus der Taliban stehen sollte, sodass bereits deshalb davon ausgegangen werden muss, dass auch in Kabul dahingehend keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Gefährdungslage gegeben ist. Dies wurde im Übrigen vom Beschwerdeführer auch nicht weiter behauptet.

 

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeführten Verfahren und im Besonderen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

 

Ferner hervorzuheben ist, dass im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck in Zusammenschau mit den übrigen Beweisergebnissen des abgeführten Verfahrens, sowie unter Berücksichtigung seines bisherigen Verhaltens und des - wie aus der Aktenlage ersichtlich - wiederholt unsteten Aufenthaltes, sodass bereits an der Kooperationsbereitschaft gezweifelt werden muss, sowie des geringen Substrats und der teilweise völlig vagen Antworten des Beschwerdeführers, der eine Bedrohungslage im Falle der Rückkehr lediglich pauschal begründen konnte, ihm daher insgesamt, wie von der belangten Behörde zutreffend aufgegriffen, die Glaubwürdigkeit der von ihm behaupteten Verfolgungsrisiken abzusprechen war.

 

Da davon auszugehen ist, dass die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in ihrem Heimatdorf lebt und über eine Einkommensquelle sowie Wohnraum verfügt, ist dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Heimatprovinz möglich und zumutbar. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, als nach wie vor ein Familienverband sowie eine Versorgung der primären Grundbedürfnisse gegeben sind. Dass dem Beschwerdeführer, wie in der Beschwerde behauptet, jede Existenzgrundlage in seiner Heimatprovinz entzogen wäre, konnte in Zusammenschau der erhobenen Beweisergebnisse nicht angenommen werden.

 

Wie den Länderfeststellungen zur Sicherheitslage in Daikundi zu entnehmen, ist die Provinz als relativ friedlich anzusehen.

 

Der herkunftslandbezogenen Berichtslage sowie der gutachterlichen Stellungnahme des landeskundlichen Sachverständigen Dr. Sarajuddin Rasuly folgend, ist es dem Beschwerdeführer auch möglich seine Heimatprovinz gefahrlos zu erreichen. Eine ausreichende Infrastruktur ist vorhanden. Wie der Beschwerdeführer selbst bestätigt, gab es während der schlepperunterstützten Ausreise keinerlei Schwierigkeiten, sodass eine Rückführung auf demselben Weg möglich ist. Die dazu in den ergänzenden Stellungnahmen bzw. der Beschwerde ins Treffen geführten Berichte verweisen letztlich nur pauschal auf mögliche konfliktbezogene Risiken und sind daher nicht geeignet konkret die Erreichbarkeit der Heimatprovinz des Beschwerdeführers auszuschließen. Wie der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation zu entnehmen, wird seit 2003 das Straßennetz stetig erschlossen. Eine besonders potenzierte Gefahrenlage konnte unter Berücksichtigung der verfahrensgegenständlich herangezogenen Erkenntnisquellen nicht erkannt werden. In die Heimatprovinz Daikundi kann der Beschwerdeführer vom internationalen Flughafen in Kabul aus über die Provinz Bamiyan (Schnellstraße Kabul-Bamiyan) nach Dainkundi gelangen und sodann von der Provinzhauptstadt Nieli mit einem Linienfahrzeug in dessen Heimatdorf (vgl. PS 6). Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebrachte Behauptung des Beschwerdeführers, dass seitdem das Straßennetz in seiner Heimatprovinz ausgebraut worden sei, die Taliban Schutzgeld verlangen würden, muss hier als bloße Schutzbehauptung gewertet werden, dies offensichtlich mit der Intention, eine (weitere mögliche) Gefahrenlage zu konstruieren, sodass sich der Beschwerdeführer insoweit ein gesteigertes Vorbringen vorwerfen lassen muss. Die Ausführungen waren daher nicht geeignet eine Erreichbarkeit der Heimatregion des Beschwerdeführers auszuschließen.

 

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass dem Beschwerdeführer, wie sich aus der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation vom 02.06.2016 ergibt, drei verschiedene Reiserouten zur Verfügung stehen um seine Heimatprovinz zu erreichen, sodass er die Möglichkeit hat unter Berücksichtigung allfälliger sicherheitsrelevanter Erwägungen eine der Verbindungen auszuwählen.

 

Selbst unter der Annahme, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in dessen Herkunftsprovinz nicht möglich bzw. zumutbar sei, stünde ihm - wie festgestellt - die Hauptstadt Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

 

Dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte zu Kabul, insbesondere dem GA Mahringer sowie den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer hat bereits seit seinem 11. Lebensjahr in der Landwirtschaft seiner Familie mitgearbeitet und besitzt, wie von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, fundierte Kenntnisse im Ackerbau. Angesichts der vom Beschwerdeführer nahezu erreichten Volljährigkeit kann daher davon ausgegangen werden, dass dieser über die notwendige Selbständigkeit verfügt, um eine Anstellung zu finden und sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Die Selbständigkeit des Beschwerdeführers wird auch dadurch belegt, dass der Beschwerdeführer unbegleitet von seinem Heimatdorf nach Österreich gelangen konnte.

 

Er hat die Möglichkeit an seine bisherigen Arbeitserfahrungen anzuschließen oder in einem ähnlichen Berufsfeld tätig zu sein. Zudem ist er in der Lage sich durch Hilfsarbeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Heimatland verbracht, spricht eine der Landessprachen und ist mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten in Afghanistan vollständig vertraut, sodass eine Wiedereingliederung möglich und zumutbar ist.

 

In Zusammenschau der Beweisergebnisse des abgeführten Verfahrens und unter Berücksichtigung der fast erreichten Volljährigkeit des Beschwerdeführers kann somit auch auf Grund seines (gerade noch) minderjährigen Alters nicht von einer potenzierten Gefährdungslage und einer besonderen altersspezifischen Vulnerabilität, die dem Beschwerdeführer außerhalb seines familiären und sozialen Netzwerks ein Leben im urbanen Raum verunmöglich würde, ausgegangen werden. Auch unter Berücksichtigung der herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen zur Situation von Kindern in Afghanistan ist festzuhalten, dass hinsichtlich der möglichen Risiken angesichts der in Afghanistan bestehenden Gesellschaftsstruktur und des tradierten Wertesystems sowie der frühen Einbindung in die innerfamiliäre Verantwortung (etwa im Hinblick auf den Beitrag zur Erhaltung der Familie, wie dies auch beim Beschwerdeführer der Fall war) nicht an einer starren Grenze zwischen Minderjährigen und Volljährigen gehaftet werden kann.

 

Das abstrakte Vorbringen zu einer altersspezifischen Gefährdung umfasst die prekäre Lage für unbegleitete Minderjährige bei Rückkehr ohne soziales Netz. Konkrete, die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers betreffende Fluchtgründe bzw. Risiken, die dieser auf Grund individueller Eigenschaften im Falle einer Rückkehr in exzeptioneller Weise besonders zu befürchten hätte wurden nicht behauptet und gab es diesbezüglich auch keine Anhaltspunkte. Unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen Eindrucks, der an der Schwelle zum jungen Erwachsenen steht, konnte im Hinblick auf die mittlerweile erreichte Selbständigkeit, eine sich aus den genannten Faktoren zusammensetzende "verstärkte" Gefährdung nicht glaubhaft gemacht werden. Die Volkgruppenzugehörigkeit bzw. die Rückkehrereigenschaft des Beschwerdeführers vermag eine solche nicht zu potenzierten.

 

Ergänzend dazu wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

 

Obiter sei festgehalten, dass die behauptungsgemäß exponierte Stellung mangels Schutzes durch Familienangehörige sowie die Eigenschaft des noch minderjährigen Alters des Beschwerdeführers keine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe rechtfertigt, zumal es insoweit an der Unveräußerlichkeit bzw. Veränderbarkeit sowie der notwendigen Anknüpfung ungerechtfertigter Repressionen auf Grund dieses Merkmals bzw. die auf dem Merkmal basierende konkrete Art der Unterscheidung, die sich nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, fehlt (vgl. hiezu AsylGH 17.06.2011, C1 419420-1/2011; 19.04.2011, C18 409159-1/2009).

 

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz (www.sv.justiz.gv.at ) werden folgende Fachgebiete des länderkundigen Sachverständigen Mahringer für Afghanistan aufgelistet:

 

"Flüchtlingswesen: Ein umfassender Ansatz ist hier erforderlich. Ausgehend aus der klassischen Länderkunde (inkl. Recherche in den Herkunftsländern - Schwerpunkt Afghanistan, Irak, Syrien), der Risikoanalyse, der Betreuung der Flüchtlinge entlang der "Supply Chain" bis zu den Zielländern, der Asylprozess und die Rückführung der abgelehnten Asylanten sowie deren Reinintegrierung in den Herkunftsländern sowie der Integration in den Zielländern. Die Risikoanalyse umfasst sowohl die Bewertung des Herkunftslandes als auch die Risiken während der Flucht (inkl. Schlepperwesen) bis hin zum Bedrohungspotenzial im Zielland. Das Leistungsangebot umfasst sowohl Evaluierung stattgefundener Vorgänge als auch Lösungsvorschläge. Überprüfung von Standards, Mittelverwendung etc.

Entwicklungshilfe: Evaluierung von Entwicklungshilfeprojekte vor Projektbeginn als auch nach Projektabschluss, Benchmark Analyse, Effizientsanalysen, Studien zur Entwicklungshilfe. Analyse und Kontrolle der Mittelverwendung als auch der auftragsgemäße Verwendung. Nachhaltige Entwicklungshilfe-Konzepte. Finanzmanagement. Krisen- und Katastropenmanagement. Bewertung von Zusammenarbeit mit anderen Entwicklungsorganisationen und NGO¿s. Internationale Vernetzung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, Ökonomische und rechtliche Bewertung"

 

Aufgrund dieser Angaben auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz besteht kein Zweifel daran, dass Mahringer die notwendigen bzw. angegebenen Qualifikationen hat und daher für das Verfassen des GA Mahringer befähigt ist.

 

Die Erhebungen, Befragungen und Recherchen wurden nach den glaubwürdigen Angaben des Sachverständigen persönlich unter Zuhilfenahme je eines erfahrenen und absolut verlässlichen Mitarbeiters für Kabul, Mazar- e Sharif und Herat durchgeführt.

 

Es wurde auf umfangreiche Dokumente und Studien diverser Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zurückgegriffen. Der Sachverständige kann zudem auf langjährige Erfahrung (seit 1976) in Afghanistan verweisen, sowohl im Bereich der öffentlichen Verwaltung, der Entwicklungshilfe, des Flüchtlingswesens als auch dem privatwirtschaftlichen Sektor. Außerdem wurden in Afghanistan durch den Sachverständigen umfangreiche Befragungen und Erhebungen (600 Afghanen wurden im Rahmen eines über einen Monat dauernden Aufenthaltes in Afghanistan in Kabul, Mazare-e-Sharif und Herat (je 200 Personen) mittels Fragebogen zu ihrer subjektiven Sicht der Situation in Afghanistan sowohl aus der Sicht der Rückkehrer als auch der in Afghanistan Lebenden befragt) durchgeführt und dokumentiert. Der Sachverständige führt wohl zu Recht aus, dass es einen großen Unterschied der Bewertung aus subjektiver Sicht der Afghanen und den Erhebungen und Berichten der internationalen Gemeinschaft, welche in der Regel von westlichen Standards ausgeht, gibt. Es besteht kein Grund an den Angaben und Schlussfolgerungen im GA Mahringer zu zweifeln.

 

Selbst wenn bei dem GA Mahringer die Anforderungen an ein Gutachten nicht gegeben sein sollten (wovon das BVwG nicht ausgeht), würde es sich bei dem GA Mahringer um ein sonstiges Beweismittel handeln, welches aufgrund der Expertise des Sachverständigen und den durchgeführten umfangreichen Befragungen und Erhebungen vor Ort als glaubwürdig erachtet wird. Aus dem GA Mahringer ergibt sich jedenfalls zweifelsfrei, dass derzeit keine exzeptionellen Umstände in Kabul, Mazare-e-Sharif und Herat anzunehmen sind die annehmen lassen würden, dass der Beschwerdeführer dort keine Lebensgrundlage vorfindet und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

 

Wie eingangs festgehalten handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 27.12.2017 ins Treffen geführten Berichten bzw. Analysen von Stahlmann und Ruttig nicht um Gutachten sondern um ein Kommentar bzw. einen Artikel in einer einschlägigen Fachzeitschrift, sodass den Ausführungen das insoweit notwendige fachbezogene Gewicht fehlt. Die Schlüssigkeit und Vollständigkeit der gutachterlichen Stellungnahme Mag. Mahringer konnte damit nicht widerlegt werden und konnten die Ergebnisse des Sachverständigen daher vollinhaltlich den Feststellungen zur sozio-ökonomische Lage zu Grunde gelegt werden.

 

Vor diesem Hintergrund, konnte daher weder eine besonders potenzierte Gefahrenlage auf Grund eines altersbedingten Risikos noch Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang bzw. der Sicherung der eigenen Existenzgrundalge angenommen werden.

 

Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich, seinen Deutschkenntnissen, familiären Anknüpfungspunkten und den sozialen Kontakten, die sich auf Bekanntschaften im Rahmen seiner sportlichen Aktivitäten sowie zu seinen Mitschülern beschränken, ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den dazu vorgelegten Unterlagen.

 

Ein schützenswertes Privat- bzw. Familienleben lässt sich mangels Abhängigkeit sowie Erreichen der notwendigen Intensität, wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführlich dargelegt, nicht annehmen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016).

 

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Zu A)

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht bereits wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0399; VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).

 

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (VwGH 08.07.1993, 92/01/1000; 30.11.1992, 92/01/0832; 20.05.1992, 92/01/0407; 19.09.1990, 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat, spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen ( VwGH 21.06.1994, 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 23.01.1997, 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (siehe auch VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft.

 

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

 

Zur Begründung asylrechtlich relevanter Verfolgung kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber selbst die politische Gesinnung teilt, die ihm von den Behörden des Heimatstaates unterstellt wird, sondern lediglich darauf, ob die Verfolgungsmaßnahmen auf eine dem Asylwerber eigene bestimmte politische Gesinnung zurückgeführt werden (VwGH 30.09.1997, 96/01/0871). Für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung reicht es, dass eine staatsfeindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung nicht zu erwarten ist (VwGH 12.09.2002, 2001/20/0310; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357). Als politisch kann alles qualifiziert werden, was für den Staat, für die Gestaltung beziehungsweise Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der Gemeinschaft von Bedeutung ist (VwGH 12.09.2002, 2001/20/0310).

 

Eine derartige Verfolgung konnte vom Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, sind asylrechtlich nicht relevant.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, ist es dem Beschwerdeführer auch unter eingehender Berücksichtigung seines (noch) minderjährigen Alters nicht gelungen, die behauptete (versuchte) Zwangsrekrutierung durch die Taliban glaubhaft darzulegen, zumal das fluchtbezogene Vorbringen vom Beschwerdeführer auch nach mehrfachem Vorhalt der diesbezüglich nicht nachvollziehbaren Angaben, nicht in dem hier notwendigem Ausmaß plausibilisiert werden konnte, um tatsächlich von einer konkret gegen ihn gerichteten Bedrohungssituation ausgehen zu müssen. Auch haben sich aus den sonstigen im Verfahren erhobenen Beweisquellen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass in der Heimatregion des Beschwerdeführers insoweit eine besonders potenzierte Gefahrenlage bestünde und die Taliban insbesondere dort versuchen würden Kämpfer zu rekrutieren. Wie dargelegt konnte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme trotz seines sozialen Umfelds von (damals) Gleichaltrigen keinen weiteren Vorfall bestätigen.

 

Zur Frage einer bloß befürchteten Zwangsrekrutierung durch eine Rebellengruppe - fallbezogen der Taliban - führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 15.03.2016, Ra 2015/01/0069) unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung aus, dass einer (versuchten) Zwangsrekrutierung dann Asylrelevanz zukommt, wenn aus der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, eine tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung abgeleitet wird, an die eine Verfolgung anknüpft. Entscheidend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei daher, mit welchen Reaktionen der Taliban der Asylwerber aufgrund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen müsse und ob in seinem Verhalten eine - wenn auch nur unterstellte -politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt werde. Der Verwaltungsgerichtshof betonte dazu weiter, dass vor dem Hintergrund der im Asylverfahren bestehenden Beweislastverteilung, die lediglich die Glaubhaftmachung einer Verfolgung [im Falle der Rückkehr] verlange, das Vorbringen des Asylwerbers insoweit eine entsprechende Konkretisierung aufweisen müsse, um die Voraussetzung der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu erfüllen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH, 13.10.2015, Ra 2014/01/0243, mwN).

 

Wie auch in dem vom Verwaltungsgerichtshof oben zitierten Beschluss beschränkt sich auch hier das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bei konkreten Fragen auf allgemeine Aussagen und lässt eine konkrete Darstellung der drohenden Rekrutierung im Falle der Rückkehr vermissen.

 

Allein der abstrakte Verweis in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer auf Grund seiner Weigerung für die Taliban zu kämpfen - wollte man dem Vorbringen dahingehend folgen - sich somit aus ihrer Sicht gegen ihre religiösen und politischen Wertvorstellungen gestellt habe, ohne jede Konkretisierung, reicht daher im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht aus, um eine signifikante Gefährdungslage von maßgeblicher Intensität zu begründen. Das pauschale Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Taliban im Falle der Weigerung die Leute zwangsweise mitnehmen oder töten würden, vermag den insoweit notwendigen Anforderung einer Konkretisierung ebenfalls nicht zu erfüllen.

 

Auch ergibt sich aus den in das Verfahren einbezogenen Länderinformationen kein Hinweis darauf, dass ein männlicher Rückkehrer, gerade als schiitischer Hazara, allein auf Grund dieser Merkmale bereits einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefahr der Zwangsrekrutierung unterläge. So deutet etwa der der Stellungnahme vom 24.02.2016 beigeschlossene Bericht von ACCORD darauf hin, dass Zwangsrekrutierungen von Hazara-Angehörigen zwar vorgekommen sind, aber selten sind und die Taliban nach wie vor eine mehrheitlich paschtunische Gruppierung sind. Dies korrespondiert auch mit der gutachterlichen Stellungnahme des landeskundlichen Sachverständigen Dr. Sarajuddin Rasuly. Allein die Möglichkeit eines Risikos der Zwangsrekrutierung, wie vom Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 24.02.2016 unter Verweis auf die Richtlinien des UNHCR ins Treffen geführt reicht in diesem Zusammenhang nicht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass Zwangsrekrutierungen, die nicht an andere Kriterien als Alter und Geschlecht geknüpft sind, ohne Hinzutreten weiterer konkreter Umstände keine Asylrelevanz im Sinne der GFK zukommt (vgl. VwGH 21.09.2000, 99/20/0373). Aus dem Vorbringen der (möglichen) Zwangsrekrutierung, die allein darauf gründet, ist daher für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

 

Das unsubstantiierte Vorbringen in der Stellungnahme vom 27.12.2017, wonach der Beschwerdeführer als Rückkehrer aus Europa im wehrfähigen Alter einem besonders potenzierten Risiko ausgesetzt sei, vermag nicht zu überzeugen, zumal es auch hier an der konkreten Begründung fehlt, warum die Gefährdung über die bloße Möglichkeit, die allgemein auf Grund des im Heimatland des Beschwerdeführers nach wie vor herrschenden Konflikts besteht, hinaus geht und das notwendige Maß an Intensität im Sinne einer objektiven Begründbarkeit erreicht.

 

Vor dem Hintergrund, dass - wie im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend dargelegt - nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimatregion einer (versuchten) Zwangsrekrutierung ausgesetzt war, konnte daher im Weiteren auch keine individuell konkretisierte Bedrohungssituation, der entsprechende rechtliche Relevanz zukommt und die insoweit das notwendige Maß an Intensität erreicht, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr auf Grund der ihm unterstellten religiösen oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt sei, angenommen werden, sodass dem Vorbringen insgesamt die Beachtlichkeit zu versagen war.

 

Auch konnte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht bestätigen, jemals selbst auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder seines schiitischen Glaubens weder in seiner Heimatprovinz noch sonst in Afghanistan einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein.

 

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann jedoch nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin bestehen, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0036, mwN).

 

In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt daher im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Herkunftsland auf Grund generalisierender Merkmale - etwa wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. seines schiitischen Glaubens - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aus ethnischen oder religiösen Gründen als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. seines schiitischen Glaubens im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser ethnischen oder religiösen Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Auf Basis der Länderberichte ist dem Beschwerdevorbringen zunächst darin zu folgen, dass Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sein können. Festzuhalten ist im Lichte der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan auch, dass vereinzelte Angriffe, Entführungen oder Tötungen von Zivilpersonen sowie Terroranschläge in Afghanistan grundsätzlich jederzeit und überall möglich sind. Die Gründe für diese Gewalthandlungen sind dabei ebenso vielfältig wie die beteiligten Konfliktgruppen und die jeweiligen Opfer der Taten.

 

Aus den obigen Länderfeststellungen ergeben sich jedoch keine Hinweise auf eine Gruppenverfolgung der schiitischen Hazara, vielmehr hat sich deren Situation in Afghanistan seit dem Ende der Talibanherrschaft nachhaltig und wesentlich verbessert.

 

Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.

 

In seinem Erkenntnis vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106, sprach der Verwaltungsgerichtshof eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht aus, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. In zahlreichen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (z.B. erst jüngst BVwG 24.10.2016, W191 2106225-2/10E; BVwG 09.05.2016, W119 2012593-1/20E, BVwG 18.04.2016, W171 2015744-1, BVwG 13.11.2015, W124 2014289-1/8E und viele andere mehr).

 

Der Verwaltungsgerichtshof judizierte in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte (siehe auch jüngst BVwG 16.06.2016, W159 2105321-1/8E).

 

Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 05.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe (vgl. dort insb. Seiten 26/27, Punkt 86., wonach die Angehörigeneigenschaft zur Minderheit Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung drohen würde, unbeschadet der schlechten Situation dieser Minderheit):

 

"86. Although this argument has only been raised in the domestic proceedings but not in the present application, the Court has examined the question whether the applicant runs a risk of being subjected to ill-treatment on account of his Hazara origin. On this point, the materials before the Court contain no elements indicating that the applicant's personal position would be any worse than most other persons of Hazara origin who are currently living in Afghanistan. Although the Court accepts that the general situation in Afghanistan for this minority may be far from ideal, it cannot find that it must be regarded as being so harrowing that there would already be a real risk of treatment prohibited by Article 3 in the event that a person of Hazara origin were to be removed to Afghanistan."

 

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die aktuelle internationale Rechtsprechung zu verweisen, die ebenfalls von keiner Gruppenverfolgung der Hazara ausgeht:

 

Nach einem Beschluss des VGH München vom 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 unterliegen Hazara in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung, sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt. Das VG Lüneburg (3. Kammer, Urteil vom 06.02.2017, 3 A 126/16) gelangt nicht zu der Überzeugung, dass Hazara einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind (unter Verweis auf Bay. VGH, Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; VG Augsburg, Urt. v. 07.11.2016 - Au 5 K 16.31853 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Urt. v. 28.10.2016 - W 1 K 16.31834 -, juris Rn. 19). Die hierfür erforderliche Verfolgungsdichte ist nicht gegeben.

 

In seiner Entscheidung vom 11.01.2017 zu E-5136/2016 (der Beschwerdeführer war ein unbegleiteter, minderjähriger afghanischer Staatsangehöriger der Ethnie der Hazara mit letztem Wohnsitz in der Provinz Ghazni) führte das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz zur Beurteilung einer "Gruppenverfolgung" aus wie folgt:

 

Es stellt sich mit Bezug zu diesem Vorbringen aber die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Hazara Suchbegriff in seiner Heimatregion Ghazni per se einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war. So kann eine asylsuchende Person ausnahmsweise davon befreit werden, gezielt gegen sie gerichtete Verfolgung darzulegen, wenn sie zu einer Gruppe gehört, die in einem bestimmten Herkunftsland in ihrer Gesamtheit auf einem flüchtlingsrelevanten Motiv beruhenden, intensiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt ist (vgl. BVGE 2014/32, E. 6.1).

 

[...]

 

Inwiefern hinter den Entführungen und Tötungen von Hazara in Afghanistan - insbesondere in der Region Ghazni - asylrelevante Verfolgungsmotive stehen, kann vorliegend aber letztendlich offenbleiben. So ist es nach dem zuvor Gesagten in jüngerer Zeit in der Heimatregion des Beschwerdeführers zwar immer wieder zu in asylrechtlicher Hinsicht genügend intensiven Übergriffen auf Zugehörige der Ethnie der Hazara gekommen. Indes kann die für die Anerkennung einer Kollektivverfolgung erforderliche Dichte der gewaltsamen Verfolgungshandlungen nicht bejaht werden: Im Verhältnis zur Größe des Kollektivs der Hazara in Ghazni (wie zuvor ausgeführt handelt es sich um rund 540'000 Personen) nehmen die gewalttätigen Angriffe auf diese Bevölkerungsgruppe bisher nicht eine zahlenmäßig derart große Dimension ein und sind die bekannt gewordenen Über-griffe nicht derart häufig, dass jeder Angehörige dieser Minderheit in begründeter Weise befürchten müsste, objektiv mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ebenfalls Opfer einer Gewalttat zu werden. Gemessen an der Anzahl in Ghazni lebender Hazara Suchbegriff erscheint die Zahl der Übergriffe derzeit nicht als genügend dicht, als dass von einer Kollektivverfolgung insbesondere durch Dritte ausgegangen werden müsste. Folglich kann eine Kollektivverfolgung der Hazara in der Provinz Ghazni zum heutigen Zeitpunkt nicht bejaht werden.

 

Das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan wurde daher im Ergebnis verneint.

 

Es ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aktuell wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen seiner Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung in Afghanistan bzw. in seiner Herkunftsprovinz ausgesetzt wäre, zumal es auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Hinweise darauf gibt. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, um eine Verfolgungsgefahr anzunehmen (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a.).

 

Hinweise, wonach der Beschwerdeführer einer altersspezifischen Gefährdung auf Grund seiner Minderjährigkeit ausgesetzt sei, haben sich im Verfahren nicht ergeben und wurden vom Beschwerdeführer lediglich abstrakt ins Treffen geführt. Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem jedenfalls in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH 28.04.2015, Ra 2015/18/0026), was sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ergibt. Auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) verlangt eine Verknüpfung zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen einerseits und den Verfolgungsgründen andererseits. Vorliegend fehlt es daher bereits an der notwendigen Konnexität zu einem Konventionsgrund der GFK, zumal die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich eben jener der Minderjährigen, als wesentlicher Faktor für die existenzielle Bedrohung der Lebensgrundlage des Beschwerdeführers bzw. im Hinblick auf seine Versorgung und Sicherheit in Afghanistan fehlt. Die Eigenschaft des Alters stellt weder ein besonders geschütztes unveräußerliches Merkmal dar, was bereits dem Umstand des Alterns an sich geschuldet ist, noch macht sie den Fremden zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe (dies ist bereits dem Umstand des Alterns an sich geschuldet). Hinweise darauf, dass gerade der Beschwerdeführer aufgrund von Eigenschaften, die ihn von anderen in Afghanistan aufhältigen Personen unterscheiden würden, von Risiken auf Grund seines (noch) minderjährigen Alters eher oder besonders betroffen wäre, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Eine Verfolgungsgefahr ist zudem nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u. v.a.). Dass vorliegend mehr als nur eine entfernte Möglichkeit einer Verwirklichung der genannten Risiken bzw. einer Verfolgung bestünde, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Im Fall des bald volljährigen Beschwerdeführers kann in Gesamtschau der Umstände somit nicht davon ausgegangen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, die im Übrigen in den Familienverband erfolgen würde, gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre.

 

Mangels Vorliegens einer Bedrohung oder Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK fehlt es somit insoweit an der potenzierten Gefährdungslage die nicht bloß in der abstrakten Möglichkeit besteht.

 

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auch aus der Situation des Beschwerdeführers als Rückkehrer aus Europa, wobei es insoweit an einer weiteren Substantiierung fehlt, keine asylrelevante Verfolgung, die dieser im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte, abgeleitet werden kann. Aus den Länderfeststellungen lässt sich keine allgemein bestehende Gefahrensituation, die die insoweit notwendige Intensität erreicht, für aus dem Ausland Zurückkehrende, die eine gewisse Zeit dort verbracht haben, mit einer grundsätzlich herkunftslandbezogenen Sozialisierung - wie im Fall des Beschwerdeführers - in ihrem Heimatland, ableiten. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nur eine verhältnismäßig kurze Zeit von knapp über drei Jahren im Ausland verbracht und sich den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Herkunftsland aufgehalten hat, sodass nicht von einer solchen Adaptierung gesprochen werden kann, dass hier ein asylrechtlich relevantes Gefährdungsrisiko anzunehmen wäre.

 

An einer asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers fehlt es letztlich schon deshalb, als allein der Umstand, dass es sich bei ihm um eine Person handelt, die aus Europa zurückkehrt ist, kein notwendiger Bezugspunkt zu einem der in der GFK genannten Konventionsgründe, der Voraussetzung dafür ist, dass dem Vorbringen überhaupt rechtliche Relevanz zukommt, besteht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN; BVwG 23.01.2017 W246 2136132-1 sowie hierzu auch die Ausführungen in BVwG 07.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8).

 

Entsprechendes gilt für die Behauptung der westlichen Orientierung des Beschwerdeführers, sodass dem Vorbringen aus den oben dargelegten Gründen, gleichfalls keine rechtliche Relevanz zukommt.

 

Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist (dies gilt gleichermaßen für die vom Beschwerdeführer angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).

 

Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehens einer maßgeblich wahrscheinlichen und aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 nicht stattgegeben werden.

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. jüngst VwGH 21.02.2017; Ra 2016/18/0137, VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11 mwN sowie die Rechtsprechung des EGMR und EuGH).

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006; VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich;

vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453;

09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

 

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).

 

In seinen jüngst ergangenen Erkenntnissen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11) hat der VwGH zur spezifischen Situation von Afghanistan erneut auf seine Vorjudikatur und die Rechtsprechung des EGMR in zuvor ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan und die Berichtslage zu Kabul nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstößt.

 

Ebenso sprach der VwGH im zitierten Erkenntnis (19.06.2017, 2017/19/0095) aus, dass nicht verkannt werde, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt sei. Davon zu unterscheiden ist nach der Judikatur des VwGH aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (19.06.2017, Ra 2017/19/0095 sowie 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11). Eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum- oder Arbeitsplatzsuche, reicht nach der Judikatur des VwGH explizit nicht aus, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; sowie 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11).

 

Der EGMR hat diese Rechtsprechung in jüngst ergangenen Urteilen im Hinblick auf die aktuelle Lage in Afghanistan ausdrücklich bestätigt (vgl. die Urteile jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S.D.M., Nr. 8161/07; A.G.R., Nr. 13442/08; A.W.Q. und D.H., Nr. 25077/06; S.S., Nr. 39575/06; M.R.A. ua., Nr. 46856/07).

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, ausgeführt hat, reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Hinsichtlich der Sicherheitslage geht der Verwaltungsgerichtshof von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11).

 

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

 

Neben der Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevant sein. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Antragsteller handelt, bei denen individuelle Gründe bestehen, die die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit rechtfertigen, wie z.B. Personen mit Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern oder schwangeren Frauen (VfGH 14.12.2011, U2495/2010 mit Verweis auf VfGH 07.10.2010, U694/2010).

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegend nicht gegeben sind.

 

In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen und den in das Verfahren einfließenden sonstigen Informationen für das erkennende Gericht ergibt, dass es sich bei der Provinz Daikundi um eine relativ friedliche Provinz in Afghanistan handelt und eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region mit keiner ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden ist, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin zugemutet werden kann. Vielmehr nimmt die Sicherheitslage in Daikundi zu und gewinnt an Stabilität, auch ist staatlicher Schutz in dieser Region gegeben. Persönliche Gründe einer Gefährdung glaubhaft machen, die einer Rückverbringung entgegenstünden, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen.

 

Dazu ist insbesondere auf das jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0190 zu verweisen, in dem er sich in einem ähnlich gelagerten Fall wie dem vorliegenden, unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung sowie die ständige Judikatur des EGMR - (etwa) in seinem Erkenntnis vom 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit dem Kriterium des Vorliegens einer "realen Gefahr" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung - im Besonderen betreffend die Lage in Afghanistan - auseinandergesetzt hat (vgl. zudem die dargestellten Erwägungen in VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

 

Der Verwaltungsgerichtshof wies nochmals darauf hin, dass nicht verkannt werde, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt sei. Davon zu unterscheiden sei aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordere (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis Ra 2017/19/0095, Rz 18).

