VwGH 95/20/0321

VwGH95/20/032124.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerden 1. der HA in L, 2. der CA in L, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 12. April 1995,

1. Zl. 4.334.825/9-III/13/95, 2. Zl. 4.334.821/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 12. April 1995 wurden die Berufungen der Beschwerdeführerinnen, Staatsangehöriger des Iran, die am 4. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist sind und am 5. März 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt haben, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. März 1992, mit welchen festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführerinnen nicht Flüchtlinge seien, abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin hatte in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 7. März 1992 zu ihren Fluchtgründen angegeben:

  1. "17) Ich gehöre keiner politischen Organisation an. Ich gehöre zur assyrischen Minderheit und dem kaldäisch katholischen Glaubensbekenntnis an. Auf Grund meiner Religionszugehörigkeit hatte ich in der Schule bereits Schwierigkeiten, da ich verspottet wurde und nach meiner Sprache konnte ich nicht lernen. Ich wurde gezwungen nach dem Koran zu lernen und nicht nach meiner Glaubensrichtung. Als ich die Mittelschule beendete wollte ich auf der Uni studieren. Dies konnte ich auf Grund meines Glaubenbekenntnisses nicht, da ich immer abgelehnt wurde. Ich bekommen keinen Arbeitsplatz da überall wo ich hinkomme ich nur als schmutzig und Mensch

    3. Klasse gelte. Als Frau ist es fast unmöglich auf Grund der Bekleidungsvorschrift im Iran zu leben, da die kleinste Sache von den Revolutionswächtern beanstandet wird. Als Minderheit kann man sich im Iran kein Leben aufbauen, da man ständig überwacht und belästigt wird. Wenn ich zurückkehren würde hätte ich sicherlich die größten Schwierigkeiten und würde eingesperrt werden."

Die Zweitbeschwerdeführerin gab in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 7. März 1992 zu ihren Fluchtgründen befragt an:

  1. "17) Ich gehöre keiner politischen Organisation an. Ich gehöre zur assyrischen Minderheit und dem kaldäisch katholischen Glaubenbekenntnis an. Im Iran kann man fast nicht auf die Straße gehen da man bei jeder Kleinigkeit von den Revolutionswächtern beanstandet wird. Auch in der Schule wird man als Andersgläubige benachteiligt und verspottet. Man hat kein menschenwürdiges Leben, da man nur als schmutzig behandelt wird. Es stehen einem keinerlei Rechte zu. Als Minderheit kann man sich im Iran kein Leben aufbauen da man ständig überwacht wird. Man kann das Haus fast nicht verlassen, da man wegen jeder Kleinigkeit beanstandet wird. Wenn ich zurückkehren würde, würde ich sicher verhaftet werden. Das Geld für die Flucht stammt von meinem Bruder und meiner Mutter."

In der Berufung gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. März 1992 gaben die Beschwerdeführerinnen an, sie hätten ihre Heimat aus politischen und religiösen Gründen verlassen und könnten und wollten nicht mehr zurück. Aus diesem Grund ersuchten sie, ihre Anträge nocheinmal zu überprüfen und falls notwendig, würden sie ihre bereits angeführten Gründe noch einmal ausführen.

Darauf erließ die belangte Behörde die Bescheide vom 5. März 1994, welche infolge der dagegen gerichteten Beschwerden vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 29. November 1994, B 766/94-6, B 765/95, aus Anlaß der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 durch das Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94, aufgehoben wurden.

Im fortgesetzten Verfahren räumte die belangte Behörde mit Schreiben vom 16. März 1995 den Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit ein, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz, welche sie im Rahmen ihrer Berufung möglicherweise nicht relevierten, zu rügen.

In den daraufhin erstatteten Berufungsergänzungen vom 3. April 1995 hielten die Beschwerdeführerinnen das Vorbringen im bisherigen Verfahren unbeschränkt aufrecht und beantragten wie im Verfahren. Sie gaben an, daß sich an ihrer Verfolgungssituation nichts geändert habe. Insbesondere würden sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit weiterhin verfolgt. Aus dem bisherigen Vorbringen ergebe sich, daß den Beschwerdeführerinnen politisches Asyl zu gewähren sei.

In Ergänzung dieser Schreiben übersandten die Beschwerdeführerinnen die Kopie einer Stellungnahme an die amerikanische Botschaft, eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich ihrer Fluchtgründe, zwei Ladungen iranischer Behörden und eine Bestätigung der Zugehörigkeit zur kaldäisch katholischen Kirche.

Die belangte Behörde erließ daraufhin die nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheide. Sie resümierte, die Beschwerdeführerinnen erfüllten ausgehend vom niederschriftlichen (erstinstanzlichen) Vorbringen die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht, weil sie nicht Flüchtlinge im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 seien.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen hat:

Die belangte Behörde ist zwar in den angefochtenen Bescheiden nicht auf den Nachtrag zur Berufungsergänzung vom 13. April 1995 eingegangen, obwohl die angefochtenen Bescheide erst am 19. April 1995 zugestellt wurden. Jedoch rügen die Beschwerden dies nicht. Im übrigen behaupten die Beschwerdeführerinnen in diesem Nachtrag auch keinen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens und legen nicht dar, daß ihnen die nunmehr vorgelegten Bescheinigungsmittel im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich gewesen wären. Sohin liegt keiner der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor. Die belangte Behörde hatte daher ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Unter diesem Aspekt erweist sich das Vorbringen in den Beschwerden, die Beschwerdeführerinnen, ihre Schwester und ihr Bruder seien eines Tages wegen der Weigerung, die islamischen Regeln einzuhalten - die Schwester und sie hätten das Tragen des Schleiers verweigert - inhaftiert, stundenlang verhört und mit schweren Repressalien bedroht worden seien, als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung.

Ausgehend von den erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführerinnen kann der Verwaltungsgerichtshof aber keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide erkennen. Denn zentraler Aspekt des vom § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Die belangte Behörde bewegt sich in ihrer rechtlichen Beurteilung zur Gänze auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodaß ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie die in erster Instanz von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Umstände (allgemeine Diskriminierung, Verspottung, zwangsweise Befassung mit dem Koran und Einhaltung der Bekleidungsvorschriften

Der in beiden Beschwerdefällen gebrauchten zusätzlichen Argumentation der belangten Behörde, die Beschwerdeführerinnen hätten sich "der amtsbekannt strengen iranischen Grenzkontrolle im Rahmen der Ausreise unterzogen", was gegen ein asylrechtlich relevantes subjektives Schutzbedürfnis spreche, kommt bereits aufgrund der obigen Erwägungen keine rechtliche Relevanz zu, sodaß darauf sowie auf das dagegen erstattete Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen war.

Daß der Erstbeschwerdeführerin nach Mitteilung ihres Rechtsfreundes vom 22. Juli 1996 zum Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin mit Schreiben des "United States Departement of Justice" vom 10. Juli 1996 "in den USA eine positive Asylentscheidung ausgestellt" worden sei, kann kein für die Beschwerdeführerinnen günstigeres Ergebnis erbringen.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte