BVwG W169 2007031-1

BVwGW169 2007031-17.11.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W169.2007031.1.00

 

Spruch:

W169 2007031-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren XXXX, Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2014, Zl. 821666407-1583969, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.05.2016 und am 13.06.2016 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I wird gemäß § 3 Abs. 1

AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Gang des Verfahrens

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 15.11.2012 nach schlepperunterstützter illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus Ghazni stamme und mit seinen Eltern im Alter von acht Jahren in den Iran gereist sei. Vor eineinhalb Jahren sei er von der iranischen Polizei festgenommen, für vier Tage inhaftiert und dann nach Afghanistan abgeschoben worden. In Afghanistan habe er jedoch niemanden. Er sei dort von zwei Personen bedroht worden, er sollte "ihnen etwas bringen". Weil er dies nicht gemacht habe, sei er verfolgt worden. Vor sechs Monaten sei er wieder in den Iran gereist, wo er zwei Tage bei seiner Familie aufhältig gewesen sei. Danach habe ihn seine Mutter nach Europa geschickt, damit er nicht wieder nach Afghanistan abgeschoben werde. Nach Afghanistan könne er nicht mehr zurück, da er dort verfolgt werde.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.07.2013 führte der Beschwerdeführer aus, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und Schiite sei. Das erste Mal habe er Afghanistan im Alter von acht Jahren verlassen. Als er 15 Jahre alt gewesen sei, sei er von den iranischen Behörden nach Afghanistan abgeschoben worden, wo er sieben bis acht Monate verbracht habe. Anschließend sei er wieder in den Iran zurückgekehrt. Bis zu seinem achten Lebensjahr habe er mit seinen Eltern, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder in der Provinz Ghazni, im Dorf XXXX gelebt. Sein Vater habe gearbeitet und somit die Familie versorgt. Seine in Afghanistan lebenden Onkeln und Tanten seien bereits verstorben. Im Alter von acht Jahren sei er dann mit seiner Familie in den Iran gereist, wo er gemeinsam mit seiner Familie im Dorf XXXX auf einem Bauernhof gelebt und wo sein Vater auch gearbeitet habe. Sein Vater sei dann erkrankt. Er sei lange Zeit im Krankenhaus gewesen und verstorben. Nachdem sein Vater erkrankt sei, habe der Beschwerdeführer für einige Wochen in einer Tischlerwerkstätte gearbeitet. Auf dem Weg dorthin sei er von der Polizei festgenommen, für einige Tage eingesperrt und dann nach Afghanistan abgeschoben worden. Nach seiner Abschiebung nach Afghanistan habe seine Mutter im Iran als Schneiderin gearbeitet und somit den Lebensunterhalt der Familie verdient. Nachdem er vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden sei, habe er seine Mutter angerufen. Diese habe organisiert, dass ein Nachbar von ihnen aus Ghazni den Beschwerdeführer zu sich ins Heimatdorf XXXX geholt habe. Dieser Nachbar habe gesagt, dass er den Beschwerdeführer nur für ca. drei Monate aufnehmen könne. Der Beschwerdeführer sei aber ca. sieben bis acht Monate oder mehr bei ihm geblieben. Bis zu seiner neuerlichen Ausreise aus Afghanistan habe er bei diesem Nachbarn mit dessen Familie gelebt. Auf die Frage, wovon der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes bei seinem Nachbarn gelebt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Mutter diesem vom Iran Geld geschickt habe; zudem habe der Beschwerdeführer im Haushalt mitgeholfen. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan niemals politisch tätig gewesen und habe keine Probleme mit den staatlichen Behörden gehabt. Auch werde er nicht von den Behörden in Afghanistan gesucht. Seine Familie habe damals Afghanistan auf Grund des Krieges verlassen. Auf die Frage, was ihn konkret zur neuerlichen Ausreise aus Afghanistan bewogen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er "ja nicht immer bei diesem Nachbarn leben" hätte können. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes dort einen Freund namens XXXX gehabt. Dieser habe ihm eine Arbeit angeboten. Er habe zum Beschwerdeführer gesagt, dass er eine andere Person kenne, die für ihn eine Arbeit habe. Dann sei diese andere Person zum Beschwerdeführer gekommen und habe ihm ein Paket gegeben und gesagt, er solle dieses "irgendwohin bringen". Aber er sollte niemandem davon etwas sagen. Der Beschwerdeführer habe aber seinem Nachbarn davon erzählt. Dieser habe daraufhin seine Mutter kontaktiert, welche zum Beschwerdeführer gesagt habe, er solle das Paket nicht hinbringen, sondern in den Iran zurückkommen. Deshalb sei er von seinem Nachbarn zwei Tage später wieder in den Iran gebracht worden. Auf weitere Befragung führte der Beschwerdeführer dann aus, dass ihm dieses Paket doch nicht übergeben, sondern "nur gezeigt" worden sei. Es sei ihm gesagt worden, dass er dieses Paket "irgendwohin bringen" solle. Ihm sei keine Adresse genannt worden. Der Mann habe ihm gesagt, dass er dem Beschwerdeführer, wenn er zu ihm komme, die Adresse nennen werde, und dass er zu ihm kommen könne, wann immer er wolle. Sein Freund XXXX habe den Beschwerdeführer zu dieser Person gebracht. Die andere Person sei im Auto gesessen. Sie hätten sich draußen unterhalten. Er habe Angst bekommen. Dies habe am Basar stattgefunden. Nach dem Gespräch hätten sie sich getrennt und der Beschwerdeführer sei allein zum Nachbarn gegangen. Danach habe er keinen Kontakt mehr mit seinem Freund bzw. der zweiten Person gehabt. Auf die Frage, was er im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte, führte der Beschwerdeführer aus, dass er dort niemanden habe. Er sei nicht bei seiner Familie im Iran geblieben, zumal seine Mutter Angst gehabt habe, dass er wieder nach Afghanistan abgeschoben werde. Im Iran habe er keine Dokumente gehabt.

Er lebe in Österreich in der Grundversorgung und besuche seit zwei Wochen einen Deutschkurs. Er gehe keiner Beschäftigung nach und sei auch nicht Mitglied in einem Verein. Es würden keine Familienangehörigen von ihm in Österreich leben und auch sonstige Bindungen zu Österreich habe er nicht.

3. Am 16.07.2013 wurden der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers aktuelle Länderfeststellungen zu Afghanistan übermittelt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

4. Am 05.08.2013 langte beim Bundesasylamt eine diesbezügliche Stellungnahme der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers ein. Darin wurde ausgeführt, dass sich im Herkunftsland des Beschwerdeführers keine Angehörigen mehr befinden würden, welche ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnten. Auch seine im Iran lebende Familie sei nicht in der Lage, ihn zu unterstützen, dies auf Grund der räumlichen Entfernung. Im Falle einer Rückkehr hätte der Beschwerdeführer sohin keine Existenzgrundlage. Der Beschwerdeführer sei bereits im Iran in ein ausbeuterisches Beschäftigungsverhältnis gedrängt worden und er wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan gezwungen, neuerlich eine Tätigkeit unter sklavereiähnlichen Verhältnissen zu verrichten. Unabhängig davon wäre der Beschwerdeführer in Afghanistan als alleinstehender Minderjähriger einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt, welche aus den politischen Verhältnissen, der aktuellen Sicherheitslage sowie der mangelnden Schutzfähigkeit des afghanischen Staates resultieren würden. Anschließend wurde in der Stellungnahme auf die UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009 - hingewiesen und ausgeführt, dass angesichts der prekären Lage für unbegleitete Kinder in Afghanistan eine Neuansiedlungsalternative jedenfalls nur mit gesicherter Unterstützung der Familie zumutbar sei. Abschließend wurde auf Entscheidungen des Unabhängigen Bundesasylsenates und des Asylgerichtshofes verwiesen und festgehalten, dass schon im Jahr 2005 durch den Unabhängigen Bundesasylsenat festgestellt worden sei, dass verwaiste Kinder und Jugendliche in Afghanistan einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt seien und für solche Kinder und Jugendliche kein staatliches Hilfssystem existiere. Folglich wäre der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr jedenfalls gefährdet, als alleinstehender Minderjähriger ohne familiäre oder anderwertige Unterstützung in Afghanistan in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu geraten, womit eine konkrete Gefahr unmenschlicher und erniedrigender Behandlung bestehen würde.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2014 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm unter Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 18.03.2015 erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubwürdig seien. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde festgehalten, dass die Behörde von einer realen Gefahr einer Bedrohung im Sinne von Artikel 3 EMRK ausgehe, weil der Beschwerdeführer Afghanistan bereits im Kindesalter verlassen habe und dort über kein soziales oder familiäres Netz mehr verfügen würde, weshalb er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine hoffnungslose Lage geraten würde.

6. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes substantiiert entgegengetreten. Darüber hinaus wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Paket, das der Beschwerdeführer "irgendwohin" bringen sollte, wahrscheinlich um einen "illegalen Waren- oder Drogentransport" gehandelt habe, weshalb diesbezüglich auf eine der Beschwerde beigelegte ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07. April 2014 verwiesen werde, wonach der Drogentransport durch jugendliche Afghanen ein weitverbreitetes Problem in Afghanistan sei und bei Nichtausführung, Verrat oder misslungener Ausführung schreckliche Konsequenzen drohen würden. Schlussendlich wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

7. Am 12.05.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsberater teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist bei der Verhandlung nicht erschienen.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass er in der Provinz Ghazni, im Dorf XXXX, geboren worden sei. In welchem Distrikt sich dieses Dorf befinde, wisse er nicht. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht und auch nicht gearbeitet. Im Alter von acht Jahren habe er mit seiner Familie - seinen Eltern, seinen beiden Schwestern und seinem Bruder - Afghanistan wegen des Krieges verlassen und sei in den Iran gereist. In Afghanistan hätte er mit seiner Familie im Heimatdorf in einem gemieteten Haus gelebt. Im Iran hätten sie die meiste Zeit im Dorf XXXX gelebt. Auch dort sei er nicht in die Schule gegangen. Er habe aber einmal vier Monate und ein weiteres Mal zwei bis drei Wochen in einer Tischlerei gearbeitet. Im Alter von 15 Jahren sei er, da er im Iran illegal aufhältig gewesen sei, von der iranischen Polizei aufgegriffen und nach Afghanistan abgeschoben worden, wo er fünf bis sechs Monate verbracht habe. Danach sei er wieder für wenige Wochen in den Iran zurückgereist und von dort über die Türkei und Griechenland nach Österreich gekommen. Er sei vom Iran nach Herat abgeschoben worden. Von dort sei er nach Kabul gegangen, von wo aus er seine Mutter angerufen habe, welche zu ihm gesagt habe, dass er zu einem Nachbarn von früher gehen solle, bis er wieder in den Iran zurückkehren könne. Dieser habe in Ghazni, im Heimatdorf des Beschwerdeführers, gelebt. Der Nachbar habe den Beschwerdeführer dann aus Kabul abgeholt und sei mit ihm ins Heimatdorf gefahren. Dort sei der Beschwerdeführer ungefähr vier bis sechs Monate aufhältig gewesen und habe mit der Familie seines Nachbarn gelebt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass er wieder in den Iran zurückgehen werde, zumal er in Afghanistan niemanden gehabt hätte, der ihn für längere Zeit hätte unterstützen können, da er keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan habe. Seine Mutter habe dem Nachbarn Geld geschickt, damit dieser den Beschwerdeführer versorge. Auf die Frage, ob es ein fluchtauslösendes Ereignis gegeben habe, das ihn bewogen habe, wieder in den Iran zurückzukehren, führte der Beschwerdeführer aus, dass eine Person namens XXXX den Beschwerdeführer gefragt habe, ob er arbeiten wolle. Er habe gesagt, dass er den Beschwerdeführer jemandem vorstellen würde, der ihm eine Arbeit geben könnte. Er habe den Beschwerdeführer dann zu einem Mann gebracht, der mit dem Auto in der Nähe des Basars gekommen sei. Sie hätten sich auf der Straße unterhalten. Dieser Mann habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass er ihm ein Paket geben würde, das er an eine bestimmte Adresse, die er ihm nennen würde, ablegen müsste. Die Vereinbarung sei gewesen, dass er am nächsten Tag dieser Aufgabe nachgehe. Dieser Mann habe dem Beschwerdeführer gedroht, dass er ihn töten werde, wenn er dies nicht tun würde. Der Beschwerdeführer habe dann seinem Nachbarn davon erzählt. Dieser habe zu ihm gesagt, dass er Afghanistan sofort verlassen solle und habe den Beschwerdeführer bereits am nächsten Tag nach Kabul gebracht. Ob dieser Mann den Beschwerdeführer nach der Ausreise gesucht habe, wisse er nicht. Er habe nicht gewusst, was in diesem Paket gewesen sei. Das sei ihm nicht gesagt worden. Der andere Mann habe dem Beschwerdeführer auch nicht die Adresse genannt, wohin er das Paket bringen sollte. Er habe ihm mitgeteilt, dass er ihm "das alles" am nächsten Tag bekannt geben würde. Wieviel er für diesen Auftrag bekommen sollte, habe der Mann nicht gesagt. Er habe lediglich gesagt, dass "ich so viel Geld bekommen werde, wie ich wollte." Auf die Frage, warum er das Paket nicht zugestellt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass die Familie des Nachbarn, nachdem er dieser davon erzählt habe, gesagt habe, dass es sich dabei um etwas Gefährliches handeln könnte und der Beschwerdeführer möglicherweise ausgenützt werden würde. Sie hätten nicht gewollt, dass er diese Arbeit mache. Mit den Behörden in seinem Heimatland habe er keine Probleme gehabt. Auf die Frage, warum er sich nicht an die Behörde gewandt und eine Anzeige bezüglich der Bedrohungen durch diesen Mann erstattet habe, gab der Beschwerdeführer an, dass die Familie, bei der er gelebt habe, zum Beschwerdeführer gesagt habe, dass er nach Hause gehen sollte. Der Nachbar habe seine Mutter angerufen und diese habe zum Beschwerdeführer gesagt, dass er in den Iran zurückkommen solle. Am nächsten Tag habe ihn der Nachbar in der Früh nach Kabul gebracht. Von dort sei er mit dem Bus nach Nimroz gefahren, von wo aus ihn ein Mann in den Iran gebracht habe. Nachdem er wieder in den Iran zurückgereist sei, habe er dort keine Aufenthaltsberechtigungskarte mehr erhalten und da er Angst gehabt habe, neuerlich aufgegriffen und abgeschoben zu werden, habe er nach ca. zwei Wochen den Iran Richtung Europa verlassen. Er habe in Afghanistan keine Probleme auf Grund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Einstellung gehabt. Es habe "nur diesen einen Vorfall" gegeben. Dazu komme, dass er in Afghanistan niemanden habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, da er dort niemanden mehr habe und dort Krieg herrsche. Dort seien "die Taliban, die die Hazara töten" würden. Auf die Frage des Rechtsberaters, ob im Heimatdorf des Beschwerdeführers in Afghanistan nur Hazara oder verschiedene ethnische Gruppen gelebt hätten, gab der Beschwerdeführer an, dass dort nur wenige Hazara gelebt hätten. Die meisten seien geflüchtet. Im Dorf würden viele Paschtunen leben. Wie viele Personen ungefähr im Dorf leben würden, wisse der Beschwerdeführer nicht.

Zu den mit der Ladung zur Verhandlung übermittelten aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan führte der Beschwerdeführer aus, dass er wissen würde, dass die meisten der Hazara, die nach Afghanistan abgeschoben werden würden, durch die Taliban getötet werden würden. Der Rechtsberater des Beschwerdeführers gab zu den Länderfeststellungen eine schriftliche Stellungnahme ab (siehe Beilage ./A).

8. Am 13.06.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsberater sowie ein landeskundlicher Sachverständiger für Afghanistan teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist bei der Verhandlung nicht erschienen.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der landeskundliche Sachverständige von der Richterin ersucht, ein mündliches Gutachten zu folgenden Fragen zu erstellen:

"1. Hat der Beschwerdeführer als Zugehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland (Heimatdorf) Verfolgung zu befürchten? Sollte dies der Fall sein, könnte der Beschwerdeführer diesbezüglich staatlichen Schutz in Anspruch nehmen?

2. Droht dem Beschwerdeführer im Heimatland/Heimatdorf eine mögliche Zwangsrekrutierung durch die Taliban?

3. Würde dem Beschwerdeführer auf Grund seiner (langen) Abwesenheit eine pro-westliche Haltung unterstellt werden? Wenn ja, welche Konsequenzen hätte dies für den Beschwerdeführer?"

Dazu erstattete der Sachverständige folgendes Gutachten:

"Zu 1) Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Angaben des BF zu seiner Herkunft nicht authentisch sind. Der BF kann den Distrikt oder Bezirk, zu dem sein Dorf angehört, nicht einmal annähernd nennen. Die afghanischen Hazara-Flüchtlinge im Iran und in Quetta in Pakistan leben hauptsächlich im Rahmen der afghanischen Flüchtlingsgemeinschaften, die Jahrzehnte sich in diesen Ländern niedergelassen haben. Diese Flüchtlinge sind im regen Kontakt mit ihren Herkunftsregionen in Afghanistan. Es gibt auch einen regen Informationsaustausch unter diesen Flüchtlingen, die auch die heranwachsenden Kinder mitbekommen, sodass solche Jugendlichen wie der BF auf alle Fälle wissen, von welchem Teil Afghanistans, aus welchem Bezirk bzw. Distrikt des Landes sie stammen und sie können auch sagen, in der Nähe von welcher Stadt bzw. Bazar ihre Dörfer liegen. XXXX ist ein Viertel bzw. Bezirk in Kabul, wo hauptsächlich Hazaras wohnen, aber ich kenne, nach meinem bisherigen Wissen, eine selbständige Stadt mit dem Namen XXXX nicht. Daher sind die Informationen des BF zu seiner Herkunft nicht authentisch und ich kann nicht bestätigen, dass er aus Ghazni stammt, aber er ist ein Hazara und seine Staatsangehörigkeit zu Afghanistan hat bereits das BFA festgestellt.

Die Angehörigen der Ethnie der Hazara unterliegen nicht einer Gruppenverfolgung bzw. die Führung dieser Ethnie ist seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 ein Teil der staatlichen Macht mit exekutiven Möglichkeiten. Eine gezielte Gruppenverfolgung gegen diese Ethnie kann auf alle Fälle von der Führung, die auch militärisch ausgerüstet ist, abgewehrt werden. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Hazaras auf den Hauptstraßen, wenn sie sich auf der Reise befinden, von den Taliban entführt bzw. getötet werden. Dieser Vorgang der Taliban ist jedoch nicht nur gegen die Hazaras gerichtet, sondern gegen jeden Afghanen, den die Taliban gerade für einen Feind erklären, unabhängig von der Ethnie. Die Taliban haben am 31. Mai 2000 Personen in Kunduz entführt, die Tadschiken, Usbeken und Paschtunen waren und kaum waren Angehörige der Ethnie der Hazara darunter. Diesbezüglich möchte ich auf mein Gutachten betreffend die Zahl: W119 2012211 vom 17.02.2016 hinweisen.

Zu 2:) Betreffend die Zwangsrekrutierung möchte ich nochmals auf mein oben genanntes schriftliches Gutachten W 119 2012211 vom 17.02.2016 hinweisen und ausführen, dass die Hazara-Gemeinschaften in Afghanistan von den Hazaras selbst geführt und als staatliche Macht verwaltet werden. Die Taliban haben nicht die Möglichkeit, in diesen Gemeinschaften einzudringen und einzelne Personen zwangszurekrutieren. Die Taliban können in diese Gemeinschaft nur eindringen, wenn sie gegen die gesamte Gemeinschaft und die staatliche Macht einen Angriff starten und dort einen Krieg führen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass die Hazara Schiiten sind und es ist mir nicht bekannt, dass die Taliban in ihrer Reihe einzelne Schiiten bzw. Hazaras als Kämpfer unter Zwang mitnehmen.

Zu 3): Seit Beginn des Krieges vor mehr als 36 Jahren haben mehr als 8 Millionen Afghanen Afghanistan verlassen. Davon leben mehr als 1 Million Menschen in Europa und Amerika. Von den 8 Millionen sind nicht alle im Ausland geblieben, aber die Afghanen sind froh, dass ihre Familienmitglieder, vor allem aus wirtschaftlichen und Sicherheitsgründen, sich in sichere Länder begeben. Daher wird der lange Aufenthalt eines Afghanen im europäischen Ausland auf keinen Fall in der afghanischen Gesellschaft negativ aufgenommen. Der lange Aufenthalt eines Afghanen wird in Afghanistan sogar als eine Bereicherung angesehen. Diese obigen Ausführungen beruhen vor allem auf meinen eigenen Wahrnehmungen, die ich während meiner Forschungsreisen nach Afghanistan, zuletzt vom 21. März bis 02. April 2016, gemacht habe."

Nachdem dem Beschwerdeführer das mündlich erstattete Gutachten des Sachverständigen übersetzt wurde, führte der Beschwerdeführer aus, dass er lediglich angeben wolle, dass die Stadt, die in der Nähe seines Dorfes liege, als Basar-e XXXX bezeichnet werde. Andere Städte in der Nähe seines Heimatdorfes in Afghanistan könne er nicht nennen. Der Name der Moschee laute aber XXXX. Diese befinde sich in der Nähe des Hauses des Nachbarn, wo er sich aufgehalten habe. Seine Familie habe ihm nichts über seine geografische Herkunft aus Afghanistan erzählt. Ansonsten wolle er zum Gutachten keine Stellungnahme abgeben. Auf die Frage des Rechtsberaters an den Sachverständigen, ob er das Heimatdorf des Beschwerdeführers kenne oder dieses im Zuge der Recherchen gefunden habe, führte der Sachverständige aus, dass er das Heimatdorf des Beschwerdeführers nicht auf der Landkarte gefunden habe. Er habe aber einen Stadtteil namens XXXX in der Stadt Kabul auf der Landkarte der Stadt Kabul gefunden, die er auch persönlich kenne.

Im Rahmen der Verhandlung ersuchte der Rechtsberater um eine Frist von zehn Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gutachten, welche gewährt wurde.

9. Am 20.06.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Rechtsberaters des Beschwerdeführers zum Sachverständigengutachten vom 13.06.2016 ein. Darin wurde ausgeführt, dass das mündlich erstattete Gutachten nicht die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung formulierten Anforderungen an ein Sachverständigengutachten erfülle. Zum einen seien die Ausführungen des Sachverständigen zur Herkunft des Beschwerdeführers nicht vom Gutachtensauftrag gedeckt. Zum anderen sei nicht erkennbar in Befund und Gutachten differenziert worden, sodass völlig unklar sei, bei welchen der Ausführungen des Sachverständigen es sich um erhobene Tatsachen handeln könnte und bei welchen um von jenem getroffene Schlussfolgerungen oder gar nur subjektive Meinung. Erforderlich wäre es insbesondere gewesen, auf Grund der konkreten Angaben des Beschwerdeführers zu beurteilen, ob es im Umfeld des Beschwerdeführers tatsächlich einen "regen Informationsaustausch" zur geografischen Herkunft seiner Familie gegeben habe. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung am 13.06.2016 jedoch ausgeführt, dass es keinen derartigen Informationsaustausch gegeben habe und seine Familie dem Beschwerdeführer nie etwas über die genauen geografischen Gegebenheiten in seiner ehemaligen Heimatregion erzählt hätte. Der Beschwerdeführer habe aber den Namen der Moschee in seinem ehemaligen Heimatdorf angegeben. Wie der Beschwerdeführer nachvollziehbar angegeben habe, habe sich diese Moschee in der Nähe des Hauses seines Nachbarn befunden und sei der Name der Moschee auf einem Schild gestanden. Dieses Detailwissen sei vom Sachverständigen bei der Feststellung seines Gutachtens nicht berücksichtigt worden. Der pauschale Hinweis des Sachverständigen auf seine eigenen Wahrnehmungen während seiner Forschungsreisen nach Afghanistan sei jedenfalls nicht geeignet, das Gutachten für den Beschwerdeführer nachvollziehbar zu machen. Ein substantiiertes Parteienvorbringen, wie jenes des Beschwerdeführers, könne auch ohne weiteres die Pflicht des Sachverständigen auslösen, seine Darlegungen durch (zusätzliche) Quellen zu belegen. Würde sich das Vorbringen eines Asylwerbers und die Ausführungen des Sachverständigen in den entscheidungswesentlichen/relevanten Punkten nicht - zur Gänze - widerspruchsfrei kombinieren lassen, so bedürfe es konkreter, nachvollziehbarer und fallbezogener Erwägungen des erkennenden Gerichts, denen klar zu entnehmen sei, inwieweit und aus welchen Gründen die Behauptungen zu den geltend gemachten Fluchtgründen als glaubhaft bzw. als nicht glaubhaft erachtet werden würden. Weder ein pauschaler Verweis auf den Inhalt der Verhandlungsschrift noch eine allgemein gehaltene Bezugnahme auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere den aufgenommenen Sachverständigenbeweis, könnten dies ersetzen. Der Beschwerdeführer ersuche daher das Gericht, an konkreten, nachvollziehbaren und fallbezogenen Erwägungen festzustellen, inwieweit und aus welchen Gründen die Behauptungen des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft für glaubhaft bzw. für nicht glaubhaft erachtet werden würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten. Er wurde in der Provinz Ghazni, im Dorf XXXX, geboren und lebte dort mit seinen Eltern, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder. Er hat in Afghanistan weder eine Schule besucht, noch gearbeitet. Im Alter von acht Jahren verließ er mit seiner Familie auf Grund des Krieges Afghanistan und reiste in den Iran, wo er mit seiner Familie im Dorf XXXX lebte. Sein Vater arbeitete als Bauer auf fremden Grundstücken, seine Mutter als Schneiderin. Auch im Iran besuchte der Beschwerdeführer keine Schule. Im Alter von 15 Jahren wurde er von der iranischen Polizei ohne Aufenthaltsdokumente festgenommen und nach Afghanistan abgeschoben, wo er im Heimatdorf bei einem Nachbarn lebte. Wie lange sich der Beschwerdeführer danach in Afghanistan aufgehalten hat, kann nicht festgestellt werden. Anschließend reiste der Beschwerdeführer wieder zu seiner Familie in den Iran, welchen er nach zwei Wochen Richtung Europa verließ, zumal er Angst hatte, wieder nach Afghanistan abgeschoben zu werden.

Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den Behörden in seinem Heimatland. Auch hatte er in Afghanistan keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen (nach seiner Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan) sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

Dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Zwangsrekrutierung drohen könnte, er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara verfolgt werden würde bzw. dass ihm eine "pro-westliche" Haltung unterstellt werden würde, kann nicht festgestellt werden.

Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers leben im Iran; der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben.

1.2. Zur Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Im Zeitraum 1.8.-31.10.2015 verzeichnete die UNO landesweit 6.601 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan. Dies bedeutet eine Steigerung von 19% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2014. 62% dieser Vorfälle fanden in den südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen statt. Im Berichtszeitraum gelang es den Taliban neben Kunduz City weitere 16 Distriktzentren einzunehmen. Deren Großteil befindet sich im Norden (Badakhshan, Baghlan, Faryab, Kunduz, Sar-e Pul und Takhar), im Westen (Faryab) und im Süden (Helmand und Kandahar) des Landes. Den afghanischen Sicherheitskräften war es jedoch möglich bis Ende Oktober 13 Distriktzentren wieder zurückzuerobern (UN GASC 10.12.2015).

Im Zeitraum 1.6.-31.7.2015 registrierte die UNO landesweit 6.096 sicherheitsrelevante Vorfälle, ein Rückgang von 4,6% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die geographische Reichweite des Konfliktes fokussierte sich hauptsächlich auf die nord-östlichen Regionen rund um Kunduz, Badakhshan und Badghis, im Nordwesten auf die Provinz Faryab und im Südosten auf Nangarhar und im Süden auf Helmand. Der Großteil der Vorfälle wurde in den südlichen und östlichen Teilen des Landes registriert. In Kandahar, Nangarhar, Ghazni, Helmand und Kunar wurden 44.5% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle des Berichtszeitraumes registriert (UN GASC 1.9.2015).

Einige Experten haben auf Leistungsverbesserungen der afghanischen Sicherheitskräfte hingewiesen (SCR 9.2015). Ein erhöhtes Operationstempo hat zu einer signifikant höheren Opferzahl unter den afghanischen Sicherheitskräften geführt (+27% im Zeitraum von 1.1. - 15.11.2015 im Vergleich zu 2014) (USDOD 12.2015). Ähnliche Zahlen nennt WP, mit 7.000 getöteten und und 12.000 verletzten Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte (+26% zum Jahr 2014). Im gesamten Jahr 2014 wurde hingegen von 5.000 getöteten afghanischen Polizisten und Soldaten berichtet (SCR 9.2015). Zudem haben die Taliban ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte seit Beginn ihrer jährlichen Frühjahrsoffensive im April 2015 erhöht (BBC 29.6.2015).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast allen Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten. Gleichzeitig haben die Taliban bewiesen, dass sie ländliche Gegenden einnehmen, Schlüsselgebiete bedrohen (z.B. in Helmand) und gleichzeitig high-profile Angriffe in Kabul durchführen können (USDOD 12.2015). Laut Angaben der afghanischen Regierung, kontrollieren die Taliban nur vier der mehr als 400 Bezirke landesweit, aber es ist bekannt, dass diese Zahl stark untertrieben ist. Die afghanische Regierung hat außerdem oftmals nur Kontrolle über die Distriktzentren, aber nicht über die ländlichen Gebiete (The Long War Journal 22.9.2015)

Es gab Vorschläge zur Gründung regierungsfreundlicher Milizen - sogenannter lokaler Verteidigungskräfte - um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Diese existieren angeblich bereits in einer Anzahl von Provinzen (UNGASC 10.12.2015).

Es gibt drei Gründe für das Wiederaufleben der Taliban: Erstens das Ende der US- amerikanischen und NATO-Mission Ende 2014, sowie der Abzug der ausländischen Kräfte aus Afghanistan, hat den militärischen Druck auf die Taliban verringert. Krisen in anderen Teilen der Welt (Syrien, Irak und Ukraine) nährten bei den Taliban die Hoffnungen auf ein Desinteresse der internationalen Gemeinschaft. Wenn Taliban militärische Stützpunkte, Distriktzentren und Check-Points Afghanistans überrennen, erbeuten sie jedes Mal Waffen für den Kampf gegen die afghanische Regierung. Zweitens vertrieb die pakistanische Militäroperation Zarb-e Azb in den Stammesgebieten Nordwaziristans im Juni 2014 tausende Aufständische - hauptsächlich Usbeken, Araber und Pakistanis - die nach Afghanistan

strömten und in den Rängen der Taliban aufstiegen. Die Taliban lenkten ohnehin eine große Anzahl ihrer eigenen Kämpfer von Pakistan aus. Drittens mangelt es den afghanischen Sicherheitskräften an Ausbildung und Ausstattung, vor allem in den Bereichen Luftstreitkräfte und Aufklärung. Außerdem nützen die Taliban interne Machtkämpfe der Kabuler Zentralregierung und deren scheinbare Schwäche in verschiedenen Bereichen in Kabul aus (BBC 5.1.2016).

Rebellengruppen

Durch die Talibanoffensiven in den Provinzen Helmand und Kunduz entsteht der Eindruck, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Hauptbevölkerungszentren nicht kontrollieren können. Dies untergräbt das öffentliche Vertrauen, selbst dann, wenn es afghanischen Sicherheitskräften möglich ist, die Zentren zurückerobern, und überschattet die zahlreichen Erfolge der afghanischen Sicherheitskräfte (USDOD 12.2015).

