BVwG L506 2121809-1

BVwGL506 2121809-124.10.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L506.2121809.1.00

 

Spruch:

L506 2121809-1/19E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.12.2016 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Anlässlich der Erstbefragung am 30.05.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er und fünf weitere Personen (darunter auch sein Bruder) fälschlich beschuldigt worden seien, den Sohn einer einflussreichen Familie entführt zu haben. Aufgrund dieser falschen Anzeige würden sie von der Polizei gesucht werden. Zudem habe sein Vater bei einem Unfall seinen linken Arm verloren, weshalb dieser nicht mehr arbeiten könne und es seiner Familie deshalb wirtschaftlich sehr schlecht gehe. Da der Beschwerdeführer von der Polizei gesucht werde, könne er nicht öffentlich arbeiten. Sein Bruder habe ein Visum für Saudi Arabien bekommen und gehe dieser auch dort hin.

 

3. Am 01.02.2016 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Weiteren: BFA). Der Beschwerdeführer erklärte dabei zusammengefasst, dass sein Vater im Jahr 2010 mit einem Mann namens XXXX Probleme in seinem Geschäft gehabt habe. Dieser hätte daraufhin die Polizei bestochen und sei der Beschwerdeführer von dieser im Jänner oder Februar 2010 mit Gewalt mitgenommen worden. Er sei beschuldigt worden, Gewehre und Pistolen zu besitzen und sei er deshalb drei Tage lang geschlagen und misshandelt worden. Erst nach der Zahlung von Lösegeld durch seinen Vater, sei er freigelassen worden. Von 2009 bis 30.06.2012 habe der Beschwerdeführer dann bei seinem Cousin in Griechenland gelebt, ehe er nach dessen Tod nach Pakistan zurückgekehrt sei. Am 26.03.2014 sei es dann zu einer falschen Anzeige durch XXXX gekommen. Dieser habe behauptet, dass der Beschwerdeführer, sein Bruder sowie vier seiner Cousins den Sohn von ihm entführt hätten. Beide Familien hätten sich dann an einen "Weißbärtigenrat" gewandt, der versucht habe, eine Versöhnung herbeizuführen. Die Familie XXXX habe jedoch darauf bestanden, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen sollte, ansonsten sie ihn umbringen würden. Der "Weißbärtigenrat" habe daraufhin beschlossen, dass der Beschwerdeführer ins Ausland gehen solle, ansonsten ihm etwas passieren könne. Sechs Monate später habe er Pakistan verlassen.

 

Im Zuge der Einvernahme hat der Beschwerdeführer eine Deutschkursbesuchsbestätigung der Caritas, eine Geburtsurkunde, ein Empfehlungsschreiben der Caritas, einen First Information Report sowie ein Anwaltsschreiben in Vorlage gebracht.

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.02.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

Das Bundesamt gelangte aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen aufgrund der allgemein gehaltenen und unsubstantiierten Ausführungen unglaubwürdig seien. Auch sei der BF im Juni 2012 wieder von Griechenland nach Pakistan zurückgekehrt, obwohl er angegeben hatte, bereits im Jahr 2010 von besagter Familie bedroht worden zu sein. Auch sei der BF noch sechs Monate nach dem "Weißbärtigenrat" in Pakistan verblieben, was jedoch bei Zutreffen der Angaben des BF nicht der Fall gewesen wäre, sondern wäre der BF unverzüglich ausgereist, weshalb auch kein zeitlicher Zusammenhang zwischen den behaupteten Ereignissen und der Ausreise festgestellt werden könne; auch würden die Cousins, die lt. Angaben des BF ebenso von der Polizeianzeige betroffen seien, noch immer im Nebendorf wohnen. Ferner werde in der Anzeige eine andere Geschichte geschildert, als vom BF angegeben. Letztlich habe der BF in der Erstbefragung angegeben, Pakistan aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage verlassen zu haben.

 

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. wurde dargetan, dass aufgrund der unglaubwürdigen Angaben des BF nicht von der Glaubhaftmachung eines asylrelevanten Sachverhaltes auszugehen sei.

 

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

 

Zu Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden könnten, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde.

 

In Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 05.02.2016 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

 

6. Mit Verfahrensanordnung vom 05.02.2016 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch verpflichtend in Anspruch zu nehmen.

 

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17.02.2016 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

Darin wurde zunächst im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und darauf hingewiesen, dass es sich bei der gegnerischen Familie um eine einflussreiche schiitische Familie handeln würde und die Verfolgung durch diese religiös und politisch motiviert sei. Die Probleme hätten zudem bereits im Jahr 2009 begonnen und sich im Jahr 2010 gravierend verschlechtert. Der Beschwerdeführer habe keine andere Wahl gehabt, als sein Heimatland zu verlassen.

 

Der Beschwerde beigelegt war ein Schreiben des Beschwerdeführers, in dem er seine Asylgründe erneut detailliert schilderte und versuchte, die vom BFA aufgezeigten Widersprüche zu erklären sowie zwei private Unterstützungsschreiben.

 

8. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem bezug habenden Verwaltungsakt am 19.02.2016 in der hg. Gerichtsabteilung ein.

 

9. Mit Schreiben vom 29.11.2016, hg. eingelangt am selben Tag, gab der nunmehrige Vertreter des BF seine Bevollmächtigung bekannt.

 

10. Am 05.12.2016 fand vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung statt und wurde dem BF Gelegenheit eingeräumt, seine ausreisekausalen Gründe nochmals darzulegen.

 

11. Mit hg. Schreiben vom 21.12.2016 wurde ein Erhebungsersuchen an die ÖB Islamabad, Pakistan, gerichtet, welches mit hg. Schreiben vom 23.02.2017 an die Staatendokumentation des BFA umgeleitet wurde.

 

Am 03.07.2017 langte die diesbezügliche Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 26.06.2017 in der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

 

12. Mit hg. Schreiben vom 09.08.2017 wurden die Parteien des Verfahrens vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und diesen eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zur individuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation sowie zum aktuellen Länderinformationsblatt zur Lage in Pakistan eingeräumt. Der BF wurde in einem aufgefordert, allfällige Änderungen seit der Durchführung der hg. Verhandlung hinsichtlich seines Gesundheitszustandes sowie hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich binnen selbiger Frist bekanntzugeben.

 

Bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt langte keine solche Stellungnahme seitens des BF bzw. seines Vertreters ein.

 

13. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

14. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.12.2016 sowie durch die Durchfügung von Ermittlungen durch die Staatendokumentation des BFA und die Einsichtnahme in die hg. in das Verfahren integrierten länderkundlichen Feststellungen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Verfahrensbestimmungen

 

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

 

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 17.02.2016 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 19.02.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

 

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

1.3. Prüfungsumfang

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

2. Feststellungen (Sachverhalt):

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, ist pakistanischer Staatsangehöriger, sunniitschen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Jutt. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Gemeinde XXXX , in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX , wo er von 1997 bis 2008 die Schule besuchte. Im Jahr 2008 ging der Beschwerdeführer nach Griechenland. Am 01.07.2012 kehrte er wieder nach Pakistan zurück. In Griechenland finanzierte ihm zunächst sein ebenfalls dort aufhältiger Cousin seinen Lebensunterhalt und hat er nach einem dreiviertel Jahr begonnen, in der Küche eines Hotels zu arbeiten. In Pakistan hat ihm sein Vater seinen Lebensunterhalt finanziert. Bei seinem Schwager hat er als Händler für Reis und Weizen gearbeitet und daraus seinen Lebensunterhalt bestritten.

 

Im Jahr 2008 verlor der Vater des Beschwerdeführers bei einem Unfall seinen linken Arm, weshalb er die bis dahin geführte Landwirtschaft nicht mehr betreiben konnte und diese verpachtet hat. Ein Geschäft, das ebenfalls dem Vater des Beschwerdeführers gehörte, wurde im Jahr 2012 verkauft. Die Eltern, ein Bruder, eine Schwester und mehrere Cousins des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Pakistan.

 

Es hat in der Gemeinde XXXX lediglich einen Entführungsfall im Jahr 2010 gegeben. Diesbezüglich haben lokale Schläger einen jungen Buben für Lösegeld entführt und ist dieser nach Lösegeldbezahlung freigekommen.

 

Zwar ist es zu einem Konflikt aufgrund des Verkaufs eines Geschäfts in XXXX gekommen, jedoch haben die Geschäftsmänner die Angelegenheit unter sich geregelt.

 

Der Name seines Vaters lautet dem Beschwerdeführer zufolge XXXX und stimmt mit den Namen der Geschäftsmänner, die in der in der Anfragebeantwortung genannt werden, nicht überein. Es ist zwar zu einer Anzeige unter den Geschäftsmännern gekommen, doch gab es keine Kindesentführung oder ähnliches. Auch ist die Situation zwischen den Geschäftsmännern freundschaftlich beglichen worden. Probleme zwischen den seitens des Beschwerdeführers genannten Familien, nämlich seiner eigenen und der Familie XXXX sind lt. Anfragebeantwortung nicht existent. Auch hat es in der Gegend des Beschwerdeführers kein extremes oder außergewöhnliches Verhalten zwischen den Parteien PTI und PML-N gegeben. Weder die Dorfbewohner berichteten von einem solchen Fall noch wurde in den Medien ein Bericht zu einem Vorfall, wie ihn der Beschwerdeführer benannte, gefunden (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA an das Bundesverwaltungsgericht vom 26.06.2017).

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen sind als unglaubwürdig zu qualifizieren.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sein wird.

 

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

 

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

 

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstige Bezugspersonen. In der hg. Verhandlung hat der Beschwerdeführer angegeben, eine aus XXXX stammende Freundin zu haben, mit der er jedoch nicht zusammenwohnt. Er ist kein Mitglied in einem Verein und lebt von der staatlichen Grundversorgung. Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

 

Von 09.08.2015 bis 23.11.2015 hat der Beschwerdeführer den Deutschkurs "Deutsch als Fremdsprache (Kurs A1.1)" besucht. Bis 18.03.2016 hat der Beschwerdeführer den Deutschkurs A 2 besucht.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

 

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

 

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

 

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

 

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

 

Politische Lage

 

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen XXXX , Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12 .2016a).

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12 .2016a).

 

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 – 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12 .2016a).

 

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In XXXX , der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12 .2016a).

 

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

 

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12 .2016a).

 

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12 .2016a).

 

Katastrophen

 

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

 

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3 , Zugriff 18.3.2017

 

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

 

CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff 18.13.2017.

 

Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703 , Zugriff 29.10.2015

 

IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf , Zugriff 28.11.2016.

 

IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan’s disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority , Zugriff 18.3.2017

 

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638 , Zugriff 18.3.2017

 

UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.1.2016): Humanitarian Bulletin Pakistan Issue 37, December 2015 - January 2016,

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian_bulletin_dec_jan_2016.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

DZ - Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlagk , Zugriff 18.3.2017

 

Sicherheitslage

 

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12 .2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

 

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12 .2016a).

 

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12 .2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12 .2016a).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

 

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12 .2016a).

 

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und XXXX durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

 

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

 

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

 

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in XXXX und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

 

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

 

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

 

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im XXXX und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

 

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

 

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

 

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.3.2017

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report. Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence , Zugriff 25.11.2016

 

USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2015/257518.htm , Zugriff 12.11.2016

 

Regionale Verteilung der Gewalt

 

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist XXXX , besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

 

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. XXXX war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh – Karatschi ausgenommen – gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (20.3.2017): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherh eit.html, Zugriff 20.3.2015

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Wichtige Terrorgruppen und Zwangsrekrutierungen

 

Das Jahr 2016 zeigte, dass die operativen Kapazitäten der Aufständischen durch die Militäroperationen weiter geschwächt wurden. Die Gruppierungen unterliegen allerdings einer konstanten Transformation. Während einige an Boden verlieren, dehnen sich andere aus. Die Gruppierungen ringen auch darum, neue Allianzen sowie Allianzen mit ausländischen Terrorgruppen zu bilden, hauptsächlich mit dem Islamic State of Iraq and Syria (ISIS) und Al-Quaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) (PIPS 1.2017).

 

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte militante Gruppe in Pakistan. Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nordwaziristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Obwohl die TTP mit Problemen zu kämpfen hat, bleibt sie der Hauptakteur der Instabilität im Land. Ein wichtiges Terrain der TTP ist Karatschi, besonders für die Finanzierung. Hier versendet sie auch Drohbriefe an Händler/Gewerbetreibende, um Zahlungen zu erzwingen (PIPS 1.2017). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6 .2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die Zahl der Anschläge der TTP geht zurück, 2016 führte sie 106 Anschläge mit 193 Toten durch. Allerdings gewinnt ihre Splittergruppe Jamaatul Ahrar an Terrain. Sie ist für 66 Anschläge 2016 verantwortlich, darunter die schwersten des Jahres (PIPS 1.2017).

 

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den FATA aktiv, als lokale Taliban beschrieben (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6 .2013).

 

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Ihre Anschläge gingen im Jahr 2016 stark zurück, sie erlitt starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gelang es der Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami Terrain zu gewinnen, die viele für einen Nachfolger der LeJ halten. Die Lashkar-e-Islam wurde sehr stark geschwächt durch die Militäroperationen in der Khyber Agency, viele ihrer Mitglieder flohen nach Afghanistan (PIPS 1.2017).

 

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt. Die nationalistischen Gruppen wurden stark geschwächt durch die Sicherheitsoperationen und sind mit internen Krisen geplagt, ihre Anschläge gingen zurück. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, ihre Anschläge gingen allerdings stark zurück, ihre operative Stärke sinkt. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten im Allgemeinen, jedoch ein großer Anteil auch in erster Linie gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

 

EASO – European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Zwangsrekrutierung und Drohbriefe

 

Bei der Zwangsrekrutierung handelt es sich um eine Rekrutierung, die unter Androhung von Gewalt oder anderen Formen von Bedrohung durchgeführt wird. Die zu diesem Thema befragten Interviewpartner gaben im Rahmen der FFM 2015 an, dass Ihnen keine derartigen Fälle bekannt sind (BFA 9.2015). Allerdings für die Zeit der [Anm. 2009 durch die Regierung beendeten] Besetzung des Swat-Tals durch die Taliban gab es Berichte zu Zwangsrekrutierungen. Die Taliban entführten Kinder und setzen durch, dass Familien entweder Geld oder ein Familienmitglied zur Verfügung zu stellen (Abbas 2015; vgl. The Telegraph 30.5.2009). Die bei der FFM 2013 interviewte Sozialwissenschaftlerin an der National Defence University erläuterte derartige Beispiele für Rekrutierungen bei der Übernahme des Swat-Tals. Einige Unwillige wurden zur Abschreckung getötet, diese Botschaft verbreitete sich rasch und die Eltern gaben ihre Kinder den Taliban als Kämpfer mit. Ebenso spielten allerdings ökonomische und religiöse Faktoren eine Rolle. Taliban waren eine Art Unternehmen, mit zwar geringer, aber monatlicher Bezahlung, und es wurde propagiert, dass die Jungen etwas für Gott täten, und die Religion studieren (BAA 6 .2013). Bildungseinrichtungen und radikale Segmente von religiösen Gruppen sind attraktive Rekrutierungsböden für Aufständische (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

Hassan Abbas (2015): The Taliban Revival Violence and Extremism on the Pakistan-Afghanistan Frontier, Yale University Press.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

The Telegraph (30.5.2009): Taliban recruits teenage suicide bombers for revenge attacks,

http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/pakistan/5413052/Taliban-recruits-teenage-suicide-bombers-for-revenge-attacks.html , Zugriff 18.3.2017

 

Regionale Problemzone Federal Administered Tribal Areas - FATA

 

Die Federal Administered Tribal Areas (FATA) liegen strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Sie gliedern sich in sieben sogenannte Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan - denen jeweils ein Political Agent vorsteht (FRC 24.1.2017) - sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden (BFA 9.2015).

 

Die FATA sind charakterisiert durch eine überwiegend paschtunische Bevölkerung und eine stark tribale Struktur. Es finden sich über 24 Hauptstämme. Die Bevölkerung wird ausgehend von der letzten Volkszählung von 1998 auf 4,45 Millionen geschätzt mit einer Wachstumsrate von 3,76 Prozent (FRC 24.1.2017). Die FATA umfassen ca. 3 Prozent der Fläche Pakistans (AA 30.5.2016).

 

Die Sicherheitslage hat sich in der FATA aufgrund diverser militärischer Operationen verbessert. Viele Gebiete wurden von Aufständischen befreit und auch die Angriffszahlen sind gesunken. In einigen abgelegenen Gebieten, besonders in der Nähe der afghanischen Grenze gibt es noch sogenannte "Pockets" von Aufständischen. Jedoch sind die meisten dieser von dem pakistanischen Militär umzingelt (BFA 9.2015).

 

Die Lage in jeder Agency variiert und ist abhängig davon, ob es laufende militärische Operationen gibt:

 

In der Bajaur Agency gab es im Jahr 2008 eine militärische Operation mit dem Ziel die Gegend von Aufständischen zu befreien. Diese Operation gilt als Erfolg, die Sicherheitslage hat sich in dieser Agency stark verbessert. Die meisten Bewohner sind zurückgekehrt, Unternehmen in Bajaur haben wieder geöffnet und die Menschen sind dabei ihr Leben wiederaufzubauen. Angriffe durch Aufständische treten noch sporadisch auf. In manchen Gebieten fanden die Aufständischen Unterschlupf. Die Situation in Mohmand Agency ist ähnlich wie Bajaur Agency. Hier wurden in den Jahren 2011 und 2012 militärische Operationen zur Vertreibung der Aufständischen durchgeführt. Dadurch hat sich auch hier die Sicherheitslage stark verbessert. Die meisten geflohenen Menschen sind wieder zurückgekehrt, der Wiederaufbau hat begonnen. Auch hier gibt es Gebiete, die als Verstecke für die Aufständischen dienen (BFA 9.2015).

 

In Khyber Agency wurde Ende 2014 die Militäroperation "Khyber-1" und von März 2015 bis Juli 2015 "Khyber-2" durchgeführt. Die meisten Aufständischen flohen nach Afghanistan, das Militär erklärte diese Operationen zu einem Erfolg. "Khyber-2" diente auch dazu, das Tirah-Tal, das ein idealer Rückzugsort für Aufständische ist, da es abgelegen, bergig und in der Nähe des Khyber-Passes liegt, der Peshawar mit Jalalabad in Afghanistan verbindet, von Aufständischen zu befreien (BFA 9.2015). 2016 wurde die Militäroperation als Khyber-3 fortgesetzt (FRC 24.1.2017).

 

In der Kurram Agency sind die Schiiten in der Mehrheit und diese Agency ist geprägt von sektiererisch motivierter Gewalt. In den Jahren 2007 bis 2012 gab es besonders viele Kämpfe, jedoch hat sich die Lage in der letzten Zeit auf Grund von Friedensgesprächen entspannt (BFA 9.2015).

 

Orakzai Agency wird in Oberes-Orakzai und Unteres-Orakzai aufgeteilt. In dieser Agency wurde 2009 eine militärische Operation durchgeführt. Die meisten Aufständischen sind geflohen, aber auch hier gibt es noch sogenannte "Pockets", wo sich Aufständische verstecken. Auch kommt es in dieser Agency ebenfalls zu sektiererisch motivierter Gewalt, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie in Kurram Agency (BFA 9.2015).

 

In Nord-Wasiristan wurde im Juni 2014 die militärische Operation "Zarb-e Azb" eingeleitet, da sich die Hauptgruppe der TTP in dieser Agency aufhielt. Die meisten Anhänger flohen im Zuge der Operation. Einige Aufständische konnten als IDPs getarnt entkommen (BFA 9.2015). Die Operation "Zarb-e-Azb" wurde auch im Jahr 2016 in Nord-Wasiristan fortgesetzt mit 7 operativen Militärschlägen. 3 Militärschläge wurden im Zuge dieser 2016 auch in der Mohmand Agency durchgeführt, 1 in der Orakzai Agency (PIPS 1.2017).

 

In Süd-Wasiristan wurde im Jahr 2009 eine militärische Operation durchgeführt. Seitdem hat das Militär seine Präsenz etabliert und es kommt noch zu sporadischen Angriffen der Aufständischen (BFA 9.2015).

 

Im Jahr 2015 wurden, laut PIPS, 149 Terroranschläge aus der FATA berichtet, ein Rückgang um 36 Prozent im Vergleich zu den 234 aus dem Jahr 2014. 268 Menschen wurden dabei getötet, darunter 100 Zivilisten, 70 Militante und 98 Sicherheitskräfte (PIPS 3.1.2016).

 

Die Khyber Agency war 2015 mit 36 Anschlägen am stärksten betroffen, doch auch hier gab es einen Rückgang um 60 Prozent in Bezug auf Anschläge und 40 Prozent weniger Todesopfer. Nach der Khyber Agency waren die Agencies Süd-Wasiristan und Bajaur mit jeweils 25 am meisten von Anschlägen im Jahr 2015 betroffen, Süd-Wasiristan erlitt dabei 68 Todesopfer - für Süd-Wasiristan stellt das eine hohe Steigerung von 210 Prozent dar – Bajaur verzeichnete dabei 20 Todesopfer. Mohmand Agency war von 23 Anschlägen mit 20 Toten, die Kurram Agency von 17 Anschlägen mit 46 Toten, Nord-Wasiristan von 11 Anschlägen mit 41 Toten und Orakzai von 7 Anschlägen mit 9 Toten betroffen. Ein bedeutender Einzelanschlag betraf Parachinar in der Kurram Agency mit 25 Toten bei einem Anschlag auf einen Markt, der sich gegen Schiiten richtete. Es konnten 8 Anschläge vereitelt werden (PIPS 3.1.2016).

 

Hauptziel der Anschläge in der FATA und in Khyber Pakhtunkhwa waren Sicherheitskräfte und deren Infrastruktur, allerdings zielten 34 Anschläge mit 53 Todesopfern in der FATA und in Khyber Pakhtunkhwa auch gegen Stammesältere und Stammesmitglieder, die sich für die Regierung engagierten. Mit 10 solchen Anschlägen war die Bajaur Agency am meisten betroffen, gefolgt von Khyber und Mohmand Agency. Auch in einigen Gebieten Khyber Pakhtunkhwas, wie Swat, Malakand, Dir, Peshawar, Tank und Bannu gab es derartige gezielte Tötungen (PIPS 3.1.2016).

 

Abgesehen von den Anschlägen gab es in der FATA im Jahr 2015 27 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 75 operative Militärschläge, die meisten davon in Nord-Wasiristan, dem Gebiet der Militäroperation "Zarb-e-Azb" und in der Khyber Agency dem Gebiet der Operationen Khyber-I und Khyber-II. In den 75 operativen Militärschlägen wurden 1.265 Menschen getötet. Außerdem wurden 14 Auseinandersetzungen an der afghanischen Grenze und 12 Drohnenangriffe, 9 davon in Nord-Wasiristan, verzeichnet (PIPS 3.1.2016).

 

Auch im Jahr 2016 ging die Zahl der Gewaltvorfälle in den FATA signifikant zurück, obwohl diese weiterhin in allen Agencies vorkamen. Die pakistanische Armee spielte eine wichtige Rolle durch die konsequente Zerstörung von Unterschlüpfen der Terroristen. Militärschläge und Operationen zielen weiterhin auf die bestehenden militanten "Pockets". In Nord-Waziristan ist die Operation "Zarb-e-Azb" in ihrer Abschlussphase, in der Khyber Agency ist die Offensive Khyber 3 auf ihrem Höhepunkt, zerstört Infrastruktur der Terroristen, hält die Kontrolle über Gebiete und gewinnt weiter an Kontrolle über Terrain. Das FATA Research Center (FRC) zählt für 2016 219 Vorfälle von militanter Gewalt oder Gegenoffensiven mit 521 Toten im Vergleich zu 293 solchen Vorfällen mit 1.679 Toten im Jahr 2015 (FRC 24.1.2017).

 

Es wurden, laut PIPS, im Jahr 2016 99 Anschläge aus der FATA berichtet, die 163 Menschenleben kosteten. Im Vergleich zum Vorjahr sank somit die Zahl der Anschläge um 32 Prozent und die Zahl der Todesopfer um 38 Prozent. Unter den Todesopfern waren 91 Zivilisten, 43 Sicherheitskräfte und 29 Militante. Alle 99 Anschläge wurden durch verschiedene Talibangruppen, hauptsächlich der TTP und Jamaatul Ahrar oder Militante mit ähnlichen Zielen durchgeführt (FRC 24.1.2017).

 

Am stärksten von Anschlägen betroffen war die Mohmand Agency mit 36 Anschlägen und 79 Todesopfern, gefolgt von der Khyber Agency mit 19 Anschlägen und 37 Toten. Bajaur erlitt 15 Anschläge mit 9 Toten, Kurram 6 Anschläge mit 15 Toten, Nord-Wasiristan 8 Anschläge mit 11 Toten, Süd-Wasiristan 12 Anschläge mit 10 Toten und Orakzai 3 Anschläge mit 2 Toten (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt sind 147 für die Sicherheitslage relevante Gewaltvorfälle im Jahr 2016 zu verzeichnen mit 439 Toten (98 Zivilisten, 52 Angehörige der Sicherheitskräfte und 289 Militante). Neben den Anschlägen waren dies 5 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 14 grenzüberschreitende Attacken aus Afghanistan, 24 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 2 Drohnenangriffe, 2 Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppierungen und eine zwischen Militanten und Stammesmitgliedern (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in der FATA im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten (42 Anschläge). Weiters waren Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste (18 Anschläge) sowie politisch Arbeitende oder politische Führer sowie Staatsbedienstete dezidierte Ziele. Allerdings waren 22 Anschläge allgemein gegen Zivilisten gerichtet (PIPS 1.2017).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene. Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

 

Im März 2017 wurde ein umfassender Reformplan für die FATA genehmigt (Dawn 2.3.2017). Im sozio-ökonomischen Bereich sieht er den Abschluss der bestehenden Wiederaufbaumaßnahmen für 2017 und weitere extensive Rekonstruktionsmaßnahmen im Rahmen eines 10 Jahres FATA Entwicklungsplan vor (Dawn 1.6.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

Dawn (1.6.2016) Reforms proposed for Fata’s merger into KP, https://www.dawn.com/news/1264492 , Zugriff 20.3.2017

 

Dawn (2.3.2017). Federal cabinet approves recommendations to 'mainstream' Fata,

https://www.dawn.com/news/1317961/cabinet-approves-recommendations-to-mainstream-fata , Zugriff 20.3.2017

 

FRC - FATA Research Centre (24.1.2017): FATA Annual Report 2016, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2017/01/security-report-2-2.pdf , Zugriff 20.03.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Regionale Problemzone Khyber Pakhtunkhwa

 

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa ist in 25 Distrikte unterteilt (GovKP o. D.).

 

Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional aktiven Taliban gingen in den Untergrund, aber übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie Anschläge und gezielte Tötungen weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren Städten der Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA 9.2015). Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in der FATA, insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015).

 

Im Jahr 2015 sanken die Terrorvorfälle in Khyber Pakhtunkhwa weiter, es gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen Regionen. Es gab 125 Anschläge, ein Minus von 61 Prozent. Sie forderten 206 Todesopfern, 62 Prozent weniger als im Jahr 2014. Unter den Todesopfern waren 66 Sicherheitskräfte, 112 Zivilisten und 24 Militante. 10 der Anschläge waren sektiererisch motiviert. Peschawar war am meisten von den Anschlägen und Opfern betroffen mit 85 Todesopfern in 38 Anschlägen, gefolgt von Dera Ismail Khan mit 14 Anschlägen und 19 Toten sowie Charsadda mit 10 Anschlägen und 9 Toten, die zweithöchste Todesopferzahl musste Mardan mit 30 Toten in 4 Anschlägen berichten, zusätzlich zu diesen 4 Distrikten waren von den 25 Distrikten Khyber Pakhtunkhwas 14 weitere von Anschlägen betroffen, die pro Distrikt zwischen keinem und sieben Todesopfern im Jahr 2015 forderten (PIPS 3.1.2016).

 

Auch im Jahr 2016 war Khyber Pakhtunkhwa die Region Pakistans, die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffen war. 127 Anschläge töteten 189 Personen. Die Zahl der Anschläge stieg somit um 2 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unter den Todesopfern der Anschläge waren 114 Zivilisten, 62 Angehörige der Sicherheitskräfte und 8 Militante. Von diesen Anschlägen betrafen 48 die Provinzhauptstadt Peschawar mit 62 Toten, 47 Todesopfer forderten 7 Anschläge in Charsadda, 16 Menschen starben bei 6 Anschlägen in Mardan, 11 Menschen starben bei 16 Anschlägen im Swat, 10 Menschen bei 10 Anschlägen in Bannu und 8 Menschen bei 9 Anschlägen in D.I. Khan. Außer diesen 6 Distrikten waren weitere 11 Distrikte in KP von Anschlägen betroffen, die insgesamt pro Distrikt zwischen einem und sieben Todesopfern forderten (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzung sowie deren Kontroll-Posten, 70 Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa zielten auf diese. Weitere Hauptziele waren politisch Arbeitende oder politische Führer und Staatsbedienstete, sowie sporadisch auch Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste. Allerdings richteten sich 23 Anschläge ganz allgemein gegen Zivilisten (PIPS 1.2017).

 

Von den insgesamt 127 Anschlägen in Khyber Pakhtunkhwa waren 8 sektiererisch motiviert, die 10 Todesopfer forderten – zumeist gezielte Tötungen zwischen Schiiten und Sunniten sowie ein Granatenanschlag auf eine Moschee. Die restlichen 119 Anschläge wurden durch die TTP oder lokale Taliban Gruppen bzw. Gruppierungen mit ähnlichen Zielen durchgeführt, wie der Jamaatul Ahrar und der Lashkar-e-Islam. Diesen Anschlägen fielen 179 Menschen zum Opfer (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt fanden 2016 154 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt statt, neben den Anschlägen waren dies 3 Ereignisse ethnopolitischer Gewalt, 5 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 15 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, eine Auseinandersetzung zwischen Militanten und Stammesangehörigen sowie 3 Vorfälle an der Grenze mit Afghanistan. Alle Gewaltvorfälle zusammen forderten 242 Menschenleben – 122 Zivilisten, 68 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzung sowie 52 Militante (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

Dawn (20.4.2015): ‘Security operations have suppressed militancy’, http://www.dawn.com/news/1177060 , Zugriff 9.11.2015

 

EASO - European Asylum Support Office (8.2015): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1440743353_easo-coi-report-pakistan-country-overview-final.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

GovKP - Government Khyber Pakhtunkhwa (o.D.): Government, http://kp.gov.pk/page/government , Zugriff 18.3.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Regionale Sicherheitslage Sindh, Problemzonen Karatschi und Innerer Sindh

 

Karatschi ist die Hauptstadt der Provinz Sindh, die größte Stadt Pakistans und die zweitgrößte der Welt. Sie ist die Handels-, Kultur- und Wirtschaftsmetropole Pakistans und beherbergt den größten Hafen Pakistans (KMC o.D.a). Karatschi wird auf mehr als 20 Millionen Einwohner geschätzt (KMC o.D.b).

 

Karatschi bleibt ein lokaler Brennpunkt terroristischer sowie politischer, interethnischer sowie religiös motivierter und krimineller Gewalt einschließlich sogenannter gezielter Tötungen (AA 30.5.2016). Es kommt zu innenpolitisch, religiös, ethnisch oder kriminell motivierten Anschlägen und zu Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 20.3.2017). Es gibt Berichte zu politisch motivierten Tötungen durch die verschiedenen politischen Gruppierungen in Karatschi bzw. Sindh. Die politische, sektiererische und ethnische Gewalt in Karatschi hielt an, allerdings sank sie und die Straßenkriminalität in Form von Gangs war nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 3.3.2017).

 

Eine Operation gegen Terroristen und organisiertes kriminelles Verbrechen in Karatschi durch die paramilitärischen Sindh Rangers und die zivile Sindh Polizei wurde auch 2015 fortgesetzt. Viele Analysten schrieben dieser Operation die signifikante Reduktion der Gewalt zu. Es wurden aber auch Vorwürfe vorgebracht, dass sie die Operationen überproportional auf bestimmte Parteien fokussieren würden (USDOS 2.6.2016).

 

Bei den Einsätzen der Sicherheitskräfte kommen auffällig häufig die Zielpersonen ums Leben, was von offizieller Seite damit begründet wird, dass diese bewaffneten Widerstand gegen den Zugriff der Sicherheitskräfte geleistet hätten. 85 Terroranschläge forderten in Karatschi 2015 150 Menschenleben (AA 30.5.2016).

 

Die Sicherheitskräfte werden im Zuge der Sicherheitsoperationen von Muttahida Qaumi Movement (MQM) beschuldigt, bei Verschwindenlassen, außergerichtlichen Hinrichtungen und Misshandlung ihrer Mitglieder involviert zu sein (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jahr 2015 verzeichnete Karatschi insgesamt 85 Anschläge, ein Rückgang um 61 Prozent zum Jahr 2014. Sie forderten dort 150 Leben – ein Rückgang um 53 Prozent. 25 der Anschläge richteten sich gegen Schiiten und forderten 75 Menschenleben. Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzungsbehörden waren häufig Ziel von Anschlägen, drei Anschläge richteten sich auch gegen Medien oder Journalisten, zwei Anschläge gegen politische Führer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2015 verzeichnete PIPS 102 Terroranschläge in acht Distrikten im Sindh, inklusive Karatschi, ein Rückgang von 59 Prozent. Die Anschläge im Sindh forderten 251 Leben – ein Rückgang von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – 182 davon Zivilisten. Zählt man Karatschi allerdings ab, so erlitt Sindh 101 Todesopfer in 17 Anschlägen, eine Steigerung um 339 Prozent an Todesopfern im inneren Sindh im Vergleich zum Vorjahr (PIPS 3.1.2016).

 

Ein großer Anteil der Todesopfer im Sindh im Jahr 2015 waren Angehörige der schiitischen Gemeinden der Hazara und Ismailiten, die Opfer sektiererisch motivierter Anschläge wurden. 27 solcher Anschläge fanden im Sindh statt, davon 25 in Karachi, einer in Jacobabad mit 27 Todesopfern und einer in Shikarpur mit 63 Todesopfern. Zusammen forderten sektiererisch motivierte Anschläge im Sindh 165 Todesopfer; dies bedeutet eine Erhöhung um 62 Prozent (PIPS 3.1.2016).

 

2016 wurden 60 Menschen in 47 Terroranschlägen in Karatschi und drei Menschen in 7 Anschläge im restlichen Sindh getötet. Damit sanken die Todesfälle im Sindh außerhalb Karatschi um 97 Prozent und in Karatschi um 60 Prozent. Insgesamt sanken damit die Anschläge im Sindh um 47 Prozent. Verletzt wurden im Sindh 104 Personen in Anschlägen. Neben Karatschi war der Sindh von drei Anschlägen in Hyderabad und jeweils einem Anschlag in den Distrikten Khairpur, Larkana, Shikarpur und Sukkur betroffen. Unter den Getöteten waren 35 Zivilisten, 24 Sicherheitskräfte und 4 Militante (PIPS 1.2017).

 

19 der Anschläge im Sindh im Jahr 2016 waren sektiererisch motiviert, davon 18 in Karatschi und einer in Shikarpur. Insgesamt wurden dabei 31 Menschen getötet, 29 davon in Karatschi. Von den sektiererischen Anschlägen in Karatschi richteten sich 11 gegen Mitglieder und Führer der Shia Gemeinde, 6 gegen die sunnitische Gemeinde und ein Anschlag gegen die Bohra Gemeinde (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden im Inneren Sindh 7 Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 17 im Jahr davor - davon waren 6 nationalistisch und einer sektiererisch motiviert. Dabei wurden im Inneren Sindh drei Menschen getötet, im Jahr davor waren es 101 Menschen. Verletzt wurden 29 Menschen. Sindhi Nationalistische Terrorgruppen, wie die Sindhu Desh Liberation Army (SDLA) und Sindhu Desh Revolutionary Army, führten 7 Anschläge im Sindh durch (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

 

AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherheit.html , Zugriff 20.3.2017

 

KMCa - Karachi Metropolitan Corporation o.D.a: Karachi the Gatway to Pakistan http://www.kmc.gos.pk/Contents.aspx?id=14 , 20.3.2017

 

KMCb - Karachi Metropolitan Corporation o.D.b: Residents in Karachi, http://www.kmc.gos.pk/Contents.aspx?id=2 , 20.3.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2015/257518.htm , Zugriff 12.11.2015

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 20.3.2017

 

Regionale Problemzone Belutschistan

 

Belutschistan ist nach Einführung neuer Distrikte in 32 Bezirke eingeteilt (JAAG TV 2013; vgl. GoB o.D.).

 

Rebellen kämpfen für politische Autonomie und größere Anteile an den Einnahmen aus der Öl- und Erdgasförderung in der rohstoffreichen Gegend. Auch Islamistengruppen sind in der Region aktiv (DW 11.4.2015). Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der Ressourcen zurückbekommen (EASO 8.2015).

 

Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban werden in Belutschistan beobachtet. Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v. a. Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die Volksgruppe der Hazara (AA 4.1.2017).

 

Wie im Jahr 2014 verzeichnete Belutschistan auch im Jahr 2015 die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet. Dies ist ein Rückgang von 36 Prozent bei Anschlägen und 31 Prozent bei Todesopfern. Sektiererisch motivierte Anschläge gingen in der Provinz ebenfalls um 20 Prozent zurück, die Todesopfer dabei um 60 Prozent. 26 der 32 Distrikte Belutschistans waren von Anschlägen betroffen, 7 Distrikte von mehr als 10 Anschlägen. Am stärksten war die Provinzhauptstadt Quetta betroffen mit 48 Anschlägen und 81 Todesopfern. Ungefähr 89 Prozent der Anschläge in Belutschistan wurden durch belutschische aufständische Gruppierungen durchgeführt, wie die Baloch Liberation Front (BLF), Baloch Republican Army (BRA), Balochistan Liberation Army (BLA), Lashkar-e-Balochistan und die United Baloch Army ( PIPS 3.1.2016).

 

Den Sicherheitskräften gelang es 28 Anschlagsversuche zu vereiteln. Insgesamt starben 550 Menschen in 306 Vorfällen von sicherheitsrelevanter Gewalt - Anschläge, Operationen der Sicherheitskräfte, Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen sowie zwischen den militanten Gruppierungen zusammen. Bei den Toten aller sicherheitsrelevanten Vorfälle handelte es sich um 161 Zivilisten, 91 Angehörige der Sicherheitskräfte oder Rechtsdurchsetzungsbehörden und 298 Militante (PIPS 3.1.2016).

 

Wie in den letzten beiden Jahren wurde die höchste Anzahl an Terroranschlägen für Pakistan aus Belutschistan gemeldet. Sie war auch die Region, die am meisten Todesopfer zu verschmerzen hatte. So wurden im Jahr 2016 in 151 Anschlägen 412 Menschen getötet. Belutschistan und Khyber Pakthunkhwa waren die einzigen Regionen Pakistans, die einen Anstieg an Todesopfern in Terroranschlägen erleiden mussten. 45 Prozent aller Todesopfer von Anschlägen in Pakistan wurden aus Belutschistan gemeldet. So stieg die Zahl der Todesopfer in Belutschistan um 63 Prozent, obwohl die Anzahl der Anschläge um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sank (PIPS 1.2017).

 

Unter den Todesopfern 2016 waren 230 Zivilisten, 168 staatliche Sicherheitskräfte und 14 Militante. Am stärksten betroffen in Belutschistan war die Hauptstadt Quetta mit 238 Toten und 458 Verletzten in 49 Anschlägen. 20 Anschläge wurden aus dem Distrikt Dera Bugti, 15 aus Kech, 11 aus Mastung, 8 von Khuzdar, 7 von Nasirbad und 6 aus Awran sowie Gwadar gemeldet. Neben diesen 8 stark von Anschlägen betroffenen Distrikten waren weitere 13 weitere Distrikte in Belutschistan von jeweils zwischen einem und 4 Anschlägen betroffen. Nach Quetta waren die meisten Todesopfer in den folgenden Distrikten zu beklagen: Khuzdar mit 61 Toten, Gwadar mit 16 sowie Kech und Mastung mit jeweils 15 Toten. In den anderen von Anschlägen betroffenen Distrikten wurden jeweils zwischen keinem und neun Todesopfer bei allen Anschlägen im Jahr 2016 verzeichnet (PIPS 1.2017).

 

Im Vergleich zum Vorjahr sank auch die Zahl der sektiererisch-motivierten Anschläge in Belutschistan von 12 auf 5, während allerdings die Zahl der Todesopfer von 34 auf 62 stieg. Grund dafür ist die hohe Anzahl von Todesopfern bei einem einzelnen Anschlag auf einen Schrein im Distrikt Khuzdar mit 54 Toten. Von den 5 Anschlägen fanden 3 in Quetta statt und 2 im Distrikt Khuzdar. 2 richteten sich gegen die schiitische Hazara Gemeinde, 2 gegen Mitglieder der Sunni Gemeinde und einer gegen Schiiten (PIPS 1.2017).

 

Der deutliche Anstieg an Todesopfern bei Rückgang der Anschlagszahlen ist darauf zurückführen, dass die Anschläge von Talibangruppen – vor allem TTP und Jamaatul Ahrar – und von gewalttätigen sektiererischen Gruppen, besonders Lashkar-e- Jhangvi Al-Alami stark anstiegen, während die Zahl der Anschläge von belutschischen Terrorgruppen sank. Die belutschisch-nationalistischen Terrorgruppen haben an Stärke eingebüßt und die Anschläge dieser Gruppen gingen 2016 sowohl in Größe als auch Anzahl zurück. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten, jedoch ein großer Anteil auch rein gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

Die Nationale Wahlkommission hat für die neue Richtlinie der Verteilung der Polizeikräfte im Vorfeld der Wahlen 2018 21 der 32 Distrikte Belutschistans als "harte Zonen" eingeteilt mit Bezugnahme unter anderem auf eine schwache Durchsetzungskraft des Staates und ein volatiles politisches Klima. Belutschistan führt damit die Liste bei der Anzahl der "harten Zonen" in Pakistan (The Nation 25.2.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (4.1.2017): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherheit.html , Zugriff 4.1.2017

 

DW - Deutsche Welle (11.4.2015): Mindestens 20 Arbeiter in Pakistan getötet,

http://www.dw.com/de/mindestens-20-arbeiter-in-pakistan-get ötet/a-18375233, Zugriff 4.1.2017

 

EASO - European Asylum Support Office (8.2015): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1440743353_easo-coi-report-pakistan-country-overview-final.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

GoB - Government of Balochistan (o.D.): District of Balochistan, http://www.balochistan.gov.pk/index.php?option=com_content&view=article&id=32&Itemid=703 , Zugriff 4.1.2017

 

The Nation (25.2.2016): 21 Balochistan districts have weak writ of state,

http://nation.com.pk/national/25-Feb-2016/21-balochistan-districts-have-weak-writ-of-state , Zugriff 4.1.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Regionale Problemzone Gilgit-Baltistan und Azad Jammu und Kaschmir

 

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Der Kaschmirkonflikt ist das zentrale Problem der Beziehungen zwischen Pakistan und Indien. An der Grenze zwischen dem indisch und dem pakistanisch verwalteten Teil Kaschmirs, der sogenannten Line of Control, kommt es immer wieder zu militärischen Zwischenfällen (AA 12 .2016b).

 

Extremistische Gruppen, vorwiegend für Anschläge im indisch verwalteten Jammu und Kaschmir verantwortlich, operieren von Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Balitstan aus. Sie haben Verbindungen zu ähnlichen Fraktionen in Pakistan und Afghanistan. Spannungen zwischen pro-Pakistan und nationalistischen kaschmirischen militanten Gruppen sind verbreitet (FH 29.8.2016).

 

In Gilgit-Baltistan, den früheren Northern Areas, führen Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 20.3.2017). Der Anteil der sunnitischen Bevölkerung in Gilgit Baltistan hat signifikant zugenommen seit ein Gesetz abgeschafft wurde, das die Einwanderung von anderen Teilen Pakistans gestattet. Es gibt den Vorwurf, ein demographischer Wandel in der mehrheitlich schiitischen Region wird gefördert (FH 29.8.2016).

 

Im Jahr 2016 wurden keine Terroranschläge aus Gilgit-Baltistan oder Azad Jammu und Kashmir germeldet (PIPS 1.2017). 2015 fanden 4 Terroranschläge statt, einer mehr als 2014. 15 Personen wurden verletzt, keiner getötet. Die Hauptziele waren Checkposten und Sicherheitskräfte (PIPS 3.1.2016).

 

In Azad Jammu und Kaschmir kam es im Vorfeld der Wahlen 2016 zu zwei Vorfällen politischer Gewalt. Im Februar forderte eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Anhängern der PPP und der PPML-N einen Toten und 10 Verletzte (PIPS 1.2017; vgl. TNI 14.2.2016). Im Juli forderte eine weitere ähnlich geartete Auseinandersetzung zwei Tote und sieben Verletzte (PIPS 1.2017; vgl. Dawn 14.7.2016). Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherheit.html , Zugriff 20.3.2017

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.3.2017

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016b): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Aussenpolitik_node.html , Zugriff 18.3.2017

 

Dawn (23.7.2016): PML-N grabs 31 seats in AJK elections, https://www.dawn.com/news/1272615 , Zugriff 18.3.2017

 

Dawn (14.7.2016): PPP, PML-N Ignore AJK’s real issues, https://www.dawn.com/news/1270727 , Zugriff 18.3.2017

 

FH – Freedom House (29.8.2016): Freedom in the World 2016: Pakistani Kashmir, http://www.refworld.org/docid/57c8327815.html , Zugriff 18.3.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Regionale Sicherheitslage XXXX und Islamabad

 

Laut einem lokalen Experten in Pakistan ist XXXX , besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans (BFA 9.2015). Die Bevölkerung der Provinz wird auf 91 Millionen geschätzt. Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016). Auch die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher (BAA 6 .2013). Die Bevölkerung wird auf 600.000 geschätzt (EASO 7.2016).

 

XXXX war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen, ein Rückgang von 41 Prozent bei Terroranschlägen im Vergleich zum Vorjahr sowie ein Rückgang von 34 Prozent an Todesopfern. Unter den Opfern waren 73 Zivilisten, 7 Polizisten und 3 Terroristen. 4 der Anschläge im XXXX waren sektiererisch motiviert. Am meisten betroffen von Anschlägen unter den Distrikten des XXXX war Rawalpindi mit 5 Anschlägen, die 12 Todesopfer forderten. Die meisten Todesopfer im XXXX gab es in Lahore mit 23 Toten, die Anschläge dort zielten vor allem auf Sicherheitskräfte, Minderheiten, insbesondere Christen und Journalisten (PIPS 3.1.2016). Trotz eines weiteren signifikanten Abfalls in der Zahl der Terroranschläge im Jahr 2016 im XXXX , ging die Zahl der Todesopfer nur um 4 Prozent zurück. So wurden 7 Terroranschläge im XXXX im Jahr 2016 durchgeführt, dabei allerdings 80 Menschen getötet. Dies lässt sich hauptsächlich auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten Anschlag in Lahore vom März zurückführen, der 74 Menschenleben forderte. 6 Distrikte des XXXX waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, 4 Polizisten und eine Aufständischer (PIPS 1.2017).

 

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016).

 

Quellen:

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

EASO – European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology – abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen – dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2016).

 

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz (sowie im Islamabad Capital Territory) und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden) (ÖB 10.2016).

 

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten "original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments" sowie "advisory jurisdiction" auf Anruf durch den Staatspräsidenten. Außerdem kann er sich in Fällen von öffentlicher Wichtigkeit auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner breiten Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2016).

 

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u.a. auch als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgan für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2016).

 

Zur örtlichen Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts ist anzumerken, dass sich diese gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA, und Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) erstreckt (ÖB 10.2016); außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

 

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen. Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2016).

 

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2016).

 

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, in der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus oder Blasphemie, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 3.3.2017). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf Gerichte: im März und im September jeweils einen Anschlag auf jeweils ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, bei denen 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta auf ein Krankenhaus, in dem sich Anwälte nach Schüssen auf den Präsidenten der Belutschistan Anwaltsvereinigung versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017).

 

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin (AA 12 .2016a). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, kostenintensive Verfahren, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 3.3.2017). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt die Zahl der Richter auf 4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards. Hinsichtlich der Überlastung der Gerichte ist anzumerken, dass in der Provinz XXXX im Jahr 2015 knapp 700 neue Richter (judges und magistrates) eingestellt wurden, die sich derzeit (zum Teil) noch in Ausbildung befinden. Auch heuer soll es zu Neuaufnahmen in ähnlicher Zahl kommen (ÖB 10.2016).

 

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist somit bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem "Verschwindenlassen" von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016a).

 

Die im Rahmen des Nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich (AA 30.5.2016).

 

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehmigte das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und sektiererischer Gewalt (USDOS 3.3.2017). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch für 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Anwendung der Militärgerichte, behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL 5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017). Laut International Commission of Jurists wurden bisher 12 derartige Militärgerichte eingerichtet und zumindest 105 Verfahren abgeschlossen, von welchen mindestens 81 mit Schuldsprüchen (77 Todesurteile, davon 12 vollstreckt) endeten (Stand: Juni 2016). Die Prozesse werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2016).

 

Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 3.3.2017).

 

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 3.3.2017).

 

Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen XXXX ) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2016).

 

In den Stammesgebieten FATA, die nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen und in denen das staatliche pakistanische Recht gemäß der Verfassung nur dann Anwendung findet, wenn dies durch ein Präsidialdekret angeordnet wird, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen "Jirga"-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).

 

In Sindh und XXXX hielten feudale Landherren und lokale Führer, in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas – lokale Ratsversammlungen – in Missachtung des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtsysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 3.3.2017).

 

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2016).

 

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in FATA und PATA weiterhin auf Basis der Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Des Weiteren besteht in Fällen sogenannter honour killings oft die Möglichkeit für die Familie des Opfers, dem Täter zu vergeben und diesen so der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen (ÖB 10.2016).

 

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 12 .2016a).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.3.2017

 

AI - Amnesty International (20.4.2015): Dämpfer für die Todesstrafe in Pakistan, http://www.amnesty-todesstrafe.de/index.php?id=732 , Zugriff 18.3.2017

 

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/336589/479266_de.html , Zugriff 20.3.2017

 

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/335171/477023_de.html , Zugriff 20.3.2017

 

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016):

Asylländerbericht – 2016

 

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2015): Pakistani Military Courts Approved By Supreme Court, http://www.ecoi.net/local_link/309434/447325_de.html , Zugriff 18.3.2017

 

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/322459/461936_de.html , Zugriff Zugriff 20.3.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 20.3.2017

 

Justizwesen FATA

 

Die Federal Administered Tribal Areas (FATA) liegen strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Sie gliedern sich in sieben sogenannte Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan - denen jeweils ein Political Agent vorsteht (FRC 24.1.2017) - sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden (BFA 9.2015).

 

Die FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion. Pakistanische Gesetze haben nur dann Geltung, wenn sie durch ein Dekret des Präsidenten für die FATA in Kraft gesetzt werden (AA 30.5.2016). In den FATA gelten die bereits von den Briten eingeführten Frontier Crimes Regulations, die gewisse paschtunische Rechtsvorstellungen mit dem Versuch einer externen Kontrolle kombinieren. Die Zentralregierung verfügt mit Hilfe des Political Agent über indirekte Einflussmöglichkeiten, während die Stämme über eine gewisse Autonomie verfügen (FRC 24.1.2017). Durch die Ausdehnung der Anordnung zu politischen Parteien auf die Stammesgebiete von 2011, können politische Parteien auch in der FATA aktiv sein (USDOS 3.3.2017).

 

Der administrative Vorstand jeder "Agency" (Bezirk) der FATA ist ein "Political Agent", der weitreichende administrative und juristische Macht hat. Jede Agency hat je nach Größe zwei bis drei Assistant Political Agents. Unter der pakistanischen Verfassung fällt die FATA ausschließlich in die Zuständigkeit des Präsidenten von Pakistan. Administrativ ist der Gouverneur von Khyber Pakhtunkhwa die oberste exekutive Führungsperson (chief executive) der FATA, als Repräsentant des Präsidenten von Pakistan. Es gibt drei administrative Einrichtungen, das Ministry of States and Frontier Regions, das FATA Sekretariat und die FATA Development Authority, welche das Gebiet unter der Leitung des Gouverneurs von Khyber Pakhtunkhwa verwalten und unterstützen. Die FATA wird rechtlich durch den Frontier Crimes Regulation Act (FCR) von 1901, novelliert 2011, geregelt (FRC 24.1.2017).

 

In den FATA hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte im Wege von Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).

 

Alle Zivil- und Kriminalfälle in der FATA werden unter der FRC durch eine Jirga (Rat von Älteren) entschieden. Die Bewohner können allerdings den Supreme Court und den Peschawar High Court anrufen bei Fällen, die die Verfassung oder die FCR betreffen. Administrativ finden sich in den FATA zwei regionale Kategorien: "geschützte" Gebiete sind Gebiete unter direkter Kontrolle der Regierung, "nicht-geschützte" Gebiete sind solche, welche indirekt – über lokale Stämme – administriert werden (Gov FATA o.D.).

 

In den "geschützten" Gebieten der FATA werden Zivil- und Kriminalfälle durch politische Angestellte entschieden, die mit juristischen Vollmachten ausgestattet sind (Gov FATA o.D.).

 

Nach der FRC sind die Assistant Politcal Agents verantwortlich für die Rechtsprechung in der FATA und werden dabei durch Stammesältere ihrer Wahl unterstützt. Sie halten Anhörungen nach ihrer Interpretation des islamischen Gesetzes und der Stammesbräuche ab (USDOS 3.3.2017). Die Jirga aus Stammesälteren wird nach den Ermittlungen mit Zustimmung der Konfliktparteien eingerichtet. Sie fällt das Urteil, das durch den Political Agent geprüft wird. Für die Umsetzung des Urteils ist die politische Administration zuständig. In den "nicht geschützten" Gebieten der FATA werden die Entscheidungen durch lokale Jirgas, die nach Beratungen durch Vermittler aus der Gemeinschaft zusammengesetzt werden, gefällt (Gov FATA o.D.).

 

Unter der FCR werden Kollektivstrafen angewandt. Eine rechtliche Vertretung des Angeklagten ist nicht vorgesehen. Die FCR wird seit langem für ihre harten und inhumanen Regelungen kritisiert, einige davon wurden durch die Novellierung von 2011 gemildert. So wurde die Kollektivverantwortung des Stammes und die übermäßige Macht der politischen Repräsentanten eingeschränkt, Frauen und Unter-16jährige aus der Kollektivbestrafung ausgenommen, sowie den Bürgern das Recht eingeräumt, gegen die Entscheidungen der politischen Repräsentanten in einem kodifizierten Gerichtssystem zu berufen (USDOS 3.3.2017).

 

Im März 2017 genehmigte das pakistanische Kabinett einen Reformplan für die FATA. Der Fünfjahresplan sieht die Eingliederung in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) vor. Die Einwohner der FATA sollen damit das Recht erhalten, ihre Stimme bei Provinzratswahlen von KP abzugeben, dies bereits erstmals bei den Provinzwahlen 2018 (Dawn 2.3.2017). Der FRC soll ersetzt, Kollektivstrafen abgeschafft und die Rechtsprechung der Höchstgerichte auf die FATA ausgedehnt werden. Das Jirga System wird beibehalten, allerdings werden diese von einem Gericht eingesetzt und in Übereinstimmung mit dem vorherrschenden Recht Angelegenheiten entschieden (Dawn 1.6.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf , Zugriff 18.3.2017

 

Dawn (1.6.2016): Reforms proposed for Fata’s merger into KP, https://www.dawn.com/news/1264492 , Zugriff 20.3.2017

 

Dawn (2.3.2017): Federal cabinet approves recommendations to 'mainstream' Fata,

https://www.dawn.com/news/1317961/cabinet-approves-recommendations-to-mainstream-fata , Zugriff 20.3.2017

 

FRC - FATA Research Centre (24.1.2017): FATA Annual Report 2016, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2017/01/security-report-2-2.pdf , Zugriff 20.03.2017

 

Gov FATA - Government of FATA (o.D.): Administrative System, https://fata.gov.pk/Global.php?iId=29&fId=2&pId=25&mId=13 , Zugriff 20.3.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015– Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/466923_en.html , Zugriff 23.3.2017

 

Politischer und Rechtlicher Aufbau Giligt-Baltistan und Azad Jammu Kaschmir

 

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Keines der Gebiete wurde formal in das Staatsgebilde inkorporiert, wodurch sie weder unabhängig sind, noch Provinzstatus haben. Stattdessen ist das Verhältnis zueinander durch verschiedene provisorische Übereinkünfte bestimmt, die auf eine finale Übereinkunft im Disput mit Indien warten. Azad Jammu Kaschmir wird anhand einer Übergangsverfassung aus dem Jahr 1974 verwaltet. Ein Präsident, der durch die gesetzgebende Versammlung gewählt wird, ist Staatsoberhaupt, der gewählte Premierminister Regierungschef. Ein Azad Jammu Kaschmir Council arbeitet von Islamabad aus und setzt sich aus kaschmirischen und pakistanischen Amtsträgern zusammen. Dieser Rat hat eine Reihe von Schlüsselkompetenzen im exekutiven, legislativen und rechtssprechenden Bereich inne, wie die Kontrolle über die Ernennung der Höchstrichter und den Wahlbehördenleiter (FH 29.8.2016).

 

Gilgit Baltistan wird verwaltet unter der Gilgit-Baltistan Empowerment and Self-Governance Order (GBESGO) von 2009, die nur durch die pakistanische Regierung verändert werden kann. Die Regierungsstruktur setzt sich aus der Gesetzgebenden Versammlung für Gilgit-Baltistan mit Sitz in Gilgit, die 33 Mitglieder hat, sowie dem 15 Mitglieder starken Gilgit-Baltistan Rat zusammen. Den Ratsvorsitz hat der pakistanische Präsident, den Vize-Vorsitz der föderal ernannte Gouverneur; die Tagungen finden in Islamabad statt. Die Gesetzgebende Versammlung hält die gesetzgebende Gewalt über 61 Themen, wobei die Letztentscheidung beim Gouverneur liegt. Die strategisch wichtigen Themen fallen in die Zuständigkeit des föderal dominierten Gilgit-Baltistan Rat. Eine Mehrheit von hohen Positionen in der lokalen Administration ist unter der GBESGO für pakistanische Staatsbedienstete reserviert. Im Februar 2015 gab es einige Kontroversen in Gilgit-Baltistan, da der neu eingesetzte Gouverneur keinerlei Bezug zu dem Gebiet hat (FH 29.8.2016).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu Kaschmir verbietet politische Parteien, die nicht die mögliche Angliederung des Gebietes an Pakistan befürworten und Regierungsmitglieder müssen ihre Loyalität gegenüber dem Ziel der Eingliederung erklären. Ähnliche Regeln gelten auch in Gilgit Baltistan, womit nationalistischen Führern und Parteien der Zugang zum politischen Prozess und zu Anstellung im öffentlichen Bereich verwehrt ist (FH 29.8.2016).

 

Bei den Wahlen zur Gesetzgebenden Versammlung von Gilgit Baltistan im Juni 2015 konnte die PML-N 15 der 24 direkt zu wählenden Sitze erringen. Die Wahlen fanden unter Sicherheitsvorkehrungen der Armee statt (FH 29.8.2016).

 

In den Wahlen zur Gesetzgebenden Versammlung von Azad Jammu und Kaschmir im Juli 2016 konnte die PML-N 31 der 41 Sitze erringen. Die PPP und die Muslim Conference errangen jeweils 3, die PTI 2 Sitze. Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).

 

Die beiden Territorien haben keine politische Vertretung im pakistanischen Parlament und in den Gremien, die verfassungsgemäß für die Beratung und die Koordinierung zwischen der föderalen Regierung und den Provinzen eingerichtet sind, was die Transparenz stark einschränkt. Als Resultat haben der pakistanische Premierminister, der Minister für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan, und durch diese der föderale Verwaltungsdienst volle Kontrolle über die Regierungsfunktion in beiden Territorien. Föderale Geheimdienste sind ebenfalls in den Territorien stationiert und üben beträchtlichen Einfluss über gewählte Repräsentanten und Verwaltungsbedienstete aus. Die Territorien haben auch keine weitgehende fiskale Unabhängigkeit. Die föderalen Steuern werden in beiden Territorien umgesetzt, während ein Anteil der föderalen Einnahmen wieder durch Förderungen zurückfließt. In den föderalen Gremien, welche die Ressourcenverteilung zwischen den Provinzen verhandeln, sind die Repräsentanten der Territorien nicht vertreten. Die 2015 neu gewählte gesetzgebende Versammlung von Gilgit-Baltistan hat eine Resolution zur Forderung des Status einer verfassungsgemäßen Provinz gestellt (FH 29.8.2016).

 

Gilgit-Baltistan hat ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister Pakistans in seiner Funktion als Vorsitzende des Gilgit-Baltistan Councils auf Empfehlung des Gouverneurs ernannt. In der Praxis gehen alle Besetzungen der höheren Rechtsprechung über das Ministerium für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan. Der Prozess ist somit langwierig und lässt der föderalen Regierung einen überproportionalen Einfluss. Die Föderale Regierung, die Armee und die Geheimdienste üben eine beträchtliche Präsenz in Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan aus. Überwachung von politischen Aktivitäten ist die Norm. Es gibt Berichte zu ungesetzmäßigen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 29.8.2016).

 

In Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan sind Gesetze in Kraft, welche die Meinungsfreiheit, insbesondere in Bezug auf den politischen Status der Region einschränken (FH 29.8.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.3.2017

 

Dawn (23.7.2016): PML-N grabs 31 seats in AJK elections, https://www.dawn.com/news/1272615 , Zugriff 18.3.2017

 

FH - Freedom House (29.8.2016): Freedom in the World 2016: Pakistani Kashmir, http://www.refworld.org/docid/57c8327815.html , Zugriff 18.3.2017

 

Sicherheitsbehörden

 

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 30.5.2016).

 

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst, ISI, einen Inlandsnachrichtendienst, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 30.5.2016). Der ISI wird unter den "Top ten" Geheimdiensten der Welt gelistet (ABC News Point 15.12.2014). Der ISI ist militärisch dominiert und folglich militärisch geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 30.5.2016).

 

Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert – so pro-Demokratie-Aktivisten (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt über geheimdiensttechnisch breit ausgedehnte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten, obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS 2.6.2016).

 

Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 30.5.2016).

 

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 3.3.2017). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen, sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 30.5.2016).

 

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gab weiterhin ungestraft die Praxis des Verschwindenlassens, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh (AI 23.2.2016). Berichten zufolge werden von einigen Bediensteten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass sich viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan unter den Vermissten befinden. In der Online-Datenbank der Internationalen Stimme für Baloch werden 100 Personen, die angeblich im Laufe des Jahres 2016 entführt wurden, aufgelistet (USDOS 3.3.2017).

 

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 3.3.2017).

 

Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).

 

Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karachi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karachi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden. SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).

 

Die Regionalregierung des XXXX führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jänner 2015 verabschiedete das Parlament als Reaktion auf einen Terroranschlag auf die öffentliche Armeeschule in Peshawar eine Verfassungsänderung, um militärischen Gerichten eine Aburteilung von unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten zu ermöglichen, welche im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen. Dies trifft rückwirkend auch auf bis zu 6.000 zivile Häftlinge zu, welche landesweit in verschiedensten militärischen Operationen seit 2009 festgenommen wurden (Dawn 24.8.2015). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt darüber, dass dieses Gesetz universelle Rechte und Freiheiten der Bürger untergraben würde (USDOS 13.4.2016). Das Anti-Terrorgesetz erlaubt der Regierung, auf spezielle Anti-Terrorismusgerichte zurückzugreifen, um Personen die u.a. terroristische Aktivitäten bezichtigt werden, vor Gericht zu stellen. Die Regierung verwendet weiterhin Militärgerichte um Zivilisten wegen Terrorismus und anderen Verbrechen vor Gericht zu stellen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

ABC News Point (15.12.2016): Top 10 Best Intelligence Agencies in The World 2015,

http://www.abcnewspoint.com/top-10-best-intelligence-agencies-in-the-world-2015/ , Zugriff 16.1.2017

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

AI - Amnesty International (23.2.2016): Amnesty Report 2015/16, The State of the World’s human Rights, Pakistan, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1025522016ENGLISH.PDF , Zugriff 15.11.2016

 

FCO - Foreign Commonwealth Office (12.3.2015): Corporate report, Pakistan - Country of Concern,

https://www.gov.uk/government/publications/pakistan-country-of-concern/pakistan-country-of-concern#access-to-justice-and-the-rule-of-law , Zugriff 15.11.2016

 

Globalsecurity.org (15.12.2016): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI]

http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm , Zugriff 16.1.2017

 

SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (2016):

Pakistan-initiatives-for-capacity-building, http://sharp-pakistan.org/publications/reports/2016-Jan-Apr-SHARP-Pakistan-initiatives-for-capacity-building.pdf , Zugriff, 9.12.2016

 

USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/324735/464433_de.html , Zugriff 16.1.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 8.3.2017

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt für Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 3.3.2017; vgl. Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter – meistens die Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt hingegen Berichte darüber, dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen Gefangene einsetzen (USDOS 3.3.2017). Auch AI zählt Folter als Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 23.2.2016). Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2015 in Haft verstorbenen 65 Strafgefangenen in vier Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 30.5.2016).

 

Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

AI - Amnesty International (23.2.2016): Amnesty Report 2015/16, The State of the World’s human Rights, Pakistan, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1025522016ENGLISH.PDF , Zugriff 15.11.2016

 

DAWN (27.6.2016): View from the courtroom: No law yet to specifically deal with torture cases, http://www.dawn.com/news/1267554/view-from-the-courtroom-no-law-yet-to-specifically-deal-with-torture-cases , Zugriff 14.12.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 8.3.2017

 

Korruption

 

Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption von Staatsbediensteten vor. Doch die Regierung implementiert die entsprechenden Gesetze nicht effektiv und Beamte sind häufig in korrupte Machenschaften verstrickt. Korruption ist somit sowohl in der Politik, als auch in der Verwaltung weit verbreitet. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 3.3.2017).

 

Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von echten Beschwerden angenommen und Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Beschwerden akzeptiert. Bestechungsgelder zur Vermeidung von anfallenden Gebühren sind ebenso an der Tagesordnung (USDOS 3.3.2017). Gemäß einem Bericht von Transparency International sind die Hauptgründe für Korruption mangelndes Verantwortungsbewusstsein und niedrige Löhne (TI 25.4.2014).

 

Im Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International nahm Pakistan die 117. Stelle von 168 Ländern ein (TI 2015), im Jahr 2016 Platz 116 von 176 (TI 2016).

 

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der Bundesregierung und Behörden, inklusive Ministerien und Gerichte, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte, v.a. vertrauliche, sind davon ausgenommen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

TOI - The Times of Islamabad (10.10.2016): Pakistan corruption perception Index improves in FY 2016: WEF, https://timesofislamabad.com/49501-2/2016/10/10/ , Zugriff 14.12.2016

 

TI - Transparency International (25.4.2014): Pakistan 2014, https://www.transparency.org/whatwedo/nisarticle/pakistan_2014 , Zugriff 13.3.2017

 

TI - Transparency International (21.1.2016): Corruption Perceptions Index 2015, http://www.transparency.org/cpi2015 , Zugriff 15.11.2016

 

TI - Transparency International (21.1.2016): Corruption Perceptions Index 2016,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016 , Zugriff 22.3.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 8.3.2017

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können sich in Pakistan betätigen (AA 30.5.2016). Sie können im Allgemeinen frei agieren (FH 4.12.2016), unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und Kontrolle. Tangieren ihre Tätigkeiten die staatlichen Sicherheitsorgane, so können Einschränkungen durch diese erfolgen (AA 30.5.2016). NGOs, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren, sind intensiven Überprüfungen und in einigen Fällen auch Schikanen ausgesetzt (FH 4.12.2016).

 

Demzufolge operiert eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen in der Regel uneingeschränkt, führt Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlicht ihre Ergebnisse, während andere Gruppen, welche über Missetaten im Zusammenhang mit der Regierung, dem Militär oder dem Geheimdienst oder in Bezug auf intern Vertrieben oder Konfliktgebiete berichten, zeitweise von Restriktionen betroffen sind (USDOS 3.3.2017).

 

Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Kämpfern und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten (BAA 6 .2013).

 

Laut der Aid Worker Security Database wurden im Jahr 2015 zwei Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 zwölf Mitarbeiter getötet (AWSD 16.10.2016).

 

Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen, die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 30.5.2016).

 

Zur Eindämmung der Terrorismusfinanzierung innerhalb und außerhalb des Landes haben Bundes- und die Provinzregierungen eine Registrierung aller Unternehmen, auch Non-Profit-Organisationen, karitativer Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen, beschlossen (TIN 9.1.2016). Zur Straffung des Registrierungsprozesses von NGO muss eine Registrierung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Dieser Registrierungsvorgang ist für alle nichtstaatlichen Organisationen alle fünf Jahre erneut zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und Beobachtung von verbotenen Organisationen und Einzelpersonen stellte dabei das Hauptanliegen dar – so ein Sprecher des Innenministeriums (Dawn 9.1.2016).

 

Der Freiraum für die Betätigungsmöglichkeiten der NGOs wurde im Jahr 2015 durch die Ankündigungen der Registrierungsmaßnahmen stark reduziert. Einige NGOs wurden aufgefordert, Pakistan zu verlassen, 20 internationale NGOs wurden durch die pakistanischen Behörden unter Beobachtung gestellt. Der pakistanische Innenminister äußerte in der Öffentlichkeit seine Bedenken, dass NGOs antistaatliche Aktivitäten wie Spionage und Finanzierung des Terrorismus beteiligt sind. Diese Schritte würden nach Einschätzung von Freedom House dazu dienen, dass die NGOs in einem Klima des Misstrauens und der Unsicherheit operieren würden (FH 4.12.2016).

 

Visa für ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert. Nur wenige NGOs haben Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen, sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

Aid Worker Security Database (16.10.2016): Total incidents by country, https://aidworkersecurity.org/incidents/report/country , Zugriff 16.11.2016

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

Dawn (9.1.2016): Laws for monitoring NGOs’ funding to be tightened, http://www.dawn.com/news/1231761/laws-for-monitoring-ngos-funding-to-be-tightened , Zugriff 22.12.2016

 

FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistani Kashmir,

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistani-kashmir , Zugriff 16.11.2016

 

TIN - The International News (9.1.2016): All NGOs to be registered in six months,

https://www.thenews.com.pk/print/89035-All-NGOs-to-be-registered-in-six-monthsugriff 22.12.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Ombudsmann

 

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6 .2013). Zum Beispiel wurde im Büro des Ombudsmanns in Sindh ein eignes Büro für Menschenrechtsbeschwerden eingerichtet. Dieses Büro wird die Menschenrechtslage und die Anwendung der Internationalen Menschenrechtskonvention in Sindh beobachten und regelmäßig dem Ombudsmann Bericht erstatten (TET 30.1.2015). Das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan und XXXX haben diese eingerichtet, Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan nicht. Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

TET - The Express Tribune (30.1.2015): Register complaints: Human rights cell set up at ombudsman secretariat, http://tribune.com.pk/story/830302/register-complaints-human-rights-cell-set-up-at-ombudsman-secretariat/ , Zugriff 21.11.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Pakistans Militär wird 2016 als die 13. stärkste Armee der Welt eingestuft (GFP 2016).

 

Pakistans Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 30.5.2016). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden (CIA 21.11.2016). Angehörige religiöser Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

CIA - Central Intelligence Agency (21.11.2016): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff 12.12.2016

 

GFP - Global Firepower (2016): Pakistan Military Strength, http://www.globalfirepower.com/countries-listing.asp , Zugriff 12.12.2016

 

The Express Tribune Pakistan (5.10.2016):Pakistan military ranked 11th strongest in world,

http://tribune.com.pk/story/967711/pakistani-military-ranked-11th-strongest-in-world/ , Zugriff 15.11.2016

 

Wehrdienstverweigerung / Desertion

 

Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Informationsweitergabe an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, deren Urteile nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar sind. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 15.11.2016

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (AA 30.5.2016).

 

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016).

 

Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert. Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 bleibt die Menschenrechtslage in Pakistan kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Schwache staatliche Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führen in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen u.a. extralegale und gezielte Tötungen, sowie das Verschwindenlassen von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 10.1.2017).

 

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). Auch 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

 

3.522 Fälle verschwundener Personen wurden der Kommission im Zeitraum 2011 bis 31.7.2016 zur Kenntnis gebracht und deren Aufklärung beantragt. Gemäß der Kommission wurden 2.105 Fälle abgeschlossen, 1.641 Fälle geklärt und 1.417 Fälle sind noch offen (USDOS 3.3.2017).

 

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Das Militär setzt weiterhin den Nationalen Plans gegen Terror ohne zivile Kontrolle um (HRW 12.1.2017).

 

Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Nach Zählung der Human Rights Commission of Pakistan kamen 2015 landesweit 2.108 Personen bei "police encounters" ums Leben. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemie-Fälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 30.5.2016).

 

Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Sie dienen als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu stärken, doch ihre Schlussfolgerung entsprachen im Allgemeinen der Regierungspolitik. Das Gesetz zur Nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sieht die Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der Nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wiedereingerichtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, , Zugriff 15.11.2016

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html , Zugriff 16.11.2016

 

AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/297390/444645_de.html , Zugriff 16.11.2016

 

FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2014, Pakistani Kashmir, http://www.ecoi.net/local_link/311134/449176_de.html , Zugriff 16.11.2016

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf , Zugriff 9.1.2017

 

HRW - Human Rights Watch (10.1.2017): Pakistan: Bloggers Feared Abducted - Government Needs to Investigate, Protect Journalists and Activists, http://www.ecoi.net/local_link/334582/476326_de.html , Zugriff 3.3.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, es bestehen jedoch Einschränkungen (USDOS 3.3.2017).

 

Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an unterschiedlichen Ansichten Ausdruck (USDOS 3.3.2017); die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten (AA 30.5.2016). Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 30.5.2016, vgl. USDOS 3.3.2017). Die Verfolgung von Minderheiten wird behandelt. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle werden manchmal zensiert. Laut Gesetz darf die Regierung Informationen einschränken, die nationalen Interessen entgegenstehen. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen. Dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Kritik an der Institution des Militärs oder an den Sicherheitsdiensten kann nur vorsichtig geäußert werden. Andernfalls sehen sich Journalisten und Medienhäuser Repressionen ausgesetzt (AA 30.5.2016). So führen Drohungen, Mobbing, Gewalt und die Ermordung von Pressepersonal auch zu einer Praxis von Selbstzensur in der Medienarbeit. Es gibt auch Berichte zu Tötungen von Journalisten durch Extremisten, aber auch durch Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017). Mutmaßliche Fälle von Verschwindenlassen betreffen auch Journalisten (FH 27.1.2016; vgl. auch USDOS 3.3.2017). Laut Angaben der International Federation of Journalists, wurden 2016 mindestens fünf Personen aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan getötet (IFJ 17.11.2016).

 

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Diese Gruppen nutzen Einschüchterungen, Entführungen und Morde, auch von Familienmitgliedern, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In den von den Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Vor allem die Provinz Belutschistan bleibt einer der gefährlichsten Orte der Welt für Journalisten. Dort ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt, Journalisten sehen sich Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt und werden nicht selten Opfer von gezielten Anschlägen. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. 2015 wurden nach Angaben der NRO "Human Rights Commission of Pakistan" vier Journalisten und ein Medienmitarbeiter getötet. Daher sind viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA in die Städte Karatschi, Lahore oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus (AA 30.5.2016).

 

Reporter ohne Grenzen (RSF) listete Pakistan im April 2016 im World Press Freedom Index 2016 auf Platz 147 unter weltweit 180 Ländern. Im Jahr 2015 belegte das Land den 159. Rang. Zur Lage der Journalisten im Land gibt RSF folgende Angaben: "Journalisten stehen im Fokus von extremistischen Gruppen, islamistischen Organisationen und der Nachrichtendienste des Landes. Diese Gruppen stellen für RSF Feinde der Pressefreiheit dar. Obwohl sich diese in einer stetigen Auseinandersetzung miteinander befinden, sind sie immer bereit, Handlungen von den Medien als "Sakrileg" zu verurteilen. Zwangsläufig ist so eine Selbstzensur in den Nachrichten-Organisationen weit verbreitet. Dennoch gelten die pakistanischen Medien als die freiesten in ganz Asien, wenn es darum geht, über Querelen zwischen den Politikern zu berichten (RSF 20.4.2016).

 

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit. Diese kann jedoch eingeschränkt werden zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 30.5.2016). Das Gesetz gestattet pakistanischen Bürgern, die Regierung öffentlich oder privat zu kritisieren. Kritik am Militär kann hingegen zu politischen oder wirtschaftlichen Repressalien seitens der Regierungsbehörden führen. Darüber hinaus schränken die geltenden Blasphemiegesetze die Rechte des einzelnen auf freie Meinungsäußerung zu Fragen betreffend Religion und religiöse Lehre ein. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen in einigen Universitäten eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 3.3.2017).

 

Pakistan verfügt über 160 Radiostationen und über 200 Tageszeitungen (FH 27.1.2016). Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich etwa 90 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistani Kashmir,

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistani-kashmir , Zugriff 9.1.2016

 

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016, Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/327647/454713_en.html , Zugriff 17.11.2016

 

IFJ - The International Federation of Journalists (17.11.2016):

Pakistan Journalists & media staff killed list 2016, http://ifj-safety.org/en , Zugriff 17.11.2016

 

RSF – Reporters Without Borders (20.4.2016): Targeted on all sides, https://rsf.org/en/pakistan , Zugriff 25.11.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, werden aber durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt (USDOS 3.3.2017). Die Versammlungsfreiheit kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 30.5.2016). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 3.3.2017).

 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 30.5.2016).

 

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden, vor allem in Karachi, zum Teil mit Gewalt ausgetragen. Dies betrifft vor allem die radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien in Karatschi, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (PIPS 1.2017). 2015 kamen in diesem Zusammenhang landesweit 81 Menschen ums Leben (AA 30.5.2016).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu und Kaschmir verbietet Aktivitäten, die nachteilig für den Beitritt von Azad Jammu und Kaschmir zu Pakistan sind. Oppositionelle werden überwacht und sind Belästigung und manchmal auch Haft ausgesetzt. In Azad Jammu und Kashmir wird vor allem im Zusammenhang mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegungen und anderen Aktivisten von willkürliche Verhaftungen, Folter und Tod während der Haft durch die Sicherheitskräfte berichtet (FH 4.12.2016).

 

In Azad Kaschmir sind politische Aktivisten welche verdächtigt werden, in sich den pakistanischen Gesetzen zu widersetzten, sind Ziel von Überwachung, Belästigung und mitunter auch von Inhaftierungen (FH 4.12.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 17.11.2016

 

FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistani Kashmir,

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistani-kashmir , Zugriff 9.1.2016

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report, Zugriff 13.1.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Haftbedingungen

 

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 3.3.2017).

 

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und der Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Die Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im XXXX . Die landesweit 88 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 46.500 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber 80.169 Personen (Ende 2014) untergebracht; die Belegungsquote liegt bei 171,6 Prozent (leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr). Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen, doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen. Ungefähr 70 Prozent der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 30.5.2016).

 

Die Bedingungen in einigen Gefängnissen und Haftanstalten sind als hart und lebensbedrohlich zu bezeichnen. Unzureichende medizinische Versorgung und eine unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führt zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 3.3.2017).

 

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2015, dass nach Beobachtung der Medien in diesem Jahr in den pakistanischen Gefängnissen 65 Personen starben. 46 dieser Häftlinge verstarben durch verschiedene Krankheiten während vier Häftlinge durch Folter seitens der Wärter und einer durch Gewalt anderer Häftlinge in den Gefängnissen umkamen (UKHO 6.2016).

 

Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2014 auf 1.683 (2,1 Prozent der Inhaftierten). Weibliche Gefangene sind speziell Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung unterworfen. Es gibt eigene Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 30.5.2016).

 

Im Haripur Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa sind die weiblichen Gefangenen in unmittelbarer Nähe der männlichen Strafgefangenen untergebracht. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen – etwa bei Gefängnisunruhen – dar (Dawn 27.2.2016).

 

Jugendgefängnisse existieren nicht. 2014 gab es 1.362 jugendliche Strafgefangene. Bürokratische Hindernisse, Korruption und die Ineffizienz des überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen, als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 30.5.2016). Jugendliche Straftäter sind oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen. Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 3.3.2017).

 

Durch den Staat, vor allem das Militär wurden im Swat Tal, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkwa einige "Deradikalisierungszentren" betrieben. Darüber hinaus wurde unter der Bezeichnung "Weibliche Emanzipation und Qualifikations-Training" ein Programm für Frauen im Swat-Tal errichtet (BFA 9.2015).

 

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten nur unregelmäßig. Behörden verweigern Internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan. Die Regierungen (Landesregierungen?) von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 3.3.2017).

 

Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet. Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn 27.2.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 17.11.2016

 

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1443527547_bfa-paki-ffm-report-2015-09.pdf , Zugriff 17.11.2016

 

Dawn (27.2.2016): Women prisoners in Haripur vulnerable to assault, http://www.dawn.com/news/1242243 , Zugriff 9.1.2017

 

UKHO - Country Information and Guidance (9.6.2016): Pakistan: Prison conditions,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/566233/PAK_Prison_conditions.pdf , Zugriff 17.11.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Todesstrafe

 

Die Regierung erließ im Jänner 2015 im Zuge des Terrorangriffs auf die vom Militär geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht stehende Zivilisten den Prozess zu machen (USDOS 3.3.2017). Die Regierung hat somit das 2008 von der Vorgängerregierung verfügte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe zunächst am 17.12.2014 für wegen terroristischer Straftaten Verurteilte und am 3. 3.2015 umfassend aufgehoben (AA 30.5.2016). Auch angesichts der internationalen Opposition gegen die Aufhebung des Moratoriums hält die Regierung daran fest, dass die Todesstrafe das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus sei (Dawn 22.12.2016).

 

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als ein kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile somit auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in mindestens fünf Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum Tatzeitpunkt minderjährig war. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016).

 

Bis März 2016 wurden im Zusammenhang mit Todesurteilen mindestens 444 Gnadengesuche zum Zwecke einer Begnadigung von Gefangenen an den pakistanischen Präsidenten geschickt (Dawn 22.12.2016). Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Staatspräsident bei der Ablehnung von Gnadengesuchen auf eine Prüfung des Einzelfalls verzichtet. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar (AA 30.5.2016).

 

Im Zeitraum von 17.12.2014 bis zum 30.4.2016 wurden etwa 400 Personen hingerichtet. Eine Vielzahl der Verurteilungen steht dabei in keinem Zusammenhang mit terroristischen Delikten (AA 30.5.2016). Amnesty International zählte 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen (AI 6.4.2016). In der Zeit seit der Aufhebung des Moratoriums im Dezember 2014 wurden mindestens sechs Jugendliche hingerichtet (Dawn 22.12.2016). Die Human Rights Commission of Pakistan zählte für 2015 in Pakistan insgesamt 419 verhängte Todesurteile. Die Gesamtzahl der zum Tode Verurteilten in pakistanischen Gefängnissen liegt weiter bei ca. 8.000 – die größte Anzahl an Menschen "on death row" weltweit (AA 30.5.2016; vgl. auch AI 23.2.2016). 2014 wurden mindestens 231 Personen zum Tode verurteilt und sieben Exekutionen durchgeführt (AI 4.2015).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 17.11.2016

 

AI - Amnesty International (6.4.2016): Death Sentences and Executions 2015,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1466066825_act5034872016english.pdf , Zugriff 2.1.2017

 

AI - Amnesty International (23.2.2016): Amnesty Report 2015/16, The State of the World’s human Rights, Pakistan, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1025522016ENGLISH.PDF , Zugriff 17.11.2016

 

AI - Amnesty International (4.2015): Death sentences and executions in 2014, https://www.amnesty.org/en/documents/act50/0001/2015/en/ , Zugriff 2.11.2015

 

Dawn (22.12.2015): Reviewing the death penalty, http://www.dawn.com/news/1303817/reviewing-the-death-penalty , Zugriff 22.12.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Religionsfreiheit

 

Laut CIA World Factbook sind 96,4 Prozent der geschätzt rund 202 Millionen Pakistanis offiziell Muslime, davon 85-90 Prozent Sunniten und 10-15 Prozent Schiiten (CIA 12.1.2017). USDOS geht anhand der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 1998 davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. 75 Prozent dieser muslimischen Bevölkerung werden offiziell als Sunniten und 25 Prozent als Schiiten angeführt. Die restlichen 5 Prozent machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-9 Millionen Anhänger (USDOS 10.8.2016).

 

Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 Prozent der Bevölkerung aus. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder ein unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der letzten Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6 .2013).

 

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016). Die Verfassung weist den Staat an, die Rechte der Minderheiten zu schützen und verbietet Diskriminierung in verschiedenen Bereichen (USDOS 10.8.2016). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken jedoch die Religionsfreiheit ein, besonders für Religiöse Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung inkonsequent war bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten und es gibt weiterhin Diskriminierung der Minderheiten (USDOS 10.8.2016).

 

Die Lage der religiösen Minderheiten (vor allem Christen und Hindus) sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat als Nicht-Muslime klassifiziert werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 12 .2016a). Religiöse Minderheiten und sunnitische Muslime, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban. 2015 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen betroffen (USCIRF 4.2016). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6 .2013; vgl. auch: BFA 9.2015).

 

Im Zeitraum 2012-2015 wurden in Pakistan laut Jinnah Institut mindestens 543 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet. Es kam zu 288 Angriffen auf Schiiten, 91 Attacken auf Hindus, 88 auf Christen und 76 auf Ahmadiyas (SATP 5.3.2017). Laut PIPS wurden 2016 in fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet. Verwundet wurden bei diesen Anschlägen 236 Personen [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich nur auf Nicht-Muslimische Minderheiten; die Zahlen inkludieren allerdings Ahmadis] (PIPS 1.2017). Besonderes Angriffsziel radikalsunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan (AA 12 .2016a).

 

Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei aufgehalten werden können (USDOS 10.8.2016).

 

Die Polizei versagt oft dabei, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, Ahmadiyya, Schiiten und Hindus vor Angriffen zu schützen (USDOS 3.3.2017). Die begrenzte Kapazität und der eingeschränkte Willen der Regierung, Täter, die für Übergriffe gegen religiöse Minderheiten verantwortlich sind, zu verfolgen und verhaften, lässt ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 14.10.2015). Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 3.3.2017).

 

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den achtziger Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragraphen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 12 .2016a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und "Anit-Ahmadi" Gesetze (USDOS 10.8.2016). Auch die Gerichte versagen oft darin, die Rechte der Minderheiten zu schützen. Gerichte wenden die Blasphemiegesetze diskriminierend gegen Christen, Ahmadis Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten an (USDOS 3.3.2017).

 

Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Individuen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch versagen die unteren Gerichte noch dabei, grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen einzuhalten (USDOS 10.8.2016).

 

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Um diese Aktivitäten zu reduzieren wurde vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es – wenige, aber einflussreiche – Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden (USDOS 14.10.2015). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6 .2013). Der Nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die sowie die Bewegungsfreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, zu verbreiten (USDOS 10.8.2016).

 

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Implementierung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und ferner, dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh, unternahm die Provinzregierung Initiativen, um die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten zu fördern. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

 

Prinzipiell hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen nicht daran Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt auch keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch dürfen ihre Gebetstätten nicht als Moschee bezeichnet werden. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 10.8.2016).

 

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung. Im staatlichen Bereich, sowohl auf nationaler als auch auf Provinzebene, gilt eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht umgesetzt (USDOS 10.8.2016). Auch der Karrieremöglichkeiten von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist Berichten zufolge begrenzt (USDOS 14.10.2015). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6 .2013).

 

Mit Juli 2013 ist das frühere eigenständige Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie ein Teil des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten geworden (USDOS 28.7.2014). Das Budget des Ministeriums dient als finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten, zur Renovierung von Glaubensstätten, für Entwicklungsprojekte für Minderheiten, Stipendien für Angehörige der Minderheiten und der Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 10.8.2016). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 30.5.2016).

 

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert – je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im XXXX , neun im Sindh und drei in Belutschistan. Diese Sitze werden von den gewählten Parteien an Minderheitenangehörige vergeben (USDOS 10.8.2016). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html , Zugriff 14.3.2017

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM Report_2015_09.pdf, Zugriff 17.11.2016

 

BFA - Bundesamt für Fredenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives

 

CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff 17.11.2016

 

MRGI - Minority Rights Group Internation (2.7.2015): State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2015 – Pakistan, http://www.refworld.org/docid/55a4fa494.html , Zugriff 18.11.2016

 

Pakistan Constitution (1973, amend. 2016): Constitution of the Islamic Republic of Pakistan (1973) As Amended by The Constitution Twenty Second Amendment Act, 2016 Article: 227 Provisions relating to the Holy Quran and Sunnah,

https://pakistanconstitutionlaw.com/article-227-provisions-relating-to-the-holy-quran-and-sunnah/ , Zugriff 14.2.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

SATP – South Asian Terrorism Portal (5.3.2017): Sectarian Violence in Pakistan,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/database/sect-killing.htm , Zugriff 9.12.2016

 

USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 International Religious Freedom Report – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/313360/451624_de.html , Zugriff 18.11.2016

 

USDOS - US Department of State: (10.8.2016):2015 Report on International Religious Freedom – Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/328432/469211_de.html , Zugriff 21.11.2016

 

USDOS US Department of State (28.7.2014): 2013 International Religious Freedom Report– Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/281968/412326_de.html , Zugriff 18.11.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 8.3.2017

 

Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten [zu einer regionalen Aufteilung der Anschläge gegen muslimische Sekten vgl. regionale Sicherheitslage]

 

In Pakistan finden sich viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Die beiden Hauptsekten Schiiten und Sunniten teilen sich in Pakistan auch in mehrere Subsekten. Die Sunniten unterteilen sich in hauptsächlich drei Gruppen. Von diesen formen die Barelvi [auch Ahle Sunnat wal Jama'at] die überwiegende Mehrheit mit ungefähr 60 Prozent der sunnitischen Bevölkerung, nach einer Schätzung des Australian Department of Foreign Affairs and Trade. Deobandi werden auf ungefähr 35 Prozent der Sunniten geschätzt und machen damit die zweitgrößte sunnitische Subsekte aus, eine kleine Anzahl, ungefähr fünf Prozent der Sunniten folgt der Ahl-e Hadith (Salafi) Schule des Islam. Religiöse Intoleranz und Gewalt findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z.B. zwischen der Barelvi-Sekte, die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014). Islamische Fundamentalisten sehen den Sufismus - eine mystische Bewegung im Islam - als ketzerisch an (SN 13.11.2016).

 

Laut Australian Department of Foreign Affairs and Trade gehört die Mehrheit der Schiiten in Pakistan den Zwölfer Schiiten an, Nizari Ismaeliten sind die zweitgrößte Gruppe, weitere Gruppen sind Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Schiiten sind im ganzen Land verteilt, machen aber in keiner Provinz die Mehrheit aus. Die Semi-Autonome Region Gilgit–Baltistan ist eine der wenigen Gebiete, wo Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Quer durchs Land leben schiitische und sunnitische Gemeinden im Alltag im Allgemeinen gut integriert nebeneinander Eine bedeutende Anzahl an Schiiten lebt in Peshawar, Kohat, Hangu und Dera Ismail Khan in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa; in den Kurram and Orakzai Agencies in der FATA; in und um Quetta und entlang Makran Küste in Belutschistan, in den südlichen und zentralen Gebiete des XXXX sowie verteilt im Sindh. Viele urbane Zentren in Pakistan, wie Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peshawar, Multan, Jhang und Sargodha, beheimaten große Shia Gemeinden. Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder physisch noch linguistisch von den Sunniten. Schiiten finden sich unter den meisten ethnischen, linguistischen und Stammesgruppen Pakistans, allerdings sind Hazara überwiegend Schiiten und es gibt auch einige Clans oder Stämme, die eine schiitische Identität haben, wie Turis, Bohris, Baltis und einige Clans des paschtunischen Bangash Stammes. Die nationalen Identitätskarten zeigen nicht die Sekte der Person an. Schiiten sind in der Regierung, dem Staatsdienst, den Sicherheitskräften und in den bedeutenden religiösen Instanzen des Landes, dem Council of Islamic Ideology und den Scharia Gerichten vertreten (UKHO 2.2015).

 

Spezielle Maßnahmen werden während des schiitischen Muharram für die Sicherheit der Shia unternommen (HRCP 3.2015). Klerikern, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, wird die Einreise in bestimmte Städte während des Muharram verboten, um sektiererische Gewalt zu vermeiden. Hunderttausende Sicherheitskräfte werden im ganzen Land während des Ashuras zum Schutz der schiitischen Zeremonien eingesetzt (USDOS 10.8.2016; vgl. HRCP 3.2016). Dennoch ist die Reaktion der Regierung unzureichend und die Polizei war oft nicht in der Lage, die Mitglieder der religiösen Minderheiten, einschließlich der Schiiten, vor Angriffen zu beschützen (USDOS 10.8.2016).

 

Für Human Rights Watch stellt sich die Lage im Jahr 2015 so dar, dass es der Regierung nicht gelang, ausreichende Schritte zur Verhinderung von tödlichen Angriffen auf Schiiten und anderer religiöse Minderheiten zu unternehmen (HRW 1.1.2016). USCIRF schätzt, dass durch die Taliban in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 1.000 Schiiten getötet worden sind (USCIRF 4.2016).

 

Das Jahr 2016 verzeichnete zum dritten Mal in Folge einen Abwärtstrend bei sektiererisch motivierter Gewalt in Pakistan. Dies stellt eine positive Entwicklung dar, doch sind Schwankungen ein bekanntes Phänomen in Pakistan. Nach PIPS sank die Anzahl jener Menschen, welche im Jahr 2016 bei konfessionsbedingten [Anm.:

zwischen den verschiedenen muslimischen Konfessionen] Terroranschlägen ums Leben gekommen sind um rund 62 Prozent, d.h. von 272 Toten im Jahr 2015 auf 104 Tote im Jahr 2016. Mehr als 162 Personen wurden 2016 bei Anschlägen verletzt. Dies bedeutet einen Rückgang von 43 Prozent zum Jahr 2015. Die Anzahl der Angriffe mit einem Zusammenhang zu sektiererischer Gewalt sank im Jahr 2016 nach PIPS im Vergleich zu 2015 um 41 Prozent von 58 auf 34. 17 Angriffe galten Mitgliedern der Schiitischen Glaubensgemeinschaft, und zwölf Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt. Drei Angriffe wurden gegen Gebetsstätten verübt und jeweils ein Angriff zielte auf Mitglieder der Bohra Gemeinschaft bzw. auf einen Polizeibeamten aufgrund seiner Konfession (PIPS 1.2017).

 

Konfessionsbedingte Gewalt wird eine Bedrohung darstellen, solange religiös motivierte terroristische Gruppen in Pakistan aktiv bleiben können und ein Diskurs des Hasses im Land herrscht. Auch stellen in diesem Zusammenhang die sektiererischen Ströme aus den Koranschulen eine Bedrohung dar (PIPS 1. 2017).

 

Khuzdar in Belutschistan und Karatschi in Sindh waren die Hotspots der sektiererischen Gewalt in Pakistian im Jahr 2016. Rund 81 Prozent der Gesamtzahl der Getöteten und 84 Prozent der Verletzten im Zusammenhang mit sektiererischer Gewalt entfielen auf diese Regionen. Während in Karatschi die meisten der durchgeführten Angriffe gezielte Tötungen waren, forderte ein einziger in Khuzdar durchgeführter Selbstmordanschlag auf den Schah Noorani Schrein 54 Menschenleben (PIPS 1.2017). Zum Zeitpunkt dieses Anschlags feierten hunderte Gläubige eine Sufi-Zeremonie (SN 13.11.2016). Zu dem Anschlag bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (RP 14.11.2016). Weitere Hotspots sektiererischer Anschläge waren 2016 in D.I. Khan, in Peshawar und Quetta (PIPS 1. 2017).

