VwGH 92/01/1090

VwGH92/01/109010.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Steiner, als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1992, Zl. 4.316.662/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 22. März 1991 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25. März 1991 einen Asylantrag. Bei seiner am 8. Mai 1991 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er im wesentlichen folgendes an:

Die Gründe für seine Ausreise aus Nigeria lägen in familiären Streitigkeiten. Sein Großvater, der Dorfälteste, sei Anfang Juni 1990 verstorben. Danach sei es zu Streitigkeiten um die Funktion des Dorfältesten gekommen. Der Vater des Beschwerdeführers habe diese Funktion unbedingt erlangen wollen. Großvater und Vater des Beschwerdeführers seien Angehörige der Stammesreligion "Edo" gewesen. Da sich in der Familie aber auch Christen befunden hätten, sei bestimmt worden, der Vater des Beschwerdeführers müsse ein "Blutopfer" erbringen. Dies sei überhaupt auch als Strafe dafür gedacht gewesen, daß der Vater des Beschwerdeführers Christen als "Verwandte" gehabt habe. Die Mutter des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer seien nämlich Christen. Der Vater des Beschwerdeführers sei mit insgesamt drei Frauen verheiratet und stammten aus diesen Ehen zusammengerechnet 11 Kinder.

Im Zuge einer Stammesratssitzung im Dezember 1990 sei bestimmt worden, daß der Beschwerdeführer bei einer für Dezember 1991 vorgesehenen Ritualfeier als Blutopfer umgebracht werden solle, damit sein Vater die Funktion des Dorfältesten erlangen könne. Der Beschwerdeführer sei daraufhin möglichst weit von Nigeria fortgereist, damit ihn seine Familie nicht mehr finde.

Er habe sich ein Visum für Ungarn beschafft, sei am 12. Februar 1991 von Lagos nach Budapest geflogen und habe sich über ein Monat lang am Bahnhof in Budapest "herumgetrieben". Ein jordanischer Staatsangehöriger habe ihn dann nach Österreich gebracht. Er habe deshalb nicht in Ungarn bleiben wollen, weil seiner Familie bekannt gewesen sei, daß er sich nach Ungarn begeben habe.

Mit Bescheid vom 19. August 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention beim Beschwerdeführer nicht zuträfen.

Dagegen berief der Beschwerdeführer, wobei er sich auf seine Angaben bei der Erstbefragung bezog. Er hob dabei hervor, seine Flucht sei religiös begründet. "Ovla", die streng heidnische Sekte seines Vaters, habe als "Fixpunkt ihrer Ideen" heidnische Feiern im Dezember beibehalten. Dabei sei es üblich, das Blut eines jungen Mannes den Göttern zu opfern. Der Beschwerdeführer, der das nächste Opfer hätte darstellen sollen, könne den Sinn einer solchen Handlung nicht erkennen und wolle nicht für einen ihm völlig fremden Glauben sein Leben lassen. Auch deshalb, weil es ihm nicht möglich gewesen sei, in Nigeria Schutz zu finden und den Angehörigen der Kommune zu entkommen, sei er geflohen. Er hoffe, in Österreich seines Lebens sicher zu sein.

Die belangte Behörde wies die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und vertrat in Anwendung des Asylgesetzes 1991 die Auffassung, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte für die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ergeben. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungen seien nicht seinem Heimatstaat zuzurechnen, weil sie nicht von staatlichen Stellen ausgegangen sei. Eine nicht von staatlichen Stellen ausgehende Verfolgung sei asylrechtlich nur relevant, wenn der Heimatstaat des Asylwerbers nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, solche Verfolgungen hintanzuhalten. Der in der Berufung aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers, es sei ihm nicht möglich gewesen, in Nigeria Schutz zu finden, schenkte die belangte Behörde keinen Glauben, weil es keine Anhaltspunkte dafür gäbe, daß die Polizeibehörden Nigerias nicht in der Lage oder nicht gewillt wären, den Beschwerdeführer zu schützen. Der Beschwerdeführer habe offensichtlich gar nicht versucht, sich an die Polizei zu wenden, weil er keine entsprechende Behauptung vorgebracht habe, außerdem müsse die Verfolgung im gesamten Gebiet des Heimatstaates eines Asylwerbers bestehen, was im Falle des Beschwerdeführers nicht gegeben sei. Nach seinem Vorbringen ginge die Verfolgung von der Glaubensgruppierung im Dorf des Beschwerdeführers aus. Es handle sich dabei offensichtlich um eine zahlenmäßig und örtlich begrenzte Gruppe, sodaß nicht anzunehmen sei, diese Gruppe könne den Beschwerdeführer wirksam in allen Gebieten eines "derart großen Landes wie Nigeria" verfolgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In Ausführung des Beschwerdegrundes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde allein auf Grund seiner Angaben die Auffassung vertreten habe, der Beschwerdeführer habe nicht den Schutz der Behörden seiner Heimat gesucht und gefunden. Die belangte Behörde hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers Ermittlungen über die Verhältnisse in Nigeria im Wege von Anfragen an die österreichische Botschaft in Nigeria anstellen müssen. Dazu ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in Anwendung des § 20 Abs. 1 leg. cit. ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte. Da auf Grund der eindeutigen Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung in erster Instanz klar war, daß er gar keinen Versuch unternommen hat, in seiner Heimat bei den dortigen Behörden Schutz gegenüber seiner Familie zu suchen, sondern nur trachtete, sich "möglichst weit" von seiner Familie zu entfernen, kann der belangten Behörde weder Unschlüssigkeit in ihrer Beweiswürdigung betreffend die ausdrücklichen Behauptungen in der Berufung (der Beschwerdeführer hätte in Nigeria keinen Schutz gefunden) vorgeworfen werden noch eine Unterlassung der Wahrnehmung eines offenbaren Verfahrensmangels i.S. des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in erster Instanz. Dazu kommt, daß auch jetzt in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde keineswegs dezidiert behauptet wird, der Beschwerdeführer habe tatsächlich ohne Erfolg den Schutz der Behörden seiner Heimat gesucht, bzw. dies von vornherein unterlassen, weil die Behörden seines Heimatlandes ihn gegen seine Familie nicht schützen könnten oder wollten. In der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde werden diesbezüglich nämlich nur Vermutungen angestellt und wird die Einholung von Erkundungsbeweisen gefordert. Selbst dann also, wenn man einen erstinstanzlichen Verfahrensmangel annehmen wollte, den die belangte Behörde nicht aufgegriffen hätte, wäre daraus mangels zur Darstellung gebrachter Relevanz für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen.

Was die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit anlangt, ist den Ausführungen in der Beschwerde (soweit es sich dabei nicht nur um Wiederholungen der Verfahrensrüge handelt) entgegenzuhalten, daß sich der angefochtene Bescheid völlig im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befindet, wonach eine nicht von staatlichen Stellen des Heimatlandes eines Asylwerbers ausgehende Verfolgung nur dann von Bedeutung ist, wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, diese Verfolgung hintanzuhalten (vgl. z.B. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht S. 30 Abs. 2 sowie in FN 92 referierte hg. Judikatur).

Da sich der angefochtene Bescheid sohin auch als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.

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