Militärische Operationen im pakistanischen Nordwaziristan haben hunderte gut ausgebildete ausländische Kämpfer nach Afghanistan abgedrängt, wo sie nun die Taliban und den islamischen Staat unterstützen (WP 27.12.2015; vgl. Pakistan Today 22.12.2015; UN GASC 10.12.2015; Tolonews 21.12.2015).

Doch die Taliban haben auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Nach der Nachricht vom Tod Mullah Omars hat sich die Bewegung zersplittert und Auseinandersetzungen zwischen Talibanführern begünstigen Fortschritte des IS, vor allem im östlichen Afghanistan (DS 6.1.2016).

Taliban und Frühlingsoffensive

Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai - Oktober) spricht man von der "Fighting Season", in der die meist koordinierten, Angriffe von Aufständischen, in Gruppenstärke oder stärker, auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte

"harte Ziele" handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb der "Fighting Season" verlegen kampfwillige Aufständische ihre Aktivtäten in die Städte, da hier die ungünstige Witterung kein Faktor ist (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Die Taliban haben signifikante Verluste zu verzeichnen - abgesehen von der temporären Einnahme der Stadt Kunduz, war es ihnen nicht möglich ihre Hauptstrategie und ihre Operationsziele für die Fighting Season 2015 zu erreichen. Auch in Kunduz war es ihnen nicht möglich, das Territorium für einen längeren Zeitraum zu halten. Während der gesamten Fighting Season bewiesen die Taliban Erfahrung in der Durchführung von Angriffen und Bedrohungen von ländlichen Distrikten und zwangen so die afghanischen Sicherheitskräfte in eine reaktive Position (USDOD 12.2015).

Al-Qaida

Die amerikanischen Behörden gehen von einer Zahl von weniger als 100 Kämpfern der al- Qaida in Afghanistan aus. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al- Qaida angegliedert und in Kunduz aktiv sind (CRS 22.12.2015).

Haqqani-Netzwerk

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Sie ist mit al-Qaida und afghanischen Taliban verbündet, sowie mit anderen terroristischen Organisationen in der Region (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani- Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

Obwohl angenommen wird, dass das Netzwerk der al-Qaida näher steht als den Taliban (CRS 9.10.2014), wurde nach der Meldung vom Tod Mullah Omars, Siraj Haqqani zum stellvertretenden Talibanführer befördert. Dies signalisiert, dass das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin eine wichtige Komponente des Taliban-geführten Aufstandes ist (USDOD 12.2015).

Der Aufstand des Haqqani-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden (DW 17.10.2014).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Die radikal-islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt (CRS 22.12.2015). Er war ein ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014).

Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. (CRS 9.10.2014).

IS/ISIS/ISIL/Daesh - Islamischer Staat

Der Islamische Staat hat seinen Einfluss in Afghanistan seit Mitte des Jahres 2014 erhöht. Es wird berichtet, dass der Führer des Islamischen Staates Abu Bakr al-Baghdadi, Berichten zufolge, unter dem Talibanregime in Kabul gelebt und mit al-Qaida kooperiert hat. Die Präsenz der Gruppe in Afghanistan hat sich Anfang des Jahres 2013 aus mehreren kleinen afghanischen Taliban- und anderen Aufständischenfraktionen herausentwickelt (CRS 22.12.2015). Die Präsenz des islamischen Staates hat sich ausgeweitet, als immer mehr Talibanfraktionen dem IS Treue schworen. So kam es zur Einnahme kleiner Gebiete, hauptsächlich im östlichen Afghanistan, durch den IS (CRS 22.12.2015; vgl. Tolonews 12.7.2015). Ende 2015 gab es Berichte, über finanzielle Hilfe des IS für seinen afghanischen Zweig (CRS 22.12.2015). Ehemalige Kämpfer von al-Qaida, Taliban und Haqqani-Netzwerk steigen in den Rängen des IS auf (Pajhwok 26.5.2015).

Der afghanische Geheimdienst NDS hat eine Spezialeinheit damit beauftragt Razzien gegen den IS durchzuführen (Pajhwok 1.7.2015). Das afghanische Innenministerium konzentriert sich auf bessere Ausbildung und Ausrüstung der nationalen und lokalen Polizei, damit nicht die Notwendigkeit zur Selbstjustiz für Anrainer/innen entsteht (Pajhwok 26.5.2015).

Drogenanbau

Es ist im Jahr 2015 zu einer Reduzierung der Opiumproduktion um

3.300 Tonnen (48%) gekommen (UN News Centre 14.10.2015).

Zivile Opfer

Zwischen 1.1. und 30.6.2015 registrierte UNAMA 4.921 zivile Opfer (1.592 Tote und 3.329 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 6% bei getöteten bzw. von 4% bei verletzten Zivilisten (UNAMA 8.2015).

Konfliktbedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2015 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. UNAMA verzeichnete 1.270 minderjährige Opfer (320 Kinder starben und 950 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 23% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2014. Es gab 559 weibliche Zivilopfer, davon wurden 164 Frauen getötet und 395 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 13% gegenüber 2014 (UNAMA 8.2015). Laut UNAMA waren 70% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 16% regierungsfreundlichen Kräften (15% den ANSF und regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen, sowie 1% den internationalen militärischen Kräften). UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer Unfällen mit Blindgängern zu (8.2015). 3.436 zivile Opfer (1.213 Tote und 2.223 Verletzte) gehen auf Operationen regierungsfeindlicher Elemente zurück. Das bedeutet einen Rückgang von 3% gegenüber 2014. UNAMA verzeichnete einen Anstieg von 78% bei zivilen Opfer aufgrund von komplexen Angriffen und Selbstmordattentaten, sowie einen Anstieg von individuellen Tötungen. UNAMA registrierte ebenso 46% Rückgang an zivilen Opfern in Bodenkämpfen und 21% Rückgang ziviler Opfer aufgrund von IEDs (improvised explosive devices) (UNAMA 8.2015).

Regierungsfreundliche Kräfte - speziell ANSF - waren auch weiterhin Grund für einen Anstieg bei zivilen Opfern im Jahr 2015. UNAMA registrierte hierzu 796 zivile Opfer (234 wurden getötet und 562 verletzt). Dies deutet einen Anstieg von 60% im Vergleich zum Jahr 2014. Der Großteil dieser zivilen Opfer geht auf Bodenkämpfe regierungsfreundlicher Gruppen, bei denen hauptsächlich Explosivwaffen, wie Mörser, Raketen oder Granaten verwendet wurden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 waren regierungsfreundliche Gruppen für mehr zivile Opfer verantwortlich, als regierungsfeindliche Elemente. Im Jahr 2015 haben die ANSF ihre Anzahl von Operationen, die am Boden durchgeführt wurden, signifikant erhöht, um den Regierungsbildungsprozess zu unterstützen und Angriffen regierungsfeindlicher Elemente entgegenzuwirken (UNAMA 8.2015).

Die UNAMA verzeichnete 37% Anstieg bei Entführungen von Zivilisten durch regierungsfeindliche Elemente, und mehr Morde und Körperverletzungen an den Entführungsopfern. Von 76 Entführten Zivilisten wurden im Berichtszeitraum (1.1. - 30.6.2015) 62 getötet und 14 verletzt. UNAMA dokumentierte die Entführung von Zivilist/innen durch regierungsfeindliche Elemente für finanzielle Zwecke, zur Einschüchterung der Bevölkerung und um Zugeständnisse von anderen Parteien im Konflikt zu erhalten, z.B. Geiselaustausch (UNAMA 8.2015).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

In einem Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo wurde im September 2015 berichtet, dass zuverlässige Dokumentation von konfliktbezogener Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen, existiert. Andererseits, konnte nur eingeschränkte Dokumentation zu konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokale Angestellte ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen afghanischer Angestellter der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürgern verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis zu ISAF zurückzuführen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014). Des Weitern bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Job für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Quellen:

Sicherheitslage in Ghazni

Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Ghazni, 705 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Ghazni ist eine der wichtigsten zentralen Provinzen in Afghanistan und laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) die mit der zweithöchsten Bevölkerung. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktyka und Logar im Osten liegen. Zabul liegt zwar südlich, grenzt aber gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz (Pajhwok o.D.a). Die Provinz ist in neunzehn Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Die Haupstadt Ghazni City liegt 145 km südlich von Kabul, auf der Autobahn Kabul - Kandahar (Pajhwok o.D.a). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.228.831 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 19.8.2015; vgl. Tolonews 5.4.2015; UNGASC 1.9.2015). Laut einem Bericht der Vereinten Nationen, wurde ein Großteil sicherheitsrelevanter Vorfälle in den südlichen und östlichen Teilen Afghanistan aufgezeichnet (UNGASC 1.9.2015). Des Weiteren wurde von Tolonews berichtet, dass im März 2015 Ghazni als jene Provinz angesehen wurde, die die höchste Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Monat März zu verzeichnen hatte (Tolonews 5.4.2015).

