VwGH Ra 2016/19/0168

VwGHRa 2016/19/01687.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, in der Revisionssache der S M in E, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2016, G301 2118659-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §8 Abs1;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
MRK Art8;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §8 Abs1;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, ihr Ehegatte und deren drei gemeinsame minderjährige Kinder im Alter von (bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes) dreizehn Jahren, drei Jahren und vier Monaten sind Staatsangehörige des Kosovo. Der Ehegatte der Revisionswerberin hält sich seit dem Jahr 2002 in Österreich auf. Zuletzt wurde ihm am 22. November 2015 ein bis 21. November 2018 gültiger Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" erteilt.

2 Die Revisionswerberin reiste am 25. September 2015 in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellte am 15. Oktober 2015 für sich selbst und als gesetzliche Vertreterin für ihren dreijährigen Sohn und am 31. März 2016 für ihre im Februar 2016 in Österreich geborene Tochter Anträge auf internationalen Schutz. Die Tochter der Revisionswerberin im Alter von dreizehn Jahren hält sich weiterhin im Kosovo auf.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit Bescheiden vom 2. Dezember 2015 (betreffend die Revisionswerberin und ihren dreijährigen Sohn) und vom 23. April 2016 (betreffend die im Februar 2016 geborene Tochter der Revisionswerberin) jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erteilte keine Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 oder 55 AsylG 2005, erließ Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass eine Abschiebung in den Kosovo gemäß § 46 FPG jeweils zulässig sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. Juni 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung ab und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft betrage. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revisionswerberin führt zur Zulässigkeit der (lediglich) von ihr erhobenen Revision aus, das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Beurteilung, ob seine Rückkehrentscheidung einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstelle, zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass ihr Ehegatte aufgrund eines familiären Konfliktes bei einer Rückkehr in den Kosovo Gefahr liefe, Opfer einer Gewalttat zu werden. Ihr Ehegatte könne sich daher lediglich im Zuge von Besuchen mehrere Tage im Kosovo aufhalten, nicht aber dauerhaft dorthin zurückkehren. Eine Rückkehr wäre für ihn im Übrigen mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes und seines Aufenthaltstitels in Österreich verbunden. Sie und die gemeinsamen Kinder seien jahrelang von ihrem Ehegatten getrennt gewesen. Sie habe auch zunächst ohnehin versucht, eine Familienzusammenführung "auf legalem Weg" zu erreichen. Vor dem Hintergrund dieser Umstände werfe ihr das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht eine Umgehung der Regeln des Familiennachzuges vor und verkenne die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

9 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031, mwN).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/19/0247 mwN).

12 Im vorliegenden Fall ist die Revisionswerberin illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, nachdem zuvor im November 2014 ein von ihr bei der österreichischen Botschaft in Skopje gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen worden war. In ihrem Antrag auf internationalen Schutz nannte sie keine Gründe für die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sondern berief sich im gesamten Verfahren lediglich darauf, mit ihrem Ehegatten ein Familienleben in Österreich aufnehmen zu wollen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausging, dass der Antrag auf internationalen Schutz missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt wurde.

13 Zu Recht hat das Bundesverwaltungsgericht darauf verwiesen, dass in solchen Fällen das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besonders schwer wiegt, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2015/21/0180 mwN).

14 Bei seiner Gesamtbetrachtung hat das Bundesverwaltungsgericht auch auf alle anderen wesentlichen Umstände des Einzelfalls Bedacht genommen und ist vor dem dargestellten Hintergrund in vertretbarer Weise zum Ergebnis gekommen, dass die öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthaltes das private und familiäre Interesse der Revisionswerberin, das in Österreich begonnene Zusammenleben mit ihrem Ehegatten fortzusetzen, überwiegen.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 7. September 2016

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