Normen
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 den Antrag des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und alevitischen Glaubensbekenntnisses, auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 55 und 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, auch stetige und anhaltende Diskriminierung könne durch ihre Kumulierung asylrelevante Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen. Er habe "derartige gehäufte Verfolgungshandlungen durch ständige Observationen, Festnahmen, Anhaltungen und Misshandlungen seitens der türkischen Sicherheitskräfte und Diskriminierungen wegen seiner Zugehörigkeit zur alevitischen Glaubensgemeinschaft" vorgebracht. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes dazu, ob unter den derzeit in der Türkei herrschenden Verhältnissen Anhängern des alevitischen Glaubens asylrelevante Verfolgung drohe. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht eine asylrelevante Intensität der ihm drohenden Verfolgung verneint. Wenn die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen werde, sei das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu bejahen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich auch auf veraltete Länderberichte aus dem August 2015 gestützt und daher die seit Sommer 2015 wieder ausgebrochenen, heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Militär und der kurdischen PKK und die damit einhergehenden massiven Menschenrechtsverletzungen, von denen besonders Angehörige der kurdischen Minderheit betroffen seien, nicht berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht hätte zudem bei richtiger Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Erlassung der Rückkehrentscheidung unzulässig sei, habe es doch zu Unrecht seine zu erwartenden Schwierigkeiten beim Zugang zu Beschäftigung und Sozialhilfeleistungen außer Betracht gelassen.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass er als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen zur Überprüfung der Beweiswürdigung nicht berufen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0189, mwN). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 2015, Ra 2015/19/0091, 0092, mwN).
6 Das Bundesverwaltungsgericht erachtete nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig. Dazu stützte es sich auf Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in dessen Angaben. Dem Revisionswerber gelingt es nicht darzulegen, dass diese vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene, auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht nehmende Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Fehlerhaftigkeit leidet.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2016/01/0012, mwN). Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel darzulegen (vgl. den hg. Beschluss vom 25. September 2014, Ra 2014/07/0057, mwN).
8 Eine solche Relevanz wird in der Revision nicht aufgezeigt, zumal entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers auch die Eskalation im Sommer 2015 in den von Kurden bewohnten Gebieten der Südosttürkei in den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes ausdrücklich bereits Berücksichtigung gefunden hat.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
10 Das Bundesverwaltungsgericht ist auf Grundlage der vorliegenden Länderberichte zum Ergebnis gelangt, dass türkischen Staatsangehörigen bloß aufgrund ihres alevitischen Glaubensbekenntnisses bzw. ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit in ihrem Herkunftsstaat keine Verfolgung droht. Dem vermag die Revision nicht substantiiert entgegen zu treten.
11 Soweit der Revisionswerber sich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0249, mwN).
12 Bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031).
13 Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht diese Umstände in seine Interessenabwägung einbezogen und in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Dabei ist es entgegen dem Vorbringen in der Revision auch auf die Erwerbsmöglichkeiten des Revisionswerbers in seinem Herkunftsstaat eingegangen.
14 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit zurückzuweisen. Wien, am 5. September 2016
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