AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W246.2136132.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch die Caritas, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2016, Zl. 1067153802-150455477, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.12.2016 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, (in der Folge: VwGVG) iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (in der Folge: AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 23.01.2018 erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 04.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, Staatsangehöriger von Afghanistan und am XXXX geboren zu sein.
2. Am 06.05.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er auf Grund des Krieges und der instabilen Sicherheitslage aus Afghanistan ausgereist sei; er habe jeden Tag Angst um sein Leben gehabt.
3. Mit Verfahrensanordnung vom 23.09.2015 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Verweis auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 12.07.2015 das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX fest.
4. Am 08.07.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Eingangs erklärte der Beschwerdeführer, dass seine bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden; bis auf die Tatsache, dass er vier Schwestern und nicht – wie im Protokoll der Erstbefragung angeführt – drei habe, sei alles richtig protokolliert worden. Weiters führte der Beschwerdeführer zunächst an, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim zu sein und aus einem Dorf im Bezirk XXXX in der Provinz XXXX zu stammen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass das größte Problem in seiner Herkunftsprovinz die Sicherheitslage sei. Die Taliban würden Angehörige der Volksgruppe der Hazara festnehmen, entführen und töten. Es würde von den Taliban nicht zugelassen, dass Hazara die Schule besuchen oder an der Universität studieren könnten. Er selbst sei nicht von den Taliban bedroht worden, weil er noch klein gewesen sei. Aus diesem Grund sei er zunächst in den Iran und in weiterer Folge nach Österreich gereist.
5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid, zugestellt durch Hinterlegung am 23.09.2016, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (im Folgenden: AsylG 2005), (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, (in der Folge: BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (in der Folge: FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine konkret sowie individuell gegen seine Person gerichtete und somit asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Weiters hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Beschwerdeführer jung, gesund und arbeitsfähig sei sowie über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, weshalb er sich bei einer Rückkehr z.B. in Kabul niederlassen könne und dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfände. Schließlich wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib in Österreich überwiegen würden und ein Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei.
6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, (in der Folge: AVG) vom 21.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde, welche am 29.09.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte.
In dieser führt der Beschwerdeführer u.a. aus, dass ihm eine Niederlassung in Kabul oder einer anderen größeren Stadt in Afghanistan nicht zumutbar sei, weil er dort nie gelebt habe und über kein ausreichendes soziales Auffangnetz verfügen würde. Es könne angesichts der schwierigen Versorgungslage in Kabul nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer dort oder in einer anderen größeren Stadt in Afghanistan in der Lage wäre, seine existenziellen Grundbedürfnisse zu decken. Die belangte Behörde hätte sich mit der konkreten Frage auseinandersetzen müssen, ob die Familie des Beschwerdeführers diesen bei einer Rückkehr hinreichend unterstützen könne. Schließlich weist der Beschwerdeführer unter Zitierung von Länderberichten auf die prekäre Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz XXXX hin.
8. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 03.10.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
9. Mit Schreiben vom 03.11.2016 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.12.2016 geladen.
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.12.2016 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
In dieser führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass er drei Mal mit seiner Mutter auf dem Weg von seinem Heimatdorf in die Stadt XXXX von den Taliban angehalten worden sei, welche den Beschwerdeführer als "Tanzjungen" mitnehmen hätten wollen, was seine Mutter jedoch immer verhindern habe können; bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der Beschwerdeführer daher, von den Taliban entführt zu werden und von diesen zunächst als "Tanzjunge" eingesetzt sowie in weiterer Folge ausgebildet zu werden, um für sie in den Krieg zu ziehen oder als Spion zu arbeiten. Weiters sei in seinem Heimatdorf das Gerücht verbreitet worden, dass er mit ausländischen Soldaten zusammenarbeiten würde, wodurch dem Beschwerdeführer ebenfalls Gefahr drohen würde. Zudem wies der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung darauf hin, dass er in Österreich mittlerweile eine Verhaltensweise und Gesinnung an den Tag legen würde, die den religiös-sittlichen Vorschriften der Taliban und anderer extremistischer Gruppen in Afghanistan massiv widersprechen würden. Schließlich hielt der Beschwerdeführer fest, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan Verfolgungen und Bedrohungen ausgesetzt seien.
Des Weiteren hielt der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung fest, dass ihm eine interne Schutz- oder Fluchtalternative, etwa in Kabul, nicht zumutbar sei, weil er ohne familiäres oder soziales Netz und auf Grund der fehlenden finanziellen Möglichkeiten in eine ausweglose, jedenfalls aber unzumutbare Situation geraten würde. Schließlich erstattete der Beschwerdeführer ein ausführliches Vorbringen zu den von ihm in Österreich gesetzten integrationsverfestigenden Maßnahmen und brachte in diesem Zusammenhang eine Reihe von Unterlagen in Vorlage.
11. Mit Schreiben vom 22.12.2016 wurde den Parteien ein Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 23.10.2015 in einem Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend einen anderen Asylwerber übermittelt und diesen eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme gewährt.
12. Der Beschwerdeführer brachte am 23.12.2016 eine ausführliche schriftliche Stellungnahme zu den ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung übergebenen bzw. mit Schreiben vom 22.12.2016 übermittelten Länderberichten sowie gutachterlichen Stellungnahmen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrags auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim.
Er ist am XXXX geboren und wuchs im Dorf XXXX im Bezirk XXXX in der Provinz Ghazni auf. Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre die Schule und bekam ca. ein Jahr Religionsunterricht. Er arbeitete für ca. sechs bis sieben Monate in einer Schneiderei in der Stadt XXXX und war zu dieser Zeit überwiegend in XXXX wohnhaft. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nie außerhalb seiner Heimatprovinz wohnhaft.
Die Eltern, drei Schwestern und eine Tante der Mutter des Beschwerdeführers leben aktuell in seinem Heimatdorf, der Beschwerdeführer steht mit diesen ca. ein bis zwei Mal im Monat in telefonischem Kontakt. Eine weitere Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt in der Schweiz, er steht mit ihr nicht in Kontakt. Der Vater des Beschwerdeführers war früher als Schneider tätig, ist aber nun nicht mehr in der Lage zu arbeiten; die Mutter des Beschwerdeführers hilft gegen Entgelt bei Ernten mit und arbeitet bei Gelegenheit im Haushalt der Nachbarn mit.
1.1.2. Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan im Mai 2014 und lebte in der Folge für ca. zehn Monate im Iran, wo er in einer Schneiderei tätig war. Danach reiste er aus dem Iran über die Türkei nach Griechenland und in weiterer Folge über Mazedonien sowie Serbien illegal nach Österreich weiter, wo er am 04.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1.3. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.1.4. Das vom Beschwerdeführer dargelegte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefahr der Entführung durch die Taliban, die ihn als "Tanzjungen", Kämpfer oder Spion einsetzen würden, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat die Zusammenarbeit mit ausländischen Soldaten unterstellt worden ist. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines in Österreich ausgeübten "westlichen Lebensstils" (Interesse für die katholische Kirche, nichtmuslimische Lebensgefährtin, selbstbestimmtes Leben) in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim bzw. dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitische Muslim in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.
1.1.5. Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Ghazni ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, liefe der Beschwerdeführer Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016, zuletzt aktualisiert am 05.10.2016:
Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen
Kabul
Im Zeitraum 1.1. bis 31.8.2015 wurden in der Provinz Kabul insgesamt 352 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).
Provinzhauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan)Wardak im Südwesten an. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham-Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.372.977 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).
Im Gegensatz zu den ländlichen Teilen Afghanistans, in denen das Gewaltniveau meist von jahreszeitenbedingter Witterung abhängt (erhöhte Angriffszahlen in den Sommermonaten), hängt die Sicherheitslage in Kabul stark von den politischen Entwicklungen innerhalb Afghanistans und internationalen Beziehungen ab (EI o.D.).
Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen sind auf einem Niveau, wie es zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordattentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o.D.). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).
Von Jänner bis November 2015 wurden 28 hochrangige Angriffe in Kabul durchgeführt. Dies bedeutet eine Steigerung von 27% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2014. Diese Angriffe erreichen ein Hauptziel der Taliban, nämlich mediale Aufmerksamkeit, und gleichzeitig die Verbreitung eines Gefühls der Unsicherheit (USDOD 12.2015).
Traditionell erfüllen Angriffe auf die Stadt Kabul zwei Zwecke:
Erstens physisch die Macht der afghanischen Regierung zu schwächen. Dies geschieht üblicherweise durch die Ermordung von Beamten und Zerstörung von Versorgungswegen. Zweitens geht es darum, Propagandasiege durch Angriffe in Kabul zu erlangen. Aus demselben Grund werden internationale Organisationen (die einen ähnlichen Propagandawert für Aufständischenorganisationen haben) regelmäßig angegriffen. Oftmals dann, wenn es zu schwer war, wichtige Regierungs- oder NATO-Gebäude erfolgreich zu infiltrieren. Während die Sicherheitskräfte sich fortwährend verbessern und ihre Fähigkeiten, solchen Angriffen entgegenzuwirken, entwickeln, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unterschwellige Bedrohung, insbesondere innerhalb der zentralen Kabuler Distrikte, in naher Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden kann (EI o.D.).
Ministerien sind bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vgl. UNAMA 8.2015). Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen allerdings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).
Nach einer erhöhten Anzahl von Angriffen und Störungen im Sommer zeigen vorläufige Daten im Jahr 2015 eine nennenswerte Steigerung zum Vergleichszeitraum 2014 in Bezug auf Selbstmordattentate und allgemeine Aufständischenaktivitäten in der Stadt Kabul. Allgemein wurde erwartet, dass die Gewalt mit Beginn des Winters 2015 abnehmen würde. Winterliche Gegebenheiten schränken allgemein die Bewegung extremistischer Gruppen am Boden ein, wodurch weniger Kämpfer und weniger Kampfmittel nach Kabul Stadt gelangen. Ungeachtet dessen existiert weiterhin ein Potential für unerwartete Talibanangriffe. Auch das IS-Phänomen könnte das Risikoprofil innerhalb der Hauptstadt 2016 erweitern, jedoch müssen diese Gruppen ihre Effektivität innerhalb der Hauptstadt erst nachweisen. IS-Zweige treten derzeit mehr in internen Fehden mit den Taliban und anderen extremistischen Fraktionen in Gebieten wie dem ländlichen Nangarhar, Farah und Zabul in Erscheinung, anstatt durch gezielte Angriffe auf internationale Organisationen (EI o.D.).
Die Stadt Kabul zieht auch weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an. Mindestens 3.000 Familien benötigen Hilfe (UN GASC 10.12.2015).
Ghazni
Im Zeitraum 1.1. bis 31.8.2015 wurden in der Provinz Ghazni 705 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).
Ghazni ist eine der wichtigsten zentralen Provinzen in Afghanistan und laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) die mit der zweithöchsten Bevölkerung. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul-Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktyka und Logar im Osten liegen. Zabul liegt zwar südlich, grenzt aber gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz an (Pajhwok o. D.a). Die Provinz ist in neunzehn Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (vertrauliche Quelle 15.9.2015). Die Haupstadt Ghazni City liegt 145 km südlich von Kabul auf der Autobahn Kabul-Kandahar (Pajhwok o.D.a). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.228.831 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).
Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 19.8.2015; vgl. Tolonews 5.4.2015; UNGASC 1.9.2015). Laut einem Bericht der Vereinten Nationen wurde ein Großteil sicherheitsrelevanter Vorfälle in den südlichen und östlichen Teilen Afghanistan aufgezeichnet (UNGASC 1.9.2015). Des Weiteren wurde von Tolonews berichtet, dass im März 2015 Ghazni als jene Provinz angesehen wurde, die die höchste Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im Monat März zu verzeichnen hatte (Tolonews 5.4.2015).
Eine Anzahl von Selbstmordattentaten, gezielten Tötungen und Entführungen wurde registriert. Dies hat dazu geführt, dass die Sicherheitsatmosphäre auch weiterhin volatil ist. Aber auch den Aufständischen wurde mit einer Anzahl von erfolgreichen militärischen Operationen entgegengetreten. Die internationalen Kräfte (USA und Polen) haben sich im Jahr 2014 aus der Provinz zurückgezogen und die afghanischen Sicherheitskräfte führen die Operationen seitdem eigenständig durch (vertrauliche Quelle 15.9.2015).
In der Provinz werden Antiterror-Operationen durchgeführt, um gewisse Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 10.1.2016; Press TV 8.1.2016; Xinhua 3.1.2016; Business Standard 30.12.2015; Xinhua 16.12.2015; Xinhua 21.12.2015; Ariana News 26.7.2015; Tolonews 6.6.2015; Tolonews 2.6.2015; Tolonews 2.5.2015; Tolonews 25.4.2015; Tolonews 2.3.2015; Tolonews 3.2.2015; Tolonews 13.1.2015; Tolonews 14.12.2014; Tolonews 12.11.2014).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
Taliban
Nachdem im Juni 2015 erste Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung (BBC 26.5.2016) sowie ein Monat davor auch mit weiblichen afghanischen Vertreterinnen in Oslo, Norwegen, von den Taliban durchgeführt wurden [nur wenige Informationen über Fortschritte dieser Besprechungen, in die mehrere Frauen involviert waren, wurden öffentlich gemacht] (BBC 6.6.2015), haben weitere Gespräche mit der Bewegung zu keinem Fortschritt geführt (BBC 26.5.2016; vgl. GASC 10.6.2016).
Die Angriffszahlen stiegen nach Beginn der Frühlingsoffensive ("Operation Omari") der Taliban an. Die Taliban schworen Großangriffe auf "feindliche Positionen", gemeinsam mit taktischen Angriffen und gezielten Tötungen auf militärische Kommandanten. Im Gegensatz zu den vorherigen Jahren bedrohte die Bewegung nicht ausdrücklich zivile Regierungsbeamte. Seit Beginn der Offensive haben die Taliban 36 Angriffe auf administrative Distriktzentren verübt inklusive eines orchestrierten Vorstoßes auf Kunduz. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte haben einen Großteil dieser Angriffe abgewiesen (GASC 10.6.2016).
Sowohl die afghanische Regierung als auch Mitglieder der Taliban haben im Mai 2016 den Tod des Taliban-Führers Mullah Mansoor bestätigt, der bei einem Angriff durch Drohnen in der pakistanischen Provinz Belutschistan getötet wurde (The Guardian 22.6.2016). Als Nachfolger wurde sein Vize Mullah Haibatullah Akhundzada, ein prominenter Rechtsgelehrter, nominiert (The Guardian 25.5.2016).
Religionsfreiheit
80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (The CIA World Factbook 20.10.2015). Es lebt offiziell noch ein Jude in Afghanistan, der sich um die verwaiste Synagoge kümmert (AA 16.11.2015).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 16 .11..2015).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 28.4.2015).
Ein Vertreter einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul berichtete, dass entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung Hazara keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind (vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es, explizit die individuellen Rechte in Bezug auf die Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach "unislamische" Aktivitäten setzen (USCIRF 30.4.2015).
Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014; vgl. USDOS 14.10.2015; vgl. USDOS 26.5.2015).
Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, waren sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Dieses Vorgehen war nicht systematisch (USDOS 14.10.2015). Im Mai 2014 zum Beispiel trat Sham Lal Bathija als erster Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada an (RFERL 15.5.2014). Im März übergab er formell diese Position an seinen Nachfolger Dawood Qayomi (Afghan Embassy 18.3.2015). Sham Lal Bathija war bereits in der Vergangenheit als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).
Schiiten (und Ismailiten)
Etwa 19% der Bevölkerung sind schiitische Muslime und damit die größte religiöse Minderheit des Landes. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an (USCIRF 30.4.2015). Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).
Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Während des Untersuchungszeitraumes war es schiitischen Muslim/innen allgemein möglich, ihre traditionellen Ashura Feierlichkeiten und Rituale ohne Hindernisse öffentlich durchzuführen (USCIRF 30.4.2015; vgl. FH 28.4.2015). Trotzdem ist die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert (USDOS 28.7.2014). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge sind Hazara – entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung – keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013; vgl. AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015). Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf. Im Jahr 2015 verlief das Aschura-Fest in Afghanistan friedlich (AA 16.11.2015).
Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 14.10.2015). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).
Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5% der Bevölkerung aus (USDOS 28.7.2014; vgl. CRS 12.1.2015). Es gibt wenige Berichte in Bezug auf gezielte Diskriminierung gegen Ismailiten (USDOS 25.6.2015). Auch unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschwerten sich über Ausgrenzung von Positionen von politischen Autoritäten (USDOS 14.10.2015).
Ethnische Minderheiten
Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren, in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42 bis 45% Paschtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara und 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.1.2015) wie z.B. Aimaken (4%), Turkmenen (3%), Balutschen (2%) und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.6.2014).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen v.a. in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.6.2015).
Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Paschtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.6.2015). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014; vgl. GIZ 10.2015). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Paschtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 2.3.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an; dies in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung sowie Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.6.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge sind Hazara – entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung – keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind (vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015).
Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.1.2015).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).
Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Interne Bevölkerungsbewegungen steigen an, hauptsächlich wegen militärischer Operationen, aber auch wegen bewaffneten Konflikten und der Sicherheitslage (USDOS 25.6.2015).
Ende August 2015 waren laut UNHCR 948.000 Personen intern vertrieben (UNHCR 8.2015 vgl. IDMC 7.2015). Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen für das erste Halbjahr 2015 wird mit 103.000 angegeben. Mehr als 36.000 wurden seit April aus Kunduz intern vertrieben. Ferner wurden auch in den Provinzen Badakshan, Badghis, Baghlan, Faryab, Ghazni, Kapisa und (Maydan) Wardak seit Juni 2014 Menschen intern vertrieben (IDMC 7.2015).
UNHCR registrierte die höchste Zahl intern vertriebener aus den nordöstlichen Gebieten Afghanistans (UNHCR 5.2015). Auseinandersetzungen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen wurden als Grund angegeben (z.B. Provinz Kunduz) (UNHCR 5.2015; vgl. UNHCR 7.2015). Die zweithöchste Zahl intern Vertriebener wurde in den Regionen Zentralafghanistans angegeben. Als Gründe wurden hier die allgemeine Sicherheitslage, militärische Operationen und gelegentliche Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften genannt (UNHCR 5.2015).
Bewaffnete Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften wurden als die Hauptursache für die Vertreibung innerhalb des Landes angegeben. Als weitere Ursachen wurden Belästigungen und Einschüchterungen durch regierungsfeindliche Gruppen sowie stammesinterne Dispute angegeben (UNHCR 5.2015). Ferner kam es auch aufgrund von Naturkatastrophen und Arbeitsmöglichkeiten in anderen Gebieten zu internen Bevölkerungsbewegungen (USDOS 25.6.2015).
Die größten Bedürfnisse der IDP-Bevölkerung waren Nahrung sowie Gebrauchsgüter (NFI- Non-Food-Items), die keine Lebensmittel sind. Einem Großteil der IDPs gelang es temporär, Behausungen in Gegenden der Vertreibung zu mieten. Anderen war es möglich, bei Verwandten oder in Gastgemeinden unterzukommen bzw. aufgenommen zu werden. Situationen in denen internvertriebenen Familien keine Behausung zur Verfügung stand, waren selten. War dies dennoch der Fall, so wurden den Familien sofort Notfallsbehausungen bzw. Zelte zur Verfügung gestellt. In gewissen Gegenden kam zu Herauforderungen im Bereich von Bildungszugang. Grund dafür waren das Fehlen notwendiger Dokumente oder Platz- oder Ressourcenmangel. Diese Fälle wurden an die notwendigen Bildungsautoritäten entweder durch UNHCR direkt oder durch UNICEF gemeldet (UNHCR 5.2015).
Behandlung nach Rückkehr
In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwilligen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insgesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014 Finanzierungen verwendet wurden, um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vgl. AA 2.3.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 2.3.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus Pakistan. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung, Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen des Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der Proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind, von UNHCR unterstützt (BFA Staatendokumentation 9.2015).
Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertriebenen Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und anderen Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig. Rückkehrerinnen und Rückkehrer hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).
In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, sodass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).
Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).
Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015).
Jüngste Entwicklungen (KI vom 19.9.2016)
Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten mit Hilfe der NATO den verstärkten Aktivitäten der Taliban, aber auch jenen von Al-Qaida und Islamischem Staat, standhalten (SCR 1.9.2016). Laut dem Vizechef der NATO-Mission "Resolute Support" funktionieren die afghanischen Kräfte in Einklang mit ihrem offensiven Schlachtplan und positiven Entwicklungen dieses Jahr besser als letztes Jahr (USDOD 25.8.2016).
Aufgrund intensiver Talibanoperationen war die Sicherheitslage auch weiterhin volatil. Während des Berichtszeitraumes (20.5. bis 15.8.2016) konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten der Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen, indem sie versuchten, Bezirksverwaltungszentren einzunehmen und Versorgungsrouten zu unterbrechen. In den Monaten Mai und Juli erhöhte sich die Anzahl der bewaffneten Angriffe um 14,7% im Vergleich zu den drei Monaten davor und war ferner um 24% höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 7.9.2016).
Berichtszeitraum 20.5.2016 bis 15.8.2016
68,1% der landesweiten sicherheitsrelevanten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 268 Mordanschläge registriert, davon sind 40 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Zusätzlich wurden landesweit 109 Entführungen im Berichtszeitraum registriert. Selbstmordangriffe sind im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 von 26 auf 17 zurückgegangen (GASC 7.9.2016).
Zwischen 20.5.2016 und 15.8.2016 registrierten die Vereinten Nationen landesweit 5.996 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Erhöhung von 4,7% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 und einen Rückgang von 3,6% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2014. In Einklang mit bisherigen Trends waren bewaffnete Auseinandersetzungen mit 62,6% für einen Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle verantwortlich, gefolgt von Vorfällen mit improvisierten Sprengkörpern, welche 17,3% ausmachten (GASC 7.9.2016).
High-profile Angriffe in Kabul
Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen in Kabul (GASC 7.9.2016; vgl. auch: BBC News 23.7.2016, Reuters 1.8.2016).
Sicherheitsoperationen
Mindestens 27 Taliban, darunter drei lokale Führer der Gruppe, wurden im Rahmen von Befreiungsoperationen in der Provinz Badakhshan getötet. Ebenso wurden 32 weitere Aufständische verwundet und 12 Dörfer von Aufständischen befreit (Khaama Press 3.8.2016).
Mindestens 36 IS-Kämpfer wurden im Zuge der Militäroperation "Qahr Silab" im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans durch afghanische Sicherheitskräfte getötet (India Live Today 30.7.2016).
Mindestens 300 Anhänger des IS wurden seit Beginn einer weiteren großen Militäroperation im Osten Afghanistans getötet. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte ebenso, dass etwa 100 weitere Anhänger verletzt wurden. Er führte weiter aus, dass die Operationen anhalten (Khaama Press 27.7.2016).
Im Juni führten Sicherheitskräfte Operationen in den Provinzen Nangarhar, Paktika, Ghazni, Kandahar, Uruzgan, Baghlan, Balkh, Jawzjan, Faryab, Kunduz und Helmand durch (BAMF 13.6.2016).
Im Rahmen weiterer Operationen wurden ebenfalls Taliban, darunter hochrangige Mitglieder wie Schattengouverneure (Khaama Press 2.8.2016) und Kommandanten, getötet (Xinhua 19.7.2016; Xinhua 17.8.2016). Auch Anhänger (Khaama Press 27.7.2016) und Anführer des IS (Xinhua 26.7.2016; vgl. auch: GASC 7.9.2016) waren unter den Opfern.
Sicherheitskräfte
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben ihre Luftkapazitäten erweitert (GASC 7.9.2016).
Die derzeit 8.400 US-Soldaten bleiben bis Ende Jänner 2017 im Land. Die NATO-Mission hat gegenwärtig insgesamt eine Truppenstärke von 13.000 Mann (SCR 1.9.2016; vgl. auch: GASC 7.9.2016). Die neuen Einsatzregeln der US-Truppen erlauben mehr direkte Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte, auch werden die Luftangriffe erweitert (GASC 7.9.2016).
Berichten zufolge sind die Verluste der Sicherheitskräfte seit Juni 2016 gestiegen. Zusätzlich ist die Zahl natürlicher Abgänge hoch. Zwar wurden die Rekrutierungsziele erreicht, doch die Quote der Wiederverpflichtungen ist niedrig und muss erhöht werden, um Verluste und Desertionen aufzuwiegen (GASC 7.9.2016). Derzeit werden 3.000 bis 4.000 Soldaten monatlich ausgebildet (USDOD 11.2.2016).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
Regierungsfeindliche Elemente waren für 60% der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 verantwortlich (966 Tote und 2.116 Verletzte). Dies deutet eine Zunahme von 11% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an (UNAMA 7.2016).
Taliban
Nach einem leichten Rückgang während des Ramadans (7.6. bis 6.7.2016) nahm die Talibanoffensive nach dem 19.7.2016 wieder Fahrt auf: die Bezirksverwaltungszentren von Khanashin und Sangin in Helmand, Qush Tepa in Jawzjan, Dahanai Ghuri in Baghlan, Dasht-e Archi, Khanabad und Qala-i-Zal in Kunduz und Khwaja Ghar in Takhar konnten kurzfristig erobert werden. Obwohl die nationalen afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte die Kontrolle über die meisten Distriktzentren zurück erobern konnten, waren diese Orte weiterhin signifikantem Druck ausgesetzt – speziell im Süden und Nordosten (GASC 7.9.2016).
Viele der Landgewinne der Taliban dauern zwar nur kurz, da Sicherheitskräfte Gebiete zurückerobern. Dennoch haben die Taliban ihre Kontrolle über die Provinzen ausgeweitet (BAMF 22.8.2016).
Die afghanischen Taliban sind dem ISKP feindlich gesinnt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Es scheint, als ob der Einfluss des Islamischen Staates in Afghanistan unter Druck geraten ist. Der IS-Ableger, der sich selbst "Islamischer Staat in der Provinz Khorasan" (ISIL-KP) nennt, hat mit signifikanten Territorialverlusten zu kämpfen, was ihn zu einer Änderung der Taktik gezwungen hat. Die Kämpfer waren gezwungen, sich auf wenige Distrikte in der östlichen Provinz Nangarhar zu beschränken. Zum anderen sucht die Gruppe nun vornehmlich "weiche" Ziele, wie z.B. das Selbstmordattentat auf friedlich demonstrierende Hazara im Juli 2016 in Kabul zeigt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).
Unterstützt von internationalen militärischen Kräften haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Boden- und Luftoperationen gegen den ISIL-KP in der Provinz Nangarhar verstärkt. Diese Operationen führten zu signifikanten Opfern unter den ISIL-KP Kämpfern, inklusive dem Tod ihres Führers Hafiz Saeed Khan im Juli 2016. Es wurde berichtet, dass manch vertriebener Kämpfer in die Provinz Kunar gegangen ist (GASC 7.9.2016).
1.2.2. Auszug aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD zu Afghanistan zur aktuellen Situation der Volksgruppe der Hazara (a-9695-1) vom 27.06.2016:
Chris Johnson, die in den Jahren 1996 bis 2004 unter anderem als Mitarbeiterin in der im Bereich Entwicklungszusammenarbeit tätigen NGO Oxfam und der Forschungseinrichtung Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) in Afghanistan tätig war, schreibt in einer aus dem Jahr 2000 stammenden Studie zu Hazarajat, dass dieses Gebiet die Provinz Bamiyan sowie Teile von benachbarten Provinzen umfasse. Die exakten Grenzen des Hazarajat seien umstritten, doch würden diese für den Zweck der Studie mit jenen des Gebietes alten Schura gleichgesetzt, das die folgenden Distrikte umfasse: Schebar, Bamiyan, Panjao, Waras, Yakawlang (Provinz Bamiyan); Balchab (Jowzjan); Dar-e-Souf (Samanghan); Lal o Sari Jangal (Ghor); Dai Kundi, Sharistan (Uruzgan); Malistan, Jaghori, Nawor (Ghazni); Behsud I und Behsud II (Wardak). Obwohl es auch möglich sei, historisch von einem noch größeren Gebiet Hazarajat zu sprechen, würden alle genannten Distrikte im Allgemeinen als Teil des Hazarajat anerkannt, und diese Definition des Gebietes entspreche auch den Realitäten der Arbeit der Hilfsorganisationen. Das Hazarajat stelle das am stärksten mono-ethnische Gebiet Afghanistans dar. Die Bevölkerung des Gebiets setze sich überwiegend aus Imami-Schiiten zusammen, obwohl es dort auch einige Ismaili-Schiiten sowie auch sunnitische Hazara gebe. Das am stärksten ethnische gemischte Gebiet innerhalb des Hazarajat sei die Provinz Bamiyan, deren Bevölkerung sich zu 67% aus Hazara, 15% aus Tadschiken, 14% aus Sayyed und zu knapp 2% aus Paschtunen sowie 2% aus Quizilabasch zusammensetze. Insgesamt habe es in den zwei Jahrzehnten vor Veröffentlichung der Studie eine Zunahme an ethnischen Spannungen gegeben, die sich nicht von der politischen Entwicklung loslösen lasse.
Doch auch innerhalb der ethnischen Gruppe der Hazara gebe es Gegensätze und ein System von Untergruppen, das derart komplex sei, dass sich das Ausmaß, in dem sich die Mitglieder dieser Gruppen als eigene Gruppe angesehen hätten, je nach Zeit in Abhängigkeit von den in dem Gebiet aktiven politischen Bewegungen unterschiedlich gewesen sei. Die Gruppenzugehörigkeit gehe sowohl aus Mustern traditioneller Führung in Bezug auf Land, Familie und Religion ab und diese Führungsmuster könnten sich überschneiden. Am ambivalentesten sei der Status der Sayyed, welche die traditionelle religiöse Führung der Hazara bilden und rund vier bis fünf Prozent der Bevölkerung des Hazarajat ausmachen würden. Sie würden ihre Abstammung auf den Propheten Mohammed zurückführen und seien ursprünglich Araber gewesen. Während Ehen zwischen Hazara-Männern und Sayyed-Frauen selten seien, komme es häufig zu Eheschließungen zwischen Sayyed-Männern und Hazara-Frauen. Manchmal würden sich Sayyed selbst als Hazara bezeichnen und auch von anderen als solche bezeichnet. In anderen Fällen würden sich die Sayyed als eigene Gruppe bezeichnen.
In einem Update zur Sicherheitslage in Afghanistan vom September 2015 thematisiert die regierungsunabhängige Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Situation von Hazara wie folgt:
"Diskriminierung gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten sind verbreitet und es kommt immer wieder zu Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien, welche zu Todesopfern führen. Die Diskriminierung Angehöriger der Hazara äußert sich in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung. Hazara wurden überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen." (SFH, 13.09.2015).
Der im April 2016 veröffentlichte Länderbericht des US-Außenministeriums (US Department of State, USDOS) zur Menschenrechtslage (Berichtsjahr 2015) hält fest, dass im November 2015 unbekannte Bewaffnete mindestens 14 Hazara-Männer aus Bussen in der Provinz Zabul entführt hätten. Über deren Verbleib hätten bis Dezember 2015 keine Informationen vorgelegen. Im Februar 2015 hätten Aufständische 31 Hazara-Männer aus einem Bus in der Provinz Zabul entführt und im Mai 2015 19 Geiseln und im November 2015 acht weitere freigelassen. Mit Stand November 2015 seien die übrigen vier Geiseln weiterhin vermisst gewesen. Im März 2015 sei es im ganzen Land zu Protesten gekommen, bei denen Demonstrierende die Regierung aufgefordert hätten, die 31 im Februar entführten Hazara freizubekommen. Im November 2015 seien in Städten im ganzen Land Proteste ausgebrochen, nachdem Aufständische mit mutmaßlichen Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) sieben Hazara in der Provinz Zabul enthauptet hätten, darunter zwei Frauen und ein neunjähriges Mädchen. Die Demonstrationen seien ein Ausdruck öffentlichen Unmuts gegen die Unfähigkeit der Regierung gewesen, mit der Bedrohung durch Aufständische fertig zu werden und hätten ein Licht auf die Ängste der Hazara vor weiteren Anschlägen geworfen.
Weiters berichtet das USDOS von fortwährender, sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung von Hazara in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Haft. Laut NGOs seien Hazara-Mitglieder der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden, als Nicht-Hazara-Beamte. Aus mehreren Provinzen, darunter Ghazni, Zabul und Baghlan, seien eine Reihe von Entführungen von Hazara berichtet worden. Die Entführer hätten Berichten zufolge ihre Opfer erschossen, enthauptet, Lösegeld für sie verlangt oder sie freigelassen. Wie das USDOS weiter bemerkt, seien ethnische Hazara, Sikhs und Hindus zusätzlich zur allgemeinen gesellschaftlichen Diskriminierung weiterhin von Diskriminierung bei der Jobeinstellung und bei der Zuteilung von Arbeiten betroffen.
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in ihrem im Februar 2016 erschienenen Jahresbericht zum Jahr 2015, dass sie während des Jahres 2015 einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara-ZivilistInnen durch regierungsfeindliche Kräfte verzeichnet habe. So hätten regierungsfeindliche Kräfte zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2015 mindestens 146 Mitglieder der Hazara-Gemeinde bei insgesamt 20 verschiedenen Vorfällen getötet. Mit Ausnahme eines einzigen Vorfalls hätten sich alle in ethnische gemischten Gebieten ereignet, die sowohl von Hazara als auch von Nicht-Hazara-Gemeinden besiedelt seien, und zwar in den Provinzen Ghazni, Balch, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jowzjan und Ghor. UNAMA habe die Freilassung von 118 der 146 entführten Hazara bestätigen können. 13 entführte Hazara seien von regierungsfeindlichen Kräften getötet worden, während zwei weitere während der Geiselhaft verstorben seien. UNAMA habe den Verbleib der übrigen Geiseln nicht eruieren können. Die Motive für die Entführungen seien unter anderem Lösegelderpressung, Gefangenenaustausche, Verdacht der Spionage für die Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) und Nichtbezahlung illegaler Steuern gewesen. In manchen Fällen seien die zugrundeliegenden Motive unbekannt gewesen.
UNAMA führt folgende Beispiele für Entführungen und anschließende Tötungen von Hazara an: Am 23.02.2015 seien im Bezirk Shajoy der Provinz Zabul 30 Hazara-Insassen zweier öffentlicher Busse, die von Herat nach Kabul unterwegs gewesen seien, entführt worden. Drei der Entführungsopfer seien während ihrer Gefangenschaft getötet worden, während zwei offenbar aufgrund von natürlichen Ursachen verstorben seien. Zwischen Mai und August 2015 seien die übrigen Geiseln freigelassen worden, nachdem es Berichten zufolge zu einem Austausch mit einer Gruppe von Häftlingen gekommen sei. Am 13.10.2015 hätten regierungsfeindliche Kräfte sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter zwei Frauen, zwei Jungen und ein Mädchen, die sich auf der Autobahn zwischen Kabul und Kandahar auf dem Weg in den Distrikt Jaghuri (Provinz Ghazni) befunden hätten, entführt. Stammesälteste hätten sich vergeblich um deren Freilassung bemüht. Die Hazara seien im Distrikt Arghandab der Provinz Zabul festgehalten worden, bis Kämpfe zwischen revalisierenden regierungsfeindlichen Gruppen, darunter auch der Gruppe, zu denen die Entführer gehört hätten, ausgebrochen seien. Im Zeitraum von 6. bis 8. November hätten die reguierungsfeindlichen Kräfte allen sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter auch den Kindern, die Kehlen durchgeschnitten. Dieser Vorfall habe Demonstrationen in der Stadt Kabul ausgelöst, bei denen mehr Schutz für die Hazara-Gemeinde gefordert worden sei.
1.2.3. Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Lage der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 17.02.2016 im Verfahren betreffend einen anderen Asylwerber vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Zl. W119 2102332-1 (Schreibfehler teilweise korrigiert):
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Die Lage der Hazara seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara, an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits-, Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.
Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, v.a. Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.
Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. Ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.
Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad, von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 2015 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, Dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban richten sich nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tadschiken. Bei jeder dieser Aktionen erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan – Mazar-e Sharif – Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tadschiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind großteils Tadschiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tadschiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert.
Die Taliban sind Anhänger der arabischen Fundamentalisten, allen voran Saudis, die gegen den Iran und damit gegen die Schiiten eingestellt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Taliban ihre Opfer, wenn sie Schiiten sind, zur Schau stellen. Aber sie bringen mehr Paschtunen und Usbeken um, deren Gebiete sie leicht unter ihre Kontrolle bringen können. In diesen Gebieten kommt es häufig vor, dass die Taliban willkürlich Menschen verfolgen, töten und die Jugendlichen, wenn sie benötigt werden, rekrutieren. Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen.
Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Usbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. Allerdings können diese Jugendlichen nicht mehr in ihre Heimatregion zurückkehren, wenn die Taliban weiterhin dort vorherrschend sind. Zwangsrekrutierung ist nicht weit verbreitet, weil viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen. Auch gibt es Regionen, deren Bevölkerung aus Gründen des Paschtunwali – dem Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen – es in "Krisenzeiten" für notwendig erachtet, den Taliban freiwillig Soldaten bereitzustellen. Die meisten Opfer der Taliban sind von 2013 bis Februar 2016 in den von Paschtunen bewohnten Provinzen Kandahar, Nangarhar, Kunar, Helmand, Logar, Wardak und in den Provinzen Kunduz, Faryab, Baghlan und Badakhshan zu verzeichnen, wo hauptsächlich Usbeken, Tadschiken und Paschtunen wohnen. Die Taliban haben im Oktober 2015 die Stadt Kunduz eingenommen und in wenigen Tagen den UNO-Berichten zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Die getöteten Zivilisten waren Tadschiken und Usbeken. Derzeit werden die meisten Distrikte von Nangarhar von den Taliban kontrolliert und von ihnen werden immer wieder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. [ ]"
1.2.4. Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 23.10.2015 im Verfahren betreffend einen anderen Asylwerber vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Zl. W119 2006001-1 (Schreibfehler teilweise korrigiert):
"Versorgungs- und Sicherheitslage in der Stadt Kabul:
Betreffend die Versorgungs- und Sicherheitslage in Kabul habe ich in Kabul vom 24.08. bis zum 03.09.2015 Forschungen angestellt. Außerdem habe ich bis Mitte Oktober durch meine Mitarbeiter in Kabul Informationen zu diesem Thema erhalten. Meine persönlichen Beobachtungen in Kabul umfassten folgende Schritte:
1. Ich habe in Kabul zivile Angestellten und Beamten des Staates, Angehörige der Sicherheitsministerien und Vertragsbedienstete zu diesem Zweck befragt und Zahlen betreffend das Gehaltsschema der Ministerien und Firmen gesammelt.
2. Ich habe auch Privatfirmen, wie Laden- und Firmenbesitzer und Geschäftsmänner, Pendler aus den umliegenden Regionen von Kabul und aus anderen Provinzen, die nach Kabul kommen und arbeiten bzw. Arbeit suchen, befragt.
3. Ich habe Studenten, Politiker, Hoteliers, Straßenkinder, Rückkehrer aus dem Ausland, die auf der Straße leben, Straßenbettler, Geschäftsleute und Familien vom 06. – 09.01.2015 in Kabul angetroffen und sie befragt.
4. Meine Mitarbeiter haben ihre diesbezüglichen Beobachtungen in meinem Auftrag bis Mitte Oktober fortgesetzt und ihre Informationen mir telefonisch übermittelt. Nach diesen
Informationen und nach meinen Beobachtungen in Kabul möchte ich das folgende Gutachten zur derzeitigen Versorgungs- und Sicherheitslage in Kabul erstatten:
Versorgungslage in Kabul:
In Kabul ist die Versorgungslage verschieden zu beurteilen: In Kabul gibt es alle Konsumgüter, die man in Europa vorfindet, d.h. man kann in Kabul jede Konsumware finden, die man in Österreich kaufen kann.
Allerdings sind die Preise der meisten Luxuswaren unerschwinglich, und ein Afghane mit dem Gehalt eines Lehrers oder eines Soldaten oder eines Hilfsarbeiters kann sich nicht diese Waren leisten.
Versorgungslage für Unterschicht und Rückkehrer ohne Familienrückhalt:
Die Waren, die für Grundversorgung benötigt werden, sind auch für die breite Schicht der Kabuler Bevölkerung, die zunehmend aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit verarmen, sehr teuer geworden, z.B. Lebensmittel, Kleidung, Medikamente und Miete. Für einen Afghanen, der als Lehrer oder Hilfsarbeiter oder Soldat in Kabul lebt, sind die Preise dieser Waren derzeit sehr hoch. Sie können sich und ihre Familie in Kabul mit notwendigsten Grundnahrungsmitteln ernähren, aber nicht ausreichend, sodass die Mehrheit der Unterschicht in Kabul im Winter vor Hunger, Kälte, und Krankheiten nicht geschützt ist. Die Unterschicht ist froh, wenn sie täglich zwei Mal am Tag Brot und Tee und Gemüse, welche sie sich leisten können, als Hauptspeise vor sich finden. Mindestens 20% der Kabul Bevölkerung sind sehr verarmt; sie sind teilweise die internen Flüchtlinge, können manchmal nur einmal am Tag für ihre Familie Brot und Tee besorgen. Diese Familien können sich Monate lang kein Fleisch leisten, und sie wären froh, wenn sie bei einer Totenzeremonie oder einer anderen Almosen-Gabe etwas Fleisch oder Reis oder etwas anderes zubereitetes Essen vielleicht in der Woche einmal zu sich nehmen könnten. Wenn es die internationale Hilfe, die sehr spärlich ist, und Almosengabe in der Gesellschaft nicht gäbe und wenn die Flüchtlinge im Ausland ihre Familien nicht unterstützen könnten, würde unter diesen 20% der Bevölkerung in Kabul im Winter eine Hungersnot ausbrechen.
Behausung:
Die Hilfsarbeiter leben meistens am Rande der Stadt Kabul in Slums, oder mehrere Personen mieten ein Zimmer, wo sie unter sehr schwierigen und menschenunwürdigen Bedingungen leben. Sie haben großteils keine Wasch-und Kochgelegenheit, keinen Strom und Heizung und keinen geschützten Mietvertrag und sind jederzeit von Verlust der Behausung bedroht. Diese Situation ist auch dadurch bedingt, dass hunderttausende Menschen aus den unruhigen Provinzen sich, seit dem Beginn der Kriege im Norden, nach Kabul begeben haben, mit der Hoffnung, in Kabul in Sicherheit zu leben und Arbeit zu finden. Ein Großteil von Rückkehrern, die aus dem Iran oder Pakistan abgeschoben werden, gehört zu dieser Kategorie der Menschen in Kabul.
Versorgungslage für Rückkehrer mit Familienrückhalt aus der Mittel- und Oberschicht:
Personen, die in Kabul eine eigene Wohnung oder ein Haus besitzen und mindestens einen kleinen Laden betreiben oder Familien haben, zu denen sie hinziehen könnten, haben keine Versorgungsschwierigkeiten. Besonders die Jugendlichen werden von ihren Eltern und leiblichen Brüdern langfristig aufgenommen und auch versorgt.
