VwGH 95/18/1127

VwGH95/18/11274.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. April 1995, Zl. SD 1019/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. April 1995 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nachdem die belangte Behörde eingangs ihres Bescheides die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides auch für den angefochtenen Bescheid als maßgeblich bezeichnete, führte sie aus, der Beschwerdeführer lebe seit dem Jahre 1977 in Österreich. Er sei seit dem Jahre 1982 "immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen". Insgesamt sei er neunmal, davon siebenmal wegen Körperverletzung, in den beiden letzten Fällen wegen schwerer Körperverletzung, und zuletzt auch wegen schwerer Nötigung, gefährlicher Drohung und unbefugten Besitzes einer Faustfeuerwaffe gerichtlich verurteilt worden. Als im Jahre 1990 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beabsichtigt gewesen sei, habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, in der Türkei weder strafrechtliche noch politische Verfolgung befürchten zu müssen. Bei einer neuerlichen diesbezüglichen Vernehmung im Jänner 1993 habe er erklärt, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zur Kenntnis zu nehmen, weil seine Gattin und seine Tochter österreichische Staatsbürger wären und er in der Türkei keinerlei familiäre Bindungen hätte. Während seiner Strafhaft (am 16. August 1993) habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt, in welchem er vorgebracht habe, nach seiner Verhaftung in einigen österreichischen Tageszeitungen und in einer türkischen Zeitung als Mitglied der "PKK" bezeichnet worden zu sein. Er würde daher höchstwahrscheinlich in der Türkei zum Tode verurteilt werden.

Schon im Asylverfahren seien erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufgetaucht, zumal er zum einen behauptet habe, sich aktiv für die "PKK" betätigt zu haben, und später angegeben habe, lediglich deren Sympathisant zu sein. Diesbezüglich habe auch die belangte Behörde den Eindruck gewonnen, daß der Beschwerdeführer nur kriminell aktiv geworden sei und er nunmehr versuche, seinen kriminellen Aktivitäten einen politischen Aspekt zu verleihen.

Allgemeine Berichte über die Situation der Kurden in der Türkei seien nicht geeignet, eine generelle Bedrohung aller Kurden in diesem Land darzutun. Die "PKK" sei als kriminelle Organisation einzustufen. Eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers wegen des von ihm vorgebrachten Bekenntnisses zu dieser Gruppe könne daher nicht als Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung angesehen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das

hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 94/18/1173, mit weiteren Nachweisen).

3.1. Die belangte Behörde hat dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine politischen Aktivitäten insgesamt keinen Glauben geschenkt. Das dafür primär herangezogene Argument, der Beschwerdeführer habe bei seiner Vernehmung zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (am 9. Oktober 1990) ausgeführt, in der Türkei weder strafrechtliche noch politische Verfolgung zu befürchten, kann nicht als unschlüssig erachtet werden, zumal der Beschwerdeführer in seinem Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG vorbrachte, von 1979 bis 1990 für die Organisation "ATIGF", deren Aufgabe es u.a. sei, "über die unhaltbaren politischen Zustände in meinem Heimatlande aufzuklären", tätig gewesen zu sein. Es sei jedenfalls davon auszugehen, daß die langjährige Aktivität für diese seitens der Türkei als "regimefeindlich" eingestufte Organisation der türkischen Regierung im Wege der türkischen Botschaft in Österreich bekannt geworden sei. Würde dieses Vorbringen der Wahrheit entsprechen, so wäre sich der Beschwerdeführer dieser Bedrohung auch bei seinen Vernehmungen zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in den Jahren 1990 und 1993 bewußt gewesen. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde werfe ihm vor, bei seiner Vernehmung am 19. Jänner 1993 im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes etwas gar nicht zur Sache Gehöriges nicht vorgebracht zu haben, ist ihm zu entgegnen, daß er jedenfalls bei der Vernehmung am 9. Oktober 1990 (offensichtlich über konkrete Frage) ausdrücklich ausführte, in der Türkei weder strafrechtliche noch politische Verfolgung befürchten zu müssen.

Weiters kann auch die - von der belangten Behörde durch den Einleitungssatz ihres Bescheides übernommene - Ansicht der Erstbehörde, den Angaben des Beschwerdeführers könne auch deshalb kein Glaube geschenkt werden, weil er - trotz seiner angeblich langjährigen politischen Tätigkeit gegen die türkische Regierung - seinen Asylantrag erst stellte, als er von seiner geplanten Abschiebung erfuhr und seine angebliche Mitgliedschaft zur Organisation "ATIGF" erst (im Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG) erwähnte, als sein auf andere Gründe gestützter Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden war, nicht als unschlüssig erkannt werden.

Darüber hinaus fällt auf, daß der Beschwerdeführer in seinem Asylantrag ausführte, der PKK anzugehören und deshalb gesucht zu werden; sein Onkel sei von den türkischen Behörden so lange gefoltert worden, bis er den Aufenthalt des Beschwerdeführers bekanntgegeben habe. Im Gegensatz dazu vermeinte der Beschwerdeführer im Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG lediglich, es sei "davon auszugehen", daß seine politischen Aktivitäten für die Organisation "ATIGF" der türkischen Regierung bekanntgeworden sei.

Als wesentliches Indiz für die von ihm behauptete Verfolgung brachte er im Asylantrag vor, von den "grauen Wölfen", einer Organisation die mit dem türkischen Geheimdienst zusammenarbeite, mehrmals mit dem Tode bedroht worden zu sein. Von dieser Organisation sei ein "Killer" auf ihn angesetzt worden. In seinem Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG erwähnte er diese angeblichen Vorfälle jedoch mit keinem Wort.

3.2. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG - anders als im Asylantrag - eine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit bzw. seiner Sympathie zur "PKK" nicht behauptet hat, braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, bei der "PKK" handle es sich um eine rein kriminelle Organisation, nicht weiter eingegangen zu werden.

3.3. Da Feststellungen über die allgemeine Situation der Kurden in der Türkei nicht geeignet sind, eine konkrete Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darzutun, macht die Beschwerde auch mit der Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Zeitungsausschnitte zur aktuellen Lage der Kurden in der Türkei zu berücksichtigen und die zu diesem Thema angebotenen weiteren Beweise aufzunehmen, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend. Überdies beziehen sich die in Fotokopie vorgelegten Berichte lediglich auf die Menschenrechtssituation in den - von der kurdischen Minderheit bewohnten - Gebieten im Osten der Türkei und sind schon von daher nicht geeignet, eine sich auf das gesamte Gebiet des Heimatstaates erstreckende Gefährdungs- bzw. Bedrohungssituation, welche für die Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG erforderlich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0883), darzutun.

4. Da nach dem Gesagten der im Instanzenzug getroffenen Feststellung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der Türkei im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte