BVwG W238 2125691-1

BVwGW238 2125691-113.2.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W238.2125691.1.00

 

Spruch:

W238 2125691-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2016, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.07.2016 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG

2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.12.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu an, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre und sunnitischer Moslem sei. Er stamme aus dem Dorf XXXX in der Provinz Nangarhar. Sein Vater sei vor etwa 1,5 Monaten verstorben. Er habe in seinem Heimatdorf von 2002 bis 2014 die Schule besucht und sei dann als Landarbeiter tätig gewesen. Auch sein jüngerer Bruder arbeite in der Landwirtschaft und versorge nun die Familie. Afghanistan habe er vor etwa einem Monat verlassen. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers wurde bei der Erstbefragung mit XXXX aufgenommen.

Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er vor ca. 1,5 Monaten gemeinsam mit seinem Vater die Felder bewässert habe. Dabei seien bewaffnete vermummte Personen auf sie zugekommen. Sie hätten auf den Beschwerdeführer und seinen Vater geschossen, der zurückgeschossen habe. Sein Vater habe zu ihm gesagt, dass er weglaufen solle. Nachdem der Beschwerdeführer fortgelaufen sei, habe er erfahren, dass sein Vater getötet worden sei. Der Beschwerdeführer habe Angst um sein Leben gehabt und sei nach Europa geflüchtet.

2. Anlässlich der am 15.04.2016 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu durchgeführten Einvernahme vor dem BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, wiederholte der Beschwerdeführer seine Angaben zu Identität, Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Familie, Schulbesuch und zuletzt ausgeübter Tätigkeit. Er gab an, dass seine ganze Familie und entfernte Verwandte in der Provinz Nangarhar leben würden. Die Frage, ob er Verwandte in Kabul habe, verneinte der Beschwerdeführer; er erklärte diesbezüglich weiters, dass er seine Familie nie danach gefragt habe, weil es ihn nicht interessiert habe. Er sei gesund und arbeitsfähig. Die Landwirtschaft seiner Familie werde nun von seinen jüngeren Brüdern betrieben. Er habe bereits Deutschkurse besucht und spreche ein wenig Deutsch.

In Afghanistan sei er nicht politisch tätig oder Mitglied einer Partei gewesen. Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer an, dass die Taliban seinen Vater vor seinen Augen umgebracht hätten. Da er selbst weggelaufen sei, könne er nicht mehr dazu angeben. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass sich der Vorfall ca. fünf Tage vor seiner Ausreise in der Nacht ereignet habe. Bis zu seiner Flucht habe er sich beim Sohn seines Onkels mütterlicherseits versteckt. Der Beschwerdeführer betonte, dass sein Vater keine Waffe gehabt hätte, weshalb dieser auch nicht - wie in der Niederschrift der Erstbefragung festgehalten - zurückgeschossen habe. Er sei in einiger Entfernung zu seinem Vater gestanden, als jemand geschossen habe. Es habe sich um vermummte Personen, vielleicht Kriminelle gehandelt. Als der Beschwerdeführer zu seinem Vater gelaufen sei, habe er zu ihm gesagt, er solle weglaufen. Das habe der Beschwerdeführer gemacht, um nicht getötet zu werden. Auf Nachfrage konnte der Beschwerdeführer nicht sagen, warum die Personen auf seinen Vater geschossen hätten. Er sei nur Zeuge des Attentats auf seinen Vater gewesen, aber nie selbst bedroht worden. Die Angreifer seien sehr weit weg gestanden, sodass er sie nicht erkennen habe können. Der Beschwerdeführer vermutete, dass es Taliban oder Daesh gewesen sein könnten. Die allgemeine Sicherheitslage in Nangarhar sei sehr schlecht. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht nach Kabul geflüchtet sei, weil er kein Geld habe und dort nicht alleine überleben könne; deshalb sei er nach Europa gereist. Eine Rückkehr in seine Heimat bedeute Unsicherheit und die tägliche Konfrontation mit dem Tod.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 16.04.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Afghanistan.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage eines Identitätsdokuments nicht feststehe, aber als Verfahrensidentität angenommen werde. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft, zum Familienstand, zum Gesundheitszustand, zur strafrechtlichen Unbescholtenheit sowie zur Herkunftsprovinz Nangarhar seien glaubhaft. Dass der Beschwerdeführer keine zumindest weitschichtigen Verwandten in Großstädten wie der Hauptstadt Kabul habe, wurde seitens der belangten Behörde für nicht glaubhaft befunden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht einmal danach gefragt habe und angeblich nicht wisse, ob er Verwandte in Kabul habe. Der Beschwerdeführer wolle lediglich Anknüpfungspunkte in seiner Heimat verschleiern, um einer Rücküberstellung nach Kabul zu entgehen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sehr wohl familiäre und freundschaftliche Anknüpfungspunkte in Kabul habe, durch die er Unterstützung erhalten könnte.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen erachtete das BFA ebenfalls für nicht glaubwürdig. Die Schilderung des Beschwerdeführers habe sich als blass, vage und wenig detailliert erwiesen. Auch habe der Beschwerdeführer auf mehrmalige Nachfrage zum fluchtauslösenden Ereignis den Vorfall und die Tage danach nicht nachvollziehbar und plausibel beschreiben können, sondern lediglich oberflächliche Angaben getätigt. Zudem habe der Beschwerdeführer - anders als bei der Erstbefragung - nicht einmal den Grund des Aufenthalts mit seinem Vater auf den Feldern anführen können. Widersprüche seien hinsichtlich der Bewaffnung seines Vaters aufgetreten, da der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegeben habe, dass sein Vater zurückgeschossen hätte, während er bei der Einvernahme vor dem BFA erklärt habe, sein Vater sei nicht bewaffnet gewesen und habe ihn nach dem Schuss auf ihn aufgefordert, den Ort des Vorfalls zu verlassen. Zunächst habe der Beschwerdeführer von Taliban als Angreifer gesprochen, dann aber angeführt, es habe sich vielleicht um Kriminelle gehandelt. Auch den Grund des Angriffs auf seinen Vater habe der Beschwerdeführer nicht schlüssig erklären können. Glaubhaft sei hingegen die Aussage des Beschwerdeführers gewesen, dass er in Europa eine bessere Zukunft suche.

Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann. Er könne in Kabul (oder Mazar-e Sharif) seinen Lebensunterhalt bestreiten, zumal er auf finanzielle Unterstützung seiner Familie zurückgreifen könne. Der Beschwerdeführer sei schon über Jahre hinweg in der Lage gewesen, sich durch Hilfsarbeit in Afghanistan selbst zu versorgen und Unterkunft zu nehmen. Für sunnitische Paschtunen bestehe keine besondere Gefährdungslage. Der Beschwerdeführer könnte somit in Kabul ein zumutbares Leben führen.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Verwandten, gehe keiner Arbeit nach und spreche kaum Deutsch. Er sei illegal in Österreich eingereist und wohne in einer von der Grundversorgung bereitgestellten Unterkunft. Die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinem Privatleben in Österreich seien glaubhaft und nachvollziehbar. Er halte sich erst kurz in Österreich auf, weshalb besondere private Bindungen nicht anzunehmen seien. Auch seien keine Anhaltspunkte für eine besondere Integration in Österreich zutage getreten.

Im Anschluss unterzog die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt unter Bezugnahme auf die einzelnen Spruchpunkte des Bescheides einer rechtlichen Beurteilung.

4. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die am 28.04.2016 fristgerecht erhobene Beschwerde, mit welcher der Bescheid wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung angefochten wurde. Darin gab der Beschwerdeführer an, dass er die Wahrheit angegeben habe und bei seinem bisherigen Vorbringen bleibe. Sein Vater sei getötet worden. Als ältester Sohn hätte er eine Gefahr für Leib und Leben gewärtigen müssen. Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers sei nach wie vor nicht sicher. Die Niederschrift über die Erstbefragung diene zudem nicht dazu, um als Beweismittel hinsichtlich des Fluchtgrundes herangezogen zu werden.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben sowie dem Beschwerdeführer internationalen, jedenfalls aber subsidiären Schutz gewähren. In eventu wurde beantragt, dem BFA die Ergänzung des Verfahrens aufzutragen.

5. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 04.05.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Am 28.07.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und der eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu beigezogen wurde. Die belangte Behörde ist nicht zur Verhandlung erschienen. Die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt. Der unvertretene Beschwerdeführer erklärte auf Nachfrage des erkennenden Gerichtes, dass er den ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellten Rechtsberater vor der Verhandlung nicht kontaktiert habe. Nach Belehrung über das Recht des Beschwerdeführers auf Teilnahme des Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung auf dessen Ersuchen hin sowie über die Möglichkeit der Vertagung der Verhandlung und Ladung des Rechtsberaters für einen anderen Termin verzichtete der Beschwerdeführer ausdrücklich auf die Beiziehung eines Rechtsberaters.

Der Beschwerdeführer wurde sodann eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

Im Zuge der Verhandlung wurden vom erkennenden Gericht auch die Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurden gemeinsam mit der Ladung zahlreiche aktuelle Länderfeststellungen zur Situation in Afghanistan übermittelt. Weitere Erkenntnisquellen wurden dem Beschwerdeführer während der Verhandlung zur Stellungnahme vorgehalten. Dem Beschwerdeführer wurden Kopien der (nicht bereits übermittelten) Länderberichte überreicht. Diesbezüglich wurde ihm eine Frist von drei Wochen für die Erstattung einer Stellungnahme gewährt. Zudem wurde ihm eine Frist von sechs Wochen für die Vorlage seiner Tazkira und einer Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses eingeräumt.

7. Am 11.08.2016 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in der insbesondere Näheres zur Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar sowie in Kabul ausgeführt wurde. Am 16.08.2016 wurden dem Bundesverwaltungsgericht (erneut) die bereits vorliegende Stellungnahme des Beschwerdeführer, eine Tazkira sowie eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Deutsch- und Wertekurs übermittelt.

8. Der belangten Behörde wurde die Stellungnahme des Beschwerdeführers mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2016 zur Kenntnis gebracht und ihr in Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen zwei Wochen dazu zu äußern, wobei auch darum ersucht wurde, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zur korrekten Schreibweise seines Familiennamens sowie zu seinem Alter einzugehen. Das BFA ließ dieses Schreiben unbeantwortet.

9. Über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes wurde eine Übersetzung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente vorgenommen. Aus der Tazkira des Beschwerdeführers geht als Schreibweise seines Namens - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung dargelegt - XXXX hervor. Das Alter des Beschwerdeführers wurde im Jahr 1388 (= 2009) mit 16 Jahren festgelegt. Weiters enthielt die Übersetzung der Dokumente eine vom Beschwerdeführer unaufgefordert vorgelegte, handschriftliche "Bestätigung" hinsichtlich seines Fluchtvorbringens.

10. Die übersetzten Bescheinigungsmittel wurden der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und ihr erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machte das BFA abermals keinen Gebrauch.

11. Am 10.02.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein vom Verein Menschenrechte Österreich übermitteltes, von Deutschlehrern des Beschwerdeführers bzw. dessen Fußballtrainer unterzeichnetes Schreiben vom 16.12.2016 über die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über seine weitere Einvernahme durch die belangte Behörde, des Beschwerdevorbringens, der Länderberichte zur Lage in Afghanistan, der dazu erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers sowie der mündlichen Beschwerdeverhandlung und der im Anschluss daran vorgelegten Bescheinigungsmittel werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zu Person, Fluchtgründen, Rückkehrmöglichkeit und (Privat‑)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem.

Er wurde am XXXX in der Provinz Nangarhar, DistriktXXXX, geboren und hielt sich bis zu seiner Ausreise in seinem Heimatdorf XXXX auf. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan Mitte November 2015 verlassen. Er stellte am 16.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass sein Vater von unbekannten Angreifern erschossen worden sei, als er mit ihm gemeinsam die Felder bewässert habe. Da der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge befürchtet habe, dass auch sein Leben in Gefahr sei, reiste er aus Afghanistan aus.

Dieses Vorbringen konnte er jedoch nicht glaubhaft machen, da es sich bei Gesamtbetrachtung sämtlicher im Verlauf des Verfahrens getätigten Angaben in entscheidenden Punkten als widersprüchlich sowie überdies als nicht schlüssig und plausibel erwiesen hat.

Der Beschwerdeführer war vor seiner Flucht keiner konkreten individuellen Verfolgung - etwa durch Taliban, Daesh oder sonstige kriminelle Personen - ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung ausgesetzt wäre.

1.1.3. Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Heimatdorf zwölf Jahre lang die Schule. Er kann lesen und schreiben. Vor seiner Ausreise war er in der Landwirtschaft tätig und konnte seine Existenz sowie den Lebensunterhalt seiner Familie problemlos sichern. Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, gesund und steht nicht in ärztlicher Behandlung.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Nangarhar geboren und hielt sich bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan dort auf. Die engsten Familienangehörigen des Beschwerdeführers, seine Mutter und Geschwister, leben nach wie vor in der Provinz Nangarhar. Ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers ist mittlerweile in der Provinz Farah für die Nationalarmee tätig. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in der Stadt Jalalabad (Provinz Nangarhar).

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers von unbekannten Angreifern getötet wurde.

Der Beschwerdeführer hält laufend (telefonischen) Kontakt zu seiner Familie. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben unter gesicherten sozialen Verhältnissen und sind keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer ist es zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren und sich in Kabul niederzulassen. Der Beschwerdeführer hat bislang zwar nicht in Kabul gelebt; er verbrachte lediglich auf dem Fluchtweg eine Nacht in Kabul. Es konnte auch nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Angehörige oder Verwandte in Kabul hat. Allerdings sorgt derzeit ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers von der Provinz Farah aus für die übrigen in der Provinz Nangarhar lebenden Familienmitglieder. Der Beschwerdeführer, der vor seiner Ausreise für den Lebensunterhalt seiner Familie gesorgt hat, kann ebenfalls mit finanzieller Hilfe seiner Familie, insbesondere seines Bruders rechnen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. In weiterer Folge ist - wie dargelegt - von einer finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Familie auszugehen.

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet, nicht verlobt, lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer lebt auch sonst mit keiner nahestehenden Person zusammen. Er verfügt über keine freundschaftlichen Kontakte zu österreichischen Privatpersonen. Seine Bindung zu Afghanistan ist - insbesondere auch unter dem Aspekt des Familienlebens - deutlich intensiver als jene zu Österreich. Der Beschwerdeführer möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Asylantragstellung am 16.12.2015 im Bundesgebiet auf. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen in dieser Zeit gibt es keinen Hinweis.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er war in Österreich bisher nicht legal beschäftigt. Er verrichtet in seiner Heimatgemeinde unbezahlte Tätigkeiten (z.B. Flurreinigung). Der Beschwerdeführer besucht einen Deutschkurs. Zum Zeitpunkt der Verhandlung hatte er noch kaum Deutschkenntnisse. Er ist aber bemüht, die deutsche Sprache zu lernen und kann mittlerweile schon lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage in Afghanistan

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht werden insbesondere folgende Quellen zugrunde gelegt:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 21.01.2016 einschließlich integrierte Kurzinformationen (letzte Kurzinformation eingefügt am 19.12.2016);

* Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender (deutsche Fassung), 19.04.2016;

* BFA Staatendokumentation: AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, Juli 2016 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf (Zugriff am 01.08.2016)

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016 einschließlich Kurzinformationen (Stand 19.12.2016):

"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.12.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beinträchtigen aber die Schlagkraft (USDOD 12.2016). Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge, haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch unbeständig. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten herausforderten und versuchten Versorgungsrouten zu unterbrechen (GASC 13.12.2016).

Beispiele für Sicherheitsoperationen

Die afghanischen Sicherheitskräfte vereitelten einen koordinierten Angriff in der Provinz Nangarhar; dabei wurden mindestens 5 Aufständische getötet, sowie 6 weitere verwundet (Khaama Press 18.12.2016). Mindestens 8 IS-Kämpfer wurden bei Luftangriffen in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans getötet (Khaama Press 15.12.2016). Im Rahmen von Militäroperationen durch afghanische Sicherheitskräfte in der Provinz Nangarhar, erlitten ISIS-Aufständische hohe Verluste (Khaama Press 30.11.2016). 5 Taliban, darunter ein lokaler Führer, wurden im Rahmen von Befreiungsoperationen in der Provinz Uruzgan getötet (Xinhua 27.11.2016). Im Oktober verlautbarte Vizepräsident Dostum, die Führung einer riesigen Militäroperation in der Provinz Kunduz, um diese von Aufständischen zu befreien (Tolonews 10.10.2016). Die afghanischen Sicherheitskräfte eroberten dabei Schlüsselbereiche des Distriktes Ghormach von den Taliban wieder zurück: die administrativen Distriktanlagen, das Polizeihauptquartier und den Markt von Ghormach (Khaama Press 21.10.2016).

Berichtszeitraum 16.8.2016 bis 17.11.2016

66% der sicherheitsrelevanten Vorfälle konzentrierte sich landesweit auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. In Einklang mit bisherigen Trends, waren 65% dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Auseinandersetzungen, gefolgt von Vorfällen mit improvisierten Sprengkörpern (18%) (GASC 13.12.2016).

Im Berichtszeitraum zeichneten die Vereinten Nationen landesweit

6.261 sicherheitsrelevante Vorfälle auf; eine Erhöhung von 9% zum Vergleichszeitraum 2015. In den Monaten Jänner bis Oktober war die Anzahl bewaffneter Angriffe um 22 % höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 13.12.2016).

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Zusätzlich wurden im Berichtszeitraum landesweit 88 Entführungen, inklusive 11 Massenentführungen registriert (GASC 13.12.2016). Im Vergleich dazu wurden im Berichtszeitraum davor (20.5. - 15.8.2016) landesweit 109 Entführungen registriert (GASC 7.9.2016).

High-profile Angriffe in Kabul

Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen: einer davon in Kabul auf das Verteidigungsministerium und der zweite Angriff - ein Selbstmordattentat - auf den Bagram Militärflugplatz in der Provinz Parwan (GASC 13.12.2016).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban, kämpften die Taliban mit dem ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den ISIL-KP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des ISIL-KP existiert in Nuristan (GASC 13.12.2016).

KI vom 7.12.2016: Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan (Abschnitt 1/ Relevant für Abschnitt 21. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge)

Eine noch nie da gewesene Zahl an Afghan/Innen hat dieses Jahr - zum Teil fluchtartig - Pakistan verlassen (IRIN 13.9.2016), seit die pakistanische Regierung Ende Juni 2016 den 31. März 2017 als Deadline zur freiwilligen Rückkehr für die in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlinge festlegte. Nach diesem Stichtag würde Pakistan mit der Abschiebung aller [auch der registrierten] afghanischen Flüchtlinge beginnen (IRIN 10.11.2016).

Mit Stand 26.11. bezifferte die UN Nothilfe-Koordinierungsstelle, UN OCHA, die Zahl der in Pakistan registrierten Afghan/Innen, die im Jahr 2016 zurück gekehrt waren, mit 381.094, jene der nicht-registrierten mit 236.724. Davon fielen laut Statistiken auf die Zeitspanne bis Ende Juni 2016 insgesamt nur etwas mehr als 6.000 (UN OCHA 2.12.2016).

Internationalen Medien und Hilfsorganisationen zufolge, ging die Ankündigung der Deadline mit einer breiten Kampagne der Einschüchterung und Belästigung durch die Sicherheitskräfte einher; auch gab es weite Berichte über Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Einfordern von hohen Bestechungsgeldern und anderen Formen der Belästigungen durch die Polizei sowie Abschiebungen (vgl. VOA News 16.10.2016, IRIN 13.9.2016, Newsweek 14.11.2016) - zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen wie neuen Visabestimmungen, kürzeren Verlängerungen der ‚Proof of Registration (POR) Card' und vermehrt durchgeführten Razzien (VOA News 16.10.2016). Aufgrund der gehäuften Razzien wurde es auch zunehmend schwieriger in den bisher üblichen Nischen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (IRIN 23.6.2016). ‚Nicht-registrierte' Flüchtlinge sind in einem noch größeren Ausmaß anfällig Opfer von Übergriffen durch die Behörden zu werden und stehen somit unter einem noch größeren Druck, Pakistan zu verlassen (IRIN 10.11.2016).

UNHCR Vertreter in Pakistan bezeichneten im Oktober die Rückkehr der registrierten afghanischen Flüchtlinge allerdings als ‚Großteils freiwillig' und führten den hohen Anstieg auch auf die ab Juni 2016 erfolgte Verdoppelung der Barzuschüsse von 200 auf 400 Dollar pro Person für die Rückkehr, sowie auf eine neue Rückkehrkampagne der afghanischen Regierung, zurück (VOA News 16.10.2016). Das Rückführungsprogramm des UNHCR, inklusive der genannten Barzuschüsse, zu dem nur die registrierten afghanischen Flüchtlinge berechtigt sind, ist nun für die Winterperiode vom 1.11. bis zum 1.3. ausgesetzt (IRIN 10.11.2016). Nach Angaben des pakistanischen Ministers für die Grenzregionen [‚Minister for States and Frontier Regions'] wurde auch die staatliche Repatriierung der Afghan/Innen von November 2016 bis Februar 2017 ausgesetzt, einem formalen Antrag des UNHCR, der afghanischen Regierung und einiger Oppositionsparteien folgend (IRIN 10.11.2016). Im November ist die Zahl der rückkehrenden registrierten afghanischen Flüchtlinge schließlich stark gesunken (UN OCHA 2.12.2016). Anfang Dezember schließlich meldeten pakistanische Medien, dass die Regierung die Deadline auf den Dezember 2017 verlängert hat (Dawn 2.12.2016).

Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan, eine Million davon sind ‚nicht-registriert'. 2007 hatte Pakistan die Registrierung von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt, allen danach Angekommenen wurde keine ‚Proof of Registration Card' ausgestellt (IRIN 10.11.2016). Ein großer Anteil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan sind Migrant/Innen der zweiten oder dritten Generation, die Afghanistan kaum kennen. Viele der in Pakistan lebenden Afghan/Innen flohen schon in den 80er-Jahren vor den Kämpfen zwischen sowjetischen und afghanischen Truppen (Newsweek 14.11.2016).

91 Prozent der registrierten und 87 Prozent der nicht-registrierten rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge passierten den Grenzübergang Torkham in die afghanische Provinz Nangarhar (UN OCHA 2.12.2016). Doch sieht sich Nangarhar selbst mit den Problemen innerstaatlicher Flüchtlinge konfrontiert aufgrund von Gefechten zwischen Regierungstruppen - unterstützt von alliierten Streitkräften - und den Taliban bzw. des IS (IRIN 13.9.2016). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und UNHCR warnten auch im Zusammenhang mit Binnenflüchtlingen in Afghanistan vor einer schweren humanitären Krise (IOM 9.9.2016). So wurden vom 1.1.2016 bis einschließlich 16.11.2016 insgesamt 511.762 Menschen als Binnenvertriebene in Afghanistan registriert (UN OCHA 27.11.2016). Zusammen mit den aus Pakistan Rückkehrenden wird erwartet, dass unter winterlichen Verhältnissen zu Jahresende rund 1,6 Millionen Afghan/innen in Bewegung sein werden (UN AFGH 16.11.2016). Die UN hat angekündigt, für diesen Notfall 152 Millionen Dollar zu beantragen, da die ursprünglichen Berechnungen von Unterstützungsleistungen an 250.000 Binnenflüchtlinge in Afghanistan ausgingen (IRIN 13.9.2016). Die Zahl der Rückkehrer/Innen aus Pakistan hatte UNHCR für das Jahr 2016, basierend auf Trends der letzten Jahre, auf nur 50.000 geschätzt (Dawn 2.12.2016).

Der afghanischen Regierung wird wiederum vorgeworfen, es verabsäumt zu haben, den rückkehrenden Flüchtlingen ‚angemessene Lebensbedingungen' zu bieten. Der afghanische Minister für Flüchtlinge und Rückführung führte indes an, dass die afghanischen Flüchtlinge von Pakistan als politisches Instrument verwendet werden (TOLO News 25.9.2016). So hatten sich Spannungen zwischen Afghanistan und Pakistan zugespitzt und mündeten im Juni in vermehrten Schusswechsel an der Grenze zwischen Militärs beider Länder (IRIN 23.6.2016). Der Ausbau der afghanisch-indischen Beziehungen trübt zusätzlich die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten (Dawn 24.10.2016).

KI vom 22.11.2016: Anschlag auf Bakir-al-Olum-Moschee in Kabul (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 16/Religionsfreiheit)

Während einer religiösen Zeremonie am schiitischen Feiertag Arbain hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz in der Bakir-al-Olum-Moschee, einer schiitischen Moschee in Kabul, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind am 21.11.2016 mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016).Präsident Aschraf Ghani verurteilte die ‚barbarische' Tat (FAZ 21.11.2016).

KI vom 5.10.2016: Unterzeichnetes Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami (betrifft: Abschnitt 13 Sicherheitslage)

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten Vertreter von Hekmatjars Hezb-i-Islami und der Regierung von Präsident Aschraf Ghani am 22.9.2016 (Die Zeit 22.9.2016), einen provisorischen Friedensvertrag (NZZ 23.9.2016). Danach unterschrieb Präsident Ghani den Vertrag in einer Zeremonie im Präsidentenpalast in Kabul. Hekmatjar war per Video von einem unbekannten Ort aus der Zeremonie zugeschaltet, von wo aus er das Papier ebenfalls unterzeichnete (DW 29.9.2016; vgl. auch: NYT 29.9.2016). Hekmatjar steht als Terrorist noch auf mehreren schwarzen Listen, unter anderem jener der USA (DW 29.9.2016).

Das Abkommen sichert der Hezb-e Islami Immunität für ‚vergangene politische und militärische' Taten zu. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte die Hezb-e Islami in einer Stellungnahme eine Waffenruhe. Die Stellungnahme beinhaltete auch, dass beide Seiten eine Waffenruhe unter diesem Abkommen einzuhalten haben (The Express Tribune 30.9.2016).

Der als ‚Schlächter von Kabul' bekannte Milizenführer, Gulbuddin Hekmatyar, rief ‚alle regierungsfeindlichen Kräfte' dazu auf, mit der Regierung in einen ‚Dialog' zu treten und ihre Ziele ‚mit friedlichen Mitteln weiterzuverfolgen' (DW 29.9.2016; vgl. auch: Die Zeit 22.9.2016). Für den im Exil lebende Hekmatyar ebnet dieser Deal den Weg für ein mögliches potentielles politisches Comeback - trotz seiner mit Kriegsverbrechen behafteten Vergangenheit (The Express Tribune 30.9.2016). Es wird erwartet, dass, sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, Hekmatyar nach 20 Jahren aus dem Exil wieder nach Afghanistan zurückkehren wird. Die Hezb-e Islami steht bei den Vereinten Nationen auf der Liste terroristischer Organisationen. Von den USA wurde Hekmatyar im Jahr 2003 zum ‚internationalen Terroristen' erklärt (NYT 29.9.2016).

Menschenrechtsaktivist/innen kritisieren, dass das Friedensabkommen Hekmatjar Schutz vor Strafverfolgung gewährt. Andere Beobachter/innen werten den Vertrag dagegen als wichtigen Schritt hin zu einer Friedenslösung für Afghanistan. Die vom Westen unterstützte afghanische Regierung versucht seit Jahren, auch einen Frieden mit den Taliban auszuhandeln, die für die meisten Angriffe am Hindukusch verantwortlich sind (DW 29.9.2016).

Hintergrundinformation

Als Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami war Hekmatyar im Widerstand gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans in den achtziger Jahren zu Einfluss gelangt und erhielt, wie andere Kriegsfürsten, dabei auch internationale Unterstützung (USA, Pakistan, Saudi Arabien) (NZZ 23.6.2016; vgl. auch: DW 29.9.2016). Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Kabul wurde Hekmatyar 1993 kurzzeitig sogar afghanischer Ministerpräsident, wechselte im Bürgerkrieg der neunziger Jahre aber die Seiten und belagerte mit seinen Truppen Kabul (NZZ 23.6.2016). Er wird dabei für den Tod Tausender Zivilisten verantwortlich gemacht. Wegen der rücksichtslosen Bombardierung ziviler Wohngebiete und anderer schwerer Verstöße gegen das Kriegsrecht gilt er vielerorts als Kriegsverbrecher (NZZ 23.6.2016; vgl. auch: The Express Tribune 30.9.2016 und DW 29.9.2016). Die UNO und die USA verhängten Sanktionen gegen ihn (NZZ 23.6.2016).

KI vom 19.9.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten mit Hilfe der NATO den verstärkten Aktivitäten der Taliban, aber auch von al-Qaida und Islamischem Staat, standhalten (SCR 1.9.2016). Laut dem Vizechef der NATO-Mission ‚Resolute Support' funktionieren die afghanischen Kräfte, in Einklang mit ihrem offensiven Schlachtplan und positiven Entwicklungen, dieses Jahr besser als letztes Jahr (USDOD 25.8.2016).

Aufgrund intensiver Talibanoperationen war die Sicherheitslage auch weiterhin volatil. Während des Berichtszeitraumes (20.5. - 15.8.2016) konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten der Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen, in dem sie versuchten Bezirksverwaltungszentren einzunehmen und Versorgungsrouten zu unterbrechen. In den Monaten Mai und Juli erhöhte sich die Anzahl der bewaffneten Angriffe um 14,7% im Vergleich zu den drei Monaten davor und war ferner um 24% höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 7.9.2016).

Berichtszeitraum 20.5.2016 bis 15.8.2016

68,1% der landesweiten sicherheitsrelevanten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 268 Mordanschläge registriert, davon sind 40 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Zusätzlich wurden landesweit 109 Entführungen, im Berichtszeitraum registriert. Selbstmordangriffe sind im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 von 26 auf 17 zurückgegangen (GASC 7.9.2016).

Zwischen 20.5. und 15.8.2016 registrierten die Vereinten Nationen landesweit 5.996 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Erhöhung von 4,7% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 und einen Rückgang von 3,6% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2014. In Einklang mit bisherigen Trends, waren bewaffnete Auseinandersetzungen mit 62,6% für einen Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle verantwortlich, gefolgt von Vorfällen mit improvisierten Sprengkörpern, welche 17,3% ausmachten (GASC 7.9.2016).

High-profile Angriffe in Kabul

Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen in Kabul (GASC 7.9.2016; vgl. auch: BBC News 23.7.2016, Reuters 1.8.2016).

Sicherheitsoperationen

Mindestens 27 Taliban, darunter drei lokale Führer der Gruppe, wurden im Rahmen von Befreiungsoperationen in der Provinz Badakhshan getötet. Ebenso wurden 32 weitere Aufständische verwundet und 12 Dörfer von Aufständischen befreit (Khaama Press 3.8.2016).

Mindestens 36 IS-Kämpfer wurden, im Zuge der Militäroperation ‚Qahr Silab' im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans, durch afghanische Sicherheitskräfte getötet (India Live Today 30.7.2016).

Mindestens 300 Anhänger des IS wurden seit Beginn einer weiteren großen Militäroperation im Osten Afghanistans getötet. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte ebenso, dass etwa 100 weitere Anhänger verletzt wurden. Er führte weiter aus, dass die Operationen anhalten (Khaama Press 27.7.2016).

Im Juni führten Sicherheitskräfte Operationen in den Provinzen Nangarhar, Paktika, Ghazni, Kandahar, Uruzgan, Baghlan, Balkh, Jawzjan, Faryab, Kunduz und Helmand durch (BAMF 13.6.2016).

Im Rahmen weiterer Operationen wurden ebenfalls Taliban, darunter hochrangige Mitglieder wie Schattengouverneure (Khaama Press 2.8.2016) und Kommandanten, getötet (Xinhua 19.7.2016; Xinhua 17.8.2016). Auch Anhänger (Khaama Press 27.7.2016) und Anführer des IS (Xinhua 26.7.2016; vgl. auch: GASC 7.9.2016) waren unter den Opfern.

Sicherheitskräfte

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben ihre Luftkapazitäten erweitert (GASC 7.9.2016).

Die derzeit 8.400 US-Soldaten bleiben bis Ende Jänner 2017 im Land. Die NATO-Mission hat gegenwärtig insgesamt eine Truppenstärke von 13.000 Mann (SCR 1.9.2016; vgl. auch: GASC 7.9.2016). Die neuen Einsatzregeln der US-Truppen erlauben mehr direkte Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte, auch werden die Luftangriffe erweitert (GASC 7.9.2016).

Berichten zufolge sind die Verluste der Sicherheitskräfte seit Juni 2016 gestiegen. Zusätzlich ist die Zahl natürlicher Abgänge hoch. Zwar wurden die Rekrutierungsziele erreicht, doch die Quote der Wiederverpflichtungen ist niedrig und muss erhöht werden um Verluste und Desertionen aufzuwiegen (GASC 7.9.2016). Derzeit werden 3.000 - 4.000 Soldaten monatlich ausgebildet (USDOD 11.2.2016).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Regierungsfeindliche Elemente waren für 60% der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 verantwortlich (966 Tote und 2.116 Verletzte). Dies deutet eine Zunahme von 11% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an (UNAMA 7.2016).

Taliban

Nach einem leichten Rückgang während des Ramadans (7.6. - 6.7.2016) nahm die Talibanoffensive nach dem 19.7.2016 wieder Fahrt auf: die Bezirksverwaltungszentren von Khanashin und Sangin in Helmand; Qush Tepa in Jawzjan; Dahanai Ghuri in Baghlan; Dasht-e Archi, Khanabad und Qala-i-Zal in Kunduz und Khwaja Ghar in Takhar konnten kurzfristig erobert werden. Obwohl die nationalen afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte die Kontrolle über die meisten Distriktzentren zurück erobern konnten, waren diese Orte weiterhin signifikantem Druck ausgesetzt - speziell im Süden und Nordosten (GASC 7.9.2016).

Viele der Landgewinne der Taliban dauern zwar nur kurz, da Sicherheitskräfte Gebiete zurückerobern. Dennoch haben die Taliban ihre Kontrolle über die Provinzen ausgeweitet (BAMF 22.8.2016).

Die afghanischen Taliban sind dem ISKP feindlich gesinnt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Es scheint als ob der Einfluss des Islamischen Staates in Afghanistan unter Druck geraten ist. Der IS-Ableger, der sich selbst ‚Islamischer Staat in der Provinz Khorasan' (ISIL-KP) nennt, hat mit signifikanten Territorialverlusten zu kämpfen, was ihn zu einer Änderung der Taktik gezwungen hat. Die Kämpfer waren gezwungen sich auf wenige Distrikte in der östlichen Provinz Nangarhar zu beschränken. Zum anderen sucht die Gruppe nun vornehmlich ‚weiche' Ziele, wie z.B. das Selbstmordattentat auf friedlich demonstrierende Hazara im Juli 2016 in Kabul zeigt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).

Unterstützt von internationalen militärischen Kräften, haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Boden- und Luftoperationen gegen den ISIL-KP in der Provinz Nangarhar verstärkt. Diese Operationen führten zu signifikanten Opfern unter den ISIL-KP Kämpfern, inklusive dem Tod ihres Führers Hafiz Saeed Khan im Juli 2016. Es wurde berichtet, dass manch vertriebener Kämpfer in die Provinz Kunar gegangen ist (GASC 7.9.2016).

KI vom 29.7.2016: 200.000 Repatriierungen aus Pakistan in den letzten sechs Monaten (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehr)

Laut dem afghanischen Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierungen [Ministry of Refugees and Repatriations (MoRR)] hat sich die Zahl der afghanischen Flüchtlinge, die aus Pakistan zurückkehren, stark erhöht (Business Standard 28.7.2016). Innerhalb von vier Tagen sind 10.000 nach Hause zurückgekehrt, während es in den letzten sechs Monaten 200.000 waren (Business Standard 28.7.2016; vgl. Dawn 28.7.2016). Konkret gibt UNHCR an, dass im Zeitraum von 17. - 23. Juli 2016 3.371 Flüchtlinge im Rahmen des freiwilligen Rückkehrprogrammes in ihre Häuser zurückgekehrt sind, während sich die Zahl derer, die seit Jänner zurückgekehrt sind, auf

2.691 Familien bzw. 12.309 Individuen beläuft (Dawn 28.7.2016).

Nach Aussage von Beamten, die mit der Aufgabe der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen aus Khyber Pakhtunkhwa betraut sind, hat diese an Eigendynamik gewonnen, nachdem die Bundesregierung den Aufenthalt der Flüchtlinge bis Dezember 2016 verlängert hat (Dawn 28.7.2016). In einem überraschenden Zug - welcher von geostrategischen Expert/innen als positive Entwicklung gewertet wurde - hat die afghanische Regierung eine nationale Kampagne gestartet, um ihre Bevölkerung von der Rückkehr in die Heimat zu überzeugen. Innerhalb der letzten zwei Dekaden ist dies der erste Versuch der afghanischen Regierung, eine formelle Kampagne zu starten, um die Bürger/innen zu ermutigen, ihr Flüchtlingsleben in Pakistan aufzugeben. Das afghanische Ministerium für Grenzen, Nationen und Stammesangelegenheiten sowie dessen diplomatische Mission in Peshawar haben gemeinsam die Kampagne ‚Khpal Watan' gestartet, die in Pakistan in den Medien ausgestrahlt wurde (Daily Times 18.7.2016).

Ein Beamter gab an, dass die Erhöhung der Bargeldunterstützung von UNHCR ein Hauptfaktor der Flüchtlinge war, um in ihr Heimatland zurückzukehren (Dawn 28.7.2016). Die Bargeldunterstützung für zurückkehrende Flüchtlinge wurde von UNHCR von US$ 200 auf US$ 400 pro Kopf erhöht (Dawn 28.7.2016; vgl. Dawn 1.7.2016). Die Flüchtlinge erhalten Bargeldunterstützung, nachdem sie nach Afghanistan zurückkehrt sind (Dawn 28.7.2016). UNHCR stellt jenen Familien Bargeldhilfe zur Verfügung, die im Besitz legaler Dokumente sind, während das afghanische Flüchtlingsministerium jenen ohne legale Dokumente Unterstützung anbietet (Daily Times 26.7.2016). Ein hochrangiger afghanischer Beamter verlautbarte, dass sich im Durchschnitt derzeit täglich 300 Flüchtlingsfamilien beim freiwilligen Rückkehrzentrum der Vereinten Nationen in Chamkani, Peshawar registrieren würden. Noch vor Juli 2016 waren es durchschnittlich 10 Familien (Dawn 28.7.2016).

KI vom 30.6.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage war geprägt durch anhaltende und intensive bewaffnete Auseinandersetzungen. Die bewaffneten Zusammenstöße sind in den ersten vier Monaten des Jahres 2016, im Gegensatz zum Vergleichszeitraum 2015, um 14% gestiegen. Auch in den einzelnen Monaten ist im Vergleich mit den vorhergegangenen Jahren ein Anstieg zu verzeichnen (GASC 10.6.2016).

Berichtszeitraum 16.2.2016 bis 19.5.2016

Im April 2016 wurde von der höchsten Zahl gewalttätiger Zusammenstöße seit Juni 2014 berichtet. Dennoch ist die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle zurückgegangen. Im Berichtszeitraum wurden 6.122 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert, was einen Rückgang von 3% zum Vergleichszeitraum im Jahr 2015 andeutet. Dies wird hauptsächlich auf einen Reduzierung der Vorfälle zurückgeführt, die IEDs (Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung) beinhalten. Die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen, waren auch weiterhin jene Regionen in welcher die Mehrzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert wurde (68,5%). In Einklang mit den bisherigen Trends waren bewaffnete Konfrontationen die Hauptursache für einen Großteil sicherheitsrelevanter Vorfälle (64%), gefolgt von IEDs (17,4%). Ein Rückgang gezielter Tötungen (163 Tötungen), inklusive fehlgeschlagener Versuche, konnte im Berichtszeitraum verzeichnet werden. Dies machte eine Reduzierung von 37% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres aus. Insgesamt wurde von 15 Selbstmordattentaten - gegenüber 29 im Vergleichszeitraum 2015 - berichtet. High-profile Vorfälle beinhalteten Angriffe auf das indische Konsulat in Jalalabad im März 2016, sowie einen Angriff auf die Residenz des amtierenden NDS-Direktors in Kabul, sowie zwei weitere gezielte Tötungen von hochrangigen Militärkommandanten in den Provinzen Kandahar und Logar durch die Taliban (GASC 10.6.2016).

Militärische Auseinandersetzungen

Es kommt auch weiterhin zu Kampfhandlungen, Überfällen und Anschlägen. Dennoch starteten die afghanischen Sicherheitskräfte Operationen Im Juni 2016 in den Provinzen Nangarhar, Paktika, Ghazni, Kandahar, Uruzgan, Baghlan, Balkh, Jawzjan, Faryab, Kunduz und Helmand (BAMF 13.6.2016).

ANDSF - Afghan National Defence and Security Forces

Ein hochrangiger U.S. amerikanischer Sicherheitsbeamter berichtete, dass die afghanischen Sicherheitskräfte in diesem Jahr erstmals sowohl die Führung als auch die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen hatten. Sie sahen sich mit einem zu allem entschlossenen Feind konfrontiert, der auch weiterhin vehement versucht, die afghanischen Sicherheitskräfte zum Scheitern zu bringen. Dies sei allerdings nicht gelungen. Die Afghanen wären gemäß dem Sicherheitsbeamten äußerst fähige Soldaten, auch wenn sie noch ein wenig Unterstützung benötigen werden, um komplexe operative Fähigkeiten, wie Luftfahrt und Logistik, zu entwickeln. Fakt ist, dass sie unter Beweis gestellt haben, für die Sicherheit des Landes sorgen zu können. Die konventionellen afghanischen Kräfte besteht aus fähigen Soldaten, die in der Lage sind, regelmäßig aufeinander abgestimmte Militäroperationen durchzuführen, ohne dabei auf die Hilfe der Koalitionskräfte zurückzugreifen (USDOD 2.3.2016).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Hezb-e Islami

Es konnten Fortschritte in Richtung eines Friedensprozess mit der Hezb-e Islami Gulbuddin gemacht werden (GASC 10.6.2016). Es wurde berichtet, dass die afghanische Regierung und die Hezb-e Islami einem Entwurf für ein Friedensabkommen zugestimmt haben. In diesem Abkommen enthaltene Bedingungen sind, dass die Regierung den Mitgliedern der Hezb-e Islami Amnestie gewährt und Gespräche mit der UN führt, um die Organisation von der schwarzen Liste zu entfernen (BBC 18.5.2016). Die Organisation wird der Regierung zwar nicht beitreten, soll dennoch als offizielle Partei anerkannt werden und in wichtige politische Entscheidungen eingebunden werden (BBC 18.5.2016; vgl. Reuters 18.5.2016). Der Entwurf beinhaltete außerdem von den afghanischen Behörden Gefangene Mitglieder der Hezb-e Islami frei zu lassen (Reuters 18.5.2016).

IS/ISIS/Daesh

In der Provinz Nangarhar kamen bei Kämpfen zwischen dem IS und afghanischen Sicherheitskräften mehr als 135 Rebellen und mindestens zwölf Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben. Die zweitägigen Kämpfe begannen am 24.6.2016, als Hunderte von IS-Kämpfern einen Posten der Sicherheitskräfte im Distrikt Kot angegriffen (BAMF 27.6.2016).

Taliban

Nachdem im Juni 2015 die ersten Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung (BBC 26.5.2016), sowie ein Monat davor auch weiblichen afghanischen Vertreterinnen in Oslo, Norwegen Gespräche mit den Taliban durchgeführt haben [Nur wenige Informationen über Fortschritte dieser Besprechungen, in die mehrere Frauen involviert waren, wurden öffentlich gemacht] (BBC 6.6.2015), haben weitere Gespräche mit der Bewegung zu keinem Fortschritt geführt (BBC 26.5.2016; vgl. GASC 10.6.2016).

Die Angriffszahlen stiegen nach Beginn der Frühlingsoffensive (‚Operation Omari') der Taliban an. Die Taliban schworen Großangriffe auf ‚feindliche Positionen', gemeinsam mit taktischen Angriffen und gezielten Tötungen auf militärische Kommandanten. Im Gegensatz zu den vorherigen Jahren, bedrohte die Bewegung nicht ausdrücklich zivile Regierungsbeamte. Seit Beginn der Offensive haben die Taliban 36 Angriffe auf administrative Distriktzentren verübt, inklusive eines orchestrierten Vorstoßes auf Kunduz. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte haben einen Großteil dieser Angriffe abgewiesen (GASC 10.6.2016).

Sowohl die afghanische Regierung, als auch Mitglieder der Taliban haben im Mai 2016, den Tod des Taliban-Führers Mullah Mansoor bestätigt, der bei einem Angriff durch Drohnen in der pakistanischen Provinz Belutschistan getötet wurde (The Guardian 22.6.2016). Als Nachfolger wurde sein Vize Mullah Haibatullah Akhundzada, ein prominenter Rechtsgelehrter, nominiert (The Guardian 25.5.2016).

Andere Gruppierungen

Andere bewaffnete Gruppierungen haben eine kleine Präsenz auf afghanischem Territorium, inklusive der IMU (Islamic Movement of Uzbekistan) im Norden und dem ISIL-KP (Islamic State in Iraq and the Levant-Khorasan Province) im Osten. Ferner führten Operationen der ANSDF, unterstützt durch militärische Luftangriffe, zu einer Reduzierung der Präsenz des ISIL-KP in Nangarhar. Die Gruppe war außerdem dem Druck der Taliban ausgesetzt (GASC 10.6.2016).

Drogenanbau

UNODC berichtet in dessen Report, dass der Bruttowert der Opiate in Afghanistan um 45% geschrumpft ist, aber weiterhin 7% des BIP (im Gegensatz zu 13% im Jahr 2014) ausmacht. Diese signifikante Schrumpfung ist auf eine substantielle Reduzierung der Opiumkultivierung und -produktion, sowie einem Rückgang des durchschnittlichen Ab-Hof-Preises für getrocknetes Opium im Jahr 2015, zurückzuführen (GASC 10.6.2016).

Beispielweise bauen 800 Bauern im Rahmen eines Projektes der Welthungerhilfe in drei Bezirken der Provinz Nangarhar schon seit Jahren Rosen statt Opium an - ein Versuch, der größten Opiummaschinerie der Welt Einhalt zu gebieten. Rund 3.000 Tonnen Blüten werden von den Bauern zur Destille gebracht. Im Schnitt ergibt das 100 Liter Rosenöl und - weil das kostbar ist - für die Bauern jährlich 500 bis 1.000 Dollar. Das Projekt, erdacht schon 2004 von der Welthungerhilfe und seit 2015 weitgehend in afghanischer Hand, ist eines der wenigen Opiumersatz-Projekte, die überlebt haben. Viele andere sind - oft wegen naiver und viel zu ungeduldiger Planung - gescheitert (Kleine Zeitung 26.6.2016; vgl. Welthungerhilfe o.D.).

KI vom 5.4.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q1.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Zivile Opfer im Jahr 2015

Im Berichtszeitraum des Jahres 2015 (1.1. bis 31.12.2015) gab die UNAMA an, dass der Konflikt in Afghanistan Ursache für Schaden an der Zivilbevölkerung war und gab weiter an, dass dies die höchste Zahl ziviler Opfer seit Dokumentationsbeginn im Jahr 2009 durch die UNAMA beinhaltete. Die Zahl ziviler Tote und Verletze stieg aufgrund des Konfliktes im Gegensatz zum Jahr 2014 um 4% an. Im Berichtszeitraum dokumentierte die UNAMA 11.002 zivile Opfer (3.545 Tote und 7.457 Verletzte), was einen Rückgang von 4% bei den zivilen Toten andeutet und einen Anstieg von 9% bei den verletzten Zivilisten (UNAMA 2.2.2016).

Zwischen 1.1. und 31.12.2015 registrierte die UNAMA 6.859 zivile Opfer (2.315 Tote und 4.544 Verletzte) durch Operationen und Angriffe regierungsfeindlicher Elemente - dies deutet im Vergleich zum Jahr 2014 einen Rückgang von 10% an (UNAMA 2.2016).

Bodenoffensiven zwischen den Konfliktparteien waren Ursache für die höchste Zahl ziviler Opfer (Tote und Verletzte), gefolgt von IEDs, Selbstmordattentaten und komplexen Angriffen. Bodenoffensiven töten die meisten Zivilisten gefolgt von gezielten und vorsätzlichen Tötungen (UNAMA 2.2.016).

Allgemein ist der Anstieg ziviler Opfer im Jahr 2015 zum Großteil auf einen Anstieg komplexer Angriffe und Selbstmordattentate, sowie gezielter und vorsätzlicher Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zurückzuführen, sowie eine erhöhte Anzahl ziviler Opfer wurde durch regierungsfreundliche Kräfte im Rahmen von Bodenoffensiven und Luftangriffen verursacht, während eine erhöhte Zahl von Zivilisten ins Kreuzfeuer zwischen den Konfliktparteien geriet - besonders erwähnenswert ist hier die Provinz Kunduz (UNAMA 2.2016).

Im Jahr 2015 wurden 70% sicherheitsrelevanter Vorfälle in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert. Ghazni, Helmand, Kandahar, Kunar und Nangarhar zählten zu den volatilsten Provinzen, in denen 49% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert wurden. Bewaffnete Zusammenstöße und IEDs waren für 79% aller Vorfälle verantwortlich und deuten damit einen Anstieg von 3% im Gegensatz zum Jahr 2014 an. Überdies deutet dies ein allgemein höheres Niveau der Aufständischenaktivitäten im Jahr 2015 an. Trotz der Ansage der Taliban ihre Frühjahrsoffensive am 24.4.2015 zu starten, gab es keine deutliche Veränderung ihrer Angriffsmuster während des Frühjahrs. Im Gegensatz zu den vorangegangen Jahren wurde das Kämpfen im Jahr 2015 unvermindert weitergeführt (UN GASC 7.3.2016).

Berichtszeitraum 1.12.2015 bis 15.2.2016

Militärische Auseinandersetzungen

Nach Angaben der UN gab es zwischen dem 1.12.2015 und dem 15.2.2016 landesweit 4.014 sicherheitsrelevante Vorfälle und damit 8,3 % weniger als in den Vergleichszeiträumen der Jahre 2014 und 2015. Allerdings weisen im Vergleichszeitraum die Monate Januar und Februar 2015 die höchsten Zahlen seit 2001 auf. Bei über der Hälfte der Vorfälle handelte es sich um bewaffnete Zusammenstöße, 19,2 % waren Bombenanschläge. Weiterhin wurden 154 gezielte Tötungen (einschließlich Versuchen) registriert, 27 % weniger als in den Vergleichszeiträumen 2014 und 2015. Mit 20 Selbstmordanschlägen kam es zu zehn weniger als in den Vorjahresvergleichszeiträumen (BAMF 4.4.2016; vgl. UN GASC 7.3.2016).

Die AFDSF führten Räumungsoperationen in den Provinzen Baghlan, Kunduz und Nangarhar durch. Trotz dieser Operationen blieb die Sicherheitslage in den nord-östlichen Regionen volatil - speziell in der Gegend rund um Kunduz, in welcher regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin eine Präsenz in der Nähe zu Kunduz City beibehielten (UN GASC 7.3.2016).

In den vergangenen Wochen gab es bewaffnete Auseinandersetzungen, Luft- und Raketenangriffe, Razzien etc. u.a. in den südlichen Provinzen Helmand, Uruzgan (dort sollen tausende Familien ihre Heimatorte verlassen haben), den nördlichen Provinzen Baghlan, Faryab, Balkh, Jawzjan, der nordöstlichen Provinz Kunduz, den östlichen Provinzen Nangarhar, Kunar, Nuristan, Laghman, den westlichen Provinzen Farah, Herat, Badghis, der zentralen Provinz Kapisa, den südöstlichen Provinzen Ghazni und Paktia (BAMF 4.4.2016).

Taliban

Die Taliban kündigten, im Rahmen der alljährlichen Frühjahrsoffensive Operationen zur Eroberung großer Städte an (BAMF 4.4.2016; vgl. Der Spiegel 23.3.2016). Bisher konnten sie lediglich Kunduz (im September 2015) kurzzeitig erobern (BAMF 4.4.2016; vgl. UN GASC 10.12.2016).

Kommentar

Bei Afghanistan handelt es sich um ein Land, das mit 34 Provinzen eine enorme Ausdehnung einnimmt und dessen Bevölkerung auf fast 32 Millionen geschätzt wird. Die Komplexität der allgemeinen Lage wie auch speziell der Sicherheitslage ist differenziert zu betrachten und erfordert eine differenzierte Aufarbeitung.

KI vom 29.3.2016: Verkehrsrouten in Afghanistan (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen, wurden mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen 3.600 km regionaler Autobahnen, die ‚Ring Road', Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf weitere Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016).

Ring Road

Straßen wie der ‚Highway 1' auch bekannt als ‚Ring Road', die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanischen Ring Road verbindet die fünf Hauptstädte des Landes miteinander: Herat, Kabul, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014), der 16 der Provinzen durch 3.360 km miteinander verbindet (PRI 18.10.2013).

Autobahnabschnitt Kabul - Kandahar

Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015; vgl. AlJazeera 14.10.2015). Der Kandahar - Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die ProvinzZabul nach Ghazni (ISW o. D.). Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von Ghazni (Global Security o. D.a.) Ein Fahrer der Kabul-Kandahar Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von Kandahar bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pajhwok 18.3.2015).

Autobahnabschnitt Kandahar-Herat

Von Kandahar verläuft die afghanische Ring Road weiter in den Westen nach Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz (ISW o.D.). Ein Teil verbindet aber auch die Provinzhauptstadt Lashkar Gah in Helmand mit der angrenzenden Provinz Kandahar (Xinhua 1.11.2015; UPI 1.11.2015; vgl. Khaama Press 23.1.2016).

Autobahnabschnitt Herat - Kabul

Es gibt eine große kreisförmige Autobahn, die Herat mit Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul verbindet (Herat City o.D.; vgl. PRI 18.10.2013)

Straßennetz

Salang Tunnel/Salang Korridor

Der Salang Tunnel ist dringend renovierungsbedürftig. Er gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges, welches im Jahr 1964 durch die Sowjets eröffnet wurde (WSJ 2.10.2014). Der Tunnel selbst ist 2,6 km lang, mit 21 Lawinengalerien und weiteren 83 km enger, kurviger und zweispuriger Straße durch den Hindu Kush Pass (USAID 14.12.2015). Mehr als 6.000 Fahrzeuge fahren täglich durch den Salang Tunnel, eine Straße, die ursprünglich für 1.000 Fahrzeuge konzipiert war (WSJ 2.10.2014). Im Rahmen von USAID sollen diverse Projekte zur Instandhaltung der Straßenverbesserungen fortgeführt werden (USAID 14.12.2015).

Die Wichtigkeit des Salang Tunnels wird auch durch den Aspekt unterstrichen, dass fast 100% der Waren aus dem Norden durch diesen Tunnel nach Kabul gelangen. Ebenso wird der Tunnel von den Afghanen als physische Verbindungen zwischen dem Norden und Süden gesehen, aber auch als Symbol der Einheit zwischen den Stämmen, die im Norden angesiedelt sind und den pashtunischen im Süden (USAID 5.2014).

Bamyan Verbindung

Im Norden von Kabul beginnt eine Straße durch den Ghorband Distrikt. An vielen Orten ist die Straße in einem schlechten Zustand mit Schlaglöchern. In der Vergangenheit gab es einige Talibanangriffe, aber auch Überfälle durch Diebe und Kidnapper (Der Spiegel 30.9.2014).

Eine weitere Möglichkeit um nach Bamyan zu gelangen ist die Straße, die in Maidan Shahr, 30 km südwestlich von Kabul, beginnt. Mit Stand September 2014 ist das neue Projekt noch in Bearbeitung. Ziel des Projektes ist es eine Schnellstraße zu errichten. Sobald diese Straße fertig gestellt ist, soll die Strecke Kabul-Bamyan in drei Stunden Autofahrt absolviert werden können (Der Spiegel 30.9.2014).

Autobahnabschnitt Gardez - Khost (NH08)

Die Gardez-Khost Autobahn ist eine 101,2 km lange Straße (USAID 30.4.2015; vgl. Pajhwok 15.12.2015), die neun Meter breit ist. Diese verbindet die Provinzhauptstadt Gardez, der Provinz Paktia, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (Pajhwok 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit der Ghulam Khan Autobahn in Pakistan, die auch als G-K Highway bezeichnet wird (USAID 30.4.2015; vgl. Pajhwok 15.12.2015). Die sogenannte G-K Straße geht durch Afghanistans schwierigste, entferntesten und von Gewalt geprägte Gegenden Afghanistans. Im Rahmen von USAID wurden einige Projekte initiiert: Das Hauptziel dieser Projekte ist es wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Vorteile für die Bevölkerung der Provinzen Paktia und Khost sicherzustellen. Sobald die Arbeiten an der Straße fertiggestellt sind, soll es bis zu 7.000 Fahrzeugen täglich möglich sein diese Straße zu befahren (USAID 30.4.2015).

Mitte Dezember 2015 wurde die sanierte Gardez-Khost Autobahn eröffnet. Unterschiedliche Firmen waren an dieser Sanierung beteiligt, unter anderem auch ein afghanisches Unternehmen. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (Pajhwok 15.12.2015).

Autobahnabschnitt Jalalabad - Peshawar/Torkham-Autobahn

Die Torkham- Autobahn ist eine der vielbefahrensten Straßen Afghanistans. Täglich benutzen mehr als 2 Millionen Menschen, aber auch tausende Transportwägen, Lastwägen sowie private und kommerzielle Fahrzeuge, die 75 km lange Autobahn, voller Schlaglöcher, von Jalalabad nach Peshawar (Afghanistan Today 2.12.2014).

Grand Trunk Road

Die Grand Trunk Road, auch bekannt als G.T. Road, ist die älteste, längste und bekannteste Autobahn des indischen Subkontinentes. Diese ist etwa 2414 km lang (1.500 Meilen) (Global Security o.D.; vgl. NYT 3.7.2014), beginnt in Kabul und endet in Kalkutta (Global Security o. D.).

Autobahnabschnitt Pakistan-Afghanistan /Pak-Afghan

Die Straße wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und südasiatische Länder verwendet. Die sogenannte Pak-Afghan Autobahn ist bekannt für herrliche Ausblicke und den Khyber Pass (The Express Tribune 7.3.2016).

Khyber Pass

Der Khyber Pass bildet eine 32 km lange Strecke zwischen den Safed Koh Bergen (einem Teil des größeren Hindu Kush) zwischen Afghanistan und Pakistan (National Geographic o.D.; vgl. Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2004). Der Khyber Pass beginnt etwa 16 km (10 Meilen) außerhalb der pakistanischen Stadt Peshawar und endet an der afghanischen Grenze bei Torkham (Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2004).

Verkehrswesen

Das Verkehrswesen in Afghanistan ist eigentlich recht gut. Es gibt einige angemessene Busverbindungen in die wichtigsten Großstädte. Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit. Busverbindungen existieren auf der Kabul/Herat Straße nach Kandahar; Ausländern ist es nicht erlaubt in den Bus einzusteigen. Es gibt aber Ausnahmen - in der Verbindung Mazar-e Sharif nach Kabul, war es erlaubt ohne das Fragen gestellt wurden. In den Provinzen Balkh, Samangan und Panjshir konnte ein Taxi gemietet werden. Die Taximietung ist eine gute Option da man sein Fahrziel frei wählen kann und die Fahrer wissen, wie man es sicher erreichen kann. Gleichzeitig ist es auch relativ kostengünstig (Uncharted Backpacker 3.2016).

Beispiele für Taxiverbindungen

Kabul

In Kabul gibt es mehr als 40.000 Taxis. Der Fahrpreis wird noch vor dem Einsteigen mit dem Fahrer ausverhandelt (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.). Bis zu 80% der Taxis in Kabul sind Toyota Corolla (Khaama Press 29.11.2013). Potentiellen Fahrgästen wird nahegelegt nach einem ‚grauen 2002' oder einem ‚braunen 2007' Corolla Ausschau zu halten. Obwohl in Afghanistan ein Rechtsfahrgebot herrscht, existieren viele Corollas mit einer Rechtslenkung (News Australia 21.6.2013).

Mazar-e Sharif & Herat

Private Taxis stehen hier so wie in der Hauptstadt Kabul ebenso zur Verfügung, aber zu höheren Preisen (BAMF 10.2014).

Kandahar

Taxiverbindungen existieren in Kandahar. In den anderen Gebieten der südlichen Regionen existieren private Fahrzeuge bzw. informelle Taxis. Die Kosten hängen von der Größe/Type des Fahrzeuges und der Destination ab (BAMF 10.2014).

Parwan

Es existieren Taxiverbindungen, aber auch Verbindungen durch Minivans und Motorräder (UNHCR o.D.)

Beispiele für Busverbindungen

Kabul

In Kabul stehen viele Busse für innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten ‚Afghan Milli Bus Enterprise', dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

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Mazar-e Sharif & Herat

Öffentliche Busse verkehren für AFA 2 - 5 bis an den Stadtrand. Private Busse stehen ebenso zur Verfügung, allerdings zu höheren Preisen (BAMF 10.2014).

Nimroz

Es existieren Busstationen in der Provinz (NYT 18.10.2012).

Ahmad Shah Abdali Bus Service

Laut einem offiziellen Vertreter ist dies das größte Busunternehmen in Afghanistan. Die Busse dieser Firma transportieren Passagiere von Kandahar nach Kabul, Helmand, Nimroz, Herat und andere Provinzen. In den letzten Jahren fuhren 60-80 Bussen innerhalb von 24 Stunden zwischen Kandahar und Kabul, aber die Zahl ist auf 20 bis 30 täglich zurückgegangen. Die Straße ist in schlechtem Zustand und die Brücken auf dieser Strecke wurden zerstört. Überfälle und Belästigungen von Passiergeren durch Aufständische sind gestiegen, besonders im Bereich des unsichersten Teils dieser Strecke in der Provinz Ghazni. Der Verkehr wird nur in Kandahar kontrolliert. Laut diesem Vertreter wird der Verkehr sonst nirgends kontrolliert, sodass häufig Unfälle vorkommen (Pajhwok 18.3.2015).