Unter engen Verwandten gibt es eine traditionelle verpflichtende Solidarität, dass kein enges Familienmitglied vom Hause der Familie verstoßen wird. Solange einer der Elternteile am Leben ist, ist der Rückkehrer am Erbe beteiligt. Ausgenommen die Jugendlichen, die in die Drogenszene geraten und mit ihren Familien nicht auskommen. Diese behausen unter den Brücken und in Abbruchhäusern in Kabul.
Fachkräfte wie gute Köche, gut ausgebildete Mechaniker, Krankenschwester, gute Buchhalter, soweit sie eine Arbeit finden und benötigt werden, können mit ihrem Gehalt in Kabul ohne besondere Probleme leben. Berufsgruppen mit hoher Verdienstmöglichkeiten, wie Ärzte, junge qualifizierte Ingenieure, qualifizierte Universitäts-Lehrkräfte, Dolmetscher und Übersetzer, Anwälte, Investoren usw. haben auch ohne Aussicht auf Anstellung die Möglichkeit, sich in Kabul und in Umgebung niederzulassen und von ihrem Einkommen sich und ihre Familien zu unterhalten. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass durch den Abzug der ausländischen Truppen und Schließung ihrer Armeebasen, sowie mit dem Abzug der ausländischen NGO auch tausende Fachkräfte, wie Dolmetscher, Ingenieure und Investoren arbeitslos geworden sind. Denn Millionen Arbeitsstellen wurden von ISAF-Truppen und von ausländischen NGO in Afghanistan nach dem Sturz des Taliban-Regimes geschaffen. Diese Arbeitsplätze gehen großteils verloren, und auch Fachkräfte kommen dadurch wirtschaftlich in Bedrängnis.
Gerade diese Berufsgruppe versucht, mit ihren Ersparnissen und durch den Verkauf ihrer Häuser und Autos ins Ausland zu gelangen, weil die derzeitige schlechte Wirtschafts- und Sicherheitslage diesen Menschen Zukunftsangst erzeugen.
Betreffend die Jugendlichen ohne Fachausbildung und jugendlichen Rückkehrer aus den Nachbarländern habe ich verschiedene Parkanlagen, abgelegene Straßenränder und Abbruchhäuser in Kabul besucht und solche Personen angetroffen. Ich habe beobachten können, dass tausende junge Menschen in den öffentlichen Parkanlagen und in Abbruchhäusern sich zusammentun und dort großteils Drogen einnehmen und ein elendes Leben führen. Nach meiner Information sind diese Jugendlichen meisten Personen, die aus den Nachbarländern wie dem Iran abgeschoben worden sind, oder sie sind Kriegskinder, die Waisen waren oder ihre Familienbindung verloren haben. Ein Großteil dieser jungen Menschen stammt aus den Provinzen, die mit der Hoffnung nach Kabul gekommen waren, Arbeit zu finden.
Die Zahl der Arbeitslosigkeit ist unter den Jugendlichen in Afghanistan im Allgemeinen und in Kabul im Besonderen derzeit im Wachsen. Nach meiner Schätzung beträgt die Arbeitslosigkeitsrate unter den Jugendlichen derzeit mehr als 60 Prozent. Gäbe es keine Familiensolidarität, so würden sofort noch weitere tausende Jugendliche in Kabul verelenden.
Afghanische Firmen:
Bedingt durch die Streitigkeiten zwischen den Präsidentschaftskandidaten, die noch andauern, und den Beginn des Abzuges der ISAF Truppen haben viele Firmen geschlossen, weil einerseits ein Teil von diesen unsicher sind und ins Ausland abwandern, und andererseits sie keine Förderung bzw. Projekte mehr von den Ausländern bekommen, ihre Firmen weiter in Betrieb zu halten. Dieser Zustand hat auch dazu geführt, dass tausende Menschen ihre Arbeitsplätze verloren und keine Aussicht auf Arbeit in naher Zukunft haben.
Für diese Menschen hat der afghanische Staat und die internationale Gemeinschaft, allen voran der UNHCR, keine geeignete Programme, um einerseits die Unternehmer zu stärken und den Abbau der wenigen Arbeitsplätze zu verhindern, andererseits die Verelendung der jungen Menschen zu verhindern. Sie haben keine Programme zum Schutz der Jugendlichen und keine Programme, die den Jugendlichen Zukunftsperspektive zur Verbesserung ihrer Lage bieten könnten.
Ich habe diesbezüglich auch die Politiker in Kabul befragt. Sie waren teils gleichgültig gegenüber diesem Problem und teils ratlos. Sie haben zugegeben, dass sie keine Möglichkeit haben, solche Missstände zu beseitigen, weil ihnen die finanzielle Unterstützung fehlen würde. Sie hätten keine geeigneten Infrastrukturen, z.B. Wohnheime, genügende geeignete Krankenhäuser, Rehabilitationszentren und geeignete Fachkräfte. Fachkräftemangel ist auch dadurch entstanden, dass ein Teil der Fachkräfte das Land allmählich verlässt.
Durch die Befragung über die Versorgungslage habe ich folgende Informationen über Lebensunterhaltskosten und Löhne und Gehälter in Kabul gesammelt, die einen Überblick darüber geben kann, wie hoch die Lebensunterhaltskosten sind und wie weit die jugendlichen Rückkehrer sich ohne Schwierigkeiten in Kabul niederlassen können oder auch nicht.
Lebenskosten in Kabul:
Ausgehend von diesen Informationen braucht z.B. ein junger Rückkehrer in Kabul, um ein menschenwürdigen Leben führen zu können, im Monat für sich alleine folgendes am Mittel:
Eine Einzelperson braucht in Kabul ca. USD 350.- für seine Lebensunterhaltskosten. Diese Kosten beinhalten: Zimmermiete, Kleidung, Transport und Essen.
Eine Familie benötigt ca. USD 600.- im Monat in Kabul für ihre Lebensunterhaltskosten. Diese Kosten beinhalten Wohnungsmiete, Kleidung, Fahrtkosten und Lebensmittelkosten.
Wenn eine Person oder eine Familie schon im Vorhinein ein eigenes Privat-Haus oder Privatwohnung in Kabul hat, können diese Kosten sich auf $250.- bzw. auf $400 minimieren.
Ich möchte im Folgenden die gesammelten Daten bezüglich der Versorgungslage ausgehend von Gehältern, Einkommenshöhe und Einkommensquellen der Menschen in Kabul auflisten, damit ich die derzeitige Versorgungslage in Kabul verständlicher darstellen kann:
1 USD ist derzeit 62.- Afghani
1. Grundnahrungsmittelpreise in Kabul:
Ware: in kg in Afghani in USD
Zwiebel: 1kg Afs 20.- $ 0,40
Tomaten: 1kg Afs 60.- $ 1,10
Hühnerfleisch: 1kg Afs 130.- $ 2,30
Lammfleisch: 1kg Afs 320.- $ 5,60
Kalbsfleisch: 1kg Afs 280.- $ 4,90
Rindfleisch: 1kg Afs 220.- $ 4.-
Kartoffeln 1kg Afs 20.- § 0,20
Mehl: 1kg Afs 30.- $ 0,30
Speiseöl 2l Afs 85 $ 1,30
Tee: 1kg Afs 350.- $ 5,60
Milch: 1l Afs 45 $ 0,70
Obst/durchschnitt: 1kg Afs 80.- $ 1,20
Reis: 1kg Afs 90.- $ 3,-
Zucker: 1kg Afs 35.- $ 4,-
Strom/Heizkosten/Monat: Afs 1000. $ 17,-
Bekleidung jährlich: Afs 700 $ 122,-
Miete für ein Zimmer: Afs 5000.- $ 80,-
Miete/Familienwohnung: $150.- $ 500,-
Gehälter der Staatsbeamten und Angestellten:
Gehälter der Offiziere der Sicherheitsorgane:
Die Offiziere und Soldaten bekommen ungefähr folgende Gehälter. Diese Gehälter werden großteils von den Amerikanern bezahlt. Derzeit gibt es Engpässe bei der Ausbezahlung von Gehältern, sie werden später als sonst bezahlt.
Unteroffizier: Afs 15.000,- $ 280,-
Soldat/Wachmann: Afs 12.000,- $ 200,-
Vertragsbedienstete: Afs 6.000,- $100,-
Wachmann/Privatfirmen: Afs 8.000 - 21.000,- $ 150,- $ 380,-
Leutnant zweiten Grades: Afs 14.500,- $ 255,-
Leutnant des I. Grades: Afs 15.500,- $ 272,-
Oberleutnant: Afs 17.600,- $ 309,-
Major: Afs 19.750,- $ 346,-
Obersleutnant: Afs 22.000,- $ 421,-
Oberst: Afs 24.000,- $ 421,-
Brigadegeneral : Afs 27.000,- $ 389,-
Generalmajor: Afs 29.000,- $.509,-
3 Sterne General: Afs 35.000,- $ 614,-
4 Sterne General: Afs 38.000,- $ 665,-
Fachberater: $ 3.500,- - $ 5.000,-
Gehälter der Zivile Beamten und Angestellten:
Zivile Staatsbeamte:
Lehrer und Beamte/Monat Afs 4.500,- bis 18.000,- $ 100,- - $ 270,-
Bäckereigehilfe/pro Tag: Afs 250,- - 1.200,- $ 04,- - 20,-
Hilfsarbeiter /pro Tag: Afs 250,- - 600,- $ 04,- - 10,-
Arbeiter/pro Monat : Afs 9.000,- -12.000,- $ 130,- 200,-
Koch/Tageslohn: Afs 500,- - 1.000,- $ 09,- - 19,-
Kellner/pro Monat: Afs 5.000,- -13.000,- $ 80,- - 210,-
Straßenverkäufer/pro Tag: Afs 1.200,- -1800,- $ 19,- - 30,-
Miete für ein Laden: Afs 6.200,- -50.000 $ 100,- 800,-
Straßenbettler/pro Tag Afs 300,- ,- 700,- $ 4,- - 8,-
Kinderarbeit/Tageslohn: Afs 100,- bis 600,- $1, 40 – 10,-
Studenten: Studenten aus den Provinzen bekommen teilweise Wohn- und Verpflegungsmöglichkeit. Aufgrund der Sicherheitslage und der besseren Qualifikation versuchen die Studenten, an den Kabuler Universitäten unterzukommen, obwohl in den meisten Provinzen Universitäten und Fachschulen gegründet worden sind. Aber aufgrund der Mangel an Fachlehrer ist die Qualität dieser Unis und Fachschulen sehr schlecht. Deshalb können auch die Absolventen der Universitäten des Landes auf dem Arbeitsmarkt sich nicht durchsetzen.
Zusammenfassung:
Kosten für Lebensunterhalt einer Person pro Monat $ 200 -300.-
Kosten für Lebensunterhalt einer Familie pro Monat: $ 500.-
Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeitsrate kann die Mehrheit der Menschen in Kabul diese Summe nicht immer aufbringen, und sie leben ständig mit Schwierigkeiten im Hinblick auf Versorgung. Zudem hat sich die Anzahl der Personen in einem Haushalt, die vom Gehalt von einer Personen leben, erhöht. Bis zum Abzug der ausländischen Truppen und NGO haben oft von einer Familie zwei Personen Gehälter bezogen, und sie könnten locker ihre Familie ohne Sorgen ernähren.