Eine Anzahl von Selbstmordattentaten, gezielte Tötungen und Entführungen wurde registriert. Dies hat dazu geführt, dass die Sicherheitsatmosphäre auch weiterhin volatil ist. Aber auch den Aufständischen wurde mit einer Anzahl von erfolgreichen militärischen Operationen entgegengetreten. Die internationalen Kräfte (USA und Polen) haben sich im Jahr 2014 aus der Provinz zurückgezogen und die afghanischen Sicherheitskräfte führen die Operationen seitdem eigenständig durch (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).

Religionsfreiheit

80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (The CIA World Factbook 20.10.2015). Es lebt offiziell noch ein Jude in Afghanistan, der sich um die verwaiste Synagoge kümmert (AA 16.11.2015).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 16.11..2015).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 28.4.2015).

Angaben eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul berichtete, dass entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, Hazara keiner gezoelten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach "unislamische" Aktivitäten setzen (USCIRF 30.4.2015).

Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014; vgl. USDOS 14.10.2015; vgl. USDOS 26.5.2015).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, waren sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen war nicht systematisch (USDOS 14.10.2015). Im Mai 2014 zum Beispiel trat Sham Lal Bathija als erster Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada an (RFERL 15.5.2014). Im März übergab er formell diese Position an seinen Nachfolger Dawood Qayomi (Afghan Embassy 18.3.2015). Sham Lal Bathija war bereits in der Vergangenheit als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Quellen:

Schiiten

Etwa 19% der Bevölkerung sind schiitische Muslime und damit die größte religiöse Minderheit des Landes. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an (USCIRF 30.4.2015). Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Während des Untersuchungszeitraumes war es schiitischen Muslim/innen allgemein möglich ihre traditionelle Ashura Feierlichkeiten und Rituale, ohne Hindernisse, öffentlich durchzuführen (USCIRF 30.4.2015; vgl. FH 28.4.2015). Trotzdem ist die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert (USDOS 28.7.2014). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013; vgl. AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015). Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf. Im Jahr 2015 verlief das Aschura-Fest in Afghanistan friedlich (AA 16.11.2015).

Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 14.10.2015). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5% der Bevölkerung aus (USDOS 28.7.2014; vgl. -CRS 12.1.2015). Es gibt wenige Berichte in Bezug auf gezielte Diskriminierung gegen Ismailiten (USDOS 25.6.2015). Auch unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschwerten sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 14.10.2015).

Quellen:

Ethnische Minderheiten

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42%-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.1.2015). wie z.B. Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Balutschen 2% und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.6.2014).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.6.2015).

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.6.2015). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014; vgl. GIZ 10.2015). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert.

Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 2.3.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.6.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015).

Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.1.2015).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

Situation der Hazara in Afghanistan (Gutachten des Sachverständigen Dr. Rasuly vom 17. 2. 2016):

Kurzer Rückblick zu den Hazara bis zum Sturz des Taliban-Regime im Jahre 2001:

Die Hazara wurden bis zum kommunistischen Putsch im Jahre 1978 aus ethnisch-religiösen Gründen stark diskriminiert. Sie durften im afghanischen Staat keine höheren staatlichen Positionen erlangen und waren in der Gesellschaft wegen ihres schiitischen Glaubens und wegen ihrer Ethnie oft Benachteiligungen und Verspottung ausgesetzt. Sie waren als Trägervolk und Dienervolk bekannt und gehörten zur ärmsten Bevölkerungsschicht Afghanistans. Ihre ursprünglichen Heimatregionen in Zentralafghanistan: Bamiyan, Teile der Provinzen Ghazni, Daykundi und Maidan Wardak gehören Großteils zu den schwer zugänglichen und kargen Regionen des Landes. Diese Bedingungen in den Abstammungsregionen der Hazara haben dazu geführt, dass sie im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts aufgrund der Arbeitssuche in Städte wie in Kabul, Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Kunduz usw. zuwanderten und sich dort niederließen. Im 19. Jahrhundert wurden Hazara vom damaligen afghanischen Emir, Abdurrahman Khan, im Zuge dessen Zentralisierungspolitik, schwer verfolgt. Tausende Hazara wurden damals getötet und eine hohe Anzahl von ihnen war gezwungen, ihre Heimatregionen zu verlassen und sich in anderen Regionen Afghanistans niederzulassen, oder ins Ausland zu flüchten, allen voran nach Quetta/Pakistan. Im 20. Jahrhundert wurden sie zwar nicht mehr verfolgt, aber sie wurden weiterhin diskriminiert und ihre Wohngebiete gehörten weiterhin zu den unterentwickeltsten Regionen des Landes. Mehrheitlich arbeiteten sie in den Städten als Träger und Diener und konnten damit ihr Überleben sichern. Viele von Ihnen wurden vor 1965, dem Beginn der Demokratisierungsphase, von den Behörden auch zur Zwangsarbeit

herangezogen. Die Hazara durften im Sicherheitsapparat, im Verteidigungs- und Innenministerium, sowie im Außenministerium keine Karriere machen.

Erst mit der Demokratisierungsphase im Jahre 1964/5 durften die Hazara allmählich am politisch-gesellschaftlichen Prozess teilnehmen und auch Abgeordnete in das demokratische Parlament entsenden und waren im Kabinett mit einem Minister vom Gnaden des Königs vertreten. Die Hazara durften zwar in den Städten Schulen besuchen und auch studieren, aber aufgrund ihrer schlechten Wirtschaftslage war die Zahl der Analphabeten unter ihnen viel höher als bei anderen Ethnien. In den Städten konnte ein kleiner Teil der Hazara Schulen und Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen besuchen. Sie durften hauptsächlich im Bildungs- und Gesundheitsbereich, als Ärzte und Lehrer arbeiten. Bis zum kommunistischen Putsch im Jahre 1978 waren nicht mehr als 7 Prozent der Gesamtbevölkerung Afghanistans alphabetisiert bzw. gebildet.

Die Stellung der Hazara nach dem Putsch der Kommunisten im Jahre 1978:

Die Stellung der Hazara im afghanischen Staat und in der Gesellschaft hat sich nach der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1978 grundlegend geändert. Unter den Kommunisten wurden sie zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans an der politisch-militärischen Macht beteiligt. Sie stellten im kommunistischen Staat das Amt des Ministerpräsidenten und hatten einige Ministerämter inne. Sie waren im Sicherheitsapparat vertreten und die Entwicklungspläne der Kommunisten für das Land umfassten auch die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara, Hazarajat.

Der Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan im Dezember 1979 und die damit verbundene Entstehung der Mujaheddin-Gruppen war ein weiteres Ereignis, das zur Emanzipation der Hazara in Afghanistan maßgebend beigetragen hat. Im Jahre 1980 wurden 7 sunnitische Widerstandsgruppen mit der Unterstützung der Saudi-Arabiens, Pakistans und des Westens, allen voran der USA, in Pakistan gegründet.

Daraufhin wurden im Iran 8 Hazara bzw. schiitische Mujaheddin-Gruppen mit Unterstützung der iranischen Machthaber gegründet. Sie wurden vom iranischen Staat bewaffnet und bekamen auch politische Rückendeckung vom Iran, welche sie befähigte, sich auch am Widerstand gegen die sowjetische Armee zu beteiligen, ohne von den Sunniten zurückgedrängt zu werden. Die Beteiligung der Hazara im kommunistischen Staat und ihre Teilnahme am "Heiligen Krieg" gegen die Sowjets hatten ihnen geholfen, sich zu bewaffnen und allmählich gegen ihre Diskriminierung und Benachteiligungen zur Wehr zu setzen. Im Zuge des "Heiligen Krieges" von 1980 bis 1992 gegen die Kommunisten und die sowjetische Armee und im Zuge des Bürgerkrieges von 1992 bis 1998 haben die Hazara ihre Hauptsiedlungsgebiete in Zentralafghanistan, in Nordwest-Afghanistan und in einigen Bezirken von Kabul vollständig unter ihre Kontrolle gebracht und die Verwaltung dieser Regionen übernommen.