Beispiele für Motordreirad/ Tuk Tuk/ Rikscha-Verbindungen

Häufig werden Tuk-tuks, auch Zarang genannt in Afghanistan verwendet (Olivier Chassot 17.4.2014), entweder als Taxi oder um Materialien zu transportieren (Olivier Chassot 17.4.2014; vgl. Jami Herat 10.12.2014), wie zum Beispiel in den folgenden Provinzen:

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Unter anderem werden Rikschas in den Provinzen Bamyan (Pajhwok 11.5.2015) und Khost (U.S. Army 24.7.2010) als Krankenwagen verwendet (Pajhwok 11.5.2015; vgl. U.S. Army 24.7.2010).

In Afghanistan werden Rikschas auch von Afghaninnen als Transportmittel verwendet (UN News Centre 3.10.2012; vgl. AFP 5.4.2014; RTE 5.4.2014; Indranil Mukherjee 2005)

Flugverbindungen

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die keine asphaltierten Landebahnen haben (The World Factbook 25.2.2016).

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh eröffnet (Pajhwok 9.6.2013).

Internationaler Flughafen Kandahar

Der internationale Flughafen Kandahar hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge. Laut einem offiziellen Vertreter des Flughafens ist sowohl die externe als auch interne Sicherheit des Flughafens zufriedenstellend und der Flughafen sicherer als andere Flughäfen im Land. Der Flughafen ist Ziel nationaler Flüge sowie auch internationaler z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten. Hinkünftig sollen auch Flüge der Turkish Airline den Flughafen Kandahar anfliegen, nachdem auch die Türkei ein Konsulat in dieser Provinz eröffnet hat. Ferner hat die in Bahrain ansässige Firma DHL Express damit begonnen Frachtflüge zum Flughafen Kandahar durchzuführen. Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbase für einen Teil des afghanischen Heers ist ebenso dort, wie andere Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015).

Internationaler Flughafen Herat

Im Jahr 2012 wurde der neue Terminal des Herat internationalen Flughafens eröffnet (Pajhwok 13.2.2012; vgl. DW 10.4.2013).

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Helikopter

Im Jahre 2010 wird von 11 Hubschrauberlandeplätzen - behördlich genehmigten Landeplätzen für Hubschrauber (Heliport oder Helipad) - die in Afghanistan existieren, gesprochen (Lexas 20.12.2010), während es im Jahr 2013 nur noch 9 Hubschrauberlandeplätze waren (The World Factbook 25.2.2016).

Zugverbindungen

Das afghanische Straßennetzwerk ist sehr verkehrsreich - der Transport einer großen Menge von Wirtschaftsgütern und eine große Menge von Passagieren durch eben dieses Straßennetzwerk, haben zu großen Herausforderungen für die Straßeninfrastruktur und deren Aufrechterhaltung geführt (AFRA o.D.).

Im März 2016 verlautbarte das Ministerium für öffentliche Bauarbeiten Vorgespräche zwischen den drei Ländern Afghanistan, Iran und Indien bezüglich des Aufbaus von Zugverbindungen zwischen dem iranischen Hafen Chabahar in die westliche Provinz Herat (Tolonews 14.3.2016; vgl. Khaama Press 14.3.2016). Es wird erwartet, dass Afghanistan einen Meereszugang durch den strategischen Chabahar Hafen im Iran bis Ende nächsten Jahres erhält. Die Arbeiten am Hafen wurden diesbezüglich bereits aufgenommen. Der Hafen wird Afghanistan Zugang zu der Garland Autobahn gewähren (Khaama Press 14.3.2016), und zwar über das existierende iranische Straßennetzwerk und die Zaranj-Delaram Straße, welche von Indien im Jahr 2009 errichtet wurde (Khaama Press 14.3.2016; vgl. ISW o.D.). Dies bedeutet folglich einen direkten Zugang zu den vier bedeutendsten Städten in Afghanistan, nämlich Herat, Kandahar, Kabul und Mazar-e Sharif (Khaama Press 14.3.2016).

Beispiel für int. Zugverbindungen nach Afghanistan

Nach Testläufen wurde im August 2011 die erste Zugverbindung zwischen - dem an der afghanischen Grenze gelegenen - Hairatan in Usbekistan nach Mazar-e Sharif aufgenommen. Die Strecke beträgt 75 Kilometer (Railway Technology o.D.; vgl. IPS News 27.3.2015).

Politische Lage

Verfassung

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.) und auf der Verfassung aus dem Jahr 1964 basiert. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Afghanistans Präsident und CEO

Am 29. September 2014 wurde Ashraf Ghani als Präsident Afghanistans vereidigt (CRS 12.1.2015). Nach monatelangem Streit hatten sich Ghani und Abdullah auf eine gemeinsame Einheitsregierung geeinigt. Das Abkommen sieht vor, dass für den Zweitplatzierten bei der Wahl der Posten eines bislang nicht vorgesehenen Ministerpräsidenten geschaffen wird (FAZ 15.6.2014). Abdullah, der Verlierer der Präsidentschaftswahl, bekam den Posten des Geschäftsführers der Regierung bzw. ‚Chief Executive Officer' (CEO) der Regierung (CRS 12.1.2015). Diese per Präsidialdekret eingeführte Position weist Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers auf (AA 8 .2015). Der CEO fungiert quasi als Premierminister, auch wenn eine Verfassungsänderung zur formalen Schaffung des Postens des Premierministers noch ausständig ist (CRS 12.1.2015).

Regierungsbildung

Obwohl Ghani ursprünglich versprochen hatte, 45 Tagen nach seiner Vereidigung eine Regierung zu präsentieren, zeichnete sich bald ab, dass dieses Versprechen nicht einghalten werden kann, da für die Regierungsbildung in Afghanistan für die Kabinettsposten die Koalitionspartner aus Ghanis und Abdullahs Lager gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Eine Regierung muss die starken regionalen und ethnischen sowie Stammesbindungen und -befindlichkeiten berücksichtigen, soll sie im ganzen Land akzeptiert sein. Ferner beabsichtigte Ghani, die Ministerien nur Personen mit Fachkenntnissen anzuvertrauen und keine bisherigen Minister oder Parlamentarier ins Kabinett aufzunehmen, um so die Voraussetzungen für einen kompetenten Neuanfang zu schaffen. Doch wird die Übung unter solchen Prämissen zusätzlich erschwert. Ghanis Kabinettsliste war in Afghanistan mit Erleichterung aufgenommen worden, weil das Land endlich eine handlungsfähige Regierung braucht. Zwar fragten sich Beobachter wie das Afghanistan Analysts Network einerseits, inwieweit eine junge und recht unerfahrene Regierung den Herausforderungen gewachsen sei. Anderseits wurde Ghanis Festhalten am Versprechen, keine politischen Schwergewichte der Vergangenheit in die Regierung aufzunehmen, durchaus anerkennend kommentiert (NZZ 22.1.2015).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung, Shuraye Melli, basiert auf einem Zweikammersystem, das sich in ein Unterhaus, Wolesi Jirga, und ein Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt, gliedert. Das Unterhaus setzt sich aus 249 Sitzen zusammen, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kuchi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 25.6.2015; vgl. CRS 15.10.2015 und CRS 12.1.2015).

Das Oberhaus setzt sich aus 102 Sitzen zusammen. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Ein Drittel der Sitze, wovon wiederum 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst, (CRS 12.1.2015; vgl. CRS 15.10.2015). Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßig vorgegebenen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für die Ernennung eines Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 25.6.2015

Eine der wesentlichen Neuerungen, welche die Parlamentswahlen 2005 und 2010 betrafen, war die ‚single non-transferable vote (SNTV)'-Regelung. Jedem Wahlkreis ist, proportional zur Bevölkerungszahl, mehr als ein Sitz im Parlament zugeteilt. Die Wähler des Wahlkreises können jeweils eine Stimme abgeben. Die Sitze des Wahlkreises gehen an die Kandidaten des Kreises in der Reihenfolge der Anzahl der von ihnen gewonnenen Stimmen. Dieses System ist weltweit sehr selten (UNAMA o.D.; vgl. NDI 2011; vgl. CRS 15.10.2015). Durch das System treten die Kandidaten individuell gegeneinander an und erlangen die Sitze nicht über Parteilisten (CRS 15.10.2015).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments (Unterhaus ‚Wolesi Jirga', Oberhaus ‚Meshrano Jirga') bleibt trotz wachsenden Selbstbewusstseins der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Generell leidet die Legislative aber nicht nur unter ihrer schwachen Rolle im Präsidialsystem, sondern auch unter dem unterentwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 6.11.2015).

Parteien

Die afghanische Parteienlandschaft ist wenig entwickelt und mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen in der Regel mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des Parteiensystems ist auch auf das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes zurückzuführen sowie auf das Wahlsystem (Direktwahl mit einfacher, nicht übertragbarer Stimme). Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen politischen Lager immer wieder gestört. (AA 6.11.2015).

Oppositionsbewegungen und Parteien - ganz gleich ob Kommunisten oder rechtsreligiös - wurden gezwungen entweder unterzutauchen oder ins Exil zu gehen. Unter einer neuen und formellen Verfassung haben sich seit 2001 früher islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine Organisation politischen Glaubens oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind. Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen, aber nicht immer durch Wahlerfolge (USIP 3.2015).

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen oftmals eine untergeordnete Rolle bei der Verteilung politischer bzw. administrativer Ämter. Die Entscheidungen über viele Personalien, auch in entlegenen Provinzen, werden von der Zentralregierung in Kabul, häufig sogar vom Präsidenten getroffen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan spielen informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. Dadurch kommt es, für Außenstehende immer wieder überraschend, zu Koalitionswechseln und dem Herauslösen von Einzelpersonen aus bestehenden politischen Verbindungen, unabhängig von Parteistrukturen (AA 6.11.2015).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches eine Neuregistrierung aller Parteien verlangte und ferner zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie bisher die Unterschrift von 700 Mitgliedern vorzuweisen, mussten sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen einbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung von Parteiunterstützungsbasen oder institutionalisieren Parteipraktiken bei (USIP 3.2015).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Der afghanische Friedens- und Versöhnungsprozess ist nach einem ersten direkten und öffentlichen Treffen zwischen Regierung und Taliban in diesem Jahr wieder ins Stocken geraten. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte, Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Beide Seiten haben sich aber grundsätzlich weiter zu Verhandlungen bereit erklärt. Die Reintegration versöhnungswilliger Insurgenten bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das ‚Afghanistan Peace and Reintegration Program' in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 6.11.2015).

Sicherheitslage

Im Zeitraum 1.8.-31.10.2015 verzeichnete die UNO landesweit 6.601 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan. Dies bedeutet eine Steigerung von 19% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2014. 62% dieser Vorfälle fanden in den südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen statt. Im Berichtszeitraum gelang es den Taliban neben Kunduz City weitere 16 Distriktzentren einzunehmen. Deren Großteil befindet sich im Norden (Badakhshan, Baghlan, Faryab, Kunduz, Sar-e Pul und Takhar), im Westen (Faryab) und im Süden (Helmand und Kandahar) des Landes. Den afghanischen Sicherheitskräften war es jedoch möglich bis Ende Oktober 13 Distriktzentren wieder zurückzuerobern (UN GASC 10.12.2015).

Im Zeitraum 1.6.-31.7.2015 registrierte die UNO landesweit 6.096 sicherheitsrelevante Vorfälle, ein Rückgang von 4,6% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die geographische Reichweite des Konfliktes fokussierte sich hauptsächlich auf die nord-östlichen Regionen rund um Kunduz, Badakhshan und Badghis, im Nordwesten auf die Provinz Faryab und im Südosten auf Nangarhar und im Süden auf Helmand. Der Großteil der Vorfälle wurde in den südlichen und östlichen Teilen des Landes registriert. In Kandahar, Nangarhar, Ghazni, Helmand und Kunar wurden 44.5% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle des Berichtszeitraumes registriert (UN GASC 1.9.2015).

Einige Experten haben auf Leistungsverbesserungen der afghanischen Sicherheitskräfte hingewiesen (SCR 9.2015). Ein erhöhtes Operationstempo hat zu einer signifikant höheren Opferzahl unter den afghanischen Sicherheitskräften geführt (+27% im Zeitraum von 1.1. -15.11.2015 im Vergleich zu 2014) (USDOD 12.2015). Ähnliche Zahlen nennt WP, mit 7.000 getöteten und und 12.000 verletzten Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte (+26% zum Jahr 2014). Im gesamten Jahr 2014 wurde hingegen von 5.000 getöteten afghanischen Polizisten und Soldaten berichtet (SCR 9.2015). Zudem haben die Taliban ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte seit Beginn ihrer jährlichen Frühjahrsoffensive im April 2015 erhöht (BBC 29.6.2015).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast allen Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten. Gleichzeitig haben die Taliban bewiesen, dass sie ländliche Gegenden einnehmen, Schlüsselgebiete bedrohen (z.B. in Helmand) und gleichzeitig high-profile Angriffe in Kabul durchführen können (USDOD 12.2015). Laut Angaben der afghanischen Regierung, kontrollieren die Taliban nur vier der mehr als 400 Bezirke landesweit, aber es ist bekannt, dass diese Zahl stark untertrieben ist. Die afghanische Regierung hat außerdem oftmals nur Kontrolle über die Distriktzentren, aber nicht über die ländlichen Gebiete (The Long War Journal 22.9.2015)

Es gab Vorschläge zur Gründung regierungsfreundlicher Milizen - sogenannter lokaler Verteidigungskräfte - um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Diese existieren angeblich bereits in einer Anzahl von Provinzen (UNGASC 10.12.2015).

Es gibt drei Gründe für das Wiederaufleben der Taliban: Erstens das Ende der US-amerikanischen und NATO-Mission Ende 2014, sowie der Abzug der ausländischen Kräfte aus Afghanistan, hat den militärischen Druck auf die Taliban verringert. Krisen in anderen Teilen der Welt (Syrien, Irak und Ukraine) nährten bei den Taliban die Hoffnungen auf ein Desinteresse der internationalen Gemeinschaft. Wenn Taliban militärische Stützpunkte, Distriktzentren und Check-Points Afghanistans überrennen, erbeuten sie jedes Mal Waffen für den Kampf gegen die afghanische Regierung. Zweitens vertrieb die pakistanische Militäroperation Zarb-e Azb in den Stammesgebieten Nordwaziristans im Juni 2014 tausende Aufständische - hauptsächlich Usbeken, Araber und Pakistanis - die nach Afghanistan strömten und in den Rängen der Taliban aufstiegen. Die Taliban lenkten ohnehin eine große Anzahl ihrer eigenen Kämpfer von Pakistan aus. Drittens mangelt es den afghanischen Sicherheitskräften an Ausbildung und Ausstattung, vor allem in den Bereichen Luftstreitkräfte und Aufklärung. Außerdem nützen die Taliban interne Machtkämpfe der Kabuler Zentralregierung und deren scheinbare Schwäche in verschiedenen Bereichen in Kabul aus (BBC 5.1.2016).

Rebellengruppen

Durch die Talibanoffensiven in den Provinzen Helmand und Kunduz entsteht der Eindruck, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Hauptbevölkerungszentren nicht kontrollieren können. Dies untergräbt das öffentliche Vertrauen, selbst dann, wenn es afghanischen Sicherheitskräften möglich ist, die Zentren zurückerobern, und überschattet die zahlreichen Erfolge der afghanischen Sicherheitskräfte (USDOD 12.2015).

Militärische Operationen im pakistanischen Nordwaziristan haben hunderte gut ausgebildete ausländische Kämpfer nach Afghanistan abgedrängt, wo sie nun die Taliban und den islamischen Staat unterstützen (WP 27.12.2015; vgl. Pakistan Today 22.12.2015; UN GASC 10.12.2015; Tolonews 21.12.2015).

Doch die Taliban haben auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Nach der Nachricht vom Tod Mullah Omars hat sich die Bewegung zersplittert und Auseinandersetzungen zwischen Talibanführern begünstigen Fortschritte des IS, vor allem im östlichen Afghanistan (DS 6.1.2016).

Taliban und Frühlingsoffensive

Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai - Oktober) spricht man von der ‚Fighting Season', in der die meist koordinierten, Angriffe von Aufständischen, in Gruppenstärke oder stärker, auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte ‚harte Ziele' handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb der ‚Fighting Season' verlegen kampfwillige Aufständische ihre Aktivtäten in die Städte, da hier die ungünstige Witterung kein Faktor ist (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Die Taliban haben signifikante Verluste zu verzeichnen - abgesehen von der temporären Einnahme der Stadt Kunduz, war es ihnen nicht möglich ihre Hauptstrategie und ihre Operationsziele für die Fighting Season 2015 zu erreichen. Auch in Kunduz war es ihnen nicht möglich, das Territorium für einen längeren Zeitraum zu halten. Während der gesamten Fighting Season bewiesen die Taliban Erfahrung in der Durchführung von Angriffen und Bedrohungen von ländlichen Distrikten und zwangen so die afghanischen Sicherheitskräfte in eine reaktive Position (USDOD 12.2015).

Al-Qaida

Die amerikanischen Behörden gehen von einer Zahl von weniger als 100 Kämpfern der al-Qaida in Afghanistan aus. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Qaida angegliedert und in Kunduz aktiv sind (CRS 22.12.2015).

Haqqani-Netzwerk

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Sie ist mit al-Qaida und afghanischen Taliban verbündet, sowie mit anderen terroristischen Organisationen in der Region (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

Obwohl angenommen wird, dass das Netzwerk der al-Qaida näher steht als den Taliban (CRS 9.10.2014), wurde nach der Meldung vom Tod Mullah Omars, Siraj Haqqani zum stellvertretenden Talibanführer befördert. Dies signalisiert, dass das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin eine wichtige Komponente des Taliban-geführten Aufstandes ist (USDOD 12.2015).

Der Aufstand des Haqqani-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden (DW 17.10.2014).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Die radikal-islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt (CRS 22.12.2015). Er war ein ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. (CRS 9.10.2014).

IS/ISIS/ISIL/Daesh - Islamischer Staat

Der Islamische Staat hat seinen Einfluss in Afghanistan seit Mitte des Jahres 2014 erhöht. Es wird berichtet, dass der Führer des Islamischen Staates Abu Bakr al-Baghdadi, Berichten zufolge, unter dem Talibanregime in Kabul gelebt und mit al-Qaida kooperiert hat. Die Präsenz der Gruppe in Afghanistan hat sich Anfang des Jahres 2013 aus mehreren kleinen afghanischen Taliban- und anderen Aufständischenfraktionen herausentwickelt (CRS 22.12.2015). Die Präsenz des islamischen Staates hat sich ausgeweitet, als immer mehr Talibanfraktionen dem IS Treue schworen. So kam es zur Einnahme kleiner Gebiete, hauptsächlich im östlichen Afghanistan, durch den IS (CRS 22.12.2015; vgl. Tolonews 12.7.2015). Ende 2015 gab es Berichte, über finanzielle Hilfe des IS für seinen afghanischen Zweig (CRS 22.12.2015). Ehemalige Kämpfer von al-Qaida, Taliban und Haqqani-Netzwerk steigen in den Rängen des IS auf (Pajhwok 26.5.2015).

Der afghanische Geheimdienst NDS hat eine Spezialeinheit damit beauftragt Razzien gegen den IS durchzuführen (Pajhwok 1.7.2015). Das afghanische Innenministerium konzentriert sich auf bessere Ausbildung und Ausrüstung der nationalen und lokalen Polizei, damit nicht die Notwendigkeit zur Selbstjustiz für Anrainer/innen entsteht (Pajhwok 26.5.2015).

Drogenanbau

Es ist im Jahr 2015 zu einer Reduzierung der Opiumproduktion um

3.300 Tonnen (48%) gekommen (UN News Centre 14.10.2015).

Zivile Opfer

Zwischen 1.1. und 30.6.2015 registrierte UNAMA 4.921 zivile Opfer (1.592 Tote und 3.329 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 6% bei getöteten bzw. von 4% bei verletzten Zivilisten (UNAMA 8.2015).

Konfliktbedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2015 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. UNAMA verzeichnete 1.270 minderjährige Opfer (320 Kinder starben und 950 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 23% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2014. Es gab 559 weibliche Zivilopfer, davon wurden 164 Frauen getötet und 395 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 13% gegenüber 2014 (UNAMA 8.2015).

Laut UNAMA waren 70% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 16% regierungsfreundlichen Kräften (15% den ANSF und regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen, sowie 1% den internationalen militärischen Kräften). UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer Unfällen mit Blindgängern zu (UNAMA 8.2015).

3.436 zivile Opfer (1.213 Tote und 2.223 Verletzte) gehen auf Operationen regierungsfeindlicher Elemente zurück. Das bedeutet einen Rückgang von 3% gegenüber 2014. UNAMA verzeichnete einen Anstieg von 78% bei zivilen Opfern aufgrund von komplexen Angriffen und Selbstmordattentaten, sowie einen Anstieg von individuellen Tötungen. UNAMA registrierte ebenso 46% Rückgang an zivilen Opfern in Bodenkämpfen und 21% Rückgang ziviler Opfer aufgrund von IEDs (improvised explosive devices) (UNAMA 8.2015).

Regierungsfreundliche Kräfte - speziell ANSF - waren auch weiterhin Grund für einen Anstieg bei zivilen Opfern im Jahr 2015. UNAMA registrierte hierzu 796 zivile Opfer (234 wurden getötet und 562 verletzt). Dies deutet einen Anstieg von 60% im Vergleich zum Jahr 2014. Der Großteil dieser zivilen Opfer geht auf Bodenkämpfe regierungsfreundlicher Gruppen, bei denen hauptsächlich Explosivwaffen, wie Mörser, Raketen oder Granaten verwendet wurden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 waren regierungsfreundliche Gruppen für mehr zivile Opfer verantwortlich, als regierungsfeindliche Elemente. Im Jahr 2015 haben die ANSF ihre Anzahl von Operationen, die am Boden durchgeführt wurden, signifikant erhöht, um den Regierungsbildungsprozess zu unterstützen und Angriffen regierungsfeindlicher Elemente entgegenzuwirken (UNAMA 8.2015).

Die UNAMA verzeichnete 37% Anstieg bei Entführungen von Zivilisten durch regierungsfeindliche Elemente, und mehr Morde und Körperverletzungen an den Entführungsopfern. Von 76 Entführten Zivilisten wurden im Berichtszeitraum (1.1. - 30.6.2015) 62 getötet und 14 verletzt. UNAMA dokumentierte die Entführung von Zivilist/innen durch regierungsfeindliche Elemente für finanzielle Zwecke, zur Einschüchterung der Bevölkerung und um Zugeständnisse von anderen Parteien im Konflikt zu erhalten, z.B. Geiselaustausch (UNAMA 8.2015).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

In einem Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo wurde im September 2015 berichtet, dass zuverlässige Dokumentation von konfliktbezogener Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen, existiert. Andererseits, konnte nur eingeschränkte Dokumentation zu konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokale Angestellte ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen afghanischer Angestellter der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürgern verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis zu ISAF zurückzuführen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014). Des Weitern bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Job für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Sicherheitslage in Kabul

Wann immer man von der Sicherheitslage spricht, meint man die größeren Städte sowie das Gebiet in einem Radius von max. 3 km um diese Städte (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

...

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelne

37

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

16

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

68

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

50

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

39

Andere Vorfälle

7

Insgesamt

217

  

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in dem Distrikt Kabul, 217 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelne

40

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

69

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

103

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

94

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

39

Andere Vorfälle

7

Insgesamt

352

  

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in der Provinz Kabul insgesamt 352 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Provinzhauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan)Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.372.977 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Im Gegensatz zu den ländlichen Teilen Afghanistans, in denen das Gewaltniveau meist von jahreszeitenbedingter Witterung abhängt (erhöhte Angriffszahlen in den Sommermonaten), hängt die Sicherheitslage in Kabul stark von den politischen Entwicklungen innerhalb Afghanistans und internationalen Beziehungen ab (EI o.D.).

Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, Koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen, ist auf einem Niveau, wie zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordattentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o.D.). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Von Jänner bis November 2015, wurden 28 hochrangige Angriffe in Kabul durchgeführt. Dies bedeutet eine Steigerung von 27% gegenüber dem Vergleichseitraum 2014. Diese Angriffe erreichen ein Hauptziel der Taliban, nämlich mediale Aufmerksamkeit, und gleichzeitig die Verbreitung eines Gefühls der Unsicherheit (USDOD 12.2015).

Traditionell erfüllen Angriffe auf die Stadt Kabul zwei Zwecke:

Erstens, physisch die Macht der afghanischen Regierung zu schwächen. Dies geschieht üblicherweise durch die Ermordung von Beamten und Zerstörung von Versorgungswegen. Zweitens, Propagandasiege durch Angriffe in Kabul. Aus demselben Grund werden internationale Organisationen (die einen ähnlichen Propagandawert für Aufständischenorganisationen haben) regelmäßig angegriffen. Oftmals dann, wenn es zu schwer war wichtige Regierungs- oder NATO-Gebäude erfolgreich zu infiltrieren. Während die Sicherheitskräfte sich fortwährend verbessern und ihre Fähigkeiten, solchen Angriffen entgegenzuwirken, entwickeln, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unterschwellige Bedrohung, insbesondere innerhalb der zentralen Kabuler Distrikte, in naher Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden kann (EI o.D.).

Ministerien sind bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vgl. UNAMA 8.2015). Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen allerdings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Nach einer erhöhten Anzahl von Angriffen und Störungen im Sommer - vorläufige Daten zeigen im Jahr 2015 eine nennenswerte Steigerung zum Vergleichszeitraum 2014 in Bezug auf Selbstmordattentate und allgemeine Aufständischenaktivitäten in der Stadt Kabul. Allgemein wurde erwartet, dass die Gewalt mit Beginn des Winters 2015 abnehmen würde. Winterliche Gegebenheiten schränken allgemein die Bewegung extremistischer Gruppen am Boden ein, wodurch weniger Kämpfer und weniger Kampfmittel nach Kabul Stadt kommen. Ungeachtet dessen existiert weiterhin ein Potential für unerwartete Talibanangriffe. Auch das IS-Phänomen könnte das Risikoprofil innerhalb der Hauptstadt 2016 erweitern, jedoch müssen diese Gruppen ihre Effektivität innerhalb der Hauptstadt erst nachweisen. IS-Zweige treten derzeit mehr in interne Fehden mit den Taliban und anderen extremistischen Fraktionen, in Gebieten wie dem ländlichen Nangarhar, Farah und Zabul in Erscheinung, anstatt durch gezielte Angriffe auf internationale Organisationen (EI o.D.).

Die Stadt Kabul zieht auch weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an. Mindestens 3.000 Familien benötigen Hilfe (UN GASC 10.12.2015).

Nangarhar

Gewalt gegen Einzelne

189

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

1.069

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

254

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

429

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

44

Andere Vorfälle

6

Insgesamt

1.991

  

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in der Provinz Nangarhar, 1.991 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o. D.g). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.517.388 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Nangarhar zählt zu den relativ volatilen Provinzen im Osten Afghanistans, in welcher regierungsfeindliche bewaffnete Aufständischengruppen aktiv sind (Khaama Press 22.12.2015). Die allgemeine Sicherheitslage in Nangarhar ist weiterhin volatil. Die Bewegungen bzw. Infiltrationsrouten regierungsfeindlicher Elemente betreffen den südlichen und östlichen Bereich der Provinz, also die Distrikte: Sherzad, Hisarak, Pachir Wa Agam, Khogyani, Chaparhar, Achin, Nazyan, Goshta, Bati Kot, Lal Pur, Surkh Rod und Kot, speziell in den Grenzregionen zu Pakistan, wo regierungsfeindliche Elemente frei zwischen den Ländern hin und her wechseln, was negative Folgen für die Sicherheitslage hat. Der Großteil der Sicherheitsvorfälle kommt in den Distrikten Hisarak, Achin, Khogyani, Sherzad, Chaparhar, Bati-Kot, Dih-Bala, Pachir-Wa-Agam, Kot, Lal Pur und Nazyan vor. Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren in der Provinz: eine durch Stämme dominierte Gesellschaft, ethnische Differenzen, eine konservative ländliche Bevölkerung mit teilweise fundamentalistischem Glauben, unterschiedliche regierungsfeindliche Elemente inklusive neu auftretender IS-Zweige, die Präsenz illegaler bewaffneter Gruppen, organisiertes Verbrechen, Drogen, grenzübergreifende Schusswechsel, grenzüberschreitende Einflüsse und schwache Regierungsführung (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben eine Reihe von Gegenoffensiven und Befreiungsoperationen in den umstrittenen Gebieten durchgeführt. Dies beinhaltet auch weiträumige Operationen in Nangarhar im Mai 2015, die scheinbar zu einer geringen Zahl an Vorfällen rund um Jalalabad City geführt haben, aber auch zu gezielten Operationen in Schlüsseldistrikten im August (UN GASC 1.9.2015). Die Präsenz von mit IS/ISIL/Daesh verbundenen Gruppen ist weiterhin ein Grund zur Sorge, speziell in Nangarhar, wo diese Präsenz in Relation signifikanter ist, als im restlichen Land. Unbestätigte Berichte deuten darauf hin, dass es innerhalb der Provinz einerseits zu Zusammenstößen zwischen IS-Zweigen und den Taliban kommt, sowie andererseits zu vermehrten Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte und Armee gegen den IS (UN GASC 10.12.2015).

Die Taliban haben auch weiterhin ihren traditionellen Einfluss in den Provinzen Nuristan, Nangarhar, Kunar und Laghman gehalten (ISW 3.2015). In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Terroristen zu befreien (Business Standard 30.12.2015; Khaama Press 22.12.2015; UN GASC 1.9.2015; Pajhwok 28.7.2015; Stars and Stripes 14.7.2015; Tolonews 12.7.2015).

Rechtsschutz/Justizwesen

Afghanistan ist eine Gesellschaft mit einer Vielzahl rechtlicher Traditionen, die historisch gesehen aus drei Komponenten bestehen:

dem staatlichen Gesetzbuch, dem islamisch-religiösen Gesetz (Scharia) und dem lokalen Gewohnheitsrecht. Die lokalen Gepflogenheiten beinhalten kulturelle und ethische Standards zur Beseitigung eines Disputs durch Mediation und Schlichtung in den Gemeinschaften (BU 23.9.2010).

Wegen des allgemeinen Islamvorbehalts darf laut Verfassung kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so dass nicht festgelegt ist, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 6.11.2015).

Das Gesetz beinhaltet eine unabhängige Justiz, aber in der der Praxis ist die Justiz oft unterfinanziert, unterbesetzt, nicht adäquat ausgebildet, uneffektiv, Drohungen ausgesetzt, befangen, politisch beeinflusst und durchdringender Korruption ausgesetzt (USDOS 25.6.2015). Die meisten Gerichte sprechen uneinheitlich Recht, basierend auf dem kodifiziertem Gesetz, der Scharia (islamisches Gesetz) und lokalen Gepflogenheiten. Traditionelle Justizmechanismen bleiben auch weiterhin die Hauptgrundlage für viele Menschen, besonders in den ländlichen Gebieten (USDOS 25.6.2015 vgl. FH 28.1.2015). Die Einhaltung des kodifizierten Rechts variiert, wobei die Gerichte gesetzliche Vorschriften zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 25.6.2015). Laut Freedom House Report 2015 besteht der Oberste Gerichtshof in erster Linie aus Religionsgelehrten, die nur eine beschränkte Kenntnis der zivilen Rechtsprechung haben (USDOS 25.6.2015 vgl. FH 28.1.2015).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an Kapazität um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu handhaben. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Verglichen mit 2012 gab es eine Steigerung in der Zahl der Richter, welche ein Rechtsstudium absolviert hatten (USDOS 25.6.2015). Es gibt etwa 1300 Richter im Land (SZ 29.9.2014). Präsident Ghani verfügte eine Reihe von Justizreformen, sodass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellt aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015).

Das formale Justizsystem ist relativ stark verankert in den städtischen Zentren, wo die Zentralregierung am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten, wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben, schwächer ausgeprägt ist (USDOS 25.6.2015). Insbesondere in den ländlichen Gebieten wird von einem Großteil der Bevölkerung auf traditionelle Justizmechanismen oder Selbstjustiz zurückgegriffen (FH 28.1.2015).

Der Zugang zu Gesetzblättern und Regelwerken steigt an, die geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter und Staatsanwälte aber weiterhin eine Behinderung dar. In den großen Städten entscheiden die Gerichte nach dem Gesetz. In den ländlichen Gegenden hingegen ist der primäre Weg zur Beilegung krimineller oder ziviler Streitigkeiten, jener über lokale Älteste und Shuras (Ratsversammlungen), wobei allerdings auch rechtlich nicht sanktionierte Strafen ausgesprochen werden (USDOS 25.6.2.2015). Schätzungen lassen vermuten, dass 80% aller Streitigkeiten durch Shuras entschieden werden. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

Sicherheitsbehörden

Nach der Übergangsphase sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr verantwortlich für einen Kampfeinsatz in Afghanistan. Die afghanische Regierung ist selbst für die interne Sicherheit verantwortlich (USDOD 6.2015). Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD), das Büro des Präsidenten und das Parlament sind direkt in die zivile Aufsicht des Sicherheitssektors involviert (CGS 2.2014; vgl. USDOS 25.6.2015).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP) tragen unter der Leitung des Innenministeriums die Hauptverantwortung für die innere Ordnung, sind aber auch an der Bekämpfung der Aufständischen beteiligt (USDOS 25.6.2015).

Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF)

Am 1. Jänner 2015 haben die ANDSF in einer Zeremonie formell die Sicherheitsverantwortung für Afghanistan übernommen (USDOD 6.2015; vgl. AA 2.3.2015). Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2015; vgl. NYT 16.10.2015). Etwa 1.700 Frauen dienen in den afghanischen Streitkräften, davon sind ungefähr

1.370 bei der Polizei (CRS 15.10.2015). Die ANDSF bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der ANP die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten, wie die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums, während die afghanische Nationalarmee (ANA) unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums steht (USDOD 6.2015; vgl. USDOS 25.6.2015).

Einige Experten deuteten eine Verbesserung der Leistung der afghanischen Sicherheitskräfte an. Leider mussten auch Verluste verbucht werden: So wurde berichtet, dass im ersten Halbjahr 2015 etwa 4.100 Sicherheitskräfte (Polizei und Militär) getötet, sowie weitere 7.800 verletzt wurden. Dies übertrifft die Gesamtzahl des Jahres 2014, die mit 5.000 getöteten Sicherheitskräften angegeben wurde (SCR 9.2015).

Die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte hängt völlig von Fremdhilfen ab (BFA Staatendokumentation 3.2014). Es wird mit finanziellen Beiträgen an den NATO-Treuhandfond der ANA mit bis zu USD 1.2 Milliarden gerechnet. Zusätzlich haben Verbündete und Partnerländer der NATO bis Ende 2017 jährliche finanzielle Unterstützung in der Höhe von USD 450 Millionen zugesagt. Darüber hinaus liegt die finanzielle Hauptlast der afghanischen Sicherheitskräfte bei der afghanischen Regierung welche zugesagt hat, zu Beginn jährlich 500 Millionen Euro beizusteuern und diese Beiträge kontinuierlich zu erhöhen (NATO 6.2015).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Mit Stand Juni 2015 betrug die Personalstärke der ANP 157.000 Mann. Zusätzlich wurden für die ALP weitere 30.000 Mann autorisiert, die aber nicht in der allgemeinen ANDSF Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2015; vgl. NYT 16.10.2015). Die monatliche Schwundquote ist während des Berichtszeitraumes zurückgegangen und beträgt durchschnittlich 1.8% im Vergleich zu einer Schwundrate von 2.1% des letzten Berichtszeitraumes (USDOD 6.2015).

Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit, bekämpft aber auch den internen Aufstand (USDOS 25.6.2015). Mit Stand Juni 2015 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 195.000 Mann, inklusive 7.800 Mann in den Luftstreitkräfte (Afghan Air Force - AAF), 9.321 Zivilisten und

10.312 Trainees, Studenten und Andere (USDOD 4.2014).

Durch die Vereinigten Staaten von Amerika wurden fünf Militärbasen in verschiedenen Teilen des Landes errichtet: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 17.8.2015).

National Directorate of Security (NDS)

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen der nationalen Sicherheit und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes (USDOS 25.6.2015).

Aufgrund von Abgängen und anderen Faktoren, fluktuierte die tatsächliche ANDSF Truppenstärke zwischen 91 und 92 % der autorisierten Truppenstärke im Berichtszeitraum (USDOD 6.2015).

Eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz führte zum Beispiel zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. So hatte insbesondere die Schaffung spezialisierter Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen positive Auswirkungen (AA 6.11.2015).

Folter und unmenschliche Behandlung

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 6.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind aber nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 2.3.2015; vgl. OHCHR 8.1.2015).

Der Bericht der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) im Jahr 2015 besagt, dass trotz nationaler und internationaler Bemühungen Folter und Misshandlung von Häftlingen anhalten und ein ernstzunehmendes Problem in vielen Haftanstalten Afghanistans sind (UNAMA 2.2015; vgl. USDOS 27.2.2014). Obwohl die Verfassung solche Praktiken verbietet, gibt es Berichte, die besagen, dass Beamte, Sicherheitskräfte, Justizwachbeamte und die Polizei Misshandlungen durchführten (USDOS 25.6.2015). Folter wird hauptsächlich verwendet um ein Geständnis oder Informationen zu erhalten (OHCHR 8.1.2015). Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. Aber auch in Bezug auf Häftlinge, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen werden, wurden in der jüngeren Vergangenheit grobe Missstände aufgedeckt (AA 2.3.2015).

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen, Geständnisse und Zeugenaussagen von Beschuldigten oder anderen Personen, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer bekannt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass afghanische Richter sich bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als ‚Beweismittel' erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei (‚almost total lack of accountability', Quelle:

UNAMA-Update on the Treatment of ConflictRelated Detainees in Afghan Custody: Accountability and Implementation of Presidential Decree 129, Febr. 2015) durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: Nur noch 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 6.11.2015).

Es kommt immer wieder auch vor, dass Inhaftierte keinen Zugang zu Rechtsschutzmechanismen wie rechtlichem Beistand haben (AA 2.3.2015; vgl. UNAMA 2.2015; vgl. AA 6.11.2015).

Die Regierung hat in den letzten Jahren Berichte der Vereinten Nationen und AIHRC bestritten, dass afghanische Polizei und NDS Häftlinge foltern (HRW 21.1.2014). Aufgrund des UNAMA-Berichtes im Januar 2013 gründete die Regierung ein Komitee um Anschuldigungen, in Bezug auf Misshandlung von Häftlingen, nachzugehen. Das Komitee führte Besuche und Interviews durch - die Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht. Die Regierung zog Folterer nicht durch glaubwürdige Untersuchungen und Straffverfolgung zur Rechenschaft (USDOS 25.6.2015). Obwohl es im Jahr 2013 eine Untersuchung zu den Vorwürfen der Misshandlung und Folter durch die Regierung gab, wurde - laut Human Rights Watch - kein Mitglied der afghanischen Sicherheitskräfte während des Berichtsjahres zur Rechenschaft gezogen (HRW 4.3.2015).

Im Februar 2013 erließ der damalige Präsident Karzai ein Dekret mit Anti-Foltermaßnahmen, welches Konsequenzen für folternde Beamte vorsieht (UNAMA 2.2015).

Korruption

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2014 belegte Afghanistan von 175 Ländern den 172. Platz(TI 12.2014; vgl. FH 28.1.2015). Noch im Jahr 2013 belegte Afghanistan gemeinsam mit Nordkorea und Somalia den

175. und damit letzten Platz (TI 3.12.2013; vgl. FH 19.5.2014).

Korruption, Nepotismus und Vetternwirtschaft wuchern auf allen Ebenen der Regierung. Zu niedrige Gehälter fördern korruptes Verhalten der öffentlich Bediensteten (FH 28.1.2015). Von allen Institutionen werden von den Afghanen Gerichte und Zivilverwaltung als die korruptesten wahrgenommen, während religiöse Körperschaften und die Medien als am wenigsten korrupt gelten (FH 19.5.2014).

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung hat dieses Gesetz nicht effektiv umgesetzt und es wurde berichtet, dass öffentliche Beamte/Bedienstete regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Es gab aber auch Berichte von Korruptionsfällen, die erfolgreich auf Provinzebene vor Gericht gestellt wurden (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung bemühte sich auch weiterhin Rechtsstaatlichkeit voranzutreiben und Korruption anzugehen (UN GASC1.9.2015). So verfügte Präsident Ghani im Rahmen von Justizreformen, dass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellte aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015; vgl. UN GASC 1.9.2015). Als positiv kann gewertet werden, dass Präsident Ghani Untersuchungen in den Kabuler Bankskandal eingeleitet und ferner den Versuch gestartet hat, die fast 1 Milliarde US Dollar, die gestohlen wurden, wieder einzubringen (CAP 17.3.2015). Auch etablierte die Allparteienregierung eine nationale Behörde zur Beschaffungsvergabe (National Procurement Authority - NPA), die Transparenz beim öffentlichen Vergabesystem in Afghanistan unterstützen soll. Um dieses Ziel zu erreichen arbeitet die NPA mit unterschiedlichen nationalen und internationalen Organisationen zusammen (SIGAR 13.7.2015). Integrity Watch Afghanistan startete ein Callcenter ‚efshagar.af', welches der Öffentlichkeit die Möglichkeit bietet, korrupte Vorgehensweisen innerhalb des Landes zu melden (IWA 9.12.2014).