Wenn die Rückkehrer nach Kabul keine familiäre Bindung und kein Geldmittel bei sich haben, werden sie mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein. Wenn sie Fachausbildung haben, könnten sie sich im Lauf der Zeit etwas verdienen bzw. eine Stelle bekommen oder ein Geschäft gründen. Aber wenn junge Leute keine Bildung- und keine Fachausbildung haben, werden sie mit Sicherheit in ernster Versorgungssituation geraten. Die jungen Leute in den Dörfern laufen zu den Taliban über, damit sie etwas verdienen können. Auf diesem Weg sind viele Fronten in Dörfern entstanden, die mit den Taliban Ideologisch nichts am Hut haben, aber sie arbeiten für sie als Söldner.
Die schlechte Versorgungslage in Kabul hat auch dazu geführt, dass Gewaltbereitschaft und Raubüberfälle in den Außenbezirken Kabuls vermehr zugenommen haben.
Ad Sicherheitslage in Afghanistan
Eine Einnahme der Stadt Kabul durch die Taliban in naher Zukunft ist nicht möglich, weil die internationale Gemeinschaft die Fortsetzung der Präsenz ihrer Truppen in Afghanistan angekündigt hat. Diese Ankündigung schreckt die Taliban ab, eine Großoffensive gegen die Stadt Kabul vorzunehmen. Aber monatlich werden durch Attentate der Taliban in der Stadt Kabul durchschnittlich, nach meiner Schätzung, 50-80 Personen verletzt und getötet. Solche Vorfälle sind unvorhersehbar, und kann nicht vorausgesagt werden, welche Zivilisten-Gruppe und welche Orte in Kabul diese Attentate treffen.
Kabul ist seit Juli diese Jahres von den afghanischen Sicherheitskräften und den Sicherheitskräften der ISAF soweit geschützt, dass die Taliban bis jetzt keine Chance hatten, diese Stadt, wie z.B. Kunduz, Faryab oder Helmand, umfassend anzugreifen und kurzfristig auch unter ihrer Kontrolle zu bringen. Der Grund für die strengen Maßnahmen liegt darin, dass alle Ministerien, ausländischen Botschaften und internationalen Organisationen sich in Kabul befinden. Die Taliban versuchen immer wieder, durch schwere Selbstmordattentate, Raketenabwurf auf Kabul und Angriffe auf bestimmte staatliche Einrichtungen und auf Häuser der Politiker auf sich aufmerksam zu machen. Dadurch werden im Durchschnitt im Monat in der 5-Millionen Stadt mehr als fünfzig Zivilisten getötet und verletzt.
Die Attentate finden nicht jeden Tag in Kabul statt, obwohl die Taliban gerne jeden Tag einen Anschlag verüben würden. Aufgrund der starken Präsenz der Sicherheitskräfte in sensiblen Ecken und Plätzen, sowie vor den Amtsgebäuden, können sie ihre Pläne nicht jeden Tag durchführen. Aber jeden Tag sind Taliban-Selbstmörder in verschiedenen Ecken unterwegs und versuchen, die ausländischen Konvois und die Konvois der Sicherheitskräfte anzugreifen. Es wird auch jeden zweiten Tag gemeldet, dass die afghanischen Sicherheitskräfte Selbstmordattentäter vor der Ausführung ihrer Terrorakte erwischt hätten.
Derzeit verlassen tausende Menschen die Stadt Kabul; insgesamt reisen hunderttausend Menschen monatlich aus ganz Afghanistan aus. Dies ist unter anderem auf die Angst der Menschen zurückzuführen, weil sie nicht wissen, wie die Sicherheitslage in den nächsten Monaten und Jahren sich in Afghanistan entwickeln würde. Heuer sind die Taliban in hunderten Distrikten in Afghanistan aktiv, und ich gehe davon aus, dass mehr als 70% der außerstädtischen Gebiete des Landes unter direkter oder indirekter Kontrolle der Taliban stehen.
Die Bezirke außerhalb der Stadt Kabul sind nicht so sicher wie die Stadt Kabul. Die Bevölkerung dieser Bezirke beschwert sich darüber, dass die Sicherheitskräfte in diesen Regionen sich nicht kümmern würden. Diese Bezirke sind zwar nicht unter der Kontrolle der Taliban, aber sie sind nicht so sicher wie die Stadt Kabul."
Diese Ausführungen hat der Ländersachverständige in mehreren gutachterlichen Stellungnahmen im Jahr 2016 im Wesentlichen bestätigt und sind diese somit nach wie vor aktuell (vgl. BVwG 22.09.2016, W151 1435926-2; 28.07.2016, W154 2009999-1 ua.).
1.2.5. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:
"[ ] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:
(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und
(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.
[ ] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [ ] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [ ] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [ ] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.
[ ]
Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.
Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [ ]"
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen (Pkt. II.1.1.1. bis 1.1.4.):
2.1.1. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Alter des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 12.07.2015, dem der Beschwerdeführer nicht in substantiierter Weise entgegengetreten ist.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Diese Beurteilung kann ebenso hinsichtlich der Angaben zum Fluchtweg von Afghanistan nach Österreich getroffen werden.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Heimatdorf, seinen Aufenthaltsorten in Afghanistan, seinem familiären Hintergrund und seinem schulischen sowie beruflichen Werdegang sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und beinahe widerspruchsfrei. Der zwischen den in der Erstbefragung und Einvernahme getätigten Angaben des Beschwerdeführers hervorgekommene Widerspruch zur Anzahl seiner Schwestern wurde vom Beschwerdeführer zu Beginn der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in nachvollziehbarer Weise aufgeklärt.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.
Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.
2.1.2. Soweit das vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtvorbringen (betreffend die Gefahr der Entführung durch die Taliban, die ihn als "Tanzjungen", Kämpfer oder Spion einsetzen würden und die Gefahr der Verfolgung wegen vermeintlicher Zusammenarbeit mit ausländischen Soldaten) nicht festgestellt werden konnte, ist Folgendes festzuhalten:
2.1.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.
Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
In diesem Zusammenhang ist der – unmittelbar anzuwendende – Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337, 9, (Statusrichtlinie), maßgeblich:
"Artikel 4
Prüfung der Tatsachen und Umstände
(1) – (4) [ ]
(5) Wenden die Mitgliedstaaten den Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn
a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen;
b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;
c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;
d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war; und
e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."
2.1.2.2. Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers – unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten – genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
2.1.2.3. Vor diesem Hintergrund geht der zur Entscheidung berufene Richter des Bundesverwaltungsgerichtes auf Grund seines in der mündlichen Verhandlung erhaltenen persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens (Gefahr der Entführung durch die Taliban, die ihn als "Tanzjungen", Kämpfer oder Spion einsetzen würden und Gefahr der Verfolgung wegen vermeintlicher Zusammenarbeit mit ausländischen Soldaten) keine Glaubwürdigkeit zukommt:
2.1.2.3.1. Zunächst fällt auf, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl trotz konkreter dahingehender Befragung den wesentlichen Kern seiner – erst in weiterer Folge dargelegten – Ausreisemotive nicht schilderte, sondern lediglich die allgemein prekäre Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion sowie die problematische Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara bzw. schiitische Muslime in Afghanistan als Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates anführte (s. S. 6 f. des Einvernahmeprotokolls vom 08.07.2016). Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, auf Grund von drei Vorfällen, bei denen er und seine Mutter von den Taliban angehalten worden seien und diese ihn mitnehmen hätten wollen, Eingriffe in seine sexuelle Integrität in Zusammenhang mit seiner Verwendung als "Tanzjunge" sowie seiner Einsetzung als Kämpfer bzw. Spion durch die Taliban zu befürchten (s. S. 12 ff. des Verhandlungsprotokolls vom 20.12.2016), was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine nicht nachvollziehbare Steigerung seines Fluchtvorbringens darstellt. Auf die Frage, warum er nicht bereits in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von den genannten Vorfällen erzählt habe, führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung Folgendes aus (S. 13 f.):
"BF: Ich habe vor dem BFA deshalb nichts über diese Vorfälle erzählt, weil ich mich dafür geschämt habe, dass ich angefasst worden bin und dass man mich als Tanzbuben einsetzen wollte. Ich bin ein junger Mann, dem es nicht leicht fällt, über diese Art von Vorfällen zu sprechen. Ich wusste zunächst nicht, dass diese Art von Sachen beschämend sein müssen, aber als ich mit meinen Freunden darüber gesprochen habe, haben sie erklärt, dass niemand das Recht hätte, mich anzufassen und dass dies ein Eingriff in meine sexuelle Selbstbestimmung wäre. Aus diesem Grund habe ich das im Zuge der heutigen Verhandlung erwähnt.
R: Verstehe ich Sie richtig: Haben dieses Vorbringen nicht getätigt, weil Sie der Meinung waren, dass es nicht relevant sein könnte?
BF: Ich hatte damals noch mit niemandem darüber beraten, dass mir all das passiert ist. Als ich später darüber gesprochen habe, hat man mir gesagt, dass all dies zu einer Vergewaltigung hätte führen können. Aus diesem Grund habe ich es heute erläutert."
Diese Ausführungen sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als Schutzbehauptungen zu werten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der – zu diesem Zeitpunkt bereits volljährige – Beschwerdeführer individuell seine Person betreffende Fluchtgründe, sofern diese tatsächlich bestehen sollten, und damit gerade den wesentlichen Kern seiner Fluchtgeschichte gerade in jenem Moment, in dem sich die Gelegenheit dazu bot, nicht angab, sondern nur Ausreisegründe genereller Natur anführte. Zudem fällt in diesem Zusammenhang auf, dass der Beschwerdeführer einerseits festhielt, das Fluchtvorbringen nicht erstattet zu haben, weil er sich für diese Vorfälle (konkret gemeint wohl die mögliche Heranziehung seiner Person als "Tanzjunge" durch die Taliban) geschämt habe, andererseits in der Folge jedoch angab, überhaupt nicht gewusst zu haben, dass diese Sachen beschämend sein können bzw. sich gar nicht bewusst gewesen zu sein, dass diese zu einer Vergewaltigung hätten führen können. Der konkrete Grund, warum der Beschwerdeführer diese Angaben erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals getätigt hat – nämlich entweder, weil er sich dafür geschämt hat, von diesen Vorfällen zu berichten, oder aber, weil er nicht wusste, dass solche Vorfälle beschämend sind und zu einer Vergewaltigung führen hätten können –, wird vom Beschwerdeführer nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes daher widersprüchlich dargestellt, was an seiner Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Fluchtvorbringens zweifeln lässt.