 

Ausgehend von der Sicherheitslage in Daikundi, die auch vorliegend nach wie vor keine Änderung erfahren hat, ging der Verwaltungsgerichtshof von einer Zumutbarkeit der Rückkehr des Revisionswerbers in dessen Heimatdorf, wo auch seine Verwandten lebten und wo er vor seiner Ausreise aus Afghanistan gemeinsam mit diesen von den Erträgen aus der der Familie gehörenden Landwirtschaft gelebt hat, aus (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0190).

 

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt gemäß den Erwägungen in der Beweiswürdigung ergibt, ist eine sichere Erreichbarkeit des Heimatdorfes des Beschwerdeführers, der dort nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, zumal seine gesamte Familie immer noch dort lebt, gegeben. Die Sicherung der existenziellen Bedürfnisse des Beschwerdeführers im Hinblick auf Nahrung, Kleidung und Unterkunft im Falle der Rückkehr ist somit gegeben, zumal die Familie nach wie vor Erträgnisse aus ihrer Landwirtschaft beziehen kann und in deren Haus wohnt.

 

Selbst unter der Annahme, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Heimatdorf nicht mehr möglich sein sollte, steht ihm - wie festgestellt - aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände die Hauptstadt Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht.

 

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz und der Stadt Kabul kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie das Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter, mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste (siehe BVwG 13.02.2017, W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).

 

Laut den oben zitierten Richtlinien des UNHCR müssen auch die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

 

In seinem Erkenntnis vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016-5 wies der Verwaltungsgerichtshof in Anknüpfung an seine bisherige Judikatur unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR darauf hin, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahmen eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Der Verwaltungsgerichtshof betont in diesem Zusammenhang nochmals, dass es für den Antragsteller nicht ausreicht, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (vgl. dazu VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307 mwN; vgl. dazu auch das oben zitierte Erkenntnis des VfGH vom 12.12.2017, E 2068/2017-17).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seiner jüngsten Entscheidung vom 12.12.2017, E 2068/2017-17 in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (s. etwa EGMR 7.7.1989, Fall Soering, EuGRZ 1989, 314 [319]; 30.10.1991, Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309]; 6.3.2001, Fall Hilal, ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden in welcher Form immer außer Landes zu schaffen, unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK nur dann erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er gebracht werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl. VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995, 14.998/1997).

 

Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer vorliegend jedoch nicht darzulegen:

 

Wie festgestellt, handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen leistungsfähigen jungen Mann im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität, sodass ihm selbst im Falle des fehlenden sozialen oder familiären Rückhalts und allfälliger (anfänglicher) wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine Niederlassung in der Hauptstadt Kabul im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative zweifelsfrei zugemutet werden kann (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11). Die in der Beschwerde sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 27.12.2017 behaupteten Risiken, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung sowie der behaupteten exzeptionellen Umstände infolge der Minderjährigkeit, seiner Volksgruppe sowie seines Aufenthaltes in Europa bleiben insoweit nur allgemein und begründen nicht, aus welchem Grund der Beschwerdeführer der tatsächlichen Gefahr ausgesetzt ist, von den möglichen Risiken mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit betroffen zu sein.

 

Wie sich aus den Feststellungen zur individuellen Situation des Beschwerdeführers ergibt, hat dieser bereits seit seinem 11. Lebensjahr in der Landwirtschaft seiner Familie mitgearbeitet und verfügt über fundierte Kenntnisse im Bereich des Ackerbaus. Die Tatsache, dass diese Tätigkeit im Rahmen des Familienverbandes stattgefunden hat, ändert nichts an der grundsätzlichen Verwertbarkeit der dadurch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der damit bereits erfolgten Teilnahme am Erwerbsprozess, sodass davon ausgegangen werden kann, dass er die Befähigung besitzt sich in den afghanischen Arbeitsmarkt einzugliedern. Allein die angespannte sozio-ökonomische Lage sowie Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche reichen gemäß der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht aus, um die Rückführung des Beschwerdeführers auszuschließen.

 

Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, spricht eine der Landessprachen, kann etwas lesen und schreiben und ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut. Er hat daher die Möglichkeit weiter im landwirtschaftlichen Bereich zu arbeiten oder in einem ähnlichen Berufsfeld tätig zu sein. Zudem kann er als Hilfsarbeiter das notwendige Auslangen finden, um sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Angesichts der nahezu erreichten Volljährigkeit des Beschwerdeführers kann - wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt - davon ausgegangen werden, dass er über die notwendige Selbständigkeit verfügt, um aus eigenem eine Anstellung zu finden und sich auch ohne Primärkenntnisse der örtlichen Gegebenheiten in Kabul zu orientieren, sodass ihm eine Rückführung dorthin zugemutet werden kann.

 

Zudem stammt er aus einem Kulturkreis in dem das soziale und familiäre Netzwerk und das sich daraus ableitende Solidarsystem nach wie vor stark ausgeprägt sind, sodass ihm zumindest sachleistungsbezogen Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen zumindest übergangsweise in Kabul ein Auslangen finden. Auch ergibt sich aus den herkunftslandbezogenen Feststellungen, dass die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung zumindest grundlegend gesichert ist. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zu keinem Personenkreis gehört, von dem anzunehmen ist, dass er in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger ist als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Die noch bestehende Minderjährigkeit vermag - wie folgend ausgeführt - hier nicht signifikant ins Gewicht zu fallen.

 

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass selbst wenn der Beschwerdeführer in Kabul über kein soziales oder familiäres Netz verfügt, dies gemäß der zitierten aktuellen Judikatur nicht zu einer Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative bzw. einer realen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen würde (vgl. die eben zitierte, aktuelle Judikatur des VwGH zu Afghanistan).

 

Von einer exzeptionellen Erschwernis auf Grund der behauptungsgemäß mehrfach in der Person des Beschwerdeführers verwirklichten Risiken etwa infolge seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, seiner Minderjährigkeit sowie der Rückkehr aus Europa in wehrfähigem Alter nach langjährigem Aufenthalt dort, ist unter Berücksichtigung der herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen sowie der von der Judikatur geforderten Voraussetzungen nicht auszugehen. Der Beschwerdeführer begründet in seinen allgemeinen Ausführungen - wie bereits dargelegt - nicht, warum er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der realen Gefahr der Verwirklichung der behaupteten Gefahrenpotentiale ausgesetzt ist. Die bloße Möglichkeit reicht in diesem Zusammenhand nicht aus.