Die Hälfte der afghanischen Bürger/innen zahlte nach Schätzungen des UN Office on Drugs and Crime (UNODC) im Jahr 2012 Bestechungsgelder für öffentliche Leistungen. Die Gesamtsumme aller Bestechungszahlungen an Beamte der letzten drei Jahre, stieg laut UNODC auf USD 3.9 Milliarden an (UNODC 12.2012; vgl. CAP 17.3.2015). Laut Integrity Watch Afghanistan betrug die Summe der Bestechungen im Jahr 2014 1.2 Milliarden US Dollar und über 1.2 Millionen Acker Land wurden illegal beschlagnahmt (IWA 9.12.2014).

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Eine Vielzahl an nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 25.6.2015).

Die Arbeit von internationalen und afghanischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch von Vereinen wird üblicherweise nicht von den Behörden in einem formalen Sinn eingeschränkt. Die Möglichkeiten dieser Gruppen frei und effektiv zu arbeiten werden durch die Sicherheitslage behindert. Aktivist/innen der Zivilgesellschaft, speziell, jene, die sich mit Menschenrechten bzw. Rechenschaftsangelegenheiten befassen, sind weiterhin Bedrohung und Belästigungen ausgesetzt (FH 28.1.2015). Mit Stand Februar 2015 wurden seit dem Jahr 2005 3.415 lokale NGOs und 4.016 internationale NGOs beim Wirtschaftsministerium (MoE-Ministry of Economy) registriert. Die Zahl aktiver lokaler NGOs beträgt 1.665 und die der internationalen 275 (ICNL 25.2.2015).

Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht. Gleichwohl sind sie regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/ Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen ‚Afghan Women's Network' berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 6.11.2015).

Derzeit stehen mehrere die Zivilgesellschaft betreffende Reforminitiativen an:

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen ‚Afghan Women¿s Network' berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen. Sie erarbeiten derzeit in Absprache mit der internationalen Gebergemeinschaft ein Konzept zum besseren Schutz ihrer Mitglieder (AA 6.11.2015).

Es existierten keine gesetzlichen Hindernisse, die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen einschränken (ICNL 25.2.2015).

Ombudsmann

Im Rahmen der Menschenrechtsarbeit von EUPOL (European Union Police Mission in Afghanistan) konzentriert sich diese auf die Unterstützung des Innenministeriums und der unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC), indem sie Mechanismen der internen und externen Aufsicht stärkt und entwickelt. Im Jahr 2010 initiierte EUPOL einen Dialog über die Errichtung eines unabhängigen afghanischen Polizei-Ombudsmanns als externen Aufsichtsmechanismus für Menschrechtsverletzungen der Polizei (EUPOL 8.12.2010).

Wehrdienst

Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Mögliche Zwangsrekrutierungen bei der afghanischen Armee (oder Polizei) sind nicht auszuschließen. Da die erfolgreiche Anwerbung als Soldat oder Polizist für den überwiegend arbeitslosen Teil der jungen männlichen Bevölkerung aber eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich (AA 2.3.2015).

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Man muss zwischen Desertion und unerlaubter Abwesenheit unterscheiden. Desertion bedeutet das Fliehen aus einer Kriegszone, während einer Militäroperation oder das Unterstützen des Feindes. Davon hätte es nur wenige Fälle in den vergangen Jahren gegeben. Logistische, familiäre und persönliche Probleme führen zu unerlaubter Abwesenheit. Die Soldaten kehren später wieder in ihre Stützpunkte zurück. Es gibt auch andere Gründe wie, wenn z.B. der Vater eines Soldaten stirbt, muss er eventuell die Verantwortung für die Familie übernehmen - wozu er dann auch berechtigt ist (Afghanistan Today 3.4.2011). Etwa 4.000 Soldaten verlassen monatlich die afghanischen Sicherheitskräfte (Washington Examiner 4.8.2015).

Die Hauptgründe der Abwesenheit von der ANDSF wird hauptsächlich folgenden Gründen zugeschrieben:

Das Problem der Abwesenheit in der ANA wird ebenso damit begründet, dass Soldaten oftmals nicht in ihrer Heimatprovinz dienen. Viele von ihnen müssen einen langen Reiseweg auf sich nehmen, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen und ihren Familien die Löhne geben zu können (CRS 15.10.2015). Diese ‚Deserteure' werden, schon aufgrund der sehr hohen Zahlen bei vorübergehenden Abwesenheiten, nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Auch kehren sie oftmals nach langer Abwesenheit aber wieder zur ANA zurück. Nachdem in den letzten Jahren fast jede Bezahlung der ANA elektronisch durchgeführt wurde, wurde dies nun erleichtert (CRS 15.10.2015).

Laut Verteidigungsministerium gibt es keine Strafe für Desertion. (NYT 27.6.2011).

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Sie müssen landesweit weiterhin gegen große Widerstände in der konservativen Bevölkerung verteidigt werden. Insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt ist weitverbreitet; die Rechte von Frauen und Mädchen werden trotz fortschrittlicher Gesetzgebung nur unzureichend respektiert und umgesetzt (AA 6.11.2015).

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Ferner, hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 6.11.2015).

Als ein positives Signal wurde von Frauen- und Menschenrechtsgruppen gewertet, dass der ehemalige Präsident Karzai sich weigerte ein vom afghanischen Parlament erlassenes Gesetz zu unterzeichnen, welches Familienangehörigen eines Beschuldigten verbieten würde in strafrechtlichen Fällen auszusagen. Da ein Großteil gemeldeter Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt innerhalb der Familie geschehen, würde dies eine erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung erschweren und weiters, Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt, sowie jenen die Zwangsverheiratung und Kinderheirat ausgesetzt sind, Gerechtigkeit verwehren (AI 25.2.2015).

Meinungs- und Pressefreiheit

In der afghanischen Verfassung ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Artikel 34 verankert (USDOS 25.6.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004), jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung in unterschiedlichen Maßen eingeschränkt (USDOS 25.6.2015). Die Freiheiten sind grundsätzlich - vor allem im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht (AA 6.11.2015)

Afghanistan konnte sich auch dieses Mal, im Rahmen des World Press Freedom Index, um sechs Plätze verbessern und landete auf Platz 122 von 180 Ländern (RSF 12.2.2015; vgl. AA 2.3.2015). In den vergangenen Jahren galt die afghanische Medienlandschaft als Vorzeigesektor: diversifiziert, unabhängig, im Wachstum- und Professionalisierungsprozess begriffen und von einem vergleichsweise liberalen rechtlichen Rahmenwerk gestützt. Dieses Bild muss differenziert werden. Während der Boomjahre 2007-12 sind mehr Medien entstanden als der afghanische Markt erhalten kann. Nur die größten Sender und die Kanäle lokaler Mäzene können dem wirtschaftlichen Druck standhalten. Sicherheitserwägungen, eine konservative Medienpolitik und religiöse Forderungen schränken die Medienfreiheit ein. Zugleich übernehmen afghanische Medienvertreter zunehmend politische Verantwortung und gehen bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern (AA 6.11.2015).

Während das Afghan Journalists Safety Committee aber von einem Rückgang der Bedrohungen und Einschüchterungen von Journalistinnen und Journalisten im ersten Halbjahr 2015 um 43 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum berichtet (AA 6.11.2015). Berichtet wiederum Amnesty International, dass sich die Zahl der getöteten Journalist/innen im Jahr 2014 um 50% und die Zahl der Angriffe um 60% im ersten Halbjahr 2014 im Vergleich zum Jahr 2013. Laut dem Überwachungsbeauftragten für afghanische Medien - NAI - wurden 20 Journalist/innen verletzt und sieben getötet (AI 25.2.2015).

Das Auswärtige Amt zählte von Januar bis Juli 2015 zählte es 39 Fälle von Gewalt gegen Journalisten, darunter einen Mord. Bessere Beziehungen zwischen den Journalisten und den die Medien unterstützenden Organisationen, aber auch die Unterstützung der Regierung für Journalisten und die Meinungsfreiheit sollen zu diesem Rückgang beigetragen haben (AA 6.11.2015).

Die internationale Gemeinschaft und lokale Medienorganisationen haben sich in der letzten Dekade für unterstützende Programme eingesetzt, deren Ziel es ist einen ernsten unabhängigen Mediensektor zu entwickeln - und waren auch relativ erfolgreich damit. Jedoch wird befürchtet, dass der Truppenabzug möglicherweise negative Auswirkungen auf ausländische Finanzierung von Medienprojekten hat und auch die allgemeine wirtschaftliche Lage in Afghanistan eine Rolle bei der Finanzierung spielt (FH 28.4.2015).

Amnesty International berichtet davon, dass die afghanische Regierung es verabsäumt hat, in Zusammenhang mit Angriffen auf Journalist/innen oder Mediaschaffende, die ihr Recht auf freie Meinungsfreiheit friedlich ausübten, adäquate Untersuchungen durchzuführen und Täter strafrechtlich zu verfolgen (AI 25.2.2015). Trotz Hindernissen publizierten Printmedien unabhängig Magazine, Newsletter und Zeitungen, jedoch war die Reichweite gering. Eine Vielzahl an Leitartikeln und Tageszeitungen kritisieren offen die Regierung. Aufgrund des hohen Grades an Analphabetentum, bevorzugen die meisten Bürger/innen Fernsehen oder Radio gegenüber Printmedien. Das Radio bleibt aufgrund der Zugänglichkeit weiterhin weitverbreitet In Afghanistan existieren 350 Fernseh- und Radiostationen (USDOS 25.6.2015).

Medienvielfalt und- freiheit sind in Kabul deutlich höher als anderswo im Land, aber manche lokale Älteste und Warlords üben gegenüber unabhängigen Medien in ihren Gegenden nur begrenzte Toleranz aus. Dutzende private Radiostationen und mehrere private Fernsehstationen sind derzeit in Betrieb, die eine Vielzahl von Ansichten verbreiten und oft auch die Regierung kritisieren (FH 28.4.2015).

Inzwischen wurde das lange von der Zivilgesellschaft und Medienvertretern eingeforderte Gesetz zum Zugang zu Informationen verabschiedet. Eine Gruppe von 35 Medienvertretern hat 2013 zudem einen Verhaltenskodex für Journalistinnen und Journalisten erarbeitet. Dieser soll die Achtung von Persönlichkeitsrechten stärken, ohne Medienfreiheit einzuschränken. Darin werden Grundregeln gegen Verleumdung, für gute Recherchearbeit und zum Opferschutz, etwa nach Anschlägen, aufgestellt (AA 6.11.2015; AA 2.3.2015).

Internet und Mobiltelefone:

Analphabetentum und schwache Infrastruktur haben gleichermaßen die Interverbreitung gebremst. Nur 6% der Bevölkerung haben das Internet im Jahr 2014 benutzt. Aber sowohl die Verwendung als auch die Wichtigkeit von ‚social Media' und Blogs nehmen zu, besonders bei städtischen Jugendlichen. Aus 100 Personen waren etwa 75 Mobiltelefonteilnehmer/innen im Jahr 2014. Schrittweise Verbesserungen an den Mobilfunknetzen und fallende Preise haben einen Bürgerjournalismus unterstützt (FH 28.4.2015).

Internetseiten mit nach afghanischem Verständnis unmoralischen oder pornographischen Inhalten sind gesperrt. Darunter fallen tatsächlich pornographische Seiten ebenso wie Webangebote für homo-, bi-, inter- oder transsexuelle User und Kennenlernportale bis hin zu Verkaufsseiten mit Weinangebot (AA 6.11.2015).

Versammlungsfreiheit

Die afghanische Verfassung garantiert das Recht der Versammlungsfreiheit (Artikel 36) (FH 28.4.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Dennoch gibt es einige Restriktionen, die von Region zu Region unterschiedlich aufrechterhalten werden. Polizei und anderes Sicherheitspersonal wenden gelegentlich exzessive Gewalt gegen Demonstranten an (FH 28.4.2015).

Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet. Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder auch für die Gewährleistung von Frauenrechten, z.B. nach dem Lynchmord an einer jungen Frau durch einen Mob im März 2015. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich (AA 6.11.2015). Die Kundgebungen verlaufen aber in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber bisweilen oder werden von Einzelpersonen gezielt dazu genutzt, gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten (AA 2.3.2015).

Vereinigungsfreiheit

Die afghanische Verfassung erlaubt in Art. 35 die Gründung von Vereinen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Gemäß entsprechendem Gesetz von 2009 müssen sich politische Parteien beim Justizministerium registrieren. (AA 6.11.2015 vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). In den letzten Jahren wurden die Anforderungen zur Registrierung erhöht: So muss eine Partei mindestens 10.000 Mitglieder vorweisen und lokale Büros in mindestens 20 Provinzen eröffnen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Konsequenzen in Bezug auf Nichteinhaltung dieser Vorschriften bekannt. Ferner dürfen afghanische Parteien und Organisationen nicht von ausländischen Parteien oder ausländischer Finanzierung abhängen (AA 6.11.2015).

Die afghanische Verfassung des Jahres 2004 garantiert das Vereinigungsrecht, welches auch politische Parteien erlaubt, solange sie nicht militärische oder paramilitärische Strukturen aufweisen (AGMRT 7.3.2013; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Ebenso dürfen sie nicht gegen die ‚Prinzipien des Islams' verstoßen (AGMRT 7.3.2013; vgl. AA 2.3.2015). Parteien basierend auf ethnischer und regionaler Zugehörigkeit, Sprache oder Konfession waren ebenfalls erlaubt (AGMRT 7.3.2013; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

Mit Stand Februar 2015 sind beim afghanischen Justizministerium

5.350 Vereinigungen registriert (ICNL 25.2.2015).

Opposition

Ehemalige Kommunisten versuchen in der Regel ihre Vergangenheit zu verbergen. Viele von ihnen sind allerdings weiterhin in der afghanischen Politik aktiv. Zu ihren Überzeugungen bekennen sie sich in der breiten Öffentlichkeit ebenso wenig wie säkular-demokratisch denkende Politiker. Im Parlament stellen säkulare Kräfte eine Minderheit dar (AA 6 .11.205; vgl. AA 2.3.2015).

Haftbedingungen

Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das ‚General Directorate of Prisons and Detention Centers' (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MoI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse, sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MoI und das ‚Juvenile Rehabilitation Directorate' (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die Afghan National Police (ANP) unter dem Innenministerium und dem National Directorate of Security (NDS), ist verantwortlich für Kurzzeit-Haftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die Nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki (USDOS 25.6.2015).

Aus dem Bericht der UNAMA, dem eine fast zweijährige Studie (1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014) in 221 Anstalten in 28 verschieden Provinzen Afghanistans vorrausgegangen war, geht hervor, dass allgemein die Zahl der interviewten Häftlinge, die misshandelt bzw. gefoltert wurden, um 14% niedriger ist als im Vergleichszeitraum (Oktober 2011 bis Dezember 2013). Von den 790 befragten Häftlingen gaben 278 an misshandelt oder gefoltert worden zu sein, was in etwa 35% entspricht. Ebenso wurde berichtet, dass Vertreter/innen des NDS und des MoI mit UNAMA kooperierten und Zugang zu den Häftlingen und den Anstalten in dem Berichtszeitraum gewährt wurde (UNAMA 2.2015).

Folter wird hauptsächlich verwendet um ein Geständnis oder Informationen zu erhalten (OHCHR 8.1.2015; vgl. UNAMA 2.2015).

Es gibt Berichte über harte und manchmal lebensbedrohliche Bedingungen und Misshandlungen in öffentlichen Haftanstalten (USDOS 25.6.2015). Die afghanische Regierung signalisierte mit dem Präsidialdekret Nr. 129 und anderen Maßnahmen Folter und Misshandlungen entgegenzutreten (UNAMA 2.2015). Berichten zufolge gab es von Mitgliedern der ANSF privat geführte Gefängnisse, die dazu verwendet wurden, um Misshandlung und Folter an Häftlingen durchzuführen (USDOS 25.6.2015).

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahre 1992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Deliktarten einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffattentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale Integrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster Zeit nicht beachtet. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen ‚Delikten' (z.B. Blasphemie, Apostasie) (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015), . Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt. In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 6.11.2015)

Im September 2014 ordnete der aus dem Amt scheidende Präsident Karsai - offiziell erstmalig wieder seit 2012 - die Hinrichtung von zum Tode verurteilten Straftätern an (AA 6.11.2015). Im Oktober 2014 wurden sechs zum Tode verurteilte Männer gehängt. Unter ihnen befanden sich fünf Sexualstraftäter, die bei einer Gruppenvergewaltigung vier Frauen vergewaltigt hatten, sowie der Anführer eines Entführungsnetzwerkes (NZZ 8.10.2014; vgl. AI 25.2.2015 und ICOMDP 21.10.2014). Dies stieß auf internationale Kritik (ICOMDP 21.10.2014; vgl. AI 8.10.2015 und AA 2.3.2015). Präsident Ghani hat sich informell bereits positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Ferner ordnete Präsident Ghani die Überprüfung von etwa 400 Todesstrafe Fällen an (AI 25.2.2015).

Nach Angaben der Zentralabteilung für Gefängnisse waren im Mai 2014 128 Personen landesweit zum Tode verurteilt. Diese Angaben müssen angezweifelt werden, da im Jahre 2010 noch doppelt so viele Personen verurteilt wurden. Die Zahlen könnten jedoch auch durch Begnadigungen oder außergerichtliche Lösungen einschließlich Bestechungszahlungen zurückgegangen sein. Nach inoffiziellen Angaben der Generalstaatsanwaltschaft befinden sich angeblich 375 zum Tode verurteilte Personen in den Haftanstalten (AA 2.3.2015).

Religionsfreiheit

80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (The CIA World Factbook 20.10.2015). Es lebt offiziell noch ein Jude in Afghanistan, der sich um die verwaiste Synagoge kümmert (AA 16.11.2015).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 16 .11..2015).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 28.4.2015).

Angaben eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul berichtete, dass entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, Hazara keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach ‚unislamische' Aktivitäten setzen (USCIRF 30.4.2015).

Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014; vgl. USDOS 14.10.2015; vgl. USDOS 26.5.2015).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, waren sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen war nicht systematisch (USDOS 14.10.2015). Im Mai 2014 zum Beispiel trat Sham Lal Bathija als erster Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada an (RFERL 15.5.2014). Im März übergab er formell diese Position an seinen Nachfolger Dawood Qayomi (Afghan Embassy 18.3.2015). Sham Lal Bathija war bereits in der Vergangenheit als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express 16.5.2012).

Ethnische Minderheiten

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42%-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.1.2015). wie z.B. Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Balutschen 2% und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.6.2014).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.6.2015).

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.6.2015). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014; vgl. GIZ 10.2015). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz erlaubt interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, aber die Regierung schränkte die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.:

siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 25.6.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht (USDOS 25.6.2015).

Meldewesen

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012).

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Interne Bevölkerungsbewegungen steigen an, hauptsächlich wegen militärischer Operationen, aber auch wegen bewaffneten Konflikten und der Sicherheitslage (USDOS 25.6.2015).

Ende August 2015 waren, laut UNHCR, 948.000Personen intern vertrieben (UNHCR 8.2015 vgl. IDMC 7.2015). Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen für das erste Halbjahr 2015 wird mit 103.000 angegeben. Mehr als 36.000 wurden seit April aus Kunduz intern vertrieben. Ferner wurden auch in den Provinzen Badakshan, Badghis, Baghlan, Faryab, Ghazni, Kapisa und (Maydan) Wardak seit Juni 2014 Menschen intern vertrieben (IDMC 7.2015).

UNHCR registrierte die höchste Zahl intern vertriebener aus den nordöstlichen Gebieten Afghanistans (UNHCR 5.2015). Auseinandersetzungen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, wurden als Grund angegeben (z.B. Provinz Kunduz) (UNHCR 5.2015; vgl. UNHCR 7.2015). Die zweithöchste Zahl intern Vertriebener wurde in den Regionen Zentralafghanistans angegeben. Als Gründe wurden hier die allgemeine Sicherheitslage, militärische Operationen und gelegentliche Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften genannt (UNHCR 5.2015).

Bewaffnete Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften wurden als die Hauptursache für die Vertreibung innerhalb des Landes angegeben. Als weitere Ursachen wurden im Belästigungen und Einschüchterungen durch regierungsfeindliche Gruppen sowie stammesinterne Dispute angegeben (UNHCR 5.2015). Ferner kam es auch aufgrund von Naturkatastrophen und Arbeitsmöglichkeiten in anderen Gebieten zu internen Bevölkerungsbewegungen (USDOS 25.6.2015)

Die größten Bedürfnisse der IDP-Bevölkerung waren Nahrung, sowie Gebrauchsgüter (NFI- Non-Food-Items), die keine Lebensmittel sind. Einem Großteil der IDP gelang es temporär Behausungen in Gegenden der Vertreibung zu mieten. Anderen war es möglich bei Verwandten oder in Gastgemeinden unterzukommen bzw. aufgenommen zu werden. Situationen in denen intern vertriebenen Familien keine Behausung zur Verfügung stand, waren selten. War dies dennoch der Fall, so wurde den Familien sofort Notfallsbehausungen bzw. Zelte zur Verfügung gestellt. In gewissen Gegenden kam zu Herausforderungen im Bereich von Bildungszugang. Grund dafür waren das Fehlen notwendiger Dokumente oder Platz- oder Ressourcenmangel. Diese Fälle wurden an die notwendigen Bildungsautoritäten entweder durch UNHCR direkt oder durch UNICEF gemeldet (UNHCR 5.2015).

Flüchtlinge in Afghanistan:

Afghanistan beheimatet auch weiterhin etwa 227.000 Flüchtlinge aus Pakistan, die aufgrund militärischer Operationen in Nordwaziristan, in die südöstlichen Teile des Landes übergetreten sind (UN GASC 10.12.2015; vgl. Tolonews 21.12.2015). Laut UNHCR sind es derzeit sogar rund 300.000 Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und 60 Asylbewerber in Afghanistan. Allein im Juni 2014 kamen lt. UNHCR rund 100.000 Menschen aus Pakistans Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan. Sie hatten sich vor den Auseinandersetzungen in ihrer Heimatregion geflüchtet und wurden oft direkt von paschtunischen Familien in den afghanischen Nachbarprovinzen Paktika und Khost aufgenommen. Im Dezember 2014 waren beim UNHCR rund 800.000 afghanische konflikt-induzierte Binnenflüchtlinge registriert (AA 16.11.2015).

Grundversorgung/Wirtschaft

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169 Platz von mehr als 187 (Anm.: darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8 .2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit haben die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vgl. IMF 9.6.2015).

Das Wirtschaftswachstum war zum Größtenteil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, welche ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau, wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet. (WB 2015).

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8 .2015).

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und einer starken Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8 .2015).

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus, , konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachstums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8 .2015).

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8 .2015).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8 .2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und -verkauf (AA 8 .2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8 .2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8 .2015).

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezember 2014 bestätigt. Sie begrüßten das Engagement der neuen afghanischen Regierung für macroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

Medizinische Versorgung

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 16.11.2015). Ferner, können sich die im Zuge der Recherche gefundenen Informationen, auch widersprechen.

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 16 .11.201). Auch hat sich seit dem Jahr 2001 der Zugang zur Grundleistung für die afghanische Bevölkerung in fast allen Bereichen erheblich verbessert: der Deckungsgrad medizinischer Gesundheitsversorgung hat sich von 9% im Jahr 2001 auf 80% im Jahr 2011 erweitert (WB 4.2015). Jedoch fällt diese Grundversorgung im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 2.3.2015).

Die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 165 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 97 auf 77 bei 1.000 Lebendgeburten und die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Ferner, erhöhte sich die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 4.2015).

In der letzten Dekade hat das afghanische Gesundheitssystem ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund starker Regierungsführung, einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer, was ferner andeutet, dass die Notwendigkeit besteht, Zugangshindernisse zu Leistungen für Frauen zu beseitigen. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralspiegeldefiziten (WB 4.2015).

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 25.6.2015)

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)]. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die Patient/innen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014). Obwohl Qualitätskontrollmaßnahmen für Medikamente im öffentlichen Gesundheitsvorsorgesystem existieren, ist die Umsetzung laut einem US-amerikanischen Bericht schwach. Der Großteil der verschriebenen Medikamente wird verschrieben und privat verkauft. Auch, so der Bericht weiter, gibt es keine Daten zu Pahrmazisten, die im privaten Sektor arbeiten. Bis zu 300 in Pakistan ansässige Unternehmen produzieren Medikamente, die speziell für den Export nach Afghanistan vorgesehen sind, aber den von für Pakistan vorgeschriebenen Standards nicht entsprechen (IJACMEC 10.2014; vgl. The Guardian 7.1.2015).

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig leiden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn der Patient oder die Patientin kein unterstützendes Familienumfeld hat. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen ‚behandelt', oder es wird ihnen in einer ‚Therapie' mit Brot, Wasser und Pfeffer der ‚böse Geist ausgetrieben'. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 16.11.2015).

Behandlung nach Rückkehr

In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwilligen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insgesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vgl. AA 2.3.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 2.3.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstützt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig. Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015)."

1.2.2. Auszug aus den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (S. 9 f.):

"[...] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:

(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

[...] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [...] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [...] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [...] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.

...

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig.

..."

1.2.3. Auszug aus dem Dossier der Staatendokumentation zu Afghanistan zum Thema Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur vom Juli 2016 (aus dem Kapitel "Ethnische Gruppen und Strukturen" von Prof. Dr. Lutz Rzehak):

"[...]

Die Paschtunen sind die einzige ethnische Gruppe in Afghanistan, die über eine so stark ausgeprägte Stammesstruktur mit einer allumfassenden genealogischen Tradition verfügt, in der theoretisch jedes heute lebende Mitglied seine Herkunft von einem legendären Ahnen aller Paschtunen herleiten und die entsprechenden Verbindungsglieder benennen kann. Vergleichbare Stammesstrukturen sind auch bei anderen ethnischen Gruppen vorhanden, aber sie weisen nicht die genealogische Tiefe der paschtunischen Stammesstruktur auf.

[...]

Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschto zu sprechen, sondern dass man auch ‚Paschto machen', also die Regeln dieses Ehren-und Verhaltenskodexes befolgen muss.

Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen. Wenn zwei Paschtunen sich zum ersten Mal begegnen, kann es sein, dass sie zuerst Minuten lang über ihre Stammeszugehörigkeit sprechen. Wenn sie auf irgendeiner Ebene gemeinsame Vorfahren entdecken, kann es sein, dass aus einer Zufallsbekanntschaft schnell eine Beziehung mit weitreichenden Verpflichtungen und Hilfsangeboten wird.

[...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellung zu Namensführung (Schreibweise) und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus der vom Beschwerdeführer im Anschluss an die mündliche Verhandlung vorgelegten und sodann übersetzten Tazkira. Aus dieser geht als Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung dargelegt - XXXX hervor. Diesbezüglich brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, dass sein Familienname im bisherigen Verfahren falsch geschrieben worden sei. Er heiße nicht XXXX, sondern XXXX. Der Beschwerdeführer äußerte die nachvollziehbare Vermutung, dass sein Name phonetisch falsch verstanden worden sei.

Weiters führte er in der mündlichen Verhandlung aus, dass das Geburtsdatum, von dem die Behörde ausgeht (XXXX), nicht mit jenem übereinstimme, das aus seiner Tazkira hervorgehe.

Das Alter des Beschwerdeführers wurde der Tazkira zufolge im Jahr 1388 (= 2009) mit 16 Jahren vermerkt. Gedruckt wurde das Dokument am 12.05.1395 (= 03.08.2016).

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine begründeten Zweifel an den im Einklang mit der von ihm vorgelegten Tazkira stehenden Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Familiennamen und seinem Geburtsjahr, zumal ihm aus unwahren Angaben diesbezüglich keinerlei Vorteile erwachsen würden. Hinzu kommt, dass Auftreten und Erscheinungsbild des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung dafür sprechen, dass er bereits älter als bisher angenommen ist.

Die belangte Behörde hat sich im Übrigen zur Tazkira des Beschwerdeführers im Zuge des ihr eingeräumten Parteiengehörs nicht geäußert.

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt es sohin als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer den Namen XXXX führt und 24 Jahre alt ist. Die bisher dem Verfahren zugrunde gelegten Identitätsangaben werden im Kopf dieser Entscheidung nur deshalb als Alias-Daten geführt, um den Bezug zum verwaltungsbehördlichen Verfahren zu wahren.

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu Herkunft und Geburtsort stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu.

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer von seiner Geburt bis zu seiner Flucht in der Provinz Nangarhar aufgehalten hat, basiert ebenfalls auf den diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens. Dass der Beschwerdeführer Afghanistan Mitte November 2015 verlassen hat, ergibt sich daraus, dass er ausweislich des Verwaltungsaktes am 16.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich eingebracht und die Dauer seiner Reise bei der Erstbefragung mit ca. einem Monat angegeben hat. Auch im Zuge der mündlichen Verhandlung am 28.07.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er vor etwa neun Monaten aus Afghanistan ausgereist sei.

2.2. Zu den Fluchtgründen und einer allfälligen Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, das sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA, aus den Ausführungen in der Beschwerde sowie aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und der im Anschluss an die Verhandlung vorgelegten "Bestätigung" ergibt, aus folgenden Erwägungen für nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer behauptet zusammengefasst eine Verfolgung durch unbekannte Personen (Taliban, Daesh oder gewöhnliche Kriminelle), die seinen Vater erschossen hätten, als er mit ihm gemeinsam die Felder bewässert habe. Da der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge befürchtet habe, dass auch sein Leben in Gefahr wäre, reiste er aus Afghanistan aus.

Festzuhalten ist, dass diese Verfolgungsgründe weder bewiesen noch belegt worden sind. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.

Dabei ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich schlüssiger Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Konkret ergibt sich die mangelnde Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe aus einer Zusammenschau der - teilweise voneinander abweichenden und überdies auch nicht schlüssigen - Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Asylverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Inhalt der im Anschluss an die Verhandlung vom Beschwerdeführer vorgelegten "Bestätigung" über das Fluchtvorbringen. Der Beschwerdeführer muss sich vorwerfen lassen, hinsichtlich der behaupteten Ermordung seines Vaters und der Zeit bis zur Ausreise Unterschiedliches ausgesagt zu haben, was weder in der Beschwerde noch im Zuge der Verhandlung nachvollziehbar aufgeklärt werden konnte. Zudem legte der Beschwerdeführer nach der Verhandlung - unaufgefordert und unangekündigt - eine über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes übersetzte "Bestätigung" von näher bezeichneten Personen über den fluchtauslösenden Vorfall vor, die wesentliche Abweichungen zu seinem bisherigen Vorbringen aufweist.

Im Einzelnen ist dazu Folgendes festzuhalten:

Im Vergleich der zum angeblich fluchtauslösenden Ereignis gemachten Angaben fällt auf, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegeben hatte, sein Vater sei in seinem Beisein von bewaffneten vermummten Personen getötet worden, während sie gemeinsam die Felder bewässert hätten. Daraufhin habe sein Vater zurückgeschossen und ihn aufgefordert, wegzulaufen.

Anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass sein Vater von Taliban umgebracht worden sei. Auf Nachfrage, wer die Angreifer gewesen seien, erklärte er in weiterer Folge, es seien vermummte Personen, vielleicht Kriminelle gewesen. Einige Zeit danach antwortete der Beschwerdeführer jedoch auf die Frage, ob die Täter vermummt gewesen seien, dass er dies nicht mehr wisse und vermeinte, dass es Taliban oder Daesh gewesen seien. Zudem stellte der Beschwerdeführer bei der Einvernahme ausdrücklich in Abrede, dass er bei der Erstbefragung gesagt haben soll, sein Vater habe zurückgeschossen. Er bestand vielmehr darauf, dass sein Vater nicht bewaffnet gewesen sei. Die Frage, was er und sein Vater in der Nacht auf den Feldern gemacht haben, beantwortete der Beschwerdeführer bei der Einvernahme nicht. Der Vorfall habe sich ca. fünf Tage vor der Ausreise aus Afghanistan (im Herbst 2015) ereignet. Die Tage nach dem Angriff auf seinen Vater habe er sich beim Sohn seines Onkels mütterlicherseits aufgehalten.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass er nicht zuordnen könne, ob sein Vater von Taliban, Daesh oder auch von Angehörigen der Regierung oder privaten Feinden getötet worden sei. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Schüsse weit von seinem Vater und den beiden Angreifern entfernt gewesen. Er habe auch nicht viel erkennen können, weil es relativ dunkel gewesen sei. Die Gesichter habe er nicht gesehen, weil die Angreifer vermummt gewesen seien. Der Beschwerdeführer stellte auf Nachfrage (erneut) in Abrede, dass er bei der Erstbefragung die Taliban als Täter bezeichnet und erklärt haben soll, dass sein Vater zurückgeschossen hätte. Der Beschwerdeführer sei nach dem ersten Schuss sofort weggelaufen, zuerst nach Hause; von dort sei er dann zu seinem Onkel mütterlicherseits nach Jalalabad gegangen, wo er bis zur Flucht geblieben sei. Nach ca. 10 Tage sei er aus Afghanistan ausgereist. Er habe seine Familie vorher nicht mehr gesehen und sei auch nicht bei der Beerdigung seines Vaters gewesen. Der Vorfall habe sich vor etwa neun Monaten (bezogen auf den Zeitpunkt der Verhandlung) zwischen 3 und 4 Uhr früh ereignet, während er mit seinem Vater die Felder bewässert habe.

Ein mögliches Motiv für die geschilderte Ermordung seines Vaters konnte der Beschwerdeführer im gesamten Verlauf des Verfahrens nicht nennen. Den von ihm aufgrund der Bezeichnung als fluchtauslösendes Ereignis hergestellten Zusammenhang zwischen dem Tod seines Vaters und der vom Beschwerdeführer behaupteten Gefährdungssituation erklärte dieser auf Nachfrage so, dass seine Familie ihn darauf hingewiesen habe, dass sein Leben in Gefahr sei. Die Nachbarn hätten darüber gesprochen, dass ihm etwas zustoßen könnte. In seiner Heimatprovinz seien sowohl die Taliban als auch die Daesh Tag und Nacht aktiv. Die Bewohner seines Heimatdistriktes würden sich nicht sicher fühlen, da es immer wieder zu Zwischenfällen mit den Taliban komme, bei denen Leute getötet bzw. junge Männer entführt würden. Der Beschwerdeführer habe Angst, ebenfalls Opfer einer solchen Tat zu werden.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes wurde damit jedoch kein kausaler Zusammenhang zwischen der behaupteten Ermordung des Vaters des Beschwerdeführers und den von ihm geäußerten Befürchtungen dargetan, sondern vielmehr die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ins Treffen geführt.

Während vom Beschwerdeführer in Bezug auf seine Aussagen im Asylverfahren sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung zwar ein im Kern gleichbleibendes Fluchtvorbringen erstattet wurde, waren - wie dargestellt - hinsichtlich der Beschreibung der Angreifer (Taliban, Daesh, gewöhnliche Kriminelle), der allfälligen Bewaffnung und Gegenwehr seines Vaters sowie des Grundes für den Aufenthalt auf den Feldern in den frühen Morgenstunden (Bewässerungsarbeiten; keine Angabe dazu auf Nachfrage bei der Einvernahme) Ungereimtheiten bzw. voneinander abweichende Angaben auszumachen.

Nicht auflösbare Widersprüche sind zudem mit Blick auf die vom Beschwerdeführer im Anschluss an die mündliche Verhandlung unaufgefordert vorgelegte, undatierte, mit unleserlichen Stempeln und Unterschriften von zwei näher bezeichneten (dem Gericht nicht bekannten) Personen versehene "Bestätigung" zutage getreten. Dem Inhalt dieser über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes übersetzten "Bestätigung" zufolge habe der Beschwerdeführer im Jahr 1394 (= 2015) im Monat Saratan (= Juni/Juli) gemeinsam mit seinem Vater gegen 3 Uhr morgens die Reisfelder bewässert. Sie seien von zwei unbekannten Personen, die mit Kalaschnikows bewaffnet gewesen seien, beschossen worden. In Folge dessen sei der Vater des Beschwerdeführers gestorben. Dem Beschwerdeführer sei es gelungen, zu fliehen. Einige Monate nach der Beerdigung seines Vaters habe er sich auf den Weg nach Österreich gemacht. Sie hätten mit niemandem einen Streit oder eine Feindschaft gehabt. Allerdings sei der Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar in letzter Zeit sehr unsicher geworden, weil Anhänger von Daesh und Taliban regelmäßig Angriffe durchführen würden.

Während der Beschwerdeführer im gesamten Asylverfahren einschließlich der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass sein Vater kurz (ca. 5 bzw. 10 Tage) vor seiner Ausreise im Herbst 2015 erschossen worden sei, fand das angeblich fluchtauslösende Ereignis der erwähnten "Bestätigung" zufolge bereits im Juni/Juli 2015 statt. Die spezifische Bezeichnung der von den Angreifern geführten Waffen (Kalaschnikows) stellt zwar keinen Widerspruch zum bisherigen Vorbringen dar, erscheint jedoch insofern auffällig, als der Beschwerdeführer bislang nur allgemein von der Bewaffnung der angeblichen Täter sprach und zudem seiner Schilderung zufolge so weit von den Tätern entfernt gewesen ist, dass eine genaue Zuordnung der Art der verwendeten Waffen schwer nachvollziehbar erscheint. In völligem Widerspruch zu sämtlichen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs steht jedoch die Darstellung in der "Bestätigung", wonach sich der Beschwerdeführer einige Monate nach der Beerdigung seines Vaters auf den Weg nach Österreich gemacht habe. Vielmehr betonte der Beschwerdeführer sowohl bei der Einvernahme vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er unmittelbar nach den angeblichen Schüssen auf seinen Vater weggelaufen sei und sich aus Angst einige Tage bei seinem Onkel bzw. dessen Sohn in Jalalabad versteckt habe, bevor er aus Afghanistan ausgereist sei. In der mündlichen Verhandlung gab er auf Nachfrage zudem ausdrücklich an, nicht bei der Beerdigung seines Vaters gewesen zu sein. Angesichts der dargelegten krassen inhaltlichen Widersprüche kann es für eine abschließende Würdigung des vom Beschwerdeführer initiativ vorgelegten Bescheinigungsmittels auch dahingestellt bleiben, von wem diese "Bestätigung" erstellt wurde, zumal es der bisherigen Schilderung des Beschwerdeführers zufolge jedenfalls keine (Augen‑)Zeugen des Vorfalls gab.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer die Übermittlung dieser "Bestätigung" im Zuge der Beischaffung seiner Tazkira aus Afghanistan veranlasst hat. Da er seinen eigenen Angaben zufolge 12 Jahre lang die Schule besucht hat und sowohl lesen als auch schreiben kann, muss der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht die in Rede stehende "Bestätigung" in Kenntnis ihres Inhalts vorgelegt haben. Dass dem Beschwerdeführer offenbar nicht einmal aufgefallen ist, dass die darin "bestätigten" Angaben in entscheidenden Punkten nicht mit seinem bisherigen Vorbringen übereinstimmen, spricht in einer Gesamtschau dafür, dass der Beschwerdeführer wesentliche Elemente seines Fluchtvorbringens konstruiert hat. Insbesondere wurde dadurch der bereits in der mündlichen Verhandlung entstandene Eindruck des erkennenden Gerichtes bekräftigt, dass - selbst unter der Prämisse, dass der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich getötet wurde - keinerlei kausaler wie zeitlicher Zusammenhang zwischen dem mutmaßlichen Tod des Vaters und der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan besteht, sondern ihn vornehmlich andere Erwägungen (nämlich insbesondere die vom Beschwerdeführer mehrfach betonte allgemein schlechte Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz) zum Verlassen seines Herkunftsstaates bewogen haben.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Widersprüche und Ungereimtheiten ist festzuhalten, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vom erkennenden Gericht für nicht glaubwürdig erachtet wird. Insbesondere hat es sich als nicht glaubhaft erwiesen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der von ihm geschilderten Ermordung seines Vaters einer wie immer gearteten individuellen Verfolgung durch Unbekannte (Taliban, Daesh, gewöhnliche Kriminelle) ausgesetzt war oder einer solchen im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre.

Soweit seitens des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung (erstmals und nur auf Nachfrage des Gerichtes) ins Treffen geführt wurde, dass er "eine Zeit lang für die Regierung" (gemeint: Nationalarmee) gearbeitet und "Schwierigkeiten mit regierungsfeindlichen Gruppierungen" hätte, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang keinerlei konkrete Angaben gemacht oder ein wie immer geartetes Verfolgungsszenario geschildert hat. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer - befragt zu seiner beruflichen Tätigkeit - im gesamten Asylverfahren stets angegeben hat, seinen Lebensunterhalt als Landarbeiter gesichert zu haben.