Bürgerkrieg in Afghanistan von 1992 bis 1996 bzw. bis 1998 und die Hazara:

Die Hazara waren am Bürgerkrieg in Kabul, in Mazar-e Sharif, in Ghazni, Bamiyan, Baghlan, in Uurzgan und in Teilen West-Afghanistan bewaffnet beteiligt. Während des Bürgerkrieges konnte die Hezb-e Wahdat, die Partei der Hazara, diese Minderheit militärisch und politisch soweit mobilisieren, dass Hunderttausende Hazara für die Hezb-e Wahdat gegen andere Gruppen, wie Jamiat-e islami, Hezb-e islami und die Taliban kämpften. Als die Taliban im Jahre 1995 Ghazni, ausgenommen Hazara-Gebiete, 1996 in Kabul, 1998 in Mazar-e Sharif und Hazarajat eroberten, unterdrückten sie die Hazara schwer, töteten tausende von ihnen und vertrieben tausende aus den Städten. Die Hazara zogen sich in ihre Hauptsiedlungsgebiete in Hazarajat zurück, als die Taliban im Jahre 1996 Kabul eingenommen hatten und verteidigten ihre Siedlungsgebiete bis zum Jahre 1998. Die Taliban führten einen brutalen Krieg gegen die Hazara und töteten in wenigen Tagen in Mazar-e Sharif im Jahre 1998 mehr als 8000 Hazara.

Im Jahre 1998 haben die Taliban alle Siedlungsgebiete der Hazara erobert. Die Gruppenkonflikte innerhalb der Hazara hatten dazu geführt, dass einige Hazara-Kommandanten mit den Taliban kooperierten und die Taliban bei der Einnahme ihrer eigenen Siedlungsgebiete unterstützten. Zwischen 1995 bis 2001 flüchteten hunderttausende Hazara in die Nachbarländer Iran und Pakistan. Tausende junge Hazara schlossen sich dem Widerstand gegen die Taliban an, der in den Bergen des Hazarajat von der Hezb-e Wahdat weitergeführt wurde.

Die Lage der Hazara seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.

Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, vor allem Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.

Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag, Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.

Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 15 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban gegen die Hazara richten nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tajiken. Bei jeder dieser Aktion erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan - Mazar-e Sharif - Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tajiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind Großteils Tajiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tajiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte, wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert.

Die Taliban sind Anhänger der arabischen Fundamentalisten, allen voran Saudis, die gegen den Iran und damit gegen die Schiiten eingestellt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Taliban ihre Opfer, wenn sie Schiiten sind, zur Schau stellen. Aber sie bringen mehr Paschtunen und Usbeken um, deren Gebiete sie leicht unter ihre Kontrolle bringen können.

In diesen Gebieten kommt es häufig vor, dass die Taliban willkürlich Menschen verfolgen, töten und die Jugendlichen, wenn sie benötigt werden, rekrutieren. Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen.

Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Uzbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. Allerding können diese Jugendlichen nicht mehr in ihre Heimatregion zurückkehren, wenn die Taliban weiterhin dort vorherrschend sind. Zwangsrekrutierung ist nicht weit verbreitet, weil viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen. Auch gibt es Regionen deren Bevölkerung aus Gründen der Paschtunwali - dem Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen - es in "Krisenzeiten" für notwendig erachtet, den Taliban freiwillig Soldaten bereit zu stellen. Die meisten Opfer der Taliban sind von 2013 bis Februar 2016 in den von Paschtunen bewohnten Provinzen, Kandahar, Nangarhar, Kunar, Helmand, Logar, Wardak und in den Provinzen Kunduz, Faryab, Baghlan und Badakhshan zu verzeichnen, wo hauptsächlich Usbeken, Tajiken und Paschtunen wohnen. Die Taliban haben im Oktober 2015 die Stadt Kunduz eingenommen und haben in wenigen Tagen den UNO-Berichten zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Die getöteten Zivilisten waren Tajiken und Usbeken. Derzeit werden die meisten Distrikte von Nangarhar von den Taliban kontrolliert und von ihnen werden immer wieder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. Hierzu möchte ich auf folgende

Internetquellen hinweisen, die diesem Gutachten beigelegt werden:

Beilage 1: Betreffend das Vorgehen der Taliban in Kunduz.

Beilage 2: betreffend den Angriff der Taliban auf den Distrikt Burka in Baghlan.

Beilage 3: Selbstmordanschlag der Taliban in Paktia, Siedlungsgebiet der Paschtunen, während eines Handballspiels der Schüler, bei dem mehr als 50 Schüler sterben.

Beilage 4: Taliban töten gezielt paschtunische Stammesälteste in Helmand.

Beilage 5: Eine Abspaltung von den Taliban tötet mehr als 30 Menschen in Jalalabad in Nangarhar. Jalalabad wird von Paschtunen, Tajiken und Paschais bewohnt.

Beilage 6: Ein weiteres Beispiel der Brutalität der Taliban bzw. des IS in Nangarhar, im Siedlungsgebiet der Paschtunen.

Beilage 7: Taliban töten 30 Hazara-Polizisten, die in Jalrez in Maidan Wardak Dienst versahen.

Beilage 8: Taliban haben 30 Hazara-Zivilisten auf der Reise in die Provinz Zabul entführt und sieben von ihnen geköpft. In diesem Beitrag ist zu lesen, wie die Hazara in Kabul unter der Beteiligung von mehreren hunderttausend Menschen gegen die Brutalität der Taliban demonstrieren.

Beilage 9: durch eine Bombe der Taliban werden dutzenden Menschen in Kapisa, einem Siedlungsgebiet der Tajiken und Paschtunen, getötet.

Beilage 10: Acht Zivilisten werden durch die Explosion einer Bombe in Nangarhar getötet.

Beilage 11: Dutzende Menschen werden 2014 bei einem Selbstmordanschlag der Taliban in Faryab, einer von Usbeken besiedelten Provinz, getötet.

Beilage 12: Bei einem Selbstmordanschlag der Taliban im Juli 2015 werden in Faryab 15 Menschen getötet und 38 verletzt.

Grundversorgung/Wirtschaft

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169 Platz von mehr als 187 (Anm.: darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8.2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit haben die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vgl. IMF 9.6.2015).

Das Wirtschaftswachstum war zum Größtenteil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, welche ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau, wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet. (WB 2015).

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8.2015).

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und einer starken Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8.2015).

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus, , konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachtums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90

%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8.2015).

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8.2015).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8.2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und -verkauf (AA 8.2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8.2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8.2015).

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezeber 2014 bestätigt. Sie begrüßren das Engagement der neuen afghanischen Regierung für macroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 16.11.2015). Ferner, können sich die im Zuge der Recherche gefundenen Informationen, auch widersprechen.

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 16.11.201). Auch hat sich seit dem Jahr 2001 der Zugang zur Grundleistung für die afghanische Bevölkerung in fast allen Bereichen erheblich verbessert: der Deckungsgrad medizinischer Gesundheitsversorgung hat sich von 9% im Jahr 2001 auf 80% im Jahr 2011 erweitert (WB 4.2015). Jedoch fällt diese Grundversorung im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 2.3.2015).

Die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 165 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 97 auf 77 bei 1.000 Lebendgeburten und die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebengebburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Ferner, erhöhte sich die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstaten mit weiblichem Personal (WB 4.2015).

In der letzten Dekade hat das afghanische Gesundheitssystem ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund starker Regierungsführung, einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer, was ferner andeutet, dass die Notwendigkeit besteht, Zugangshindernisse zu Leistungen für Frauen zu beseitigen. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralspiegeldefiziten (WB 4.2015).