In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde Folgendes protokolliert (S. 7 des Einvernahmeprotokolls vom 08.07.2016):
"F: Sind Sie von den Taliban bedroht worden? A: Nein, weil ich noch klein war. Ich wurde nur einmal geschlagen und man hat mich gefragt, warum ich keinen Turban trage."
Sofern der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung in der mündlichen Verhandlung ausführt, dass mit diesen Ausführungen gemeint gewesen sei, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines geringen Alters glücklicherweise immer davon gekommen und ihm daher nichts passiert sei, es jedoch sehr wohl bedrohliche Vorfälle gegeben habe (S. 5 des Verhandlungsprotokolls vom 20.12.2016), vermag dies die fehlenden Ausführungen in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den o.a. Vorfällen nicht zu erklären.
2.1.2.3.2. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23.12.2016 sein erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstattetes und daher bereits aus diesem Grund als unglaubhaft zu beurteilendes Vorbringen näher ausführt, wonach er auf Grund seiner Kontaktaufnahme mit ausländischen Sicherheitskräften jener Personengruppe zuzuordnen sei, die – im Sinne der UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 – vermeintlich mit der Regierung in Verbindung gebracht werde und daher der Gefahr von Verfolgung ausgesetzt sei, ist Folgendes festzuhalten:
Der Beschwerdeführer erwähnte im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinen Kontakt zu ausländischen Sicherheitskräften, sondern gab auf Nachfrage lediglich an, seine Englischkenntnisse während seiner Zeit in Ghazni erworben zu haben (S. 8 des Einvernahmeprotokolls vom 08.07.2016). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte er aus, dass er sich in den wenigen Stunden, in denen sein Heimatdorf von den Polizeikräften oder ausländischen Militärgruppen kontrolliert worden sei, mit diesen unterhalten und so Englisch gelernt habe (S. 10 des Verhandlungsprotokolls vom 20.12.2016). Diese unterschiedlichen Angaben sind für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und lassen die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen.
2.1.2.3.3. Weiters ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch teilweise nicht plausibel. Dem Verhandlungsprotokoll vom 20.12.2016 sind folgende Passagen zu entnehmen (S. 11 f.):
"R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheides etwas geändert? Ist irgendetwas dazugekommen, was vorher noch nicht Gegenstand Ihres Fluchtvorbringens war?
BF: Meine Mutter hat mir nichts über ihre Schwierigkeiten erzählt, weil sie nicht wollte, dass ich mir Sorgen mache und dass ich traurig bin, weil ich in Österreich alleine bin und niemanden habe. Sie hat vieles geheim gehalten und nun weiß ich, dass sie immer wieder nach mir gefragt wird. Ich bin der einzige Sohn meiner Eltern. Man fragt sie, wohin ich gegangen sei. Meine Mutter hatte immer einen zu hohen Blutdruck. Ich glaube, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert hat und dass sie unter der schlechten Sicherheitslage leidet. Sie leidet auch unter den Schikanen jener Leute, die nach mir fragen. Ich bin zu 100% sicher, dass es sich dabei um die Taliban handelt. Sie fragen meine Mutter bestimmt, weshalb sie ihren einzigen Sohn weggeschickt hat, zumal ich eine große Stütze für die Familie gewesen bin. Jene Leute, die meine Mutter schikanieren, haben erfahren, dass ich in Europa aufhältig bin."
[ ]
R: Hat Ihnen Ihre Mutter konkret erzählt, dass die Taliban bei ihr waren und nach Ihrem Aufenthaltsort gefragt haben oder vermuten Sie das nur?
BF: Meine Mutter spricht in einer Art und Weise mit mir, sodass ich verstehen kann, was sie mir eigentlich sagen will. Sie spricht es aber nicht direkt aus. [es folgte die Schilderung der drei o.a. Vorfälle mit den Taliban]
R: Hat Ihnen Ihre Schwester konkret erzählt, wie diese Schikanen gegenüber Ihrer Mutter stattfinden?
BF: Meine Schwester hat erzählt, dass, wenn meine Mutter von dem Einkaufen in der Stadt zurückkommt, sie psychisch sehr angeschlagen ist. Sie sieht meistens so aus, als hätte man sie zusammengeschlagen und als wäre sie psychischem Terror ausgesetzt gewesen. Meistens weint sie, wenn sie nach Hause kommt.
R: Aber Ihre Mutter hat Ihrer Schwester nie erzählt, was konkret passiert ist?
BF: Meine Mutter hat meiner Schwester gegenüber nie konkret geäußert, dass sie von den Taliban schikaniert wird, aber meine Schwester weiß, dass die Taliban dafür verantwortlich sind. Nach meiner Ausreise ist meine jüngste Schwester einmal mit meiner Mutter in die Stadt gefahren und hat miterlebt, wie das Fahrzeug von den Taliban angehalten wurde, Männer und Frauen getrennt wurden sowie alle Männer durchsucht wurden. Sie weiß, dass die Taliban für das Verhalten meiner Mutter verantwortlich sind."
Hierbei scheint es für das Bundesverwaltungsgericht nicht lebensnah, dass die Mutter des Beschwerdeführers, sofern diese tatsächlich von den Taliban schikaniert und konkret nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt worden wäre, dies dem Beschwerdeführer oder der Schwester des Beschwerdeführers nicht mitgeteilt hätte, alleine schon aus der Überlegung heraus, um dem Beschwerdeführer die Gefahr im Herkunftsstaat nochmals zu verdeutlichen und seine mögliche Rückkehr explizit auszuschließen.
2.1.2.3.4. Im Gegensatz zum Vorbringen in der Stellungnahme vom 23.12.2016 stehen auch die oben getroffenen Länderfeststellungen den bisher dargelegten Erwägungen nicht entgegen: Aus dem o.a. Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme eines Ländersachverständigen geht zwar hervor, dass Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen seitens der Taliban in von ihnen beherrschten Gebieten möglich sind, jedoch führt dieser ebenso aus, dass Jugendliche, die sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, von den Taliban nicht weiter gesucht werden (s. Pkt. II.1.2.3.).
2.1.2.4. Dem Beschwerdeführer kommt aus diesen Gründen hinsichtlich seines Fluchtvorbringens (Gefahr der Entführung durch die Taliban, die ihn als "Tanzjungen", Kämpfer oder Spion einsetzen würden und Gefahr der Verfolgung wegen vermeintlicher Zusammenarbeit mit ausländischen Soldaten) keine Glaubwürdigkeit zu.
2.1.3. Zu den Feststellungen hinsichtlich der dem Beschwerdeführer nicht drohenden Gewalt auf Grund seines westlichen Lebensstils ist Folgendes auszuführen:
Der Beschwerdeführer vermittelte zwar im Rahmen der mündlichen Verhandlung in glaubhafter Weise den Eindruck, um eine Integration in die österreichische Gesellschaft bemüht zu sein, seine bereits vorhandenen Deutschkenntnisse weiter verbessern zu wollen, sich in Österreich für die Kirche zu interessieren sowie diese zu besuchen, eine nichtmuslimische Freundin zu haben und die österreichische Kultur bzw. Lebensweise wertzuschätzen (vgl. S. 6 ff. des Verhandlungsprotokolls vom 20.12.2016). Auf Grund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte.
Der Beschwerdeführer, der auf die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit selbst ausführte, aktuell Schiit zu sein (S. 9), konnte mit seinem Vorbringen, sich in Österreich für die Kirche zu interessieren sowie diese zu besuchen und nicht vorgeschrieben bekommen zu wollen, fasten bzw. beten zu müssen, nach Ansicht des erkennenden Gerichts vor dem Hintergrund der o.a. Länderfeststellungen nicht hinreichend konkret darlegen, sich vom muslimischen Glauben bereits in einer derart intensiven Weise abgewendet zu haben, dass ihm im Herkunftsstaat bereits aus diesem Grund psychische bzw. physische Gewalthandlungen drohen würden (im Gegensatz zu den in der Stellungnahme vom 23.12.2016 zitierten Erkenntnissen BVwG 30.04.2015, W194 1430097-1; 19.08.2015, W180 1416538-2).
2.1.4. Die Feststellungen, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische bzw. physische Gewalt drohe, ergeben sich aus seinem lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen zur Situation der Hazara in Afghanistan (vgl. v.a. S. 14 f. des Verhandlungsprotokolls), aus welchem eine individuelle und konkrete Betroffenheit seiner Person im Hinblick auf Gewalthandlungen nicht ableitbar ist.
2.2. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat (Pkt. II.1.1.5.):
2.2.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Ghazni ergeben sich aus den o.a. Länderberichten (Pkt. II.1.2.1.), welche mit den in der Stellungnahme vom 23.12.2016 angeführten Berichten (EASO, Afghanistan Security Situation, S. 94, November 2016; Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Algemeen Ambstbericht Afghanistan, S. 50 f.) übereinstimmen. Auf das Wesentliche zusammengefasst geht daraus hervor, dass Ghazni eine sehr unruhige und gefährliche Provinz sowie eine der Provinzen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen in Afghanistan überhaupt ist; regierungsfeindliche aufständische Gruppen sind in verschiedenen Distrikten Ghaznis aktiv und führen regelmäßig Aktionen durch.
2.2.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegene Landesteile und insbesondere in die Stadt Kabul ergeben sich – unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan (s. Pkt. II.1.2.5.) – aus den o.a. Länderberichten zu Kabul (Pkt. II.1.2.1.), dem Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme eines Ländersachverständigen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul (Pkt. II.1.2.4.) sowie den vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde bzw. seiner Stellungnahme vom 23.12.2016 angeführten Länderberichten in Zusammenschau mit den – vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten (s. Pkt. II.2.1.1.) – persönlichen Umständen.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat (Pkt. II.1.2.):
2.3.1. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.3.2. Die in das Verfahren eingebrachten Auszüge aus gutachterlichen Stellungnahmen des Ländersachverständigen Dr. RASULY sind entgegen dem Vorbringen in der Stellungnahme vom 23.12.2016 schlüssig und nachvollziehbar, die fachliche Qualifikation des Sachverständigen ist aus folgenden Gründen nicht in Frage zu stellen:
Der Ländersachverständige ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen, hat in Kabul das Gymnasium absolviert, in Wien Politikwissenschaft studiert und war in den 1990er-Jahren an mehreren Aktivitäten der Vereinten Nationen zur Befriedung Afghanistans beteiligt. Er hat Werke über die politische Lage in Afghanistan verfasst und verfügt dort über zahlreiche Kontakte, ist mit den dortigen Gegebenheiten vertraut und recherchiert in Afghanistan mitunter selbst; er war früher schon für den Unabhängigen Bundesasylsenat sowie den Asylgerichtshof und nunmehr immer wieder für das Bundesverwaltungsgericht tätig. Darüber hinaus hält er an der Universität Wien Lehrveranstaltungen ab, die sich mit Afghanistan beschäftigen. Auf Grund seiner Sachkenntnis wurde er bereits in vielen Verfahren als Gutachter herangezogen; er hat im Auftrag vieler Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zahlreiche nachvollziehbare und schlüssige Gutachten bzw. gutachterliche Stellungnahmen zur aktuellen Lage in Afghanistan erstattet.
2.3.3. Die o.a. Länderfeststellungen (Pkt. II.1.2.1., 1.2.2. und 1.2.5.) sowie der Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Situation der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan (Pkt. II.1.2.3.) wurden dem Beschwerdeführer – neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen – im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben und diesem eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Der unter Pkt. II.1.2.4 dargelegte Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul wurde dem Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. Mit seiner schriftlichen Stellungnahme vom 23.12.2016 vermochte der Beschwerdeführer die Korrektheit dieser Erkenntnisquellen nicht in Zweifel zu ziehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Nach § 16 Abs. 1 BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl u.a. im Verfahren über die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich gemäß dem AsylG 2005 (§ 3 Abs. 2 Z 1 BFA-VG) zwei Wochen, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 23.09.2016 durch Hinterlegung zugestellt. Die am 28.09.2016 erhobene Beschwerde ist somit rechtzeitig.
Zu A)I. Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
3.1.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter Pkt. II.2.1.2.3. dargestellt, kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines konkreten Vorbringens zu den behaupteten Fluchtgründen (Gefahr der Entführung durch die Taliban, die ihn als "Tanzjungen", Kämpfer oder Spion einsetzen würden und Gefahr der Verfolgung wegen vermeintlicher Zusammenarbeit mit ausländischen Soldaten) keine Glaubwürdigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerde sowie der Stellungnahme vom 23.12.2016 insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus dem von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
3.1.3. In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt vor dem Hintergrund des getätigten Fluchtvorbringens im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale – konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara – unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
3.1.3.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:
3.1.3.2. Den oben zitierten Länderberichten ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen in der Stellungnahme vom 23.12.2016 zwar u.a. zu entnehmen, dass Schiiten – speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören – Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind (s. Pkt. II.1.2.1.) und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung äußern würden bzw. Hazara überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen geworden wären (Pkt. II.1.2.2.). Weiters geht auch aus dem in der Stellungnahme vom 23.12.2016 dargelegten Berichtsmaterial hervor, dass es zu Übergriffen gegen Angehörige der Volksgruppe der Hazara kommt, diese in jüngster Vergangenheit zugenommen haben und dass Afghanen, die aus dem Iran zurückkehren, vermehrt mit Schwierigkeiten konfrontiert sind (s. S. 25 ff. der Stellungnahme). In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch – auch vor dem Hintergrund des o. a. Auszugs aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Lage der Hazara in Afghanistan (Pkt. II.1.2.3.) – nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verwies in seiner Judikatur auf die schlechte Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan, verneinte jedoch eine automatisch vorliegende Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr allein auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Zu dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie in der Stellungnahme vom 23.12.2016 angeführten Judikat des Verwaltungsgerichtshofes ist festzuhalten, dass dieser eine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan mit der Begründung nicht ausgeschlossen hat, dass das Bundesverwaltungsgericht im betreffenden Fall zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106); dies ist jedoch in der vorliegenden Entscheidung nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).
Soweit in der Stellungnahme vom 23.12.2016 ausgeführt wird, dass die gutachterliche Stellungnahme zur Lage der Hazara in Afghanistan (Pkt. II.1.2.3.) zwar von einer formal besseren Stellung der Hazara bzw. einer tatsächlichen Verbesserung ihrer Stellung im Staat im Vergleich zur Situation vor 2001 berichten würde, dies jedoch keinesfalls bedeute, dass die Hazara nicht mehr der Gefahr der Verfolgung durch Antiregierungskräfte ausgesetzt seien, ist entgegenzuhalten, dass auch das Bundesverwaltungsgericht – wie soeben ausgeführt – den o.a. Länderberichten folgend Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara für gegeben erachtet, diese jedoch nicht das für die Annahme des Vorliegens einer Gruppenverfolgung erforderliche Ausmaß erreichen.
3.1.3.3. Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
3.1.4. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23.12.2016 unter Verweis auf sein im Rahmen der mündlichen Verhandlung getätigtes Vorbringen ausführte, eine aus Sicht der Taliban äußerst westliche, säkuläre sowie liberale Weltanschauung zu vertreten und sich der afghanischen Auffassung des muslimischen Glaubens nicht mehr zugehörig zu fühlen, weshalb er in seinem Herkunftsstaat Verfolgung fürchten müsse, ist es ihm nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen (s. hierzu die Ausführungen unter Pkt. II.2.1.3.). Aus den vorhandenen Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen ist nicht ableitbar, dass alleine eine westliche Geisteshaltung bei Männern bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde (vgl. hierzu auch die Ausführungen in BVwG 07.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8.); die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
3.1.5. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.
Zu A)II. und A)III. Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung befristete Aufenthaltsberechtigung:
3.2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.
Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
3.2.1. § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, (im Folgenden: FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG – welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann – ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwH). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).
Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Wie bereits angeführt, reicht die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, 2016/19/0036, mwH).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 17.07.2008, 2007/21/0366). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).
Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie auf Grund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07 , Rn 45).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden – im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums – zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 11 AsylG 2005, K15). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
3.2.2. Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan nahm der Verfassungsgerichtshof in ständiger – und bislang auch nicht revidierter – Rechtsprechung ein willkürliches Vorgehen des (zum damaligen Zeitpunkt noch bestehenden) Asylgerichtshofes an, wenn dieser das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul für afghanische Asylwerber bejahte hatte, obwohl diese nie in Kabul gelebt und dort keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte hatten (s. u.a. VfGH 06.06.2013, U 2666/2012; 07.06.2013, U 2436/2012; 13.09.2013, U 370/2012).
Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Beschwerdeführer konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Vor diesem Hintergrund ging der Verwaltungsgerichtshof jüngst mitunter auch davon aus, dass betreffend die Beschwerdeführer in den konkreten Verfahren – auf Basis der darin getroffenen Feststellungen – keine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul dargetan worden sei (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert nämlich im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).
3.2.3. Für den vorliegenden Fall ist Folgendes festzuhalten:
3.2.3.1. Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Ghazni, welche – wie im Rahmen der Beweiswürdigung unter Pkt. II.2.2.1. näher ausgeführt – eine der Provinzen mit besonders schlechter Sicherheitslage in Afghanistan ist. Auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte hierzu im angefochtenen Bescheid aus, dass Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans zähle und die Anreise dorthin mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko für die Unversehrtheit des Beschwerdeführers mit sich bringen würde, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden könne (s. S. 80 des angefochtenen Bescheides). In Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geht das Bundesverwaltungsgericht daher davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.
3.2.3.2. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aus folgenden Gründen auch nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans verwiesen werden:
3.2.3.2.1. Wie aus den o.a. Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich neben einer prekären Sicherheitslage die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzielle Unterstützung in Kabul nur unzureichend dar, weshalb diese mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sowie bei fehlender Bildung bzw. Fachausbildung in ernste Versorgungsschwierigkeiten geraten werden. Näher ausgeführt bedeutet dies, dass die für die Grundversorgung benötigten Waren auch für die breite Schicht der Bevölkerung in Kabul sehr teuer geworden sind, dass Hilfsarbeiter meist am Rande der Stadt in Slums unter schwierigen und menschenunwürdigen Bedingungen ohne Wasch-, Koch- oder Heizgelegenheit unter ständiger Gefahr des Verlusts ihrer Behausung leben und dass eine hohe Arbeitslosigkeit gegeben ist. Das Bundesamt für Fremdenwesen hält in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid selbst fest, dass freiwillige Rückkehrer in der Stadt Kabul in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen untergekommen seien, was die ohnehin nur sehr knapp vorhandenen Wohnressourcen noch weiter strapaziere (S. 80). Die Stadt Kabul zieht nach den o.a. Länderfeststellungen weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an, wobei mehrere tausend Familien Hilfe benötigen. Angesichts der aus den o.a. Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen ersichtlichen aktuellen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich; aus den o.a. Länderberichten zum Herkunftsstaat geht auch nicht hervor, dass Rückkehrern automatisch z.B. eine Wohngelegenheit zur Verfügung gestellt wird. Laut den o.a. Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien s. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).
3.2.3.2.2. Beim Beschwerdeführer handelt es sich zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit Schulbildung und geringer Berufserfahrung ohne konkrete Fachausbildung als Mitarbeiter in Schneidereien in Afghanistan ("BF: Ich habe meinem Vater in der Schneiderei auf seinen Wunsch geholfen und den Beruf des Scheiders teilweise erlernt" – s. S. 10 des Verhandlungsprotokolls vom 20.12.2016) sowie im Iran, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass er in einem Dorf in der Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen ist, niemals außerhalb seiner Heimatprovinz wohnhaft war und in anderen Landesteilen Afghanistans außerhalb seiner Heimatprovinz über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte verfügt. Der Beschwerdeführer wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, allenfalls in der Stadt Kabul nach einem – wenn auch nur vorläufigen – Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Im Hinblick auf die – diesbezüglich im Laufe des Verfahrens gleichgebliebenen sowie widerspruchsfreien und daher glaubhaften – Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wonach sein Vater nicht mehr in der Lage sei zu arbeiten und seine Mutter lediglich Gelegenheitsarbeiten verrichte, ist auch nicht davon auszugehen, dass die Eltern des Beschwerdeführers in der Lage sind, diesen finanziell zu unterstützen.
Der Beschwerdeführer gab in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zwar an, über Englischkenntnisse zu verfügen und in seiner Unterkunft gelegentlich Englischübersetzungen durchzuführen, fügte jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht von sich aus glaubhaft an, dass seine Englischkenntnisse für eine Tätigkeit als Dolmetscher nicht ausreichen würden. In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen in der o.a. gutachterlichen Stellungnahme zu berücksichtigen, wonach nach Abzug der ausländischen Truppen tausende Fachkräfte wie z.B. Dolmetscher arbeitslos geworden sind und auch Fachkräfte dadurch in wirtschaftliche Bedrängnis gelangen würden.
3.2.3.2.3. Ein wie von UNHCR in den o.a. Richtlinien für die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechender gesicherter Zugang zu Unterkunft, wesentlichen Grundleistungen (z.B. sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung) und Erwerbsmöglichkeiten ist daher nicht ersichtlich; der Beschwerdeführer verfügt auch über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte in Kabul oder finanzielle Unterstützung. Die von UNHCR dargelegten "bestimmten Umstände", nach welchen es alleinstehenden leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten möglich sein kann, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner Umgebung zu leben, sind im Falle des Beschwerdeführers aus den dargelegten Gründen daher nicht gegeben.
3.2.3.2.4. Vor diesem Hintergrund vermag das Bundesverwaltungsgericht keine Möglichkeit zu erkennen, den Beschwerdeführer auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan zu verweisen.
3.2.4. Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der – im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie seiner mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in seiner Beschwerde und in seiner Stellungnahme vom 23.12.2016 vorgebrachten – ihn betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommt. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3 leg.cit.).
Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.
3.2.5. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen ist.
Zu A)IV. Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
3.3. Auf Grund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos – gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) – zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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