VwGH 2011/18/0036

VwGH2011/18/003622.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Y, geboren 1965, vertreten durch Dr. Georg Röhsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Juli 2009, Zl. E1/274.318/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 6. Juni 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am 10. Jänner 2002 einen Asylantrag beim Bundesasylamt - Außenstelle Wien eingebracht, welcher im Instanzenzug abgewiesen worden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel verfüge und die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gegeben seien.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG nahm die belangte Behörde darauf Bedacht, dass der Beschwerdeführer keine familiären oder beruflichen Bindungen zum Bundesgebiet geltend mache, er einen Freundeskreis unter seinen Landsleuten in Österreich habe und unbescholten sei.

Vor diesem Hintergrund sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen, welcher sich zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten erweise. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse habe schon die rechtswidrige Einreise des Beschwerdeführers ganz massiv verstoßen, denn schon damals habe ihm klar sein müssen, dass er nicht darauf bauen könne, durch illegale Einreise sowie durch Stellung eines Asylantrages fast drei Jahre nach seiner Einreise einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Darüber hinaus sei auch der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Anschluss an das Asylverfahren zu berücksichtigen.

Das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei in wesentlichen Bereichen zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus hätte bewusst sein müssen. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration während des Asylverfahrens sei in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert, dass dieser Aufenthalt auf Grund des (in der Folge abgewiesenen) Asylantrages lediglich vorläufig berechtigt gewesen sei. Eine Legalisierung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vom Inland aus komme nicht in Betracht. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien, als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 FPG.

Die belangte Behörde sah auch keine Veranlassung, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 1. Oktober 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 maßgeblich sind und sich nachstehende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.

Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen und in der Beschwerde nicht bekämpften Ausführungen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei und der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel im Inland verfüge, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken, zumal auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer über eine andere Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt hätte.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung und macht geltend, die belangte Behörde habe die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1999 nicht berücksichtigt. Den Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der "lediglich vorläufigen" Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, dass § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz habe, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre. Es sei daher der Ansicht der belangten Behörde, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers schon wegen des nicht bloß kurzfristig unrechtmäßigen Aufenthaltes zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei, nicht zu folgen.

Dazu ist auszuführen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 FPG unzulässig ist, eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen ist. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2011, Zl. 2007/18/0864 bis 0865, mwN).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen bzw. eine Ausweisung als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können Ausweisungen ausnahmsweise auch nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011, Zl. 2011/18/0100, mwN).

Der Beschwerdeführer hielt sich im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides seit über elf Jahren im Bundesgebiet auf. Davon war er die ersten zweieinhalb Jahre bis zur Stellung des Asylantrages ohne Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich anwesend. Den danach folgenden Aufenthaltszeiten während des Asylverfahrens kommt grundsätzlich nur ein vermindertes Gewicht zu. Dem angefochtenen Bescheid ist zwar kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Dauer des Asylverfahrens bis zur Berufungsentscheidung am 6. April 2009 auf eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer zurückzuführen wäre, doch durfte er nach der erstinstanzlichen Abweisung des Asylantrages (laut vorgelegtem Verwaltungsakt mit Bescheid vom 23. Juli 2002) jedenfalls nicht mehr von einem gesicherten Aufenthalt in Österreich ausgehen (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011).

Zur Begründung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet vermag er lediglich auf die Gesamtaufenthaltsdauer in Österreich, seine Unbescholtenheit und seinen Freundeskreis zu verweisen. Es bestehen jedenfalls keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich. Unbestritten blieb die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass sich der Beschwerdeführer im Administrativverfahren lediglich auf Freundschaften mit "seinen Landsleuten in Österreich" berief. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung dieses Privatlebens und einer allenfalls damit verbundenen Integration in Österreich erfolgte nicht. Unbekämpft blieb auch die behördliche Annahme im angefochtenen Bescheid, dass dem Beschwerdeführer berufliche Bindungen zum Bundesgebiet fehlen. Deutschkenntnisse wurden niemals behauptet. Von einer sozialen oder beruflichen Integration des Beschwerdeführers in Österreich konnte sohin nicht ausgegangen werden.

Den allein aus der festgestellten Aufenthaltsdauer in Österreich bestehenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er die ersten Jahre seines Aufenthaltes illegal im Bundesgebiet verbrachte und sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig weiterhin im Bundesgebiet aufhält. Dies stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften dar, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011, mwN). Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen stellt sich die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch unter Berücksichtigung seiner Unbescholtenheit nach dem oben Gesagten ungeachtet seiner langen Aufenthaltsdauer letztlich nicht als rechtswidrig dar, kann er doch fallbezogen auf keine seine Integration begründenden Umstände verweisen.

Angesichts dieses Ergebnisses ist der belangten Behörde auch ein Begründungsmangel nicht anzulasten. Welchen zusätzlichen Sachverhalt zu erheben die belangte Behörde unterlassen habe, zeigt die Beschwerde nicht auf, sodass ihr die Relevanzdarstellung fehlt.

Der Beschwerde kommt daher keine Berechtigung zu, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2013

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