 

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung bereits umfassend ausgeführt, ist schon angesichts der Vielzahl der Rückkehrer aus Europa, die sich in Kabul niederlassen und unterschiedlichsten Ethnien angehören, nicht von einer besonders potenzierten Vulnerabilität des Beschwerdeführers auszugehen, zumal es bereits an der notwendigen Exponiertheit des Beschwerdeführers fehlt, sodass eine rechtliche Relevanz der behaupteten Risiken im Sinne einer Erhöhung der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK nicht gegeben ist.

 

Auch der Umstand der noch bestehenden Minderjährigkeit vermag nichts daran zu ändern, dass dem Beschwerdeführer eine Neuansiedelung in Kabul möglich ist und auch zugemutet werden kann. In diesem Zusammenhang ist insbesondere vor dem Hintergrund der in der afghanischen Gesellschaft etablierten Strukturen zu berücksichtigen, dass eine Teilnahme am Erwerbsleben (sei es innerhalb des Familienverbandes oder außerhalb desselben) generell wesentlich früher stattfindet als dies etwa im westlichen Kulturkreis der Fall ist. Vor diesem Hintergrund entspricht daher eine strenge Zäsur im Hinblick auf das Alter bzw. die erreichte Volljährigkeit des Beschwerdeführers nicht der vorherrschenden sozio-ökonomischen Lage in dessen Herkunftsstaat bzw. dem traditionell etablierten Wertesystem. Die vom Beschwerdeführer mittlerweile erreichte Selbständigkeit folgt nicht nur altersbedingt sondern bereits aus der Tatsache, dass er sich in Österreich innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums in einem ihm völlig fremden Kulturkreises einzufügen konnte. Vor diesem Hintergrund kann daher umso mehr von einer rasch möglichen Adaptierung in Afghanistan, wo er den überwiegenden Teil seines Lebens verbrachte hat, insbesondere unter dem Aspekt der nach wie vor dort bestehenden familiären Anknüpfungspunkte ausgegangen werden, sodass auch der Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz erwartet werden kann (vgl. BVwG vom 16.11.2017, W119 2141659-1).

 

Das vom Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 27.12.2017 ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.2017, E 1734 - 1738/2017 vermag vorliegend nicht durchzuschlagen, zumal auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers vollinhaltlich eingegangen wurden und eine umfassende Auseinandersetzung stattgefunden hat. Wie dargestellt konnte angesichts der erhobenen Beweisergebnisse in Zusammenschau mit den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers und seiner zwischenzeitig erreichten Entwicklungsstufe nicht von einer besonderen Gefährdung ausgegangen werden, der er im Falle der Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre.

 

Eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers und auf Grund seiner Minderjährigkeit potenzierte Gefahrenlage auf Grund der Vielzahl von Risiken, die - wie die herkunftslandbezogenen Länderfeststellungen aufzeigen - vor allem Kinder betreffen, sind daher vorliegend nicht gegeben, sodass kein gefahrenerhöhendes Moment bezogen auf die allgemeine Sicherheitslage und unter Berücksichtigung der Risiken, die Minderjährige in Afghanistan ausgesetzt sind, abzuleiten ist (vgl. VfGH 11.10.2017, E 1803-1805/2017-17).

 

Es ist somit nicht zu befürchten, dass der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

 

Nach den Ausführungen des Sachverständigen im GA Mahringer ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit in Afghanistan - bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers - "ohne Einschränkungen möglich", wobei gleichzeitig festgehalten wurde, dass die Arbeitssuche in den Städten einfacher als auf dem Land ist. Zudem sind Arbeitserfahrungen (die der Beschwerdeführer aufweisen kann) ein Vorteil bei der Arbeitssuche. Der Sachverständige geht sogar davon aus, dass es auch für Rückkehrer ohne Ausbildung eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten im privaten Sektor gibt. Der Sachverständige konnte in allen Gesprächen keinen Unterschied hinsichtlich der Schul- und oder Berufsausbildung in Fragen der Arbeitsmarktchancen feststellen, unabhängig ob Schul- und oder Berufsausbildung vorliegt; es hängt allein vom Einsatz des Arbeitssuchenden oder seiner Kontakte ab, ob er Arbeit findet. Der Sachverständige führt ferner an, dass allein die Tatsache, noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt zu haben, keinen Einfluss auf die Existenzsicherung der Rückkehrer hatte.

 

Aufgrund der Ausführungen im GA Mahringer ist daher davon auszugehen, dass es einem arbeitsfähigen jungen Mann, zumutbar und möglich ist, sich in Kabul ein ausreichendes Auskommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen. In diesem Zusammenhang ist überdies auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, in der das Höchstgericht folgendes festgehalten hat:

 

Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach es sich bei dem Mitbeteiligten um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, lässt das angefochtene Erkenntnis auch eine ausreichende Beschäftigung mit dem der innerstaatlichen Fluchtalternative innewohnenden Zumutbarkeitskalkül vermissen, welches nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Mitbeteiligten in Kabul erfordert hätte (vgl. das ebenfalls zu Kabul ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2016, Ra 2015/20/0233). Dass der Mitbeteiligte in diesem Zusammenhang bisher keine Berufserfahrung habe und nicht über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfüge, reicht am Boden der bisherigen Feststellungen zur Situation in Kabul für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen haben sich daher keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: z.B. Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, BVerwG 10 C 10.09; weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, 48839/09, Rz 55).

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Im vorliegenden Fall haben sich die Angaben des Beschwerdeführers weitgehend auf allgemeine Ausführungen zur Sicherheitslage in Afghanistan und die konfliktbedingten Risiken, die sich auf die sozio-ökonomische Lage auswirken können, beschränkt. Ein Vorbringen, wonach in der Person des Beschwerdeführers gelegene, konkret exzeptionelle Umstände im Hinblick auf eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in seinen Herkunftsstaat begründet würden, hat der Beschwerdeführer - wie dargelegt - nicht erstattet. Das Vorbringen des Beschwerdeführers bezieht letztlich nur allgemein auf die schwierigen Lebensbedingungen in Afghanistan auf Grund des bestehenden Konflikts und mögliche Risiken im Hinblick auf die Befriedigung der eigenen grundlegenden Bedürfnisse, womit der Beschwerdeführer jedoch nicht begründet, aus welchem Grund die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse in seiner Person im Vergleich zur übrigen Bevölkerung in besonderem Maße verwirklicht ist. Der Beschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Der Kommentar von "Ruttig" und der Artikel von "Stahlmann", wie in der Stellungnahme vom 27.12.2017 vorgebracht, waren im Lichte der Judikatur und ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht geeignet Zweifel an der konkreten Auslegung sowie den insoweit maßgebenden Kriterien im Hinblick auf die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu begründen.