Dasselbe gilt für die in der Verhandlung allgemein getätigte Aussage des Beschwerdeführers, wonach er wegen seines jungen Alters und Geschlechts in Hinblick auf eine mögliche Zwangsrekrutierung oder Tötung durch die Taliban bzw. durch Aktivitäten der Daesh gefährdet wäre, zumal im gesamten Verfahrensverlauf keinerlei Vorbringen erstattet wurde, welches einen persönlichen Kontakt des Beschwerdeführers mit Taliban oder Daesh zum Inhalt hatte.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan weder vorbestraft ist noch jemals dort inhaftiert war, gründen sich - ebenso wie die Feststellungen, dass er mit den Behörden seines Herkunftsstaates bislang nicht in Konflikt geraten ist, nie politisch tätig war und auch keiner politischen Partei angehörte - zum einen auf die gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers und zum anderen auf das Fehlen entsprechender amtswegig aufzugreifender Hinweise.

2.3. Zur Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers nach Afghanistan

Die Feststellungen zur Schulbildung und zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Landarbeiter stützen sich auf dessen Angaben im Asylverfahren sowie in der Beschwerdeverhandlung. Dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise für den Lebensunterhalt seiner Familie gesorgt hat, ergibt sich ebenfalls aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung gab dieser an, dass seine Familie seit seiner Ausreise von seinem jüngeren Bruder, der nunmehr in der Provinz Farah in der Nationalarmee diene, versorgt werde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist und an keinen relevanten medizinischen Beschwerden leidet, konnte aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung getroffen werden. Zweifel an der grundsätzlichen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sind im Übrigen während des gesamten Verfahrens nicht aufgetaucht.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bisher nicht in Kabul gelebt, sondern nur eine Nacht auf dem Fluchtweg dort verbracht hat, gründet sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Zuge des Asylverfahrens und in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Den Angaben des Beschwerdeführers, wonach es seiner Familie nicht möglich sein würde, ihn im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen, da man dafür "wohlhabend" sein müsste, vermag das erkennende Gericht hingegen nicht zu folgen. Diese Ausführungen stehen zum einen in einem Spannungsverhältnis zum Amtswissen des Gerichtes, wonach ein enger familiärer Zusammenhalt dem traditionellen Familienbild in Afghanistan entspricht. Sie lassen sich zum anderen aber auch nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung in Einklang bringen, dass er selbst bis zu seiner Ausreise für den Lebensunterhalt seiner Familie gesorgt habe und nun sein jüngerer Bruder, der in der Provinz Farah für die Nationalarmee tätig sei, die Familie finanziell unterstütze. Warum seine Familie, insbesondere sein berufstätiger Bruder, ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht ebenfalls finanzielle Hilfe angedeihen lassen sollte, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer laufend (telefonischen) Kontakt zu seiner Familie hält, ergibt sich aus dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Sie wird auch durch den Umstand bekräftigt, dass der Beschwerdeführer im Anschluss an die mündliche Verhandlung offenbar Kontakt zu seiner Familie aufgenommen hat, um Unterlagen aus seinem Herkunftsstaat in Vorlage zu bringen.

Die Feststellung, dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers unter gesicherten sozialen Verhältnissen leben, gründet sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach sein jüngerer Bruder für den Lebensunterhalt seiner Familie sorge und es der Familie gut gehe. Dass die Familie des Beschwerdeführers keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt ist, ergibt sich zum einen aus dem Fehlen eines darauf gerichteten Vorbringens des Beschwerdeführers und zum anderen aus der mangelnden Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer erstatteten Fluchtgründe.

Für eine existenzielle Gefährdung des Beschwerdeführers bestehen keine Hinweise. Der Beschwerdeführer war vor der Ausreise aus Afghanistan in der Lage, durch seine Tätigkeit in der Landwirtschaft seinen sowie den Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten. Er verfügte auch über eine gesicherte Unterkunft in seinem Heimatdorf, wo seine engsten Familienangehörigen - mit Ausnahme seines jüngeren Bruders - nach wie vor leben. Er war in seiner Herkunftsprovinz zu keiner Zeit einer existenziellen Notlage ausgesetzt. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er in Kabul nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Auch ergibt sich unter Zugrundelegung der Länderberichte unter dem Aspekt der Sicherheitslage in Kabul keine besondere Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer, der als Paschtune sunnitischen Glaubens der Mehrheitsbevölkerung angehört.

Angesichts der zu erwartenden finanziellen Unterstützung durch seine Familie (insbesondere seines jüngeren Bruders), seiner zwölfjährigen Schulbildung und seiner Bereitschaft, auch schwere Arbeit zu verrichten, hat der Beschwerdeführer passable Chancen, sich am Arbeitsmarkt in Kabul zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe ist notorisch.

Die dargestellten Umstände rechtfertigen aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Lichte einer Gesamtbetrachtung die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer mit finanzieller Unterstützung seiner Familie in Kabul eine Existenz aufbauen und sichern kann. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer als junger Erwachsener in der Lage war, völlig auf sich alleine gestellt über ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen musste.

2.4. Zum (Privat‑)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Die Feststellung zur Aufenthaltsdauer, zur familiären Situation und Integration des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf ein von Deutschlehrern des Beschwerdeführers bzw. dessen Fußballtrainer unterzeichnetes Schreiben vom 16.12.2016 über die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers.

Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration, substanzieller Spracherwerb) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (28.07.2016) noch kaum über Deutschkenntnisse. Dem Gericht liegt lediglich der Nachweis über den Besuch eines Deutschkurses vor. Gemäß einem Schreiben von zwei Deutschlehrern des Beschwerdeführers könne der Beschwerdeführer mittlerweile gut lesen und schreiben. Er sei sehr bemüht, die deutsche Sprache zu lernen. Es gibt keinen Beleg, dass der Beschwerdeführer in Österreich bisher einer legalen Beschäftigung nachgegangen wäre. Allerdings verrichtet der Beschwerdeführer in seiner Heimatgemeinde unbezahlte Tätigkeiten. Für besondere Integrationsfortschritte während des laufenden Verfahrens legte der Beschwerdeführer keine Nachweise vor.

Dazu kommt, dass die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Afghanistan lebt, während der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörigen hat. Ein Überwiegen der Beziehungen zu Österreich gegenüber jenen zu Afghanistan ist damit zu verneinen.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt sowie aus den Auszügen aus von österreichischen Behörden geführten Datenregistern.

2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan ergeben sich aus den zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der unter Pkt. II.1.2. angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer hat zu den ihm im Vorfeld der mündlichen Beschwerdeverhandlung übermittelten und in der Verhandlung ausgehändigten Länderberichten eine Stellungnahme abgegeben (Pkt. I.7.), in der Näheres zur Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar sowie in Kabul ausgeführt wurde. Nangarhar sei demnach eine der gefährlichsten und meistumkämpften Provinzen Afghanistans. Auch in Kabul sei die Sicherheitslage eher volatil, zumal es auch dort zu schweren Anschlägen kommen könne. Es treffe nicht zu, dass die Sicherheitslage in Kabul besser sei als in den übrigen Teilen Afghanistans. Zudem sei dem Beschwerdeführer eine Umsiedlung nach Kabul nicht zumutbar, da er dort über keine Angehörigen und somit über kein soziales Auffangnetz verfüge, sodass sein Überleben in Kabul nicht sichergestellt werden könne. Dem Beschwerdeführer sei daher zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

Dazu ist festzuhalten, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Sicherheitslage in Kabul nicht geeignet waren, die entsprechenden Ausführungen in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in Zweifel zu ziehen. Was die Sicherheitslage in Nangarhar anlangt, so wird die Einschätzung des Beschwerdeführers vom erkennenden Gericht im Wesentlichen geteilt. Hinsichtlich der Sicherheitslage in der Hauptstadt Kabul vermochte der Beschwerdeführer jedoch keine - mit der Lage in der Provinz Nangarhar vergleichbare - Situation darzulegen, die einer Rücküberstellung dorthin grundsätzlich entgegenstehen würde (vgl. dazu auch die nachfolgende rechtliche Beurteilung unter Pkt. II.3.2.3.). In den maßgeblichen Teilen der Länderberichte sind auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine substanziellen entscheidungsrelevanten Änderungen eingetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren" (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0012; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

3.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551; 29.06.2006, 2002/20/0167).

Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059; 18.11.2015, Ra 2014/18/0162; 19.04.2016, Ra 2015/20/0302, je mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) - , kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).

Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

3.1.3. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr aufgrund der Ermordung des Vaters

Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass eine Verfolgungsgefahr nur dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/011; 28.05.2009, 2008/19/1031).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, konnte der Beschwerdeführer die von ihm geltend gemachte Furcht, im Falle seiner Rückkehr von den mutmaßlichen Mördern seines Vaters getötet oder verfolgt zu werden, nicht glaubhaft machen.

Soweit in der Beweiswürdigung auf die vom Beschwerdeführer im Anschluss an die mündliche Verhandlung unaufgefordert vorgelegte - über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes übersetzte - "Bestätigung" über das angeblich fluchtauslösende Ereignis Bezug genommen wurde, ist festzuhalten, dass eine weitere Konfrontation des Beschwerdeführers mit dem (übersetzten) Inhalt des von ihm selbst beigebrachten Bescheinigungsmittels schon deshalb unterbleiben konnte, weil dem der Sprache Paschtu in Wort und Schrift mächtigen Beschwerdeführer sowohl der Inhalt der "Bestätigung" als auch seine bisher im Verfahren getätigten Angaben bekannt sein mussten.

Ein Verstoß gegen § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG liegt im Übrigen dann nicht vor, wenn ein vom Verwaltungsgericht verwertetes Beweismittel, dessen Gehalt der Partei vom Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis gebracht wurde, von der Partei selbst stammt; die Würdigung der Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Schlussfolgerung sind nicht als "Ergebnis der Beweisaufnahme" zu verstehen und müssen der Partei daher auch nicht zur Kenntnis gebracht werden (vgl. dazu etwa VwGH 12.02.1986, 85/11/0025; 28.04.2000, 98/21/0041, mwH).

Was die Asylrelevanz des vom Beschwerdeführer erstatteten Fluchtvorbringens anlangt, ist Folgendes festzuhalten:

Abgesehen davon, dass eine Ermordung des Vaters des Beschwerdeführers (durch Taliban, Daesh oder gewöhnliche Kriminelle) vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden konnte, läge auch das Motiv für die angebliche Tötung des Vaters letztlich im Dunkeln. Diesbezüglich äußerte der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungs- und Beschwerdeverfahrens auch keinerlei Vermutung.

Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass der Vater des Beschwerdeführers (von wem auch immer) tatsächlich aus einem der in der GFK taxativ aufgezählten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) getötet wurde, ließe sich daraus noch keine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers ableiten, zumal der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, dass der oder die mutmaßlichen Mörder seines Vaters ihn kennen. Vielmehr gab der Beschwerdeführer diesbezüglich gleichbleibend an, dass er sehr weit entfernt von den angeblichen Tätern gewesen sei und deren Gesichter (auch aufgrund der Dunkelheit und deren Vermummung) nicht habe erkennen können. Dass die potentiellen Angreifer den Beschwerdeführer, der den Ort des Vorfalls sofort verlassen haben will, überhaupt wahrgenommen, geschweige denn erkannt hätten, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch persönliche Bedrohungen des Beschwerdeführers, seines Vaters oder anderer Familienmitglieder wurden vom Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt vorgebracht. Insbesondere wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet, dass Taliban, Daesh oder andere kriminelle Personen vor der mutmaßlichen Ermordung seines Vaters oder nach dessen Tod an den Beschwerdeführer oder seine Familie herangetreten wären.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass - selbst unter der Prämisse der Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers über das Ableben seines Vaters - ein Zusammenhang der behaupteten Verfolgung des Beschwerdeführers durch den oder die angeblichen Mörder seines Vaters mit einem Konventionsgrund [insbesondere auch mit dem der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd GFK, etwa der "Familienangehörigen"] nicht zu erkennen ist.

Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hätte im Übrigen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059 mwN).

Den Angaben des Beschwerdeführers lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass sein Herkunftsstaat aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründe nicht bereit gewesen wäre, dem Beschwerdeführer bezüglich einer allfälligen ihm drohenden, jedoch auf keinem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung durch Private Schutz zu gewähren.

3.1.4. Was das vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung (erstmals) erstattete Vorbringen anlangt, wonach er "eine Zeit lang für die Regierung" (gemeint: Nationalarmee) gearbeitet und "Schwierigkeiten mit regierungsfeindlichen Gruppierungen" hätte, wurde bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, dass der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang keinerlei konkrete Angaben gemacht oder ein wie immer geartetes Verfolgungsszenario geschildert hat.

Dasselbe gilt für die allgemein gehaltene Aussage des Beschwerdeführers, wonach er in Hinblick auf eine mögliche Zwangsrekrutierung oder Tötung durch die Taliban bzw. durch Aktivitäten der Daesh gefährdet wäre, zumal ein persönlicher Kontakt des Beschwerdeführers mit Taliban oder Daesh von diesem gar nicht behauptet wurde.

Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG 2005).

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

3.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen. Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen (z.B. VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006).

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

In dem bereits zitierten Beschluss Ra 2015/01/0134 hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande:

S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07).

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden ist, ist aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (VfGH 13.09.2013, U 370/2012 mit Verweis auf EGMR, 13.10.2011, Fall Husseini, App. 10.611/09, Z 96; 09.04.2013, Fall H. und B., Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Z 45 und 114).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, ausgeführt hat, reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Hinsichtlich der Sicherheitslage geht der Verwaltungsgerichtshof von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036).

Mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat wird die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze damit in Bezug auf Kabul nicht dargetan. Auch das Faktum, dass der Asylwerber über keinen guten Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, reicht für sich betrachtet für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus (vgl. VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Bei der Einzelfallprüfung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Übersiedlung nach Kabul kommt den Fragestellungen, ob der Asylwerber bereits vor seiner Flucht in Kabul gelebt hat, ob er dort über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, oder ob er auch ohne solche Anknüpfungspunkte seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende, aussichtslose Lage gelangt, maßgebliches Gewicht zu (vgl. dazu VfGH 13.03.2013, U 2185/12; 13.03.2013, U 1416/12; 06.06.2013, U 241/2013; 07.06.2013, U 2436/2012; 12.06.2013, U 2087/2012; 13.09.2013, U 370/2012; 11.12.2013, U 2643/2012).

3.2.3. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegenständlich nicht gegeben sind:

Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zunächst, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen für das erkennende Gericht ergibt, dass aufgrund der in der Provinz Nangarhar auftretenden Sicherheitsprobleme eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region - abgesehen von der Frage der sicheren Erreichbarkeit - für den Beschwerdeführer mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein könnte, weshalb ihm eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht zugemutet werden kann.

Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes - nämlich die Hauptstadt Kabul - verwiesen werden kann:

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz und Stadt Kabul - andere Regionen Afghanistans kommen im gegenständlichen Verfahren nicht in Betracht - kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste.

Was die Sicherheitslage betrifft, ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren hat. Seit August 2008 liegt die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern bei der afghanischen Armee und Polizei. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahr 2010 gelungen, Zahl und Schwere sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung sowie nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen.

Kabul ist eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Innerhalb Kabuls existieren in verschiedenen Vierteln freilich unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten ist. Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 11.08.2016 führen zu keiner anderen Beurteilung.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Wie aus den o.a. Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum in Kabul insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und finanzielle Unterstützung schwierig dar.

Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es allerdings nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht darzulegen:

Wie festgestellt, ist der 24-jährige Beschwerdeführer mobil, gesund sowie anpassungs- und arbeitsfähig. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan konnte er seine Existenz und den Lebensunterhalt seiner Familie als Landarbeiter sichern. Er verfügt über eine schulische Ausbildung, spricht Paschtu, kann lesen und schreiben und ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung ist zumindest grundlegend gesichert. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Vielmehr gehört der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sunnitischen Glaubens der Mehrheitsbevölkerung Afghanistans an. Des Weiteren lebt die gesamte Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat zwar bislang noch nicht in Kabul gelebt und verfügt dort über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte. Er stammt allerdings aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie in regelmäßigem Kontakt. Er kann im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit finanzieller Unterstützung seiner in Nangarhar lebenden Familie, insbesondere seines in der Nationalarmee tätigen jüngeren Bruders (derzeit Provinz Farah), rechnen. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Angehörigen des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, ihn finanziell zu unterstützen, zumal sein jüngerer Bruder seit der Ausreise des Beschwerdeführers sichtlich auch in der Lage ist, mit seinem in einer anderen Provinz erzielten Einkommen die Familie im Heimatdorf zu versorgen. Der Beschwerdeführer verfügt daher in Kabul über genügend Rückhalt in Form von finanzieller Unterstützung durch seine Familie. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Dem Beschwerdeführer ist es aufgrund der dargelegten Umstände auch ohne unmittelbar in Kabul bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich, sich dort - etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar ist.

Nicht zuletzt und in Ergänzung zum bisher Gesagten ist anzumerken, dass Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen den Inhalten eines (unter Pkt. II.1.2.3. auszugsweise wiedergegebenen) aktuellen Dossiers der Staatendokumentation zu Afghanistan zum Thema "Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur" zufolge grundsätzlich Hilfe und Unterstützung von anderen Paschtunen erwarten können. Angesichts der stark ausgeprägten, mit Rechten und Pflichten einhergehenden Stammesstruktur der Paschtunen könnte der Beschwerdeführer - abgesehen von dem bereits ins Treffen geführten Rückhalt durch die finanzielle Unterstützung seiner Familie - in Kabul auf ein traditionelles Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder der großen ethnischen Gruppe der Paschtunen zurückgreifen.

Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit 16.12.2015 im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

3.3.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(...)"

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (s. zum Ganzen den Beschluss vom 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN, sowie zuletzt den Beschluss vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. etwa die Erkenntnisse vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21.01.2016, Ra 2015/22/0119, und in diesem Sinn auch jenes vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN sowie den Beschluss vom 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgeführt, dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865 mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

Vom Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.03.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; vgl. auch VwGH 08.06.2006, 2003/01/0600 sowie VwGH 26.01.2006, 2002/20/0235, wonach das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben" im Sinne des Art. 8 EMRK handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516/2005 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

3.3.3. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 16.12.2015 im Bundesgebiet und hält sich demnach erst knapp mehr als ein Jahr in Österreich auf. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stützte sich für die Dauer des Verfahrens alleine auf das Asylgesetz. Er konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrags vorübergehend legalisieren.

Der Beschwerdeführer begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrags unsicher war. Er musste sich daher bewusst sein, dass er etwaige eingegangene Bindungen im Bundesgebiet im Falle der Abweisung seines Antrags nicht aufrechterhalten werden kann.

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet, nicht verlobt, lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ist daher nicht auszugehen.

Der Beschwerdeführer pflegt auch keine freundschaftlichen Kontakte zu österreichischen Privatpersonen. Der Beschwerdeführer verfügt nicht über eigene, den Lebensunterhalt deckende Mittel und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er war in Österreich bisher nicht legal beschäftigt, verrichtet aber unbezahlte Tätigkeiten in seiner Heimatgemeinde. Er besucht einen Deutschkurs. Zum Zeitpunkt der Verhandlung hatte er noch kaum Deutschkenntnisse. Mittlerweile kann der Beschwerdeführer seinen Deutschlehrern zufolge lesen und schreiben und ist bemüht, die deutsche Sprache zu lernen. Für besondere Integrationsfortschritte während seines Aufenthalts in Österreich liegen keine Belege vor.

Der Beschwerdeführer verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan, wurde dort sozialisiert und spricht eine in seiner Heimat weit verbreitete Sprache auf muttersprachlichem Niveau. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Afghanistan. Es ist davon auszugehen, dass in Afghanistan auch andere Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des Beschwerdeführers leben. Seine Bindung zu Afghanistan ist - insbesondere auch unter dem Aspekt des Familienlebens - deutlich intensiver als jene zu Österreich. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420). Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr davon aus, dass es von einem Fremden, der sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan. Es sind auch keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen. Zudem ist die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, demgegenüber die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Familienangehörigen leben und der Beschwerdeführer auch Sprachen des Herkunftsstaates beherrscht.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer versucht, sich Deutschkenntnisse anzueignen sowie bislang nicht straffällig geworden ist, bewirkt insofern keine entscheidungsmaßgebliche Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich. Auch nach der Judikatur des EGMR bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).

Daher ist im Lichte einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall gemäß § 9 BFA-VG geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

3.3.4. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Obigen Erwägungen zufolge sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben, ein diesbezüglich bestätigender formaler Abspruch hatte im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2016, Ra 2015/21/0174 mwH, jedoch zu unterbleiben.

3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.3.6. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben. Insbesondere liegen nach den die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz tragenden Gründen der gegenständlichen Entscheidung keine Umstände vor, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Zur Festlegung einer Frist für die Ausreise

3.4. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

3.5. Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

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