 

Quellen:

 

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives

 

HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (3.2015): State of Human Rights in 2014,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/data/HRCP Annual Report 2014 - English.pdf, Zugriff 14. 2. 2017

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/freedom-of-thought.pdf , Zugriff 14. 2. 2017

 

HRW - Human Rights Watch (1.1.2016): World Report 2016 – Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2016/country-chapters/pakistan , Zugriff 18.11.2016

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

 

RP - Rheinische Post (14.11.2016): 52 Menschen sterben bei Bombenanschlag auf Schrein, http://www.rp-online.de/ , Zugriff 14.11.2016, 10:47 Uhr

 

SN - Salzburger Nachrichten (13.11.2016): Zahl der Toten nach Anschlag in Pakistan auf 52 gestiegen http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/zahl-der-toten-nach-anschlag-in-pakistan-auf-52-gestiegen-221955/ , Zugriff 14.11.2016

 

UKHO - UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance, Pakistan: Shia Muslims,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/566240/cig_pakistan_shias.pdf , Zugriff 3.11.2015

 

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (28.4.2016): 2016 Annual Report, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF_AR_2016_Tier1_2_Pakistan.pdf , Zugriff 21.11.2016

 

USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 International Religious Freedom Report – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/313360/451624_de.html , Zugriff 18.11.2016

 

USDOS - US Department of State: (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom – Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/328432/469211_de.html , Zugriff 21.11.2016)

 

Ethnische Minderheiten

 

Die pakistanische Bevölkerung wird mit Stand Juli 2016 auf über 202 Millionen Menschen geschätzt und setzt sich wie folgt zusammen: XXXX 44,68 Prozent, Paschtunen (Pathan) 15,42 Prozent, Sindhi 14,1 Prozent, Saraiki 8,38 Prozent, Muhajirs 7,57 Prozent, Belutschen 3,57 Prozent, andere ethnische Gruppen 6,28 Prozent (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan ist ein multiethnischer und multireligiöser Staat. Die Armee wird v.a. durch XXXX dominiert. Die Sprachen sind nicht immer deckungsgleich mit der ethnischen Gruppenzugehörigkeit. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Es kommt zu sozialen Diskriminierungen, unter anderem gegenüber nationalen und ethnischen Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Karatschi kommt es immer wieder zu Gewalt von und zwischen den radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People‘s Party) (PIPS 1.2017). Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Die Sicherheitskräfte gehen verstärkt gegen die radikalen Flügeln der Parteien vor, wodurch deren Kapazitäten geschwächt wurden (PIPS 1.2017).

 

Die MQM wirft den Sicherheitskräften vor, im Zuge Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt.In diesen Sicherheitsoperationen 61 Mitglieder getötet zu haben, während 171 Mitglieder vermisst werden. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 3.3.2017)

 

Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Quellen:

 

CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Factbook Pakistan,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff 22.10.2016

 

Jamestown Foundation (11.11.2016): Karachi’s Security Crackdown a Boost for Pakistan’s Islamists; Terrorism Monitor Volume: 14, http://www.ecoi.net/local_link/332236/473580_de.html , Zugriff 22.2.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report, Zugriff 15.3.2017

 

RSiS - S. Rajaratnam School of International Studies (3.1.2017):

Counter Terrorist Trends and Analysis Volume 9, Issue 1, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/CTTA-January-2017.pdf , Zugriff 22.2.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 15.3.2017

 

Belutschen

 

Belutschen sind eine indigene Ethnie in Pakistan und Iran. Der größte Teil lebt in der pakistanischen Provinz Belutschistan, deren Bevölkerungszahl bei der letzten anerkannten Volkszählung 1998 6,5 Millionen betrug. Die Belutschen sind mehrheitlich Sunniten und folgen der Hanafi-Rechtsschule. Belutschistan nimmt eine sehr große Fläche ein, ist allerdings sehr spärlich besiedelt. Der Anteil der Belutschen an der Gesamtbevölkerung Pakistans wird auf fünf Prozent geschätzt. Durch den Zuzug aus anderen Provinzen geraten sie zahlenmäßig auch in ihrer Heimatprovinz ins Hintertreffen. Die reichen Bodenschätze der Provinz werden ausgebeutet, wobei Vertreter der Belutschen meinen, die Bevölkerung erhalte nur einen vernachlässigbaren Anteil an den Gewinnen. Die wirtschaftliche Lage der Minderheit ist sehr schlecht. Über 50 Prozent leben unter der Armutsgrenze (MRG o.D.).

 

Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der Ressourcen zurückbekommen. Belutschische Aufständische kämpfen um mehr politische Autonomie und größere Kontrolle über die Bodenschätze. Die pakistanischen Sicherheitskräfte gehen gegen Belutschen vor, von denen vermutet wurde, dass sie Teil der nationalistischen Bewegungen sind (EASO 8.2015).

 

Hauptakteur des nationalistischen Terrors in Belutschistan ist die Belutschistan Liberation Army, weitere sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Die belutschisch-nationalistischen Terrorgruppen haben an Stärke eingebüßt und die Anschläge dieser Gruppen gingen 2016 sowohl in Größe als auch Anzahl zurück (PIPS 1.2017).

 

Im Kontext der Bekämpfung der separatistischen Gewalt in Belutschistan halten Berichten zufolge Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Tötungen durch die Sicherheitskräfte von bewaffneten Separatisten und nationalistischen Aktivisten weiterhin in einem Klima der Straflosigkeit an (MRG 12.7.2016)

 

HRCP berichtet, dass es im Jahr 2014 106 Fälle von "Verschwindenlassen" aus neun Distrikten der Provinz Belutschistan gegeben hat (HRCP 3.2015). Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen (AI 25.2.2015). Auch 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016). Die belutschische Organisation International Voice for Baloch Missing Persons listet in ihrer Online Datenbank für 2016 100 verschwundene Belutschen auf (USDOS 3.3.2017).

 

Laut Informationen der Pakistanischen Kommission zur Aufklärung erzwungenen Verschwindenlassens sind mit Stand August 2016 1.401 der 3000 Fälle, welcher der Kommission vorliegen, von dieser noch nicht untersucht worden (AI 22.1.2017).

 

Quellen:

 

AI - Amnesty International (22.1.2017): Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/ , Zugriff 15.3.2017

 

AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/297390/444645_de.html , Zugriff 23.11.2016

 

EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Country of Origin Information Report Pakistan Country Overview, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO_COI_Report_Pakistan-Country-Overview_final.pdf , Zugriff 23.11.2016

 

HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Jails-and-Prisoners.pdf , Zugriff 15.3.2017

 

HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (3.2015): State of Human Rights in 2014

 

MRG - Minority Rights Group International (12.7.2016): State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2016, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1472564500_asia.pdf , Zugriff 20.2.2017

 

MRG - Minority Rights Group International (o.D.): Baluchis, http://minorityrights.org/minorities/baluchis-2/ , Zugriff 15.3.2017

 

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.– 2.10.2012):

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report, Zugriff 15.3.2017

 

Hazara

 

Die Hazara sind eine ethnische Gruppe mit eurasischer Herkunft, und unterschieden sich dadurch äußerlich von den meisten anderen Pakistanis, Die Ethnie wanderte vor längerer Zeit aus Zentralafghanistan nach Pakistan ein. Hazara sind überwiegend schiitische Muslime (EASO 8.2015). Quellen schätzen die Hazara in Pakistan auf 500.000 bis 1 Million, die sich hauptsächlich auf Quetta und Karachi konzentrieren. Das Australische Außenministerium schätzt die Zahl der Hazara in Pakistan auf 900.000, jene in Quetta auf 700.000 (UKHO 9.11.2016). Viele Hazara sind von Quetta aufgrund der dort gegen sie gerichteten Gewalt in andere pakistanische Städte gezogen, allen voran Karatschi. Innerhalb Quettas leben Hazara vor allem in zwei Enklaven – Hazara Town und entlang der Almadar Road (UKHO 9.11.2016; vgl. HRCP 3.2016).

 

Die schiitische Gemeinschaft in Belutschistan stellt das Hauptziel der religiös motivierten Gewalt dar, insbesondere die schiitischen Hazara. Die Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi steht hauptsächlich hinter dieser Gewalt (USIP 27.6.2016).

 

Die Hazara-Minderheit ist ein besonderes Ziel in Belutschistan. Sie ist von mehreren Kategorien des Terrors betroffen - regionaler Gewalt, nationalistischer Gewalt von belutschischen Terrorgruppen gegen Nicht-Belutschen und sektiererischer Gewalt gegen Schiiten (BAA 6 .2013). Die Hazara sind aufgrund ihrer zentralasiatischen Abstammung leicht zu identifizieren und nicht zuletzt auch deshalb in besonderem Maße von der Welle gegen Schiiten gerichteter Gewalt betroffen (AA 30.5.2016).

 

Human Rights Watch berichtet, dass über 500 Hazara seit 2008 getötet wurden (USDOS 10.8.2016). Die Anschläge von 2013 in Quetta stellen die schlimmsten Anschläge auf die Hazara-Gemeinde in Pakistan dar, allein im Jänner 2013 starben bei einer Serie von Bombenanschlägen in und um die Almadar Road 126 Hazara (Jinnah Institut 1.1.2016).

 

Die Anschläge gegen Hazara in Belutschistan sind zurückgegangen, vermutlich aufgrund von Verlusten in der Führerschaft der Lashkar-e-Jhangvi (USIP 27.6.2016). Um Gewaltvorfälle zu vermeiden, haben die Behörden schiitische Prozessionen in Quetta auf die Hazara Enklaven beschränkt. Berichten zufolge gab es mehrere Angriffe auf Hazara im Jahr 2016. USDOS zählt Beispiele mehrerer Attacken in Quetta mit insgesamt zehn Toten auf (USDOS 3.3.2017). PIPS berichtet von zwei Anschlägen auf Hazara in Quetta mit sechs Toten im Jahr 2016. Außerhalb Quettas verzeichnete PIPS keine Anschläge auf Hazara (PIPS 1.2017). Die zwei Enklaven in Quetta werden von Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen bewacht (UKHO 9.11.2016).

 

Angehörige der Hazara sind somit in Quetta Gewaltdrohungen ausgesetzt. Berichten zufolge ist es ihnen nicht möglich, sich außerhalb der beiden von Hazara dominierten Enklaven in Quetta frei zu bewegen. Hazara berichten, es sei ihnen nicht möglich, Anstellung zu finden und eine höhere Ausbildung zu verfolgen (USDOS 3.3.2017).

 

Weiteren Berichten zufolge sind viele Hazara aber auch beim Staat angestellt. Viele führen Geschäfte, einige davon auch außerhalb der Enklaven. Innerhalb ihrer Enklaven haben sie Zugang zu Ausbildungsstätten und medizinischer Versorgung. Von staatlicher Seite gibt es keine diskriminierende Gesetze, Richtlinien oder Vorgehen der pakistanischen Behörden gegen die Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion (UKHO 9.11.2016). Es wird allerdings von Schwierigkeiten für Angehörige der Hazara beim Erlangen von Pässen und Personalausweisen sowie beim Zugang zu staatlichen Leistungen berichtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 23.11.2016

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Country of Origin Information Report Pakistan Country Overview, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO_COI_Report_Pakistan-Country-Overview_final.pdf , Zugriff 23.11.2016

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/freedom-of-thought.pdf , Zugriff 14.2.2017

 

Jinnah Institute (1.1.2016): State of Religious Freedom in Pakistan, http://jinnah-institute.org/state-of-religious-freedom-in-pakistan/ , Zugriff 15.3.2017

 

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report, Zugriff 15.3.2017

 

UKHO - UK Home Office (9.11.2016): Country policy and information note Pakistan: Hazaras,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/591507/CPIN_Pakistan_Hazara_v1_0.pdf , Zugriff 9.12.2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 15.3.2017

 

USDOS - US Department of State: (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom – Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/328432/469211_de.html Zugriff 21.11.2016)

 

USIP - United States Institute of Peace (27.6.2016): Balochistan:

Caught in the Fragility Trap,

https://www.usip.org/publications/2016/06/balochistan-caught-fragility-trap , Zugriff 23.11.2016

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 3.3.2017).

 

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde im Jahr 2015 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie bewaffneten Konflikten, militärischen Operationen in der FATA, gezielte Angriffe, Ausgangssperren und interne Vertreibung sowie Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. 2015 kehrten immer mehr Menschen – welche im letzten Jahrzehnt wegen des bewaffneten Konflikts zwischen den Sicherheitskräften und militanten Extremisten gezwungen waren, aus den staatlich verwalteten Stammes-Bereichen der FATA zu fliehen - wieder zurück. Viele andere konnten aufgrund der prekären Situation in der konfliktbeladenen Gegend noch nicht wieder zurückkehren (HRCP 3.2016).

 

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Lebensgrundlage mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 30.5.2016).

 

Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazaras (ca. 3 Mio.), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazaras nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazaras aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 30.5.2016).

 

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen – wie oben dargestellt – innerstaatliche Fluchtalternativen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen XXXX und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, KP, und New Durrani, FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs gemäß Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisation als besorgniserregend dar. Wiewohl die Rückkehr sowohl afghanischer Flüchtlinge, als auch intern vertriebener Pakistani in diesem Jahr stark zugenommen hat, erscheinen die diesbezüglichen Zielvorgaben der Regierung zumindest optimistisch, zumal die Sicherheitslage im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet – trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren – zuletzt wieder heikler geworden ist (ÖB 10.2016).

 

Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 15.12.2016

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf , Zugriff 9.1.2017

 

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016):

Asylländerbericht – 2016

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/466923_en.html , Zugriff 6.3.2017

 

IDPs und Flüchtlinge

 

IDPs

 

In Pakistan befanden sich neben der beträchtlichen Flüchtlingspopulationen aus Afghanistan Anfang des Jahres 2016 etwa 1,2 Mio. (registrierte) aus den Federally Administered Tribal Areas (FATA) und der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP; vormals North Western Frontier Province, NWFP) vertriebene Personen (Internally Displaced Persons, IDPs), von welchen lediglich rund 18.000 in eigens eingerichteten IDP-Camps untergebracht waren. Rund ein Drittel der registrierten IDPs soll Schätzungen von UNOCHA zufolge keinen Zugang zu Trinkwasser haben, zwei Dritteln fehlt es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betreffen die oft inadäquate Unterbringung, die mangelnden Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die unzureichende Infrastruktur. Im Zuge einer groß angelegten Rückführungsaktion in die Stammesgebiete sind seit März 2015 bisher – nach dem weitgehenden Ende der Militäroffensiven gegen Terroristen und Extremisten über 194.000 Familien in ihre Dörfer zurückgekehrt, womit noch rund 109.000 Familien vertrieben bleiben. Hinzu kommen noch ca. 3.5 Mio. von Naturkatastrophen (v.a. Überflutungen) betroffene Personen (ÖB 10.2016).

 

Die hohe Anzahl an Vertriebenen resultiert aus den Aktivitäten militanter Gruppen und den militärischen Operationen in den FATA (USDOS 3.3.2017).

 

Die Mehrheit der IDPs stammen aus den FATA. Gründe für die Vertreibung von Menschen aus den Provinzen KP und den FATA sind Konflikten, militärische Operationen und religiös motivierte Gewalt. Am Höhepunkt der Vertreibung im Jahr 2014 wurde die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge in den FATA auf etwa 1,4 Millionen Personen geschätzt. Vom Beginn der Krise bis Juni 2016 hat die nationale Datenbank und Registrierung Berechtigung (NADRA) 210.714 Flüchtlingsfamilien überprüft und registriert, welche nach Nord-Waziristan, Süd-Waziristan Khyber, Kurram und Orakzai zurückgekehrt sind. Diese Zahl von Binnenflüchtlingen beinhaltet jedoch nicht beträchtliche Anzahl von 117.508 innerstaatlichen Flüchtlingen, welche zwar zurückgekehrt waren, jedoch während des Zeitraumes der Vertreibung nicht registriert worden sind (GPC 8.2016).

 

Bei der Registrierung der IDPs war die Regierung mit Herausforderungen konfrontiert. Oft ist es schwierig festzustellen aus welchen Gegenden die Menschen fliehen und aus welchen Gründen. Jedoch wurde von einem lokalen Experten im Zuge der Fact Findung Mission des BFA 2015 berichtet, dass die Regierung bei der Registrierung der IDPs im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet hat. Es gibt aber auch lokal geführte Organisationen, wie Zalan Communications, die eine Hotline für Beschwerden der IDPs eingerichtet haben (BFA 9.2015)

 

Bei der Registrierung innerstaatlicher Flüchtlinge (IDPs) von NADRA müssen die Computerized National Identity Card (CNICs) vorgewiesen werden. Doch besaßen einige der Vertriebenen nie eine solche. Vor allem Frauen und Kinder waren davon betroffen. Gründe dafür liegen etwa im Verlust der CNICs während der Flucht, oder aber weil viele Frauen, oder Haushalte unter der Leitung von Frauen nicht registriert worden sind. Auch waren einige Stammesführer gegen eine Registrierung von Frauen (GPC 8.2016).

 

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren. Das bedeutet, die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die IDPs zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Für die Versorgung und den Schutz der IDPs ist in erster Linie die pakistanische Regierung zuständig. UNHCR und andere Organisationen unterstützen die Regierung dabei (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014).

 

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen Menschenrechtsorganisationen bei der Gewährleistung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, Asylsuchende und zurückkehrende Flüchtlinge (USDOS 3.3.2017).

 

Die durch die Konflikte vertriebenen Personen finden gewöhnlich bei Gastfamilien, in gemieteten Objekten oder in geringerem Ausmaß in IDP-Camps Unterkunft. Etliche IDPs ließen sich auch in informellen Siedlungen außerhalb der großen Städte wie Lahore und Karachi nieder (USDOS 3.3.2017).

 

Die soziale und wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge in den Flüchtlingsdörfern, v.a. aber in den Ballungszentren der Großstädte, wo pakistanische Binnenvertriebene regelmäßig Zuflucht suchen, ist schwierig (AA 30.5.2016).

 

Mit Stand 7.3.2017 sind seit März 2015 insgesamt 237.699 Familien in die FATA zurückgekehrt. 66.472 Familien sind derzeit noch vertrieben (OCHA 7.3.2017).

 

Gemäß OCHA sind seit 2015 75 Prozent der intern Vertriebenen in die FATA zurückgekehrt und 89 Prozent traten den Weg zurück in die Khyber Agency an. 72 Prozent der IDPs sind in die North Waziristan Agency und 64 Prozent aus der South Waziristan Agency zurückgekehrt. 77 Prozent der intern Vertriebenen kehrten in die Khurram Agency zurück und 66 Prozent traten den Weg zurück in die Orakzai Agency an (USDOS 3.3.2017). In 11 Prozent der rückgekehrten Familien stellten die Frauen das Familienoberhaupt (OCHA 7.3.2017).

 

Verbleibende Landminen und Sprengkörper in den von Kämpfen betroffenen Gebieten in den FATA einschließlich Nordwasiristan stellen ein Sicherheitsrisiko für die rückkehrende Zivilbevölkerung dar (SFH 2.5.2016).

 

Es liegen keine Berichte über unfreiwillige Rückkehr vor. Angeblich wollten trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur viele Vertriebene heimkehren. Für Binnenvertriebene, welche nicht willens oder nicht in der Lage waren zurückzukehren, koordiniert die Regierung mit dem UNHCR und anderen internationalen Organisationen die Rückkehr. Das World Food Programm stellt Lebensmittelrationen für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten für jene Vertriebenen zu Verfügung, welche in ihre Heimatregionen zurückgekehrt sind (USDOS 3.3.2017).

 

Bestimmte Formen der Unterstützung bzw. Versorgung von IDPs in den Camps wird vom Militär, von der Bundesregierung, sowie von NGOs gewährleistet. Wie oben erwähnt, stehen IDPs vor großen Herausforderungen, v.a. Bildung hat nur eine niedrige Priorität. In den Camps wird Bildung in informeller Form von NGOs und der pakistanischen Regierung gewährleistet. Die meisten IDPs leben jedoch nicht in Camps, und ihre Kinder sind an Schulen eingeschrieben (BFA 9.2015).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM Report_2015_09.pdf, Zugriff 28.11.2016

 

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives

 

GPC - Global Protection Cluster (8.2016): Protection Cluster Report:

April - July 2016; Responding to displacement and enduring protection challenges for returnees in Khyber Pakhtunkhwa and FATA, August 2016,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1470818135_protection-cluster-report-august-2016.pdf , Zugriff 10.3.2017

 

OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (7.3.2017): Pakistan -FATA Return Weekly (from 21 February to 02 March 2017) - Humanitarian Snapshot, https://www.humanitarianresponse.info/system/files/documents/files/ocha_pakistan_weekly_return_snapshot_02_march_2017_0.pdf , Zugriff 10.3.2017

 

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016):

Asylländerbericht – 2016

 

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (2.5.2016): Situation in Nordwasiristan und Karachi,

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1463343847_160502-pak-nordwasiristan-und-karachi.pdf , Zugriff 14.2.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/466923_en.html , Zugriff 6.3.2017

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Pakistan gehört zu den sieben bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt und das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23 Jahre angenommen (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung.

 

(AA 12 .2016c).

 

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 Prozent; der Sektor umfasst u.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 Prozent). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 Prozent) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 Prozent der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 Prozent der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz XXXX gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 12 .2016c).

 

Neben der fortlaufenden komplexen Notsituation in den FATA und KP, sieht sich Pakistan Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen ausgesetzt (USAID 6.1.2017).

 

Wiederkehrende Katastrophen in Kombination mit der chronischen Armut begrenzen die Möglichkeiten für bedürftige Haushalte sich adäquat zu versorgen und führen zudem zu Vertreibung und humanitären Bedürfnissen (USAID 30.6.2016).

 

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption, einer angespannten Sicherheitslage und der sich nur langsam verbessernden Energiekrise (AA 12 .2016c).

 

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 12 .2016c).

 

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund fünf bis sieben Prozent des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa $ 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der Nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich $133 Millionen aufgrund von Korruption verliert. Weniger als ein Prozent der pakistanischen Bürger zahlen Steuern (Dawn 1.4.2016).

 

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Pakistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt – viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

 

Die Wirtschaftskammer Österreich sieht in ihrem aktuellen Länderbericht zu Pakistan rund 60,5 Prozent der pakistanischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (WKO 23.1.2017).Von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 sind etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent (IOM 7.1.2016). Die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich in Pakistan auf 10,4 Prozent. Dieser Wert ist der Mittelwert der Arbeitslosenrate der 15 – 24 jährigen Pakistani. So sind 12,9 Prozent der weiblichen pakistanischen Jugendlichen und 9,4 Prozent der männlichen pakistanischen Jugendlichen ohne Beschäftigung (CIA 12.1.2017). Prognosen weisen auf eine Steigerung der pakistanischen Arbeitslosenquote seit 2007 von 5,2 Prozent auf erwartete rund 6 Prozent im Jahr 2017 (Statista 2017). Im Country Fact Sheet Pakistan vom Jänner 2016 berichtet IOM über Möglichkeiten von Beschäftigung in Pakistan. Demnach waren von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Unterstützt werden die Arbeitssuchenden vom Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme, welche das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, sowie der Small and Medium Enterprise (SME). Auch diese soll Arbeitsplätze im Land schaffen (IOM 7.1.2016).

 

Pakistanis sind in unterschiedlichem Ausmaß von Armut betroffen. Zwar sank die nationale Armutsquote seit 2004 von 55 Prozent auf 39 Prozent, doch leben somit 39 Prozent der Pakistani in Armut. Die höchsten Quoten mit Bezug auf Armut fallen dabei auf die vom Bund verwalteten Tribal Areas (Fata) mit 73 Prozent und Belutschistan mit 71 Prozent. Auch gibt es massive Unterschiede zwischen den städtischen Bereichen mit 9,3 Prozent und den ländlichen Bereichen mit 54,6 Prozent (Dawn 21.6.2016). Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In größeren Städten ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. 47,7 Prozent bis 80 Prozent der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet (TET 4.8.2015).

 

Nur rund 1.59 Millionen der 59 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2013 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 3.2014). Rund zwei Millionen Pakistani sind in verschiedenen Formen moderner Sklaverei tätig (HRCP 3.2015).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (12.2016c): Pakistan, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Wirtschaft_node.html , Zugriff 29. 1.2017

 

BMZ - Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Pakistan Situation und Zusammenarbeit https://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/pakistan/zusammenarbeit/index.html , Zugriff 25.1.2017

 

Dawn (1.4.2016): Pakistan losing $133 million daily to corruption, https://www.dawn.com/news/1249119 , Zugriff 9.1.2017

 

Dawn (21.6.2016): 39pc of Pakistanis live in poverty; Fata, Balochistan worst hit, https://www.dawn.com/news/1266171 , Zugriff 9.1.2017

 

Dawn (11.1.2016): Institutions and development, https://www.dawn.com/news/1295551 , Zugriff 9.1.2017

 

CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, Pakistan

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff 12.1.2017

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2015): State of Human Rights in 2014

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf , Zugriff 28.11.2016

 

IOM - International Organization of Migration (7.1.2016):

Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015 ,_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2, Zugriff 25.1.2017

 

Statista (2017): Pakistan: Arbeitslosenquote von 2007 bis 2017, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/323110/umfrage/arbeitslosenquote-in-pakistan/ , Zugriff 24.1.2017

 

TET - The Express Tribune (4.8.2014): Pakistanis spend nearly half of their income on food: Report, http://tribune.com.pk/story/744223/pakistanis-spend-nearly-half-of-their-income-on-food-report/ , Zugriff 28.11.2016

 

USAID - US Agency for International Development (6.1.2017): Pakistan – Complex Emergency; Fact sheet #1, Fiscal Year (FY) 2017 , http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1488979775_pak.pdf , Zugriff 9.3.2017

 

USAID - US Agency for International Development (30.6.2017):

Pakistan – Complex Emergency; FACT Sheet #3, FIiscal Year (FY) 2016, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1488979775_pak.pdf , Zugriff 9.3.2017

 

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (23.1.2017): Länderprofil Pakistan, http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-pakistan.pdf , Zugriff 24.1.2017

 

Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

 

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 Prozent des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vgl. BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6 .2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2014; vgl. PBM o.D.a; PBM o. D.b). Der Finanzminister hat das Budget von PBM von 2 Milliarden Rupien auf 4 Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6 .2013).

 

Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D.a; vgl. PBM o.D.b).

 

Quellen:

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (7.2016):Dossier zu Stammes- & Clanstrukturen in Afghanistan und Pakistan (ethnische Gruppen; Paschtunwali; Hazaras; religiös-basierte Wohlfahrtsstrukturen am Beispiel Afghanistans, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 25.11.2016

 

Dawn (6.6.2015): Budget's aim not to burden ordinary citizens: Ishaq Dar, http://www.dawn.com/news/1186570 , Zugriff 28.11.2016

 

EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Country of Origin Information Report Pakistan Country Overview, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO_COI_Report_Pakistan-Country-Overview_final.pdf , Zugriff 29.11.2016

 

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2014):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 28.11.2016

 

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012):

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

 

PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.b): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html , Zugriff 28.11.2016

 

PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.a): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html , Zugriff 28.11.2016

 

Wohlfahrt-NGOS

 

Private Einrichtungen wie der Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6 .2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015).

 

Edhi Foundation ist das größte und am besten organisierte sozialen Sicherungssystem in Pakistan. Das Leistungsspektrum der Edhi Foundation bietet in einen 24-Stunden-Notfall-Service bundesweit bei über 335 Edhi Zentren und einer Flotte von 1800 Krankenwagen, die kostenlose Hilfe bei der Bergung von Leichen, der Gewährung von Unterschlupf für Waisen und Behinderten, einer kostenlosen Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. Sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).

 

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad bietet in 14 Bezirken in XXXX Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen und Kinder, an (UNESCO 2017).

 

Unterstützung bei der Arbeitssuche wird u.a. durch das Tameer-e-Pakistan Programm angeboten. Es ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme mit dem Ziel, Arbeitsplätze im Land zu schaffen und die Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu verbessern (IOM 7.1.2016).

 

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 56 Distrikten der vier Provinzen – inklusiv Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 2,3 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von mehr als 155.427 kommunale Gemeinschaften bilden (Gov Pak 16.10.2015). Die ländliche Entwicklungsorganisation National Rural Support Programm (NRSP) ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm. Die Organisation bezifferte mit Stand August 2016 die Zahl der an ihren verschiedenen Programmen teilnehmenden Männer und Frauen auf über drei Millionen. Es bietet Schulungen für berufliche Fortbildung, Alphabetisierungskurse, Gesundheitsvorsorgeprogramme, Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D.b).

 

Quellen:

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission

 

Edhi (o.D.): No Religion is Higher than Humanity, http://www.edhiuk.org/ , http://www.edhiuk.org/about/edhi-foundation , Zugriff 6.3.2017

 

IOM - International Organization of Migration (7.1.2016):

Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015 ,_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2 , Zugriff 25.1.2017

 

NRSP - National Rural Support Programme (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.pk/about.html , Zugriff 15.3.2017

 

Gov Pak - Government of Pakistan (16.10.2015): Consideration of reports submitted by States parties under articles 16 and 17 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights; Initial reports of States parties due in 2010; Pakistan [16 October 2015] [E/C.12/PAK/1], 4. Februar 2016 (veröffentlicht von CESCR, verfügbar auf ecoi.net,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1455269511_g1601817.pdf , Zugriff am 14. März 2017)

 

UNESCO (2017): ALADIN - Adult Learning Documentation and Information Network, Bunyad Literacy Community Council (BLCC/BUNYAD), Pakistan, http://www.unesco.org/education/aladin/index.php?menuitem=17&countries_served=pakistan&member=13 , Zugriff 14.2.2017

 

Rückkehrhilfe und -projekte

 

Staatliche – oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 30.5.2016).

 

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART – eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten. Das Projekt wird durch den Asyl, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert. Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr von Österreich nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt sieht die Teilnahme von 330 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen. Die Reintegrationsunterstützung beinhaltet Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich, Beratung der Rückkehrer nach der Ankunft im Herkunftsland bezüglich ihrer Chancen und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation. Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld wird auch angeboten, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken. Des Weitern gibt es Reintegrationsunterstützung in Form von Sachleistungen wie Unterstützung bei einkommensgenerierenden Aktivitäten wie der Gründung eines Kleinunternehmens, dem Eingehen einer Geschäftspartnerschaft (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren), oder einer Berufsausbildung, Unterstützung für vulnerable Personen:

Verbesserung der Lebensumstände, Unterkunft, Aus- und Weiterbildung, Kinderbetreuung und Medizinische Unterstützung. IOM und lokale Partnerorganisationen führen in den Herkunftsländern Monitorings in Form von Interviews und Besuchen bei den Projektteilnehmer durch (IOM o.D.). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch – das Tameer-e-Pakistan Programm – einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen erfahren können (IOM 7.1.2016).

 

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Mit Programmen in 113 Bezirken hat WELDO eine große Reichweite. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen dazu dienen, die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der die nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr aus den Partnerländern. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (WELDO 2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

IOM - International Organization of Migration (24.1.2017): RESTART II, http://www.iomvienna.at/de/restart-ii , Zugriff 14.3.2017

 

IOM - International Organization of Migration (7.1.2016):

Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015 ,_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2 , Zugriff 25.1.2017

 

WELDO (2016): Weldo – Rebuilding Lives, http://www.weldo.org/about-us.php , Zugriff 13.3.2017

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 10.3.2017). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf die private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).

 

Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan für seine Bevölkerung über 1.142 Krankenhäuser, 5.438 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 671 Mutter-Kind-Gesundheitszentren. Für die Patientenversorgung stehen insgesamt nur 175.223 Ärzte, 90.276 Krankenschwestern und 118,041 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP 3.2016).

 

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit Ausnahme der FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hochspezialisierte Versorgung) ist auf akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind (EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt (hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene Kosten für Krankenhausaufenthalte werden gedeckt bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene Krankheiten. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24 Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit abhängig (IOM 7.1.2016).

 

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 30.5.2016). In Islamabad und Karachi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau gewährleistet und damit auch teuer (AA 10.3.2017). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM (BAA 6 .2013; vgl. BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, in Pakistan behandelbar und lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Dies wird unterstrichen durch die Gegebenheit, dass in kleinen Spitälern, wie z.B. dem Rawalpindi Lepra Spital, keine Medikament importiert werden, sondern sogar selbst produziert werden (BFA 9.2015). Darüber hinaus wurden medizinische Geräte entwickelt bzw. in Pakistan verfügbar gemacht. Die medizinischen Ressourcen, die in der Vergangenheit unmöglich zu bekommen waren, können nun in Pakistan erworben werden. Dennoch werden Dienstleistungen nicht aktiv angeboten (BFA 9.2015).

 

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh (BAA 6 .2013) oder in XXXX (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen (BAA 6 .2013). Beluchistan hat beispielsweise weniger medizinische Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit (BAA 6 .2013). Nach aktuellsten Angaben der Vereinten Nationen beträgt die Müttersterblichkeitsrate 178 Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten (USDOS 3.3.2017). So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6 .2013).

 

Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung, dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark ausgeprägt (BFA 9.2015).

 

Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern (BAA 6 .2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme (BAA 6 .2013; vgl. auch EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überlastet sind aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6 .2013).

 

Die beste medizinische Behandlung wird vom Militär angeboten. Das Militär ist sehr gut organisiert und die Qualität ist sehr hoch. Zivilisten können dort auch behandelt werden, jedoch ist die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015).

 

Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In XXXX gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).

 

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 30.5.2016; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in XXXX hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 30.5.2016). Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte verkauft werden (AA 10.3.2017). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde (Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6 .2013). Die Apotheken der großen Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 10.3.2017; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Allerdings haben sich in den vergangenen Monaten die Preise von zahlreichen Medikamenten stark erhöht, so dass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen unerschwinglich geworden sind. Einer der Hauptgründe dieser Erhöhung ist die unbefriedigende Leistung der DRAP und anderen Partnerbehörden, die keine Maßnahmen dagegen ergriffen haben (Lancet 7.11.2016).

 

Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vgl. Lancet 2.2017: nur 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).

 

In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen. Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 Prozent der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6 .2013).

 

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6 .2013; vgl. AA 30.5.2016). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6 .2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 30.5.2016). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen begrenzt (USDOS 3.3.2017).

 

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6 .2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).

 

Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vgl. BAA 6 .2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6 .2013).

 

Pakistan ist eines der verbleibenden zwei Länder, in denen Polio endemisch ist, allen voran in den FATA, wo mit den Taliban verbündete bewaffnete Gruppen in Streit mit der pakistanischen Regierung liegen (SHCC 23.5.2016). Die Taliban verbieten Impfungen, greifen medizinisches Impfpersonal an und führen gezielte Angriffe gegen medizinische Mitarbeiter durch (Dawn 24.11.2016). Dennoch wurden Fortschritte bei der Verringerung von Poliovorkommen gemacht. So ist die Zahl von neuen Fällen von 2014 auf 2015 um 80 Prozent gesunken. Intensiverer Polizeischutz für das Impfpersonal hat zu einer Verringerung solcher Angriffe geführt, nachdem kritisiert wurde, dass Impfärzte großer Gefahr ausgesetzt sind (SHCC 23.5.2016). Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von Haftbefehlen für jene Eltern und Erziehungsberechtigten, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder widersetzten (Dawn 24.11.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Länderinformationen – Pakistan – Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7 , Zugriff 10.3.2017

 

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

 

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM Report_2015_09.pdf, Zugriff 28.11.2016

 

Dawn (24.11.2016): Female polio worker shot at in Bannu, http://www.dawn.com/news/1298365/female-polio-worker-shot-at-in-bannu , Zugriff 30.11.2016

 

EASO - European Asylum Support Office (11.6.2015): Pakistan Länderüberblick,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453272500_bz0415498den1.pdf , Zugriff 13.3.2017

 

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf , Zugriff 9.1.2017

 

IOM - International Organization for Migration: Pakistan (7.1.2016) Country Fact Sheet 2015,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015 ,_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2, Zugriff 17.1.2017

 

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2014):

Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/17297878/17296676/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2014 ,_deutsch.pdf?nodeid=17306395&vernum=-2, Zugriff 28.11.2016

 

Lancet (2.2017): Criminal responsibility and mental illness in Pakistan,

http://thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366 (16)30447-3/fulltext, Zugriff 28.11.2016

 

Lancet (7.11.2016): Uncontrollable medicine prices in Pakistan, http://thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736 (16)32120-1/fulltext, Zugriff 13.3.2017

 

SHCC - Safeguarding Health in Conflict Coalition (23.5.2016): No Protection, No Respect – Health Workers and Health Facilities under Attack 2015 and early 2016,

https://www.safeguardinghealth.org/sites/shcc/files/SHCC2016final.pdf , Zugriff 10.3.2017

 

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html , Zugriff 10.3.2017

 

Rückkehr

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende

 

Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 30.5.2016).

 

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance, 1979 , namentlich wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Art. 8 Abs. 2 leg. cit.), oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel) (ÖB 10.2016).

 

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland, Spanien und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 30.5.2016).

 

Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder verlangt wurden (entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karachi und Lahore bekannt). Außerdem berichtete IOM von der folgenden Prozedur bei der Rückkehr: Die ohne gültigen Reisepass nach Pakistan Zurückkehrenden werden von der Anti-Human Trafficking Cell der Federal Investigation Agency (FIA) über mehrere Stunden verhört, wobei die Behandlung der Betroffenen zu wünschen übrig lasse und auch eine mehrtätige Festhaltung vorkomme (im Einzelfall hänge dies u.a. auch vom Auftreten der Rückkehrenden ab) (ÖB 10.2016).

 

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger Registrierung. So sollen angeblich über 96 Prozent der Bürgerinnen und Bürger biometrische ID Cards - einschließlich der Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. ID-Karten sind erforderlich, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).

 

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card – PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis – NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (NADRA 2016).

 

Die Pakistan Origin Card (POC) können Personen erhalten, welche ausländische Staatsbürger sind, oder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens eine Staatsbürger oder ein Staatsbürger Pakistans gewesen sind. National Identity Card for Overseas Pakistanis – (NICOP) werden durch die NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit einer Doppelstaatsbürgerschaft besitzen und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18 Jahren ausgestellt (NADRA 2016).

 

Die Zahl der [pakistanischen, in XXXX ] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 30.5.2016).

 

UNOCHA arbeitet in Pakistan neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 internationale NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-(I)NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden: ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba (HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan Village Development Program (PVDP); Poverty Alliance Welfare Trust (PAWT); PREPARED; XXXX Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP); Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt XXXX (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016

 

PI - Privacy International (7.2016): Suggestions for right to privacy-related questions to be included in the list of issues on Pakistan, Human Rights Committee, 118th Session, October 2016,

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-24670-e.pdf , Zugriff 14.3.2017

 

NADRA - National Database & Registration Authority (2016): Identity Documents, https://www.nadra.gov.pk/ , Zugriff 14.3.2017

 

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016):

Asylländerbericht – 2016

 

PI - Privacy International (7.2016): Suggestions for right to privacy-related questions to be included in the list of issues on Pakistan, Human Rights Committee, 118th Session, October 2016,

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-24670-e.pdf , Zugriff 14.3.2017

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

3.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Identität des BF konnte aufgrund dessen widersprüchlichen Angaben zu seinem Namen und Geburtsdatum nicht festgestellt werden. So ist der im behördlichen Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde (AS 85) lediglich der Name " XXXX " zu entnehmen, während der BF im Asylverfahren angab, sein Name laute XXXX . Auch die Angaben des BF zu seinem Geburtsdatum divergieren. Während er im Asylverfahren sein Geburtsdatum mit XXXX angab, ist im Zentralen Melderegister das Geburtsdatum " XXXX " vermerkt. In Anbetracht dessen, dass der im Akt einliegenden Geburtsurkunde (der BF hat diese im Original vorgelegt und wurde für den Akt eine Kopie angefertigt) ein anderer Name als jener den der BF im Asylverfahren nannte, zu entnehmen ist in Verbindung mit den Ausführungen in den hg. Länderfeststellung zur Thematik "Dokumente" sowie den inkonsistenten Angaben des BF kann dessen Identität nicht abschließend festgestellt werden. In der hg. Verhandlung dazu befragt, erklärt der BF, dass anlässlich seiner Festnahme die Beamten seine Daten falsch geschrieben hätten.

 

Auch die Angaben des BF zum Verbleib seines Reisepasses sind nicht widerspruchsfrei.

 

Zum Verbleib des Reisepasses, den er lt. Angaben im behördlichen Verfahren für Saudi Arabien habe machen lassen (AS 74) in der hg. Verhandlung befragt, führte der BF aus, dieser sei ihm vom Schlepper abgenommen worden und habe er ihn nicht mehr zurückerhalten.

 

In der Erstbefragung führte der BF dem widersprechend aus, den Reisepass in Pakistan verloren zu haben (AS 19).

 

Die festgestellte Staatsangehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben, an denen auf Grund seiner Sprachkenntnisse, der örtlichen Kenntnisse und Gegebenheiten auch nicht zu zweifeln war. Selbiges gilt für die festgestellten familiären Verhältnisse des BF in Pakistan und dessen Ausreise nach Griechenland sowie dessen Rückkehr nach Pakistan.

 

Die Feststellungen hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den familiären und privaten Verhältnissen sowie zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.

 

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

 

Der Besuch des Deutschkurses (A1.1) ergibt sich aus der Kursbestätigung der Caritas vom 23.11.2015. Dass der Beschwerdeführer bis 18.03.2016 den Deutschkurs 2 besucht hat, geht aus dem Empfehlungsscheiben der Caritas Flüchtlingsbetreuerin vom 25.01.2016 hervor.

 

3.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

 

3.3.1 Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde und der hg. mündlichen Verhandlung.

 

3.3.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen sind als unglaubwürdig zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer hat zu den Gründen für seine Ausreise im Wesentlichen Probleme aufgrund von Streitigkeiten seines Vaters mit einem Geschäftsmann angeführt. Dieser habe zunächst mit Bestechungsgeldern die Verhaftung des Beschwerdeführers durch die Polizei veranlasst und in weiterer Folge eine falsche Anzeige gegen ihn erstattet. Sämtliche Ausreisegründe des Beschwerdeführers wurden seitens des BFA für unglaubwürdig qualifiziert und teilt die erkennende Richterin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Recherchen vor Ort die Ansicht des BFA.

 

3.3.3. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, ( )".

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559).

 

Seitens des Höchstgerichtes wurde auch in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH, 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357).

 

Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).

 

Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern.

 

Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).

 

Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.06.2000, 2000/01/0093).

 

Ferner ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG (Anm.: bzw. nach dessen Nachfolgerbestimmung § 3 AsylG) bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen die Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung:

Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991), 137 f, s. a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck, AsylG 1997, RZ 314, 524).

 

Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG ), worin folgende Faktoren angeführt werden:

 

Dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

 

Dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

Dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

Dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war.

 

Dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

 

3.3.4. Zu den seitens des Beschwerdeführers geltend gemachten ausreisekausalen Vorfällen:

 

Anlässlich seiner Erstbefragung hat der Beschwerdeführer lediglich vorgebracht, dass gegen ihn, seinen Bruder und vier weitere Personen eine falsche Anzeige eingebracht worden sei, zumal sie beschuldigt worden seien, den Sohn einer einflussreichen Familie entführt zu haben.

 

Erst in der Einvernahme vor dem BFA am 01.02.2016 brachte der Beschwerdeführer vor, dass es auch davor schon Probleme gegeben habe und diese auf eine Streitigkeit seines Vaters mit einem Geschäftsmann zurückzuführen seien. Vor der falschen Anzeige im Jahr 2014 sei der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2010 von der Polizei drei Tage lang festgehalten und geschlagen worden, zumal XXXX , der Geschäftsmann, die Polizisten bestochen habe. Auffällig ist hier bereits, dass der Beschwerdeführer zunächst noch ausführt, von XXXX selbst entführt worden zu sein, ehe er umschwenkte und vermeinte, XXXX habe ihn nur geschlagen und die Polizei habe ihn mitgenommen (AS 66). Auf den Vorhalt im Verlauf der weiteren Einvernahme, wonach der Beschwerdeführer keine konkrete Bedrohung vorgebracht habe, vermeinte der Beschwerdeführer dann noch, dass zwei Leute von XXXX ca. zwei Monate nach dem Vorfall im Jahr 2010 versucht hätten, ihn umzufahren (AS 72).

 

Dem der Beschwerde beigelegten Schreiben des Beschwerdeführers ist ferner zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer von XXXX auch erpresst worden sei und es zwischen den Familien zu mehreren Schlägereien gekommen sei. Auch diese Ereignisse wurden bis dahin vom Beschwerdeführer mit keinem Wort erwähnt.

 

Auch wenn der Aussage eines Asylwerbers in der Erstbefragung grundsätzlich nicht unverhältnismäßig großes Gewicht in der Gegenüberstellung zu den nachfolgenden Angaben in weiteren ausführlicheren Einvernahmen beizumessen ist, kommt ersterer doch eine gewisse Indizwirkung zu, insofern sich dort im konkreten Fall nämlich keinerlei Hinweise auf Übergriffe durch die Familie des XXXX , auf eine Festnahme und Misshandlung durch die Polizei sowie auf den Versuch, den Beschwerdeführer zu überfahren, fand.

 

Nach hg. Ansicht kommt diesbezüglich auch nachfolgende höchstgerichtliche Judikatur zum Tragen:

 

Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, 92/01/0181). Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben erforderlich ist, dass ein Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmales des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt.

 

Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/12/0143; 13.04.1988, 86/01/0268; AsylGH 05.05.2009, C14 404.992-1/2009).

 

Eine eigeninitiative Schilderung in der Erstbefragung hinsichtlich der Behauptung des Beschwerdeführers, von XXXX geschlagen worden zu sein, von der Polizei festgenommen und misshandelt worden zu sein sowie der Versuch, überfahren worden zu sein, ist klar zu verneinen und dem diesbezüglichen Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

 

Dem BFA ist auch nicht entgegenzutreten, wenn es Ungereimtheiten in den Angaben zu den Beteiligten am Vorfall im Jahr 2014 aufzeigt. In der Erstbefragung vermeinte der Beschwerdeführer, dass er und fünf weitere Personen fälschlich beschuldigt worden seien, den Sohn des XXXX entführt zu haben. In der Einvernahme vor dem BFA bracht er hingegen vor, dass lediglich er, sein Bruder und zwei Cousins beschuldigt worden seien (AS 66), wobei er in weiterer Folge wieder angab, dass er, sein Bruder und vier Cousins von der falschen Anzeige betroffen gewesen seien (AS 69). Die Angaben des Beschwerdeführers schwankten daher von insgesamt sechs Personen zu vier Personen und steigerten sich dann wieder auf sechs Personen, was die Vermutung nahelegt, dass es nie zu den geschilderten Vorwürfen gekommen ist.

 

Sämtliche Angaben des Beschwerdeführers die Anzahl der beteiligten Personen betreffend stimmen auch nicht mit den Angaben in der vorgelegten Anzeige überein, zumal daraus hervorgeht, dass es sich um fünf Personen gehandelt haben muss. Mit der vorgelegten Anzeige nicht in Einklang zu bringen ist auch die Aussage in der Einvernahme vor dem BFA am 01.02.2016, wonach das vermeintliche Entführungsopfer 500.000,-- pakistanische Rupien bei sich gehabt habe, zumal in der Anzeige ein derartiger Verdacht nicht festgehalten wurde.

 

Auch den Plausibilitätserwägungen des BFA dahingehend, dass der Vater des Beschwerdeführers, der eigentliche Streitgegner des XXXX war, sowie zwei Cousins des Beschwerdeführers nach wie vor unbehelligt in Pakistan aufhältig sind, obwohl sie unter demselben Verdacht wie der Beschwerdeführer stehen müssten, ist zu folgen. Es ist davon auszugehen, dass für den Fall tatsächlicher Streitereien zwischen dem Vater und XXXX bzw. tatsächlicher falscher Anschuldigungen auch die weiteren Beteiligten Probleme hätten bekommen müssen und nicht nur der Beschwerdeführer. Demgegenüber erschöpften sich die Ausführungen des Beschwerdeführers jedoch in der Erklärung, dass sein Vater in keinem Polizeibericht aufscheine und zwei bei der Festnahme der Polizei anwesenden Cousins "einfach nicht mitgenommen worden seien".

 

Was den Bruder des Beschwerdeführers angeht, so verstrickte der Beschwerdeführer sich ebenfalls in Widersprüche, wenn er in der Einvernahme vor dem BFA am 01.02.2016 ausführte, dass sein Bruder vor vier Jahren, somit im Februar 2012, nach Saudi Arabien gegangen sei, er in weiterer Folge aber schilderte, dass aufgrund des im Jahr 2014 eingesetzten "Weißbärtigenrates" die Familie des XXXX gefordert habe, dass er und sein Bruder das Land verlassen sollten. Der Beschwerdeführer berichtigte diese Aussage zwar unmittelbar danach, erklärte dann aber wiederum, dass sein Bruder im März 2014 Urlaub in Pakistan gemacht habe und deshalb anwesend gewesen sei.

 

Zu Recht hat das BFA auch auf den Aspekt verwiesen, dass es nicht nachvollziehbar sei, wie der Beschwerdeführer zum einen eine elementare Bedrohung behaupten könne, er nach seinem Aufenthalt in Griechenland aber wieder in sein Heimatdorf zurückgekehrt sei. Wäre eine individuelle Bedrohung tatsächlich gegeben gewesen, hätte der Beschwerdeführer eine Rückkehr ins Heimatdorf wohl vermieden. Daran vermögen auch die Ausführungen in der Beschwerdebeilage, wonach der Beschwerdeführer bloß davon ausgegangen sei, dass die Probleme weniger geworden seien, nicht zu ändern.

 

Es fällt auch auf, dass erstmals in der Beschwerde ein politischer bzw. religiöser Auslöser der bisher vorgebrachten Verfolgungshandlungen ins Spiel gebracht wurde. Bis dahin wurden vom Beschwerdeführer lediglich Streitigkeiten zwischen zwei Geschäftsleuten rund um den Kauf bzw. Verkauf des Geschäftes und der Landwirtschaft seines Vaters erwähnt. Es wäre jedoch zu erwarten, dass der Beschwerdeführer von Anfang an keine sich bietende Gelegenheit zu einem solchen Vorbringen, das eine wesentliche Bedeutung für sein Schutzbegehren haben würde, ungenützt vorübergehen lassen würde (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0205). Er beschränkte sich in seinem Vorbringen im Verfahren vor dem BFA aber ausschließlich auf private Streitigkeiten ohne jeglichen Bezug zu seiner Religionszugehörigkeit und zu politischen Parteien. Darüber hinaus entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0356).

 

Auch wurde der BF in der hg. Verhandlung befragt, was er über die gegnerische Familie wisse, woraufhin dieser erklärte, diese Familie habe ein ihrem Geschäft benachbartes Geschäft besessen und führte über Nachfragen, ob er dazu weitere Angaben treffen wolle, die ihm wichtig seien, weiter aus, dass es sich um eine starke und stabile Familie handle. Auch gehöre die Familie der Partei PML-N an, wohingegen seine Familie bei der Partei PTI sei.

 

Gefragt, warum er dies nicht bereits in der behördlichen Einvernahme angegeben hat, sondern erst in der Beschwerde eine politische Komponente ins Spiel gebracht hat, führte der BF aus, er habe diese Angabe erst in der Beschwerde gemacht, da er zuvor nicht danach gefragt worden sei. Angemerkt sei dazu auch, dass der BF ebenso in der Beschwerde erstmals einen Konnex seiner Familie zu seiner politischen Partei ins Treffen führte. Der BF wurde in der hg. Verhandlung nach dem Grund für die Feindschaft gefragt und erwähnte in diesem Zusammenhang die unterschiedliche politische Gesinnung der beiden Familien, was er im behördlichen Verfahren jedoch nicht getan hat.

 

Die obzitierte Erklärung vermag die unverkennbare Steigerung im Vorbringen des BF nicht aufzulösen, sondern ist vielmehr von einem Versuch, seinem Vorbringen einen politischen Konnex zu verleihen und sohin von der Steigerung im Vorbringen des BF auszugehen. Auch der VwGH geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

 

Auch wird in der Beschwerde erstmals ein religiöser Aspekt thematisiert, wenn der BF darin ausführt, seine Familie sei sunnitisch und die gegnerische Familie sei schiitisch einflussreich und gelten für die auch diesbezüglich vorliegende Steigerung im Vorbringen die soeben dargelegten Erwägungen zur Glaubwürdigkeit von Steigerungen im Vorbringen, woran auch der Erklärungsversuch, des BF in der hg. Verhandlung, wonach er in behördlichen Verfahren nicht danach gefragt worden sei, nichts zu ändern vermag.

 

Dem ist noch hinzuzufügen, dass sich die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt von Amts wegen vollständig und umfassend zu ermitteln, grundsätzlich nur auf solche asylrechtlich relevanten Umstände bezieht, die vom Asylwerber auch vorgetragen werden. Die Aussage des Asylwerbers ist das zentrale Bescheinigungsmittel und Ausgangspunkt für die die Behörde treffende Ermittlungspflicht. Finden sich in den Aussagen eines Asylwerbers keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Asylgrundes, so bedarf es in der Regel keiner weitergehenden amtswegigen Ermittlungen. Es besteht keine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl hg Erkenntnis vom 21. November 1995, Zl 95/20/0329, mwN). (VwGH 23. 1. 1997, 95/20/0303, 95/20/0304; vgl auch VwGH 2. 3. 1988, 86/01/0187; B 30. 11. 2000, 2000/20/0445).

 

Ferner erklärte der BF vor dem BFA, einmal bei Gericht, jedoch nie bei der Polizei gewesen zu sein (AS 66), wobei der BF eine Anwesenheit seiner Person bei Gericht in der hg. Verhandlung zur Gänze unerwähnt ließ, was er damit erklärte, nicht danach gefragt worden zu sein. Diese Erklärung geht insofern ins Leere, als der BF zum einen in der hg. Verhandlung zur eigeninitiativen Schilderung seiner Ausreisegründe unter Nennung aller Details aufgefordert wurde und zum anderen davon ausgegangen werden kann, dass der BF einen derart wichtigen Punkt in seinem Vorbringen von sich aus erwähnt, wenn er tatsächlich einmal bei Gericht gewesen wäre, was jedoch nicht geschehen ist.

 

Abermals erklärte der BF für das Unterbleiben dieser Ausführungen, nicht danach gefragt worden zu sein und ist unter Verweis auf die bisherigen hg. beweiswürdigenden Ausführungen zu dieser Erklärung des BF festzuhalten, dass das diesbezügliche Vorbringen ob seiner Steigerung nicht als glaubwürdig zu qualifizieren ist.

 

Der BF ordnete den Termin bei Gericht in der hg. Verhandlung zeitlich mit April oder Mai

 

2014 ein und wurde er im Hinblick auf seine behauptete Ausreise aus seinem Heimatort XXXX am 20.03.2015 (AS 17) in der hg. Verhandlung gefragt, warum er Pakistan (ein Jahr nach der - ebenso erstmalig behaupteten Kautionshinterlegung in der Höhe von 15.000 Rupies durch seinen Rechtsanwalt - behaupteten Kautionshinterlegung) verlassen hat, was der BF allgemein damit begründete, dass er Angst gehabt habe, was jedoch im Hinblick auf den Zeitraum von einem Jahr, welcher zwischen dem Gerichtstermin und der Ausreise gelegen ist, nichtnachzuvollziehen ist, wäre doch davon auszugehen, dass bei tatsächlicher Bedrohung der BF bereits früher das Land verlassen hätte, was jedoch nicht geschehen ist.

 

Hinsichtlich der Ausreise des BF fällt ferner auf, dass dieser einerseits angab, nach dem "Weißbärtigenrat", den er in der hg. Verhandlung zeitlich mit April 2014 einordnete, nicht mehr im Dorf gewesen zu sein, sondern bis zur Ausreise bei seiner Schwester und seinem Onkel (AS 69) gewartet und von dort aus das Land verlassen zu haben. Andererseits führte der BF in der Erstbefragung aus, sein Heimatdorf XXXX mit dem Linienbus am 20.03.2015 und in weiterer Folge das Land verlassen zu haben (AS 17). Der BF erklärte dazu, er habe damit seine erste Ausreise gemeint, was jedoch nicht mit der Angabe des BF vereinbar ist, wonach er dezidiert erklärt, am 20.03.215 mit dem Linienbus von XXXX nach Lahore gefahren zu sein.

 

Auch erwähnte der BF in der hg. Verhandlung seine Aussage im behördlichen Verfahren, wonach er in jedem Dorf, in dem er gewesen sei, beobachtet worden sei (AS 67) nicht,; auch die Angabe im behördlichen Verfahren, wonach er zwei Monate nach 2010 in XXXX von zwei Leuten der XXXX Familie attackiert worden sei, indem sie ihn mit dem Auto hätten überfahren wollen (AS 72), ließ der BF in der hg. gänzlich unerwähnt, obwohl er aufgefordert worden war, eingehend und von sich aus unter Nennung aller Details seinen Ausreisegrund zu schildern. Der BF erklärte dazu, er beantworte nur die Fragen, die ihm gestellt werden würden und habe er nicht alles im Kopf.

 

Weiter zum Verlauf des Falles nach dem behaupteten Gerichtstermin befragt, führte der BF erstmals im Asylverfahren aus, die Polizei habe nicht weiter nach ihm gesucht und erklärte er über Nachfragen, ob das Verfahren somit beendet gewesen sei, ebenso erstmalig im Verfahren, dass nach Bezahlung eines Betrages in der Höhe von 15.000 Rupies an den Rechtsanwalt bzw. gegen Leistung einer Kaution in ihm unbekannter Höhe durch den Freund eines Vaters die Polizei nicht mehr nach ihm gesucht habe.

 

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Befragungen ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Pakistan aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat. Bereits in der Erstbefragung wies der Beschwerdeführer - neben der vermeintlich falschen Anzeige - auf die nach dem Unfall seines Vaters schlechte finanzielle Situation hin und wiederholter dies in weiterer Folge auch vor dem BFA. Dem widersprechend wurde in dem der Beschwerde beigelegten Schreiben ausgeführt, dass die Familie des Beschwerdeführers immer gut gelebt habe und Geld nie ein "Problem" gewesen sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei nach seinem Unfall noch arbeitsaktiv gewesen und habe sich die wirtschaftliche Situation seiner Familie durch die Verfolgungshandlungen der Familie XXXX verschlechtert. Aufgrund dessen, dass es unplausibel und damit unglaubwürdig ist, dass der Vater des Beschwerdeführers nach dem Unfall keine Einschränkungen bei der Bewirtschaftung der Landwirtschaft und beim Betreiben des Geschäftes hinnehmen hat müssen, kann diese Erklärung des Beschwerdeführers nur als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Wie in der rechtlichen Beurteilung noch ausgeführt wird, können aber "wirtschaftliche Gründe" nur relevant sein, wenn sie in einem Zusammenhang mit einem Konventionsgrund stehen und die erlittene oder befürchtete wirtschaftliche Benachteiligung ein das Überleben bedrohendes Ausmaß erreicht.

 

Auch sind die Angaben des BF im Vergleich seiner Ausführungen im behördlichen Verfahren mit jenen in der hg. Verhandlung nicht frei von Divergenzen in zentralen Teilen des Vorbingens.

 

So wurde der BF in der hg. Verhandlung befragt, ob es einen Vorwurf durch die Polizei anlässlich der angegebenen Festnahme des BF im Jahr 2010 gab und wurde dem BF diesbezüglich zweimal dieselbe Frage gestellt, welche der BF zweimal verneinte. Damit ist jedoch nicht die Angabe des BF im behördlichen Verfahren vereinbar, wonach man ihm anlässlich der Festnahme vorgeworfen habe, im Besitz von Gewehren und Pistolen zu sein und ihn danach gefragt habe (AS 66). Diese Angabe bestätigte der BF erst über konkreten Vorhalt in der hg. Verhandlung.

 

Auch zu seinem Aufenthalt in Pakistan sind die Angaben des BF widersprüchlich. So erklärte er, bereits im März 2014 nicht mehr im Dorf gewohnt zu haben, sondern nur einmal im April 2014 zur Jirga gekommen zu sein; nochmals gefragt, ob er sonst nicht mehr im Heimatdorf war, verneinte dies der BF.

 

An einer anderen Stelle in der Verhandlung erklärte der BF, nach dem 25.03.2014 nie in seinem Dorf gelebt zu haben, womit jedoch seine Angabe im behördlichen Verfahren nicht in Einklang zu bringen ist, wonach er auch nach der Anzeige (diese ist mit 25.03.2014 datiert) in der gleichen Ortschaft gelebt habe, jedoch am Rande und sei auch die Polizei bei ihm vorbei gegangen, doch habe ihn diese nicht erkannt (AS 67). Über Vorhalt gab der BF in der hg. Verhandlung an, er habe nach dem 25.03.2014 nie in seinem Dorf gelebt.

 

Der BF führte auch divergierend aus, einerseits im Jahr 2009 nach der Schule nach Griechenland gegangen zu sein (AS 75) und ab 01.07.2012 wieder in Pakistan gelebt zu haben (AS 75). Andererseits gab der BF in derselben behördlichen Einvernahme an, dass er im Jänner/Februar 2010 von der Polizei festgenommen worden sei; der BF erklärte zu dieser Divergenz, er habe die falsche Protokollierung von 2009 statt 2010 in der Beschwerde bemängelt, was jedoch nicht zutreffend ist.

 

In der Verhandlung trat hinsichtlich der geschilderten Zeitabläufe ein weiterer Widerspruch dahingehend auf, als der BF einmal erklärte, im November oder Dezember 2014 ausgereist zu sein, wohingegen er in der Erstbefragung im behördlichen Verfahren erklärte, den Ausreiseentschluss erst im Jänner 2015 gefasst zu haben (AS 17).

 

In diesem Konnex ist auch zu erwähnen, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der BF bei tatsächlicher Existenz einer Gefährdung seiner Person aufgrund der von ihm geschilderten Vorkommnisse im März 2014 (FIR- pol. Anzeige, "Weißbärtigenrat") mit seiner Ausreise noch bis Jänner 2015 zugewartet haben will. Auch die Erklärung des BF in der hg. Verhandlung, wonach er vorerst versucht habe, mit einem Visum nach Saudi Arabien zu gelangen, vermag daran nichts zu ändern.

 

Diesbezüglich ist ferner festzuhalten, dass der BF zwischen seiner behaupteten Rückkehr aus Griechenland im Jahr 2012 (Juli) und der angegebenen Vorkommnisse im März 2014 keinerlei Probleme behauptet hat und ist kein plausibler Grund dafür ersichtlich bzw. hat der BF auch keinen solchen plausiblen Grund genannt, warum über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren keine Bedrohung existent war und es plötzlich wieder zu einem solchen gravierenden Vorfall gekommen sein soll, der den BF zur Ausreise veranlasste.

 

Auch die Angaben des BF zum Aufenthalt seines Bruders, welcher auch in die seitens des BF geschilderten Vorkommnisse im Jahr 2014 involviert gewesen sein soll, sind nicht stimmig. So erklärte der BF in der Erstbefragung am 30.05.2015 im behördlichen Verfahren dezidiert, sein Bruder würde ebenso wie seine Schwester und seine Eltern im Bezirk XXXX in Pakistan leben.

 

Dem widersprechend erklärte der BF in der hg. Verhandlung, sein Bruder sei im März 2014 aus Saudi Arabien zu Besuch gewesen und sei es zu dem Vorfall mit der Anzeige, in der auch sein Bruder beschuldigt worden sei, gekommen und sei sein Bruder ein paar Tage später nach Saudi Arabien zurückgeflogen. Der BF erklärte dazu, dies sei ein Missverständnis gewesen und sei sein Bruder lediglich für einen Monat aus Saudi Arabien nach Pakistan zurückgekehrt.

 

Letztlich ist auch auf die Angabe des BF in der hg. Verhandlung zu verweisen, wonach nach dem Wahlen im Jahr 2008 oder 2009 die feindliche Familie ihr Geschäft zu einem weit unter dem Wert liegenden Preis haben habe wollen, jedoch sein Vater bereits im Jahr 2012 das Geschäft verkauft habe; im Lichte dessen ist es einmal mehr nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund es zwei Jahre später, nämlich lt. Angaben des BF erst im Jahr 2014 zu einer Anzeige aus Rache gekommen sein soll.

 

Zu dem in Kopie vorgelegten First Information Report (FIR), den der BF erst nach seiner Ausreise aus Pakistan während seines Asylverfahrens in Österreich erhalten hat, ist festzuhalten, dass die Tatsache, dass es sich bei dem genannten Schriftstück um eine Kopie handelt, welcher nicht derselbe Beweiswert wie einem Originalschriftstück oder einer beglaubigten Kopie zukommt (zur erhöhten Beweiskraft von Originalurkunden vgl. auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, § 48, RZ 24). Jedenfalls wurde dieses Schreiben erst auf Ersuchen des BF nach dessen Einreise in Österreich an diesen übermittelt und hat der BF selbst angegeben, dass er am Tag der Ausstellung der Anzeige auch eine Übersetzung in die englische Sprache veranlasst habe und habe er beide Schreiben im Sommer 2015 nachsenden lassen.

 

In diesem Zusammenhang ist letztlich auch auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik "Rückkehr" unter zu verweisen, wonach die Zahl der in XXXX vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente hoch ist und es in Pakistan problemlos möglich ist, ein (Schein‑) Verfahren gegen sich selbst einzuleiten.

 

Im Lichte dessen ist sowohl aus dem vorgelegten FIR als auch dem Schreiben des Anwaltes des BF nichts zu gewinnen, was die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF erhöhen würde.

 

Die Ansicht der erkennenden Richterin, wonach die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen als unglaubwürdig zu qualifizieren sind deckt sich sohin mit der gleichlautenden Ansicht des BFA und wird darüber hinaus auch durch die Ermittlungsergebnisse der Staatendokumentation des BFA bzw. des Vertrauensanwaltes der ÖB Islamabad bestätigt. Der Anfragebeantwortung zufolge hat es in der Gemeinde XXXX (der BF hat angegeben, aus dem Dorf XXXX in der Gemeinde XXXX zu stammen, AS 76) lediglich einen Entführungsfall im Jahr 2010 gegeben und haben diesbezüglich lokale Schläger einen Buben für Lösegeld entführt und ist dieser nach Lösegeldbezahlung freigekommen. Zwar ist es zu einem Konflikt aufgrund des Verkaufs eines Geschäfts in XXXX gekommen, jedoch haben die Geschäftsmänner die Angelegenheit unter sich geregelt. Der Name des Vaters lautet dem BF zufolge XXXX und stimmt mit den Namen der Geschäftsmänner, die in der in der Anfragebeantwortung genannt werden, nicht überein. Es ist zwar zu einer Anzeige gekommen, doch gab es keine Kindesentführung oder ähnliches. Auch ist die Situation zwischen den Geschäftsmännern freundschaftlich beglichen worden. Probleme zwischen den seitens des BF genannten Familien, nämlich seiner eigenen und der Familie XXXX sind lt. Anfragebeantwortung nicht existent. Auch hat es in der Gegend des BF kein extremes oder außergewöhnliches Verhalten zwischen den Parteien PTI und PML-N gegeben. Weder die Dorfbewohner berichteten von einem solchen Fall noch wurde in den Medien ein Bericht zu einem Vorfall, wie ihn der Beschwerdeführer benannte, gefunden.

 

Aufgrund der eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten hat sich im Asylverfahren die Praxis etabliert, Erkundigungen über Vertrauenspersonen (Privatpersonen, die das Vertrauen der österreichischen Vertretungsbehörden genießen) vorzunehmen; bei derartigen Stellungnahmen handelt es sich jedoch nicht um Sachverständigengutachten, sondern um ein Beweismittel eigener Art, worauf auch in der Beweiswürdigung Bedacht zu nehmen ist und unterliegt dies der freien Beweiswürdigung (Hengstschläger/Leeb, AVG Rz 5 zu § 46); den seitens der Beamtin der Staatendokumentation des BFA geführten Gesprächen mit Auskunftspersonen kommt nicht die Qualität von Zeugeneinvernahmen zu.

 

Eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers stehen allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegen (Verdross, Völkerrecht 1955, 175).

 

Dem Rechercheergebnis der Staatendokumentation des BFA bzw. des Vertrauensanwaltes der ÖB Islamabad, den die Staatendokumentation mit Ermittlungen beauftragt hat, kommt im gegebenen Fall aufgrund der zur Objektivität verpflichteten dortigen Beamten und deren besonderer Qualifikation und Erfahrung im Bereich von Recherchen mehr Beweiskraft zu als den diesbezüglichen Angaben des BF, welche auch in anderen Teilen des Vorbringens nicht plausibel sind.

 

Hiezu ist desweiteren anzuführen, dass nach Ansicht des erkennenden Gerichtes den Ausführungen eines Beamten der Staatendokumentation des BFA, welche sich auf das Rechercheergebnis eines Vertrauensanwaltes der ÖB Islamabad stützt, welche im Gegensatz zum Beschwerdeführer kein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat - aufgrund der als notorische Tatsache bekannten Qualität bzw. Seriosität der Arbeit der Staatendokumentation des BFA eine besonders hohe Beweiskraft zukommt.

 

Sämtliche der genannten Ermittlungsergebnisse wurden dem BF bzw. dessen Vertreter zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme übermittelt, doch trat dieser den Ermittlungsergebnissen in keiner Weise entgegen, sondern gab dieser bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt keine Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen ab, was einmal mehr darauf schließen lässt, dass dem Vorbringen des BF in Zusammenhang mit seiner Asylantragstellung keine Glaubwürdigkeit zukommt, wäre doch andernfalls davon auszugehen, dass der BF den Ermittlungsergebnissen konkret und substantiiert in einer Stellungnahme entgegentritt, was jedoch nicht geschehen ist.

 

3.3.5. In der Gesamtsicht dieser Erwägungen hat somit auch aus Sicht des erkennenden Gerichtes die behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers aus den von ihm genannten Gründen angesichts eines widersprüchlich dargestellten und als solches nicht plausiblen Vorbringens sowie im Lichte der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht standgehalten.

 

Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise bzw. folgerichtig auch die Gefahr einer solchen für den Fall einer Rückkehr konnte der Beschwerdeführer daher letztlich nicht glaubhaft darlegen und war insoweit - der belangten Behörde im Ergebnis folgend - zu den obigen Feststellungen zu gelangen.

 

3.3.6. Neben den Ausführungen des BFA, wonach das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig einzustufen war, würde es den Angaben des Beschwerdeführers aber ohnehin an einem asylrelevanten Anknüpfungspunkt mangeln, zumal es sich dabei um eine Verfolgung durch Private handelt (siehe unten 4.1.4.).

 

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

 

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Auch ist auszuführen, dass die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann. (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).

 

Überdies handelt es sich bei den seitens des BFA dem Verfahren zugrunde gelegten Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Dass sich die Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers insofern geändert hat, als diese dem zitierten Länderdokumentationsmaterial nicht mehr entsprechen würde, ist nicht notorisch.

 

Der BF hat auch nicht die Möglichkeit in Anspruch genommen, den hg. länderkundlichen Feststellungen trotz Einräumung einer zweiwöchigen Frist mit hg. Schreiben vom 09.08.2017 entgegenzutreten.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

4.1. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

 

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

4.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der Beschwerdeführer vermochte keine asylrelevante Verfolgung darzutun. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine solche glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).

 

4.1.3. Was eine mögliche behördliche Verfolgung wegen der von ihm angeblich begangenen Entführung (immer unter der Annahme der hypothetischen Glaubwürdigkeitsunterstellung) betrifft, ist wie folgt auszuführen:

 

Sollte – bei hypothetischer Wahrunterstellung seines Vorbringens – tatsächlich die Polizei aufgrund des Verdachtes der Entführung gegen ihm ermitteln, so erfolg(t)en die polizeilichen Maßnahmen ausschließlich im Rahmen der Strafrechtspflege und stellt das ihm unterstellte Delikt eine gerichtlich strafbare Handlung dar, welche vom pakistanischen Staat entsprechend des Strafgesetzbuches zu ahnden ist und könnte auch eine tatsächliche rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu keiner anderen Entscheidung führen. Behördliche Ermittlungen wegen strafbarer Verhaltensweisen können nicht als Verfolgung im Sinne der Konvention qualifizieren werden, insoweit die Strafverfolgung eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Die befürchteten Verfolgungsmaßnahmen stehen lediglich im Zusammenhang mit dem Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung. Bei einer Entführung handelt es sich um ein kriminelles Delikt, aufgrund dessen man in jedem rechtsstaatlichen Land strafrechtlich verfolgt wird. Derartige Delikte sind auch in Mitgliedstaaten der Genfer Konvention mit Strafe bedroht und darüber hinaus sind strafbare Handlungen unter die Fluchtgründe der Genfer Konvention 1951 nicht subsumierbar. Ein Einschreiten staatlicher Behörden ist in einem solchen Fall nicht als Verfolgung anzusehen, weil es sich hierbei um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes handelt, was keinem der oben erwähnten Konventionsgründen entspricht ( vgl. Erkenntnis d. VwGH vom 25.05.1994, Zl.94/20 /0053).