 

Das Bundeverwaltungsgericht verkennt nicht, dass Rückkehrer, wie aus den Länderfeststellungen und dem in der Beschwerde und Stellungnahme zitierten Berichtsmaterial ersichtlich ist, auch in den Großstädten Afghanistans Konflikten, Unsicherheit und dem Risiko weitreichender Armut ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass der VwGH in seiner aktuellen Judikatur ausdrücklich ausgeführt hat, dass Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine exzeptionellen Umstände im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative in Kabul darstellen. Ferner begründen selbst eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 18.03.2016, Ra 2015/01/0255;

25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 23.03.2017, Ra 2016/20/0188;

10.03.2017, Ra 2017/18/0064; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016;

19.06.2017, Ra 2017/19/009517; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11).

 

Hinsichtlich der in der Region herrschenden Sicherheitslage, ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren hat. Seit August 2008 liegt die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern bei der afghanischen Armee und Polizei. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahr 2010 gelungen, Zahl und Schwere sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung sowie nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zu E974/2017-12 abgelehnt).

 

Kabul ist eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Innerhalb Kabuls existieren in verschiedenen Vierteln freilich unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als zumutbare Ausweichmöglichkeit des Beschwerdeführers innerhalb seines Herkunftsstaates zu bewerten ist (vgl. dazu die oben zitierte Judikatur des BVwG sowie des VfGH).

 

Allein der Umstand, dass sicherheitsrelevante Vorfälle seitens terroristischer Gruppierungen erfolgen könnten, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016, mwN, jüngst auch 19.06.2017, Ra 2017/19/009517).

 

An dieser Einschätzung ändern auch die in der Beschwerde bzw. in den im Verfahren eingebrachten Stellungnahme auszugsweise zitierten Berichte sowie gutachterlichen Stellungnahmen des näher bezeichneten landeskundlichen Sachverständigen nichts.

 

Aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich, dass die Hauptstadt Kabul nicht als derart unsicher qualifiziert werden kann, dass es dem Beschwerdeführer von vornherein verunmöglicht würde, dorthin zu gelangen. Kabul verfügt über eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit einem Flughafen, der für den zivilen Flugverkehr geeignet ist. Zudem steht dem Beschwerdeführer eine finanzielle Rückkehrhilfe zur Verfügung, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann.

 

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und tatsachlich Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369).

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 84/2017, zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Ende 2014 im Bundesgebiet von Österreich. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder in der Beschwerde noch im Verfahren vom Beschwerdeführer behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar² (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK umfasst auch nicht formalisierte eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau; bei solchen ist normalerweise das Zusammenleben der beiden Partner in einem gemeinsamen Haushalt erforderlich, es können aber auch andere Faktoren wie etwa die Dauer oder die Verbundenheit durch gemeinsame Kinder unter Beweis stellen, dass die Beziehung hinreichend konstant ist (EGMR vom 27.10.1994, 18535/91 Kroon und andere gg. die Niederlande, Z 30; EGMR vom 22.04.1997, 21.830/93, X,Y und Z gg. Vereinigtes Köngreich, Z 36).

 

Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. Zum geschützten Privatleben gehört das Netzwerk der gewachsenen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen (EGMR vom 09.10.2003, 48321/99, Slivenko gg. Lettland). So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein.

 

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem sozialen Umfeld herausreißen. Nach der Rechtsprechung des EGMR hängt es von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob es angebracht ist, sich eher auf den Gesichtspunkt des Familienlebens zu konzentrieren als auf den des Privatlebens (EGMR 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 05.07.2005, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 59). Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in:

Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH, 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Der Beschwerdeführer ist zum Aufenthalt in Österreich nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein nicht auf asylrechtliche Bestimmungen gestütztes Aufenthaltsrecht zukomme, sind nicht ersichtlich. Er hat den größten Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht und hat nach wie vor stark ausgeprägte familiäre und private Bindungen zu seiner Heimat hat, zumal seine gesamte Familie nach wie vor in seinem Heimatdorf, in dem er aufgewachsen ist, lebt. Darüber hinaus sind keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu einer ihm in Österreich sonst besonders nahestehenden Person hervorgekommen. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich besitzt der Beschwerdeführer nicht.

 

Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält (Ende 2014), kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale - wie etwa Unbescholtenheit und ein Bekanntenkreis im Bundesgebiet - eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, 2007/18/0305), zu geben ist.

 

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner geregelten Arbeit nach und verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage. Er besitzt Grundkenntnisse der Deutschen Sprache auf dem Sprachniveau A1.2 und besucht die Höhere Technische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in XXXX . Der Beschwerdeführer hat zwar während seines Aufenthaltes in Österreich Integrationsschritte gesetzt, der erreichte Integrationsgrad besteht jedoch nicht in einem derartigen Umfang gegeben, um vorliegend von entscheidungserheblicher Relevanz zu sein und den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben zu genügen. Besonders die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bis dato keine einzige Deutschprüfung abgelegt hat, fällt hier maßgebend ins Gewicht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt noch keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Daher sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG nicht gegeben.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Wie bereits oben ausgeführt sieht auch der EGMR in seiner jüngsten Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften:

 

Dazu ist festzuhalten, dass im Hinblick auf das Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Anhaltspunkte dafür hervor gekommen sind, dass diese willkürlich oder rechtswidrig entschieden hätte. Sämtliche entscheidungswesentlichen Tatsachen wurden von der belangten Behörde vollständig ermittelt und ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Dem Beschwerdeführer wurde ausreichend Möglichkeit eingeräumt sein Fluchtvorbringen vollständig darzulegen und gegebenenfalls ergänzende Beweismittel vorzulegen. Die maßgebenden Erwägungen von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid umfassend dargelegt. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der in der Beschwerde geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens keine Anhaltpunkte. Vielmehr wurde den in § 18 AsylG 2005 in Verbindung mit § 39 Abs. 2 und § 45 Abs. 2 AVG normierten Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung und der Erforschung der materiellen Wahrheit umfassend entsprochen. Die belangte Behörde hat insoweit vollständig die spezifische Situation des Beschwerdeführers, insbesondere im Hinblick auf dessen Leben im Iran, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, persönliche Verhältnisse und das behauptete Risiko der Verfolgung gewürdigt und sich mit seinem Fluchtvorbringen konkret auseinandergesetzt und unter Zugrundelegung der aktuellen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sämtliche wesentlichen Tatsachen bei ihrer Entscheidung hinsichtlich der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Rückkehr des Beschwerdeführers in dessen Heimatland ins Kalkül gezogen. Angesichts dessen, war daher der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers der Erfolg zu versagen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

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