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 25.6.2015)

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)]. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die Patient/innen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014). Obwohl Qualitätskontrollmaßnahmen für Medikamente im öffentlichen Gesundheitsvorsorgesystem existieren, ist die Umsetzung laut einem US- amerikanischen Bericht schwach. Der Großteil der verschriebenen Medikamente wird verschrieben und privat verkauft. Auch, so der Bericht weiter, gibt es keine Daten zu Pahrmazisten, die im privaten Sektor arbeiten. Bis zu 300 in Pakistan ansässige Unternehmen produzieren Medikamente, die speziell für den Export nach Afghanistan vorgesehen sind, aber den von für Pakistan vorgeschriebenen Standards nicht entsprechen (IJACMEC 10.2014; vgl. The Guardian 7.1.2015).

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig leiden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn der Patient oder die Patientin kein unterstützendes Familienumfeld hat. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 16.11.2015).

Quellen:

In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwiliigen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insegesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vgl. AA 2.3.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 2.3.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstüzt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig.Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinen familiären und persönlichen Verhältnissen im Herkunftsstaat und im Iran ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 sowie am 13.06.2016.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft aus Ghazni ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt sowie in den mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 und am 13.06.2016. Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der Beschwerdeverhandlungen sowie auch in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt übereinstimmend an, dass er bereits im Alter von acht Jahren mit seiner Familie Afghanistan verlassen habe und seine Familie ihm über seine geografische Herkunft aus Afghanistan nichts erzählt habe, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, wenn er größere Städte im Umkreis seines Heimatortes nicht zu benennen vermochte. In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer auch im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 13.06.2016 nachvollziehbar ausgeführt, dass er zumindest den Namen der Moschee im Heimatdorf angeben könne, zumal sich diese in der Nähe des Hauses seines Nachbarn befunden habe, wo er sich aufgehalten habe, und auf einem Schild der Name der Moschee gestanden sei. Folglich war den Ausführungen des Sachverständigen in seinem mündlich erstatteten Gutachten in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 13.06.2016, wonach die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft nicht authentisch seien, nicht zu folgen.

Dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den Behörden in seinem Heimatland bzw. dort auch keine Probleme auf Grund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit hatte, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016.

Die Fluchtgründe des Beschwerdeführers waren nicht glaubwürdig, zumal die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich waren:

So hat der Beschwerdeführer zu seinem Aufenthalt nach seiner Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.07.2013 ausgeführt, dass er bei seinem Nachbarn sieben bis acht Monate oder länger gelebt habe, während er im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 ausführte, dass er lediglich vier bis sechs Monate bei diesem Nachbarn verbracht habe. Weiters gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Aufenthaltes in Afghanistan im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2012 an, dass er vor eineinhalb Jahren, somit ca. im Mai 2011 vom Iran aus nach Afghanistan abgeschoben worden sei, und sich vor ca. sechs Monaten wieder in den Iran begeben habe, was bedeutet, dass sich der Beschwerdeführer ca. ein Jahr in Afghanistan aufgehalten haben muss. Weitere Widersprüchlichkeiten im Vorbringen des Beschwerdeführers finden sich darin, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.07.2013 vorerst ausgeführt hat, dass man ihm das Paket, welches er an eine ihm unbekannte Adresse bringen sollte, übergeben habe, während er im weiteren Verlauf der Einvernahme dann ausführte, dass ihm dieses Paket doch nicht übergeben worden sei, sondern vorerst nur gezeigt worden sei. Weiters gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt, auf die Frage, wann er zu dem Mann kommen sollte, der ihm das Paket übergeben sollte, an, dass dieser Mann ihm gesagt habe, dass er zu ihm kommen könne, wann immer er wolle und mit niemandem darüber sprechen dürfe. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 hingegen führte der Beschwerdeführer an, dass er mit dem Mann die Vereinbarung getroffen habe, dass er das Paket am nächsten Tag an eine bestimmte Adresse bringen solle. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass dieser Mann dem Beschwerdeführer auch gedroht habe, dass er ihn umbringen werde, wenn er dies nicht tun sollte. Dass der Mann den Beschwerdeführer töten werde, wenn der Beschwerdeführer diese Vereinbarung nicht einhalte, hat der Beschwerdeführer aber im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.07.2013 mit keinem Wort erwähnt. Ein weiterer Widerspruch im Vorbringen des Beschwerdeführers findet sich auch darin, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 angab, dass er nicht gewusst habe, was in dem Paket, dass er an eine bestimmte Adresse bringen sollte, gewesen sei, während er im Rahmen der Beschwerde ausführte, dass er als Drogenkurier missbraucht worden sei.

Nur der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen aus Afghanistan (nach seiner Abschiebung aus dem Iran) auch sehr vage und wenig detailreich waren, weshalb das erkennende Gericht angesichts des widersprüchlichen und nur sehr oberflächlich gehaltenen Vorbringens des Beschwerdeführers in zentralen Punkten unter Einbeziehung des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund und davon ausgeht, dass die angeblichen (fluchtauslösenden) Ereignisse in der vom Beschwerdeführer geschilderten Form in Wahrheit nicht stattgefunden haben.

Dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Zwangsrekrutierung bzw. keine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit drohen würde bzw. ihm auch keine "pro-westliche" Haltung unterstellt werden würde, ergibt sich zum einen aus dem in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.06.2016 erstatteten Sachverständigengutachten sowie aus dem vom 17.02.2016 zu Zahl W119 2012211-1 erstatteten Sachverständigengutachten, auf das der Sachverständige ausdrücklich in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 13.06.2016 hinwies. Zum anderen haben sich weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in den mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 sowie am 13.06.2016 noch aus seinen Angaben im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt Anhaltspunkte ergeben, dass dem Beschwerdeführer bei einer neuerlichen Rückkehr nach Afghanistan diesbezügliche Probleme drohen könnten. Auch war der Beschwerdeführer nach seiner Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan, wo sich der Beschwerdeführer viele Monate aufgehalten hat, keinen diesbezüglichen Problemen ausgesetzt und hat der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 ausdrücklich angegeben, dass er in Afghanistan keine Probleme aufgrund seiner Rasse, Nationalität, Religion, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Einstellung gehabt habe; es habe "nur den einen Vorfall" (gemeint: die Probleme mit einem Mann wegen der Zustellung eines Paketes) gegeben. Warum der Beschwerdeführer bei einer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt sein sollte bzw. ihm eine Zwangsrekrutierung drohen bzw. ihm eine "pro-westliche Haltung" unterstellt werden sollte, ist nicht plausibel und konnte vom Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar dargelegt werden.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zu Afghanistan ergeben sich aus den mit dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsberater im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 erörterten Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinn-gemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/-20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im An-schluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe droht, zumal die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers, wie oben unter Punkt

2.1 ausführlich dargestellt, nicht glaubwürdig waren.

Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara aktuell alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal es auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Hinweise darauf gibt und auch der Sachverständige in seinem Gutachten vom 13.06.2016 bzw. vom 17.02.2016 nicht vor einer diesbezüglichen Gefahr ausgeht.

Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass es notorisches Wissen ist und auch in den Länderfeststellungen dargelegt wird, dass die Hazara nach dem Sturz der Taliban, zu dem sie im Rahmen der Hezb-e Wahdat als Teil der Nordallianz einen nicht unbedeutenden militärischen Beitrag leisteten, im politischen Machtgefüge und im Militär zu den tragenden Säulen des afghanischen Staates zählen. So haben die Hazara im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Angehöriger der Hazara, welcher weitgehende Befehlsbefugnisse hat und derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban befehligt. Auch sind ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten Hazara bzw. Schiiten. Hazara stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Angesichts dieser umfangreichen Verankerung der Hazara in den politischen und militärischen Machtstrukturen des Staates und der Effektivität der Hazara ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen regierungsfeindliche Gruppierungen zu behaupten, kann eine Gruppenverfolgung, die sich gegen die Hazara richten würde, jedenfalls in Siedlungsgebieten der Hazara, trotz woanders noch bestehender gesellschaftlicher Diskriminierung, nicht angenommen werden.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung. Auch ist die im gegenständlichen Fall maßgebende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfrage vor.

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