 

Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, sich wie jeder Staatsbürger in jedem anderen Staate dem Gericht zu stellen und die aufgebotenen Vorwürfe zu entkräften. Gemäß den vom BFA getroffenen Länderfeststellungen ist in Pakistan die Unabhängigkeit der Justiz gesetzlich garantiert und wird die Bearbeitung von unpolitischen Fällen durch den Hohen Gerichtshof und den Obersten Gerichtshof als zuverlässig eingeschätzt.

 

Es handelt sich grundsätzlich um ein legitimes Ziel der Polizei und der unabhängigen Justiz, im Rahmen der Strafrechtspflege (mögliche) strafbare Handlungen aufzuklären sowie verdächtige Personen aufzuspüren, und steht als Beispiel für ein funktionierendes Polizei- und Justizsystem in Übereinstimmung mit den Länderinformationen zum Heimatland des Beschwerdeführers. Insoweit ist auch unter Berücksichtigung der Länderberichte für das Bundesverwaltungsgericht nicht feststellbar, dass die Strafrechtspflege in Pakistan nach Grundsätzen erfolgt, die einem Verfolgungstatbestand im Sinne der GFK zuordenbar wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Pakistan objektive polizeiliche Untersuchungen und jedenfalls ein ordentliches Gerichtsverfahren vorfindet, in dem er sich unter Umständen auch freibeweisen kann. Ebenso ist anzunehmen, dass allfällige von den staatlichen Behörden vorgenommene Handlungen gegenüber dem Beschwerdeführer lediglich der Aufklärung eines Straftatbestandes dienen.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers könnte sohin die Gewährung von Asyl nicht rechtfertigen. Es kann jedem Bürger eines jeden Staates jederzeit widerfahren, (auch wegen falschen Verdachtes) in ein Straf- bzw. Ermittlungsverfahren einbezogen zu werden. Es ist dem Beschwerdeführer jedenfalls zuzumuten, seine Sicht der Dinge vor den zuständigen Gerichten darzulegen.

 

Dass dem Beschwerdeführer eine Verurteilung droht, welche einen Asylkonnex aufweist, wurde vom Beschwerdeführer selbst weder behauptet noch ist dies sonst erkennbar.

 

4.1.4. Letztlich ist noch anzuführen, dass selbst dann, wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers entgegen der hg. Ansicht als glaubwürdig qualifizieren würde, dem Beschwerdeführer dennoch im Lichte des § 3 Abs 2 AsylG nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden könnte.

 

Selbst bei Wahrunterstellung der Ausführungen wäre festzustellen, dass eine Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention nur insofern relevant wäre, als der Staat nicht willig bzw. fähig ist, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren.

 

In Art. 6 StatusRL wird festgehalten, dass Verfolgung von folgenden Akteuren ausgehen kann:

 

" a) dem Staat;

 

b) Parteien oder Organisationen , die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staates beherrschen;

 

c) nichtstaatlichen Aktteuren, sofern die unter den Buchstaben a) oder b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung...zu bieten."

 

Gem. Art 7 Abs. 1 oder Abs. 2 der RL ist generell Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen , und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat.

 

Es kann grundsätzlich nicht auf den Urheber der Verfolgung ankommen, sondern nur darauf, ob sich der Betroffene außerhalb seines Heimatstaates befindet und "dessen Schutz nicht beanspruchen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht beanspruchen will.

 

Die Flüchtlingseigenschaft entfällt sohin, wenn es dem Asylsuchenden möglich und zumutbar ist, sich zur Abwehr der (allenfalls von dritten Personen ausgehenden) Verfolgung unter den Schutz seines Heimatstaates zu stellen, was Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit dieses Staates voraussetzt (Kälin, Grundriss des Asylverfahrens S 61)

 

In Fällen nichtstaatlicher Verfolgung ist somit entscheidend, ob der betreffenden Person die Möglichkeit offensteht, angesichts der drohenden Verfolgung Schutz im Herkunftsstaat in Anspruch zu nehmen und ob die Inanspruchnahme solchen Schutzes der betreffenden Person zumutbar ist.

 

Es besteht das Erfordernis eines tatsächlichen und effizienten Schutzes im Einzelfall, der geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit einer drohenden Verfolgung unter das Maß der Erheblichkeit zu senken (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 17.09.2002, 2000/01/0414).

 

Weder kann aufgrund der Länderberichte davon ausgegangen werden, dass die pakistanischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch haben sich im konkreten Fall des Beschwerdeführers Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Polizei untätig geblieben wäre und ihn nicht schützen könnte bzw. würde. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich zwar, dass Bestechung und Korruption bei Behörden in Pakistan vorkommen können, jedoch kann auf Basis der Länderberichte nicht darauf geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in derartigen Angelegenheiten nichts unternimmt oder sich systematisch politisch beeinflussen lässt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Ebenso wenig kann aufgrund der Quellenlage angenommen werden, dass die pakistanische Justiz bei begründetem Sachverhalt kein Verfahren einleiten würde. Wie sich aus den Länderberichten ergibt, agiert die pakistanische Polizei prinzipiell auf Grundlage der Gesetze.

 

Es würden sich somit im gegenständlichen Fall keine ausreichend nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die pakistanischen Behörden dem Beschwerdeführer effektiven Schutz gegen allfällige Angriffe und Bedrohungen tatsächlich verweigern würden.

 

Selbst wenn man - entgegen der hg. Ansicht - annehmen würde, dass die örtliche Polizei nichts unternommen hätte bzw. sich bestechen hätte lassen, wäre dem Beschwerdeführer die Möglichkeit unbenommen gewesen, sich an eine übergeordnete Dienststelle zu wenden. Andere Probleme, etwa mit den pakistanischen Behörden, Sicherheitsbehörden oder Gerichten wurden vom Beschwerdeführer weder vor dem BFA noch in der Beschwerdeschrift noch in der hg. Verhandlung geltend gemacht.

 

4.1.5. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass pakistanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

4.1.6. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

4.1.7 Zur Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative

 

Wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung zugrunde legen würde kann die hilfsweise Argumentation zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative herangezogen werden:

 

§ 11 Abs. 1 AsylG lautet: Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative).

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen -mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates- im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

 

Nur im Hinblick auf nichtstaatliche Verfolgung ist das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Betracht zu ziehen und ist von der Behörde stets zu prüfen, ob die verfolgende Organisation als mächtig eingestuft werden könne beziehungsweise ob eine lokale Begrenztheit des Wirkungskreises dieser Organisation angenommen werden könne (VwGH 15.05.2003, 2002/01/0560).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative müsse es Sache der Behörde sein, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH 09.09.2003, 2002/01/0497 und 08.04.2003, 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH 02.10.2001, B 2136/00).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069).

 

Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtsloe Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Auch wirtschaftliche Benach-teiligungen können asylrelevant sein (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341). Dem gegenüber seien gemäß ständiger Rechtsprechung allfällige aus der Situation des Asylwerbers ableitbare wirtschaftliche beziehungsweise soziale Benachteiligungen nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden könne (VwGH 08.09.1999, 98/01/0620; VwGH 24.10.1996, 95/20/0321; VwGH 10.12.1996, 06/20/0753).

 

Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

In der Regel wird eine innerstaatliche Fluchtalternative für unbegleitete Minderjährige zu verneinen sein, weil es vielfach nicht legal möglich ist oder zumutbar wäre, ohne Eltern und gesetzlichen Vertreter in einem Teil des Landes den Wohnsitz zu nehmen, in dem der Minderjährige einer individuellen Verfolgung nicht ausgesetzt gewesen wäre (VwGH 26.06.1996, 95/20/0427). Im Falle der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative müsse aber jedenfalls auf das Zumutbarkeitskalkül besonders Bedacht genommen werden und seien konkrete Feststellungen über die im Fall eines solchen Ortswechsels zu erwartende konkrete Lage des Minderjährigen zu treffen. (VwGH 19.10.2006, 2006/19/0297).

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 21.11.2002, 2000/20/0185; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein müsse, seine politischen oder religiösen Überzeugungen, sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH 19.12.2001, 98/20/0299).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative siehe weiters: UNHCR, Richtlinie zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 23.07.2003, HCR/GIP/03/04;

Artikel 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt der Europäischen Union L 304 vom 30.09.2004 (Qualifikations- oder Statusrichtlinie) und § 11 AsylG 2005 (bei der Prüfung des "internen Schutzes" geht es nicht mehr um die Frage, ob im Zeitpunkt der Flucht innerhalb des Herkunftsstaates interne Schutzzonen als Alternative zur Flucht bestanden haben, sondern darum, ob im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) der Richtlinie) derartige Zonen, also interne Schutzzonen, nicht mehr als Alternative zur Flucht, sondern als Alternative zum internationalen Schutz bestehen), sowie Herzog-Liebminger, Die innerstaatliche Fluchtalternative, 69 bis114.

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

 

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass aufgrund der fehlenden Exponiertheit des Beschwerdeführers, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans (ca. 190 Mio. Einwohner), des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems, der Existenz von Millionenstädten wie beispielsweise Islamabad, Lahore oder Karachi (ca. 16 Mio EW) sowie des Fehlens jeden Hinweises, dass die Personen, von denen die Gefahren ausgehen über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den Beschwerdeführer in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, der Beschwerdeführer durch Verlegung seines Wohnorts in eine Großstadt in einem anderen Teil des Landes (z. B. Karachi, Lahore, Rawalpindi) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verfolgungshandlungen durch den Verfolger rechnen muss.

 

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den Beschwerdeführer aufgrund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der Beschwerdeführer noch in Pakistan aufhielt. Weiters bestehen nicht die geringsten Hinweise, dass der Beschwerdeführer mangels Beständigkeit des Gebietes, auf das er ausweichen kann, damit rechnen muss, jederzeit auch dort wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen.

 

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt wie Karachi niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dort dauerhaft niedergelassen haben und aktiv am Wirtschaftsleben der Stadt teilnehmen (vgl. hg. Erk. vom 16.11.2011, C7 314209-1/2008/4E). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem Beschwerdeführer aufgrund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnissen auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der Beschwerdeführer somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden bereits durch seine Reise nach Österreich und nach Griechenland unter Beweis stellte. Er könnte in einer genannten Großstadt auch eine Beschäftigung, wie etwa als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten annehmen. Es bestehen keine Hinweise dafür, dass er hierzu nach seiner Rückkehr nicht in der Lage sein sollte.

 

Der Beschwerdeführer könnte sich sohin an einem anderen Ort in Pakistan niederlassen und wäre - auch angesichts der Bevölkerungsdichte Pakistans - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an anderen Orten, vor allem in Großstädten wie beispielsweise Karachi, Multan oder Hyderabad, ebenfalls derartigen Schwierigkeiten mit seinen Gegnern ausgesetzt sein würde. Dass seine Gegner in ganz Pakistan Kontakte haben, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt. Hinweise für eine Unzumutbarkeit im individuellen Fall, sich in einer anderen Stadt niederzulassen, haben sich im Verfahren nicht ergeben, dies auch in Hinblick auf seine individuelle Situation (gesunder, junger Mann mit sozialem Netz durch seine Familienangehörigen in Pakistan, Schulbildung sowie Arbeitserfahrung in einer Hotelküche und als Händler für Reis und Weizen). Der Beschwerdeführer gab in der hg. Verhandlung über Vorhalt einer innerstaatlichen Fluchtalternative lediglich an, die Regierung und die Korruption sei überall gleich und werde irgendwann die Polizei darauf kommen und ihn festnehmen. Damit hat der BF jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei ihm um eine derart exponierte Person handelt, welche derart in das Blickfeld seiner Gegner geraten ist, dass ihn diese überall in Pakistan suchen würden und kann darüber hinaus auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese über die entsprechenden Möglichkeiten verfügen, um den Aufenthaltsort des BF ausfindig zu machen.

 

Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf den aktuellen Beschluss des VwGH vom 04.11.2015, Ra 2015/18/0246-4 und vom 28.10.2016, Ra 2016/20/0235-5, einen pakistanischen Staatsangehörigen betreffend, wonach bereits die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative geeignet sind, die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz des Revisionswerbers tragend zu begründen und es auf die Frage der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers zu den Fluchtgründen damit nicht entscheidungswesentlich ankommt; der Revisionswerber hatte im gegenständlichen Fall hinsichtlich des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative keine Gründe iSd § 28 Abs. 3 VwGG vorgebracht. Ebenso: VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0127-12 unter Verweis auf den Beschluss des VwGH, vom 08.09.2015, Zl. Ra 2015/01/0043, mwN, wonach die außerordentliche Revision schon deshalb nicht von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt, da sich die diesbezügliche Entscheidung auf das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative stützt, hinsichtlich derer aber Gründe iSd § 28 Abs. 3 VwGG vom Revisionswerber nicht vorgebracht werden.

 

4.1.8. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

4.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

4.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

 

4.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.

 

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener in Pakistan selbst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte und hat der BF bereits in Griechenland in einer Hotelküche und in Pakistan als Händler für Reis und Weizen seinen Lebensunterhalt bestritten. Er ist in Pakistan aufgewachsen, ist dort mehrere Jahre zur Schule gegangen und hat die überwiegende Zeit seines Lebens dort verbracht. Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan sozialisiert und ist nicht hervorgekommen, dass er in Pakistan keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte mehr hat. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes – seine Eltern, ein Bruder, eine Schwestern sowie zwei Cousins leben in Pakistan - eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil wird.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

 

Letztlich war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer den vom erkennenden Gericht zugrunde gelegten Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr nach Pakistan nicht entgegengetreten ist, sondern die hg. eingeräumte Frist ungenutzt verstreichen ließ und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der Beschwerdeführer durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführer (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklichte, welcher in Pakistan mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens seiner Gegner (immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens) könnte, wie bereits ausgeführt, staatlicher Schutz bei den Behörden des Heimatlandes erlangt werden bzw. könnte der Beschwerdeführer Drohungen oder Übergriffen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans entgehen.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im behördlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Pakistan gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen

(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005.

 

4.2.3. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

4.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - §§ 57 und 55 AsylG sowie § 52 FPG):

 

4.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

4.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich zumindest seit 10.05.2015 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde, noch in der hg. Verhandlung über diesbezügliches Befragen behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

4.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Pakistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

4.3.4. Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

4.3.4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der hg. Verhandlung nach Bezugspersonen in Österreich gefragt, woraufhin er erklärte, er habe nur verschiedene Freunde, diese seien Österreicher und habe er eine Freundin aus XXXX , mit welcher er jedoch nicht zusammen wohne, sondern diese manchmal treffe; der BF hat auch angegeben, deren Familiennamen nicht zu kennen. Die seitens des BF genannte Person hat für diesen auch ein Empfehlungsschreiben abgegeben, doch ist darin von einer engeren Beziehung zum BF nicht die Rede, weshalb auch das Bundesverwaltungsgericht nicht von einer solchen ausgeht.

 

In Zusammenhang mit der nunmehr geltend gemachten Beziehung des BF zu einer deutschen Staatsbürgerin wird der Vollständigkeit halber festgehalten, dass vor allem zu berücksichtigen ist, dass das diese zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der BF des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, da sein Aufenthalt stets auf einen - wie sich im Verfahren zeigte - unberechtigte Asylantrag zurückzuführen ist (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN; EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

4.3.4.2. Zum Privatleben des BF in Österreich ist folgendes festzuhalten: die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner illegalen Einreise und Asylantragstellung am 25.05.2015 ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein.

 

Der Beschwerdeführer hält sich nunmehr seit zwei Jahren und fünf Monaten in Österreich auf.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet sowie auch auf das jüngste Urteil des EGMR vom 8. April 2008, Nr. 21878/06 (NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich), in welchem der EGMR im Rahmen der Interessensabwägung zum Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich das öffentliche Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle bei erfolglosen Asylanträgen höher wiegen muss als ein während des Asylverfahrens begründetes Privatleben.

 

Hinzuweisen ist auch auf die grundsätzlich vergleichbare Rechtsprechung des VfGH vom 29.11.2007, Zl. B 1958/07-9 wonach in einem Fall (der Berufungswerber aus dem Kosovo hielt sich mit seiner Familie im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch den UBAS etwa zwei Jahre in Österreich auf - siehe UBAS vom 15.10.2007, Zahl:301.106-C1/7E-XV/53/06) die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde. Der VfGH führte aus, dass der belangten Behörde aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht entgegen getreten werden könne, wenn sie schon angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse an der Achtung des Privat- und Familienlebens überwiegt.

 

Der Beschwerdeführer lebt von staatlichen Zuwendungen, ist nicht selbsterhaltungsfähig, besuchte zwar Deutschkurse, doch hat er keine Deutschprüfung abgelegt. Wie in der hg. Verhandlung hervorkam, sprach der BF dort gebrochenes Deutsch; der BF hat zu seinem Tagesablauf angegeben, er besuche an manchen Tagen einen Deutschkurs, treffe manchmal seine Freundin, er esse, sehe fern und gehe schlafen.

 

Der BF hat auch vier Unterstützungsschreiben von Privatpersonen in Vorlage gebracht. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst im Falle eines Fremden, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, damit über keine das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Was die seitens des BF vorgelegten insgesamt vier Unterstützungserklärungen betrifft, ist auszuführen, dass daraus nicht hervorgeht, wodurch im konkreten Fall eine besondere Integration des Beschwerdeführers gegeben sein soll. Den betreffenden Schreiben ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer verlässlich, höflich und hilfsbereit ist, um die Aneignung von Deutschkenntnissen bemüht ist und sich diese verbessert haben und er für Hilfstätigkeiten wie Gartenarbeit, Umzugshilfe, Möbelaufbau etc. herangezogen wird.

 

Besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration in Österreich gezeigt hätten, sind, auch wenn die darin beschriebenen Charaktereigenschaften des BF durchaus zutreffen mögen, dadurch nicht hervorgekommen. Die Unterstützungserklärungen sind aus hg. Sicht als Gefälligkeitsschreiben zu qualifizieren und ist daraus nichts für eine erfolgreiche Integration des BF in Österreich zu gewinnen.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst im Falle eines Fremden, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, damit über keine das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Der BF geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und verfügt über keine Einstellungszusage.

 

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch zum Ausdruck gebracht, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612, VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 mit weiteren Nachweisen).

 

Vor diesem Hintergrund ist vor allem zu berücksichtigen, dass abgesehen davon, dass allein aus diesem Vorbringen des BF keine ausreichenden integrationsbegründenden Momente ersichtlich sind, das Privatleben des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der BF des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, da sein Aufenthalt stets auf einen - wie sich im Verfahren zeigte - unberechtigte Asylantrag zurückzuführen ist (vgl. Chvosta,

Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN; EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 8.4.2008, NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, hinzuweisen.

 

Darin erachtete es der EGMR im Fall einer Asylwerberin, deren Verfahren insgesamt bereits rund 10 Jahre dauerte - die Beschwerdeführerin hatte in dieser Zeit einen Beruf erlernt, beteiligte sich an der Kirchengemeinschaft, hatte Freunde, darunter eine Beziehung zu einem Mann - nicht als notwendig zu entscheiden, ob die Beziehungen, welche sie während ihres beinahe zehnjährigen Aufenthalts im Vereinigten Königreich begründet hat, Privatleben iSd Art. 8 EMRK darzustellen geeignet ist. Selbst unter der Annahme, dass dem so wäre, sei die in Aussicht genommene Abschiebung nach Uganda gesetzlich vorgesehen und durch ein legitimes Ziel motiviert, nämlich die "Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle". Jedes von der Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts im Vereinigten Königreich etablierte Privatleben würde ihre Abschiebung bei einer Abwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer wirksamen Einwanderungskontrolle nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff machen. Anders als im Fall Üner/NL sei die BF im vorliegenden Fall kein niedergelassener Einwanderer. Ihr wäre nie ein Bleiberecht im belangten Staat erteilt worden. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen und ihre Abschiebung aufgrund der Abweisung dieser Anträge werde durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig. Die Abschiebung der BF nach Uganda würde daher keine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen.

 

Wie bereits dargelegt, beträgt die Zeit zwischen der Asylantragstellung und dem nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt zwei Jahre und fünf Monate.

 

Der Zeitraum, den der BF tatsächlich in Österreich verbracht hat, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch relativ kurz, um bereits jetzt von einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration zu sprechen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet ist und der Beschwerdeführer zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist war, sind gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine Rückkehrentscheidung sprechen. Diese überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib, selbst wenn er mittlerweile grundlegende Deutschkenntnisse erworben hat und unbescholten ist.

 

Anzumerken ist, dass der BF bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, aktuelle Angaben zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich zu machen, obwohl ihm eine solche mit hg. Schreiben vom 09.08.2017 eingeräumt worden war.

 

Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420).

 

Im Besonderen ist in casu noch auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, die jeweils auf einem ähnlich gelagerten Sachverhalt - wie jenem des BF - beruhen. Trotz langjährigem Aufenthalt wurde auch hier seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit der Ausweisung bejaht: VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis; mit Rechtsstellung eines anerkannten Flüchtlings gerechnet; keinerlei Unterstützung im Herkunftsstaat zu erwarten), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (etwa siebenjähriger Aufenthalt;

Berufstätigkeit; ein Jahr lang eheliche Gemeinschaft mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; Unterkunft;

Krankenversicherungsschutz; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; Erlernen der deutschen Sprache; Freundes- und Bekanntenkreis; Verwandte in Österreich;

Unbescholtenheit; kaum bzw. keinen Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse;

Unbescholtenheit; beruflich integriert; Zeitungsausträger), VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 (rund siebenjähriger Aufenthalt;

selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse;

Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (fast achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt;

Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; perfekte Deutschkenntnisse;

Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen;

Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Freundes- und Bekanntenkreis; Unbescholtenheit; wirtschaftlicher Neubeginn; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit;Lebensunterhalt finanziert; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; im Heimatland keine Existenzgrundlage; eingeschränkte Bindungen zum Heimatland; sozial integriert).

 

Letztlich darf auch auf das Erkenntnis des VfGH verwiesen werden, wonach trotz dreijährigem Aufenthalt und weitreichender Integrationsschritte (hervorragende Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss, Besuch einer HTL, österreichischer Freundeskreis, österreichische Freundin) die Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zurücktreten müssen (VfGH 12.06.2013, U 485/2012). Auch im vorliegenden Fall ist auf das Überwiegen dieser öffentlichen Interessen auszugehen.

 

Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).

 

Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2015 in das Bundesgebiet ein und erging im Februar 2016 der erste abweisende Bescheid der belangten Behörde.

 

Der Beschwerdeführer durfte daher gemäß der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nach der behördlichen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz seinen zukünftigen Aufenthalt nicht mehr als gesichert betrachten und nicht mehr darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können (vgl. VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085), sodass für den BF in casu nichts zu gewinnen ist.

 

4.3.4.3. Der Beschwerdeführer verbrachte andererseits den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, hat dort zumindest zwölf Jahre lang die Schule besucht, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner Angehörigen (Eltern, Bruder, Schwester) verfügt. Es deutete daher nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

4.3.4.4. Im gegenständlichen Verfahren waren keine unverhältnismäßig langen Verfahrensgänge festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wären.

 

4.3.4.5. Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des Beschwerdeführers im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

 

4.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

4.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

4.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

4.3.6.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

4.4. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung festgestellt, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG abzusprechen. Sohin war Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides spruchgemäß mit der getroffenen Maßgabe zu berichtigen, da der negative Ausspruch nach § 55 AsylG 2005 Rechtskraftwirkungen entfalten kann (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0174).

 

Zu Spruchteil B):

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Themen Glaubwürdigkeitsprüfung, wohlbegründete Furcht, Verfolgung, Glaubhaftmachung, innerstaatliche Fluchtalternative und Refoulementschutz und Rückkehrentscheidung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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