VwGH Ra 2015/21/0180

VwGHRa 2015/21/018015.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des K K in K, vertreten durch Dr. Mathis Fister, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. September 2015, L507 2014086-1/16E, betreffend Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
MRK Art8;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, heiratete am 4. August 2011 in der Türkei eine in Österreich daueraufenthaltsberechtigte türkische Staatsangehörige. Anschließend lebten sie etwa acht Monate im Heimatdorf des Revisionswerbers.

2 Nachdem seine Ehefrau bereits zuvor nach Österreich zurückgekehrt war, stellte der in der Folge nachgekommene Revisionswerber am 6. August 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 20. August 2013 wurde sodann der gemeinsame Sohn in Österreich geboren.

3 Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Juli 2013 zur Gänze ab und verfügte die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 27. August 2014, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Im Übrigen verwies es gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 "das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung" an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

4 Mit Bescheid vom 21. Oktober 2014 sprach das BFA nach ergänzender Vernehmung des Revisionswerbers aus, dass ihm Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Schließlich setzte das BFA gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 16. September 2015 als unbegründet ab und es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung gegen die vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung, erkennt aber selbst, dass die einzelfallbezogene Beurteilung, ob ein Eingriff iSd Art. 8 EMRK zulässig oder unzulässig ist, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (siehe zuletzt etwa den Beschluss vom 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0006, mit dem Hinweis auf den grundlegenden Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).

9 Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt:

Der vom BVwG in diesem Zusammenhang nach Vernehmung der Beteiligten in der mündlichen Beschwerdeverhandlung primär eingenommene Standpunkt, dem Revisionswerber, seiner Ehefrau und dem (sich in einem anpassungsfähigen Alter befindenden) Kind sei ein gemeinsames Familienleben in der Türkei möglich und zumutbar, ist nämlich bei Bedachtnahme auf alle Umstände des vorliegenden Falles vertretbar. Die Ehefrau des Revisionswerbers kam zwar bereits zweijährig 1994 nach Österreich, sie beherrscht aber sowohl die türkische als auch die kurdische Sprache in Wort und Schrift und sie spricht auch mit ihren (in Österreich lebenden) Eltern, mit dem Revisionswerber und "meistens" auch mit ihrem Kind kurdisch. Sie hält sich ihren Angaben zufolge regelmäßig zu Urlaubszwecken im derzeit vom Großvater bewohnten Elternhaus in der Türkei auf. Vor allem ist aber darauf hinzuweisen, dass sie sich entschlossen hatte, einen türkischen Staatsangehörigen zu heiraten, der keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich hat und - nach seinen Angaben im Asylverfahren - mit deren Erteilung auch nicht rechnete. Bei dieser Ausgangslage musste den Beteiligten klar sein, dass ein gemeinsames Familienleben jedenfalls zunächst nur in der Türkei geführt werden kann, wie dies der Revisionswerber und seine Ehefrau auch in den ersten acht Monaten nach der Hochzeit praktiziert hatten.

Außerdem ist weiters darauf hinzuweisen, dass das BVwG zutreffend davon ausgegangen ist, der Antrag auf internationalen Schutz sei vom Revisionswerber missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt worden. In solchen Konstellationen wiegt aber das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besonders schwer, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib des Revisionswerbers in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (vgl. zu einem ähnlichen Fall etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, Zl. 2011/23/0549; demgegenüber haben die in der Revision zitierten Erkenntnisse vom 21. November 2011, Zl. 2009/18/0040, und vom 15. Dezember 2011, Zl. 2009/18/0023, nicht vergleichbare Sachverhalte zum Gegenstand). Angesichts dessen sind Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der gemeinsamen Ausreise der Familie oder infolge der alleinigen Rückkehr des Revisionswerbers auftreten, im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen. Dabei kommt der Erkrankung des Kindes - es leidet i.W. an chronischer Bronchitis und hat eine Neigung zur Kehlkopfentzündung - kein so entscheidendes Gewicht zu, dass das erzielte Ergebnis maßgebend in Frage zu stellen ist. Einerseits hat das BVwG - ohne dass in der Revision das Gegenteil zu belegen versucht wurde - nämlich festgestellt, dass auch in der Türkei diesbezügliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen, und andererseits ist anzunehmen, dass die Ehefrau des Revisionswerbers bei einem Verbleib in Österreich auf die Hilfe von Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) oder von öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen zurückgreifen kann.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass das BVwG im vorliegenden Fall bei der Interessenabwägung - anders als es in der Revision heißt - nicht "zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis" kam.

10 Es liegen somit am Maßstab der in Rz 8 zitierten Rechtsprechung keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, sodass die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 15